TE Bvwg Beschluss 2018/2/5 W169 2104678-2

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Veröffentlicht am 05.02.2018
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Entscheidungsdatum

05.02.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W169 2104678-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Babara MAGELE als Einzelrichterin in dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2018, Zl. 831314108-171418345, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF sowie § 22 BFA-VG idgF rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 11.09.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er am selben Tag von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wegen rechtswidriger Einreise kontrolliert und festgenommen worden war.

Am gleichen Tag wurde der Beschwerdeführer von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seiner Person gab er an, dass er XXXX heiße und am XXXX in der Provinz Ghazni, Afghanistan geboren worden sei. Er sei Hazare, Moslem und ledig. Von 1982 bis 1987 habe er in Kabul die Grundschule besucht. Er verfüge über eine Berufsausbildung als Spengler und habe diesen Beruf zuletzt auch ausgeübt. Seine Eltern seien bereits verstorben; sonst habe er keine Angehörigen mehr. Als Wohnsitzadresse gab der Beschwerdeführer Kabul, Stadtteil XXXX , an. Er habe seinen Herkunftsstaat von Ghazni aus im Jahr 2001 verlassen und halte sich seit circa zwölf Jahren in der EU (hauptsächlich in Frankreich) auf. In Frankreich und in Holland habe er um Asyl angesucht, in Schweden sei er in Schubhaft gewesen. Zum Fluchtgrund führte er wie folgt aus: "Ich bin wegen der Taliban aus Afghanistan geflüchtet. Ich habe in einer Fabrik gearbeitet und aus dieser Fabrik wurden mehrmals Wertgegenstände gestohlen. Ich habe gesehen, wer gestohlen hat, und trat als Zeuge auf. Die Verwandten der Diebe haben mich daraufhin mit dem Umbringen bedroht. Deshalb bin ich aus Afghanistan geflüchtet." Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr in seinen Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gab er an, er könne dazu konkret nichts angeben. Es seien schon 12 Jahre vergangen und er wisse nicht, ob seine Verfolger noch leben. Sie würden auch nicht wissen, ob er noch lebe. Er könne nicht genau sagen, was ihm bevorstehen würde.

Nachdem jeweils am 13.09.2013 Informationsersuchen im Rahmen des Dublin-Verfahrens an Italien, Frankreich, Niederlande und Schweden gestellt wurden, teilten die jeweiligen Dublin-Behörden mit, dass der Beschwerdeführer in Italien unter dem Nationale XXXX , geboren am XXXX , in Frankreich unter den Identitäten XXXX , geboren am 05.10.1978, sowie XXXX , geboren am XXXX , und in der Niederlande unter dem Nationale XXXX , geboren am XXXX , aufgetreten sei.

2. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 04.12.2013 vor dem Bundesasylamt gab der Beschwerdeführer an, dass er bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe. Er sei nach seinem Aufenthalt in Frankreich von Anfang 2005 bis Anfang 2006 nach Afghanistan zurückgekehrt sei und habe sich bis vor acht oder neun Monaten in seiner Geburtsstadt Ghazni aufgehalten. Auf Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung angegeben habe, bis jetzt in Frankreich aufhältig gewesen zu sein, vor drei oder vier Tagen mit einem Zug nach Rom und von dort anschließend nach Österreich gefahren zu sein, führte der Beschwerdeführer aus, er habe seine Hoffnung verloren, als die Behörden seine Fingerabdrücke beim ersten Interview gefunden hätten. Es sei für ihn egal gewesen, ob er in Afghanistan oder in Frankreich gewesen sei. Er sei komplett durcheinander und müde gewesen. Die Angaben bei der Erstbefragung würden nicht stimmen. Die Frage, ob er zu den bei der Erstbefragung angegebenen Fluchtgründen etwas ergänzen oder hinzufügen wolle, verneinte er. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er, dass ihn die Taliban – egal in welchen Landesteil er sich begeben würde – finden und töten würden. Befragt nach Verwandten in Afghanistan, gab der Beschwerdeführer an, er habe niemanden in Afghanistan. Im Rahmen dieser Einvernahme brachte der Beschwerdeführer einen Ausdruck eines Drohbriefes der Taliban in Vorlage und wurde aufgefordert, den Brief der Taliban samt Original-Postkuvert bis zur nächsten Einvernahme vorzulegen.

3. Bei einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 18.08.2014 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer betreffend seinen Familienstand an, er sei verwitwet. Seine Ehegattin sei im Jahr 2003 verstorben und in Kabul begraben. Sie sei während der Geburt eines Kindes verstorben. Kinder habe der Beschwerdeführer keine. Er habe von 1982 bis 1990 in Kabul die Volksschule und von 1990 bis 1992 ein Gymnasium in Kabul besucht. Von 1992 bis 1993 sei er in Kabul als Geschäftsmann in einer Plastikfabrik selbstständig tätig gewesen. Zu seinem Gesundheitszustand führte er aus, er sei in der Lage, Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen, und habe keine physischen oder psychischen Probleme. Er habe eine psychische Krankheit gehabt; seit zwei Jahren nehme er keine Medikamente, weil er Herzschmerzen davon bekommen habe. In seinem Heimatland sei er diesbezüglich medizinisch behandelt worden und er habe Medikamente verschrieben bekommen. Derzeit habe er keine Krankheiten und er sei in Österreich nicht in ärztlicher Behandlung. Befragt, ob er wegen seiner Krankheit Probleme im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland befürchte, gab der Beschwerdeführer an, in Afghanistan gebe es keine gute Behandlung. Betreffend seine Rückkehr nach Afghanistan gab er an, er habe sich von 2006 bis März/April 2013 in Afghanistan aufgehalten. Er sei von Kabul in die Provinz Ghazni gereist. In Kabul habe er ein Haus, aber er habe sich dort nicht aufhalten können. In Ghazni habe er sich im Haus seiner Großeltern aufgehalten. Es gebe dort auch Grundstücke von seinen Großeltern. Sowohl seine Großeltern väterlicherseits, als auch mütterlicherseits würden in Ghazni leben. Außerdem lebe ein Onkel väterlicherseits noch in Ghazni. Die Häuser und Grundstücke seiner Großeltern würden seinen Cousins väterlicherseits gehören. Er habe keine Geschwister und seine Eltern seien verstorben. Betreffend seinen Fluchtgrund nahm die Befragung den folgenden Verlauf (Auszug aus dem Bescheid; nicht korrigiert):

"F: Was war der konkrete Grund, warum Sie die Heimat verlassen haben? Erzählen Sie bitte möglichst chronologisch über alle Ereignisse, die Sie zum Verlassen der Heimat veranlasst haben!

A: Als ich in Ghazni war, war ich krank. Als es mir dann besser ging, habe ich dann angefangen Wald zu kaufen, das Holz zu schneiden, nach Kabul zu schicken und es dort zu verkaufen. Ich kaufte in der Provinz Ghazni und Provinz Maidan viele Wälder, habe Holz gemacht und habe dies nach Kabul geschickt und dort verkauft. Im Dorf XXXX , Provinz Maidan, gab es Talibankämpfer und wurde vom afghanischen Militär und den ISAF eine Operation gegen die Taliban geführt. Das erste Mal habe ich ohne Probleme von dieser Gegend Holz gekauft. Ich habe auch ein zweites Mal Wald gekauft. Ich war dort fünf Tage und wurden dreimal auf dieses Gebiet Bomben abgeworfen. Ich hatte sechs Angestellte und drei davon waren Mitglieder der Taliban. Ein Mitarbeiter, welcher Mitglied der Taliban war, hat zu mir gesagt, dass der Talibankommandant mit mir reden will. Ich bin dann mit diesem zum Kommandanten mitgegangen. Dieser sagte mir, dass ich schon das zweite Mal in diesem Gebiet bin und dass er vermutet, dass ich Spionage für die afghanische Regierung und die ISAF mache. Die afghanische Regierung hat eine Operation in der Gegend gemacht und das zweite Mal wurden wir bombardiert. Er fragte mich, für wen ich spioniere, für die afghanische Regierung oder die ausländischen Einheiten. Ich wurde eine Woche angehalten und geschlagen. Nach einer Woche ist ein Mann von Kabul gekommen, der einmal für den Geheimdienst der ehemaligen Regierung gearbeitet hat und jetzt für die Taliban arbeitet. Er hat mich befragt, ob ich für die Regierung oder die ausländischen Einheiten spioniere. Ich sollte dann die Taliban finanzieren und auch für die Taliban spionieren. Ein paar Tage später wurde nochmal die Gegend bombardiert und ein Berg getroffen. Ich wurde in einem Haus angehalten, das Haus wurde durch die Bombardierung getroffen, es war ein Loch in der Wand, und so konnte ich flüchten. Die Taliban waren dann auch alle weg. Ich habe niemanden mehr gesehen. Ich bin dann wieder zum Distrikt Malestan, Provinz Ghazni, gegangen, wo ich gewohnt habe und habe ich mich dort dann bis zur Ausreise, vier Tage lang, aufgehalten. Von dort bin ich nach Kabul und wollte ich mit dem Geschäftspartner, der mir das Holz abgekauft hat, reden. Als ich nach Kabul kam, hab ich gesehen, dass das Lager meines Geschäftspartners geschlossen hatte. Da habe ich mir vorgestellt, dass es sicher Probleme gab, weil das Geschäft geschlossen wurde. Ich bin dann zum Haus meines Geschäftspartners gegangen, ich habe versucht ihn zu erreichen. Sein Sohn kam raus und sagte mir, dass sein Vater nicht zuhause sei. Ich gab ihm meine Telefonnummer und sagte, dass er mich zurückrufen soll. Er hat mich dann am nächsten Tag zurückgerufen und gesagt, dass vor zwei Tagen die Taliban bei ihm gewesen wären und nach mir, nach seinem Geschäftspartner, gefragt hätten. Mein Geschäftspartner sagte mir, dass er sich im Distrikt Charasia, in Kabul, aufhält und dort habe ich mich dann mit ihm getroffen. Er erzählte mir, dass bei ihm zwei Taliban waren, nach mir gefragt haben und ihm erzählt hätten, dass ich ein Spion für die afghanische Regierung und die Ausländer sei und dass sie mich haben wollen. Ich wollte zurück nach Hause, habe mit meinem Cousin telefoniert, dieser erzählte mir, dass zwei unbekannte nach mir gefragt haben. Diese sagten zu ihm, dass er mitarbeiten müsse und mich an die Taliban abgeben muss. Die Taliban haben meinem Cousin einen Drohbrief übergeben, wo steht: "Wir warnen dich. Du sollst dich mit uns, den Taliban, einigen und mit uns zusammenarbeiten." Ich habe mich dann zwei Wochen in Charasia, gemeinsam mit meinem Geschäftspartner, aufgehalten. In diesen zwei Wochen habe ich meinem Cousin, der in Malestan lebt, angerufen und dieser hat mir erzählt, dass mehrmals Talibanmitglieder da waren und nach mir gefragt haben. Mein Geschäftspartner wurde auch mehrmals angerufen und bedroht. Ich habe mich dann entschlossen Afghanistan zu verlassen. Ich konnte mich nicht mehr verstecken.

F: Wollen Sie sonst noch irgendetwas dazu angeben?

A: Nein.

F: Warum konnten Sie sich nicht mehr verstecken?

A: Wie lange sollte ich mich verstecken. Talibanmitglieder sind überall, in jeder Provinz und in jedem Dorf.

F: Wie sollen Sie von allen Talibanmitgliedern erkannt werden?

A: Aufgrund von einem Foto kann ich erkannt werden.

F: Woher haben die Taliban ein Foto von Ihnen?

A: Als ich von den Taliban festgenommen wurde.

F: Wo wurden Sie festgenommen?

A: Im Distrikt Djgatu.

F: Wo wurden Sie angehalten?

A: In XXXX .

F: Wo wurden Sie angehalten?

A: In einem Haus, wo Taliban waren. Dort haben sich mehrere Taliban aufgehalten.

F: Wie viele?

A: Es waren circa 200 bis 300 Taliban in der Gegend.

F: Wo befand sich dieses Haus?

A: In einem Dorf. Das ganze Dorf bestand aus Talibanmitglieder. In diesem Haus, in dem ich war, waren circa 40 bis 50 Talibankämpfer.

F: Wie lange wurden Sie dort angehalten?

A: Circa eine Woche.

F: Wurden dort auch noch andere Leute angehalten?

A: Ja, eine weitere Person, aber ich habe ihn nicht gesehen, sondern nur gehört, wie er schreit.

F: Warum wurden Sie angehalten?

A: Weil sie vermuteten, dass ich für die Regierung oder die ausländischen Einheiten spioniere.

F: Was wurde dort mit Ihnen gemacht?

A: Ich wurde geschlagen. Meine Füße wurden in kaltes Wasser getaucht und gefragt, ob ich für die Regierung oder die ausländischen Einheiten arbeite.

F: Wie ist es möglich, dass drei Ihrer Angestellten Taliban waren?

A: Dort wo ich gearbeitet habe, das ganze Dorf bestand aus Talibanmitglieder.

F: Warum haben Sie gerade dort gearbeitet, wenn Sie wissen, dass das ganze Dorf aus Talibanmitgliedern besteht?

A: Ich wusste ja nicht, dass so was mit mir passieren kann. Ich dachte einfach ich mache Geschäfte.

F: Wie heißt dieses Dorf?

A: Dorf XXXX .

F: Wie weit ist Ghazni von Maidan entfernt?

A: Circa zwei Stunden mit dem Auto.

F: Wie weit ist Ghazni von Djgatu entfernt?

A: Eine Stunde.

F: Wo wurden Sie von den Taliban angehalten?

A: Im Dorf XXXX .

F: Wie war es Ihnen möglich von dort zu fliehen?

A: Das Dorf wurde bombardiert, die Taliban waren dann weg, die Wand des Hauses war weg und ich konnte weglaufen.

F: Was war mit den anderen Hausbewohnern?

A: Die sind auch weggelaufen.

F: Was war mit den anderen Dorfbewohnern?

A: Die sind weggelaufen und haben sich in den Bergen versteckt.

F: Wie kamen Sie nach Ghazni zurück?

A: Ich bin ein kleines Stück zu Fuß und mit einem Auto nach Ghazni mitgefahren.

F: Haben Sie sich an die Polizei gewandt?

A: Nein.

F: Warum nicht?

A: Zu meinem Geschäftspartner wurde gesagt, dass man uns umbringt, wenn wir zur Polizei gehen.

F: Wer war der Geschäftspartner?

A: XXXX .

F: Wie war der Name Ihrer Firma?

A: Es gibt keinen Namen.

F: Wie lange haben Sie Holz gemacht und dann verkauft?

A: Circa 18 Monate. Mein Geschäftspartner hat schon länger gearbeitet.

F: Wollen Sie sonst noch irgendetwas dazu angeben?

A: Seit 2003, als ich das erste Mal Afghanistan verlassen habe, habe ich sehr vieles erlebt. Ich hatte bis heute keinen einzigen guten Tag, ich bitte sie mir zu helfen.

F: Wollen Sie zu Ihrem Ausreisegrund noch etwas hinzufügen?

A: Nein.

( )

F: Möchten Sie zum Fluchtweg noch etwas angeben, was Ihnen wichtig ist?

A: Nein.

F: Warum sind Sie freiwillig wieder nach Afghanistan zurück?

A: Ich hatte keine andere Möglichkeit. Wie lange sollte ich noch auf der Straße schlafen. Eineinhalb Jahre hatte ich schon auf der Straße in Frankreich geschlafen.

F: Sind Sie in Ihrer Heimat oder in einem anderen Land vorbestraft?

A: Nein.

F: Werden Sie in der Heimat von der Polizei, einer Staatsanwaltschaft, einem Gericht oder einer sonstigen Behörde gesucht?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat jemals von den Behörden angehalten, festgenommen oder verhaftet?

A: Nein.

F: Hatten Sie in Ihrer Heimat Probleme mit den Behörden?

A: Nein.

F: Waren Sie in Ihrer Heimat jemals Mitglied einer politischen Gruppierung oder Partei?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer politischen Gesinnung verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Rasse verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Religion verfolgt?

A: Nein.

F: Wurden Sie in Ihrer Heimat von staatlicher Seite jemals wegen Ihrer Nationalität, Volksgruppe oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt?

A: Nein.

F: Was hätten Sie im Falle einer eventuellen Rückkehr in Ihre Heimat konkret zu befürchten?

A: Die Taliban würden mich umbringen.

F: Hätten Sie Probleme mit der Polizei oder anderen Behörden im Falle Ihrer Rückkehr?

A: Nein.

F: Warum sind Sie nicht in eine andere Stadt oder in einen anderen Landesteil gezogen?

A: Ich bin ein Geschäftsmann und ich muss weiter arbeiten. Wenn ich wieder zum arbeiten anfangen würde, würden mich diese wieder erkennen.

F: Wissen Sie über die aktuelle politische Lage und über die Sicherheitslage in Ihrer Heimat bescheid?

A: Ja, darüber weiß ich bescheid.

( )"

Im Rahmen dieser Einvernahme legte der Beschwerdeführer vier Rezepte ausgestellt in den Jahren 2009, 2010 und 2011, eine Bestätigung über einen Spitalsaufenthalt im Jahr 2009 und den in der Einvernahme am 04.12.2013 bereits als Ausdruck in Vorlage gebrachte Drohbrief der Taliban jeweils im Original vor. Dazu gab der Beschwerdeführer an, die afghanischen Rezepte würden aus den Jahren 2010 und 2011 stammen. Die Bestätigung des Spitals stamme vom 27.08. bis 02.09.2009 wegen seiner psychischen Krankheit.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 idgF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG idgF gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG idgF erlassen sowie festgestellt, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Zum Fluchtgrund hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beweiswürdigend fest, das Vorbringen des Beschwerdeführers entspreche aufgrund von Ungereimtheiten bzw. Widersprüchlichkeiten nicht der Wahrheit und sei vom Beschwerdeführer konstruiert worden. Begründet wurde dies wie folgt (Auszug aus dem Bescheid; nicht korrigiert):

"Gegen die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens spricht zudem, dass sich aus Ihrem Vorbringen Ungereimtheiten bzw. Widersprüchlichkeiten ergeben. So gaben Sie bei Ihr Datenaufnahme, am 18.08.2014, vor der ho. Behörde an, dass Sie Ihren Herkunftsstaat circa 2001 verlassen haben. Weiters brachten Sie laut Aktenvermerk vom 11.09.2013, des Polizeikommissariat Wiener Neustadt, Fremdenpolizeiliche Angelegenheit vor, dass Sie sich seit 2004 in Europa (beinahe den gesamten Zeitraum in Frankreich) aufgehalten hätten. In Frankreich wäre Ihr Asylantrag abgewiesen worden, weshalb Sie sich entschlossen hätten nun in Österreich einen Asylantrag zu stellen. Auch bei der Erstbefragung nach dem AsylG – Niederschrift – vom 11.09.2013, vor dem Polizeianhaltezentrum Wiener Neustadt, gaben Sie an, dass Sie sich seit 12 Jahren in der EU, hauptsächlich in Frankreich, aufgehalten hätten.

Trotz Vorhalt konnten Sie diesen nicht auf nachvollziehbare Art und Weise entgegentreten. Bei Ihrer zweiten Einvernahme vor der EAST-Ost, vom 04.12.2013 dazu befragt brachten Sie vor, dass Ihre Angaben von der Erstbefragung nicht stimmen würden, da Sie müde und durcheinander gewesen wären.

Bei der ho. Behörde, am 18.08.2014, dazu befragt brachten Sie vor, dass es sich um ein Missverständnis handeln würde und Sie gemeint hätten, dass Sie von Afghanistan über Rom nach Österreich gereist wären. Dies kann nur als reine Schutzbehauptung gewertet werden.

Auch brachten Sie neuerlich dazu befragt an, ob Sie sich an Ihre Angaben vom 11.09.2013, erinnern würden vor an, dass Sie sich daran erinnern würden, Ihre Angaben vollständig wären und Sie die Wahrheit gesagt hätten.

Gegen die Unglaubwürdigkeit Ihres Vorbringen spricht auch der Umstand, dass Sie vor der LPD Wiener Neustadt am 11.09.2013 zu Ihrem Ausreisegrund, wenn auch nur kurz dazu befragt, vorbrachten, dass Sie wegen der Taliban aus Afghanistan geflüchtet seien, da sie in einer Fabrik gearbeitet hätten aus welcher mehrmals Wertgegenstände gestohlen wurden. Sie hätten dies gesehen, wären als Zeuge aufgetreten und nunmehr von Verwandten der Diebe mit dem Umbringen bedroht worden. Aufgrund dessen wären Sie Afghanistan geflüchtet. Bei Ihrer Einvernahme vor der ho. Behörde am 18.08.2014, brachten Sie jedoch einen ganz anderen Ausreisegrund - dass Sie als Geschäftsmann tätig waren und Handel mit Holz betrieben hätten – vor, welcher nicht einmal im Geringsten etwas mit dem vor der LPD Wiener Neustadt, am 11.09.2013, vorgebrachten zu tun hat.

Vielmehr geht die ho. Behörde davon aus, dass Sie sich bereits seit zumindest 2004 – seit Ihrer Asylantragstellung in Frankreich - im Europäischen Raum aufhalten und Sie diesen bis dato nicht verlassen haben.

Würden die von Ihnen vor der ho. Behörde vorgebrachten Ausreisegründe der Wahrheit entsprechen, hätten Sie auch schon bei Ihrer ersten, wenn auch kurzen Einvernahme, anders lautende Ausreisegründe angegeben.

Angesichts des von Ihnen in Vorlage gebrachten Drohbrief der Taliban und den Rezepten, kann diesen keine Beweiskraft zukommen, zumal dieses von jeder beliebigen Person geschrieben werden kann. ( )"

Rechtlich hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer mit dem von ihm präsentierten Sachverhalt eine Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Konventionsgründen ebenso wenig objektiv vorzubringen vermochte wie wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Der von ihm vorgebrachte Sachverhalt biete daher keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG 2005.

Zu Spruchpunkt II. wurde ausgeführt, auf Basis der Sachverhaltsfeststellungen liege keine aktuelle Bedrohung im Sinne von § 8 AsylG 2005 vor. Der Beschwerdeführer könne als junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann ohne eine Gefährdung befürchten zu müssen, insbesondere in das hinreichend sichere, von der Regierung beherrschte und vom Ausland ohne Probleme zu erreichende Kabul zurückkehren.

Betreffend Spruchpunkt III. wurde festgehalten, die Ausweisung des Beschwerdeführers stelle keinen Eingriff in das Familienleben dar und greife nicht in unzulässiger Weise in sein Recht auf Schutz des Privatlebens ein, zumal aufgrund der kurzen Aufenthaltsdauer und mangels Vorliegens sonstiger Anknüpfungspunkte die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde erhoben. Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die von ihm in Vorlage gebrachten Dokumente keiner ausreichenden Übersetzung zugeführt worden seien bzw. sei aus der Entscheidung nicht ersichtlich, warum deren Echtheit abgesprochen worden sei. Es sei nicht klar, wie die Behörde zu dem nicht logischen Schluss komme, dass er Europa nie verlassen habe. Während seines Aufenthalts in Afghanistan habe er eine Firma gemeinsam mit seinem Freund betrieben und sie hätten Holz verkauft, was von den ISAF-Truppen gekauft worden sei. Im Übrigen sei ihm subsidiärer Schutz zu gewähren. Die derzeitige Situation in Afghanistan gestalte sich so, dass er im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbarer Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre. Er könne mit keiner nennenswerten Unterstützung in Afghanistan rechnen, weshalb ihm die Lebensgrundlage entzogen wäre. Eine Abschiebung bringe sohin die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK mit sich.

6. Nachdem der Beschwerdeführer im Wege seines Rechtsvertreters am 08.11.2016 einen Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof stellte, fand am 12.12.2016 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

7. Am 23.12.2016 langte eine Stellungnahme zu den in der Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderinformationen ein. Darin wurde unter Hinweis auf die UNHCR-Richtlinien bezüglich afghanischer Flüchtlinge ausgeführt, dass die Verfolgungssituation des Beschwerdeführers glaubwürdig sei. Im Falle einer Rückkehr würde er in eine ausweglose Lage geraten und seine durch Art. 2 und Art. 3 EMRK geschützten Rechte verletzt werden, weil er bereits lange Zeit im westlichen Ausland verbracht habe, aus seiner Heimat entwurzelt sei, kein adäquates soziales Auffangnetz in seiner Heimat besitze, die allgemeine Sicherheitslage weder sicher noch stabil sei und insbesondere seine Heimatprovinz besonders von der terroristischen Aktivität der Taliban betroffen sei.

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.06.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und aufgefordert aktuelle medizinische Unterlagen vorzulegen als auch zu seinem Privat,- und Familienleben sowie Integration Stellung zu nehmen.

9. Mit Schreiben vom 09.07.2017 nahm der Beschwerdeführer u.a. wie folgt Stellung: "Hinsichtlich der Situation in Afghanistan und des Asylverfahrens des Beschwerdeführers ist dem bereits vorgebrachten hinzuzufügen, dass sich an der Gefahr des Beschwerdeführers, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, nicht verbessert hat. Er verfügt über keinerlei soziales oder familiäres Auffangnetz in seiner Heimat mehr, er ist aus seiner Heimat entwurzelt, und im Falle einer Rückkehr wäre davon auszugehen, dass er in eine ausweglose Lage geraten würde. Von einer Verbesserung der allgemeinen Situation kann daher überhaupt keine Rede sein, auch nicht in Kabul, wo es erst vor wenigen Tagen einen furchtbaren Terroranschlag gegeben hat, bei dem zumindest 90 Menschen getötet und über 400 verletzt wurden."

10. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2017, Zahl W222 2104678-1/14E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2015 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 46, 52 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Begründend wurde im Erkenntnis ausgeführt, dass die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen nicht glaubwürdig seien, zumal sein diesbezügliches Vorbringen auf Grund zahlreicher Widersprüche und Ungereimtheiten nicht glaubhaft sei. Auch das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara in Afghanistan sei zu verneinen. Weiters wurde festgehalten, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben seien. Zur Sicherheitslage in der über den Flughafen gut erreichbaren Stadt Kabul gehe aus den Länderfeststellungen hervor, dass die afghanische Regierung weiterhin die Kontrolle über Kabul behalte. Im Vergleich zu anderen Provinzen Afghanistans sei die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle im unteren Bereich (vgl. dazu jene Provinzen, mit einer deutlich höheren Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen: Nangarhar (1901), Kandahar (1880), Helmand (1828), Kunar (1470) und Ghazni (1292)) einzuordnen. Die schwierige Sicherheitssituation in Kabul sei vor allem auf vereinzelte Anschläge zurückzuführen, die sich jedoch hauptsächlich im Nahebereich von staatlichen Einrichtungen (etwa Regierungs- und Polizeigebäude) oder von NGO-Gebäuden ereignen würden. Diese Gefährdungsquellen seien jedoch in reinen Wohngebieten nicht anzunehmen, weshalb die Sicherheitslage in der Stadt Kabul als ausreichend sicher zu bewerten sei. Aus den Feststellungen zu Kabul könne sohin nicht abgeleitet werden, dass bereits jeder, der dort lebe, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch die dort herrschende Sicherheitslage im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wäre.

Auch im Hinblick auf die individuellen Lebensumstände des Beschwerdeführers sei diesem eine Rückkehr in die Stadt Kabul zumutbar. Er sei ein grundsätzlich gesunder, arbeitsfähiger Mann im erwerbsfähigen Alter und spreche Dari. Da er in Kabul aufgewachsen sei und dort den weit überwiegenden Teil seines Lebens wohnhaft gewesen sei, sei er auch nach seinem mehrjährigen Aufenthalt im Ausland noch hinreichend mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut, was ihm die Suche nach einer Unterkunft und einem Arbeitsplatz erleichtern werde. Zudem habe er elf Jahre lang eine Schulbildung genossen und verfüge über Berufserfahrung in Kabul, wo er in leitender Position in einer Plastikfabrik tätig gewesen sei. Aufgrund dieser Umstände sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer auch ohne familiäre Anknüpfungspunkte in Kabul seinen notwendigen Lebensunterhalt sichern können werde, wobei es ihm auch zumutbar sei, vorübergehend eine Gelegenheitstätigkeit aufzunehmen. Dabei werde nicht verkannt, dass sich die Versorgungslage, Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche in Kabul als schwierig erweise, jedoch könne der Beschwerdeführer bis zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Inanspruchnahme von Rückkehrhilfe bei einer freiwilligen Rückkehr zumindest übergangsweise in Kabul das Auslangen finden oder im Falle einer Abschiebung Unterstützung von IOM (etwa Unterbringung bis zu zwei Wochen im IOM-Empfangszentrum) in Anspruch nehmen. Außerdem seien keine Gründe ersichtlich, warum der Beschwerdeführer notfalls nicht auch auf finanzielle Unterstützung seiner in Ghazni lebenden Cousins zurückgreifen könne. Eine reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung von Art. 3 EMRK in Bezug auf Kabul könne aufgrund dieser Erwägungen nicht erkannt werden. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der Beschwerdeführer somit nicht in den Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden. Weder drohe dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substantiell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gelte für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden. Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, seien nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Er befinde sich erst seit September 2013 im Bundesgebiet und könne daher die vorliegende Aufenthaltsdauer von ca. vier Jahren für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers bewirken. Sein Aufenthalt werde zudem dadurch relativiert, dass er bloß auf Grund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig gewesen sei, was dem Beschwerdeführer bewusst gewesen sein müsste. Ausgeprägte private und öffentliche Interessen habe der Beschwerdeführer im Verfahren nicht dargetan, wie etwa eine regelmäßige Beschäftigung oder ein soziales Engagement. Auch Kenntnisse der deutschen Sprache hätten nicht festgestellt werden können. Es sei sohin davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers kein relevanter Grad an Integration im Bundesgebiet erreicht worden sei, zumal die Schutzwürdigkeit seines Privat- und Familienlebens in Österreich auf Grund des Umstandes, dass er seinen Aufenthalt nur auf einen im Ergebnis nicht berechtigten Asylantrag gestützt habe, nur in geringem Maße gegeben sei. Seine zu Österreich bestehenden Bindungen seien im Vergleich zu jenen seines Herkunftsstaates relativ schwach ausgeprägt. Der Beschwerdeführer habe den überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens in Afghanistan verbracht, sei dort aufgewachsen, habe die Schule besucht und sei berufstätig gewesen. Er beherrsche eine Landessprache des Herkunftsstaates und sei trotz seines mehrjährigen Aufenthaltes im Ausland noch hinreichend mit den Gegebenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut. Zudem habe er dort verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte durch seine Cousins. Ein Vergleich der Lebensverhältnisse führe sohin zu einem Überwiegen der Bindungen zu Afghanistan, weshalb die verfügte Rückkehrentscheidung auch vor diesem Hintergrund keine zumutbaren Härten aufweise. Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich nicht straffällig geworden sei, bewirke keine Erhöhung des Gewichtes der Schutzwürdigkeit der persönlichen Interessen an einem Aufenthalt in Österreich, da das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründen für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen darstellen würden. Die Dauer des Verfahrens übersteige auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen sei, sodass im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen sei, dass allein schon die lange Dauer des Asylverfahrens einen wichtigen, im Rahmen der Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK zu berücksichtigenden Gesichtspunkt darstelle. Es sei daher davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet nur geringes Gewicht hätten und gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hoher Stellenwert zukomme, in den Hintergrund treten würden. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung sei daher im vorliegenden Fall geboten und auch nicht unverhältnismäßig. Die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat sei gegeben, da nach den die Abweisung seines Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen der vorliegenden Entscheidung keine Gründe vorliegen würden, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würde. Die Frist für die freiwillige Ausreise sei vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht mit 14 Tagen festgelegt worden, da keine besonderen Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, vom Beschwerdeführer vorgebracht worden seien.

11. Mit Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 15.12.2017 wurde die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung der Beschwerde gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.09.2017 abgewiesen.

12. Am 25.12.2017 stellte der Beschwerdeführer einen zweiten, den gegenständlichen, Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Beschwerdeführer aus, dass er seit Beendigung seines ersten Asylverfahrens Österreich nicht verlassen habe. Er stelle einen neuen Asylantrag, weil er in Österreich "keinen Platz mehr" habe, zumal er bis 12.12.2017 in einem Asylquartier im Burgenland untergebracht worden sei. Er habe den negativen Bescheid vom Bundesamt erhalten. Auch seine Beschwerde sei vom Bundesverwaltungsgericht abgelehnt worden. Am 12.12.2017 sei dann die Polizei zu ihm ins Quartier gekommen, habe ihn festgenommen und ihn ins PAZ nach Wien gebracht. Anschließend sei er von der Polizei zur afghanischen Botschaft geführt und danach am 13.12.2017 entlassen worden. Einige Tage und Nächte habe er sich im Burgenland in Flüchtlingshäusern aufgehalten und dann einige Zeit bei Bekannten in Wien genächtigt. Danach habe er wieder für mehrere Tage in Flüchtlingshäusern im Burgenland gelebt. Gestern sei er nach Wien gefahren, wobei er die Nacht bei der U-Bahnstation am Prater verbracht habe. Heute stelle er einen neuen Asylantrag. Bei der afghanischen Botschaft sei ihm mitgeteilt worden, dass er keine Chance auf Asyl in Österreich habe und er wahrscheinlich nach Afghanistan abgeschoben werde. Er habe in Österreich keine Bezugspersonen und habe jetzt keine Möglichkeit mehr in einem Asylquartier unterzukommen. Seine alten Fluchtgründe von damals, welche er im ersten Asylverfahren angegeben habe, seien weiterhin aufrecht. Er habe keine weiteren Gründe für eine Asylantragstellung. Im Falle einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst, dass er von den Taliban wegen der damaligen Probleme getötet werden könnte.

13. Am 30.01.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Dabei führte der Beschwerdeführer aus, dass er zur Zeit leichte Kopfschmerzen habe, der Einvernahme aber ohne Probleme folgen könne. Auf die Frage, ob er derzeit in ärztlicher Behandlung stehe oder Medikamente nehmen müsse, gab der Beschwerdeführer an, dass er im neuen Quartier nicht in ärztlicher Behandlung stehe. Er habe "Probleme mit dem Kopf", diese habe er schon in Afghanistan gehabt. Er habe neue Befunde gehabt, welche er aber verloren habe. In Österreich lebe er in einem Lager. Wenn er dürfe, wolle er in Österreich arbeiten. Er habe im Bundesgebiet für ein bis zwei Monate einen Deutschkurs besucht, habe nicht gearbeitet und lebe von der Grundversorgung. Auf die Frage, ob er in Österreich Mitglied in einem Verein oder in einer Organisation sei, gab der Beschwerdeführer an, dass er Fußball gespielt habe. Nach Vorhalt, dass er eine Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 Z 4 und 6 AsylG erhalten habe, womit ihm mitgeteilt worden sei, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 AVG zurückzuweisen und den faktischen Abschiebungsschutz aufzuheben und er nun Gelegenheit habe, zu dieser geplanten Vorgangsweise Stellung zu nehmen, gab der Beschwerdeführer an, dass er bitte, ihm Schutz zu gewähren. Er könne Berufe erlernen, aber im Burgenland habe er diese Möglichkeit nicht. Er könne als Maurer, Schlosser und Maler arbeiten. Auf die Frage, ob sich an seinen Fluchtgründen seit der Rechtskraft (des Vorverfahrens) etwas verändert habe, gab der Beschwerdeführer an, dass einflussreiche Personen in seiner Heimat erfahren hätten, dass er im Ausland sei und ihm unterstellen würden, dass er ein ungläubiger Mensch sei. Dies habe er vor neun Monaten am Telefon von seinem Onkel und dessen Sohn erfahren. Sein Onkel sei zwei Wochen nach dem Telefonat verstorben. Auf die Frage, warum er dieses Vorbringen nicht schon bei der Erstbefragung am 25.12.2017 vorgebracht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht gefragt worden sei. Nach Vorhalt, dass er diesbezüglich sehr wohl gefragt worden sei, führte der Beschwerdeführer aus, dass er vergessen habe, dies vorzubringen. Dies seien nun alle seine Fluchtgründe gewesen. Darüber hinaus sei die Sicherheitslage in Ghazni schlimmer geworden. Auf die Frage, warum er das "neue Vorbringen", das er es schon neun Monate wissen würde, nicht im ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vorgebracht habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er dieses bei der mündlichen Verhandlung am 12.12.2016 noch nicht gewusst habe. Beweismittel hinsichtlich seiner Verfolgung bzw. Gefährdung in Afghanistan könne er nicht vorlegen. Nach Vorhalt, dass das von ihm dargebrachte Vorbringen insgesamt nicht geeignet sei, einen neuen entscheidungs-, nonrefoulement- bzw. asylrelevanten Sachverhalt zu begründen, da es keinen glaubhaften Kern aufweise und daher beabsichtigt sei, seinen Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe Probleme in meiner Heimat, welche ich Ihnen heute gesagt habe. Die Grundstücke, wo wir gearbeitet haben, wurden uns weggenommen, weil sie gesagt haben, ich bin ein ungläubiger Mensch". Er habe heute Gelegenheit gehabt, alles zu sagen. Dies entspreche "zu 100 der Wahrheit".

Der bei der Einvernahme anwesende Rechtsberater stellte keine Fragen bzw. Anträge.

14. Mit dem mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2018 wurde der faktische Abschiebungsschutz gemäß § 12 AsylG gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und Feststellungen zur aktuellen Situation in Afghanistan ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren auf die von ihm bereits im Erstverfahren vorgebrachten Fluchtgründe bezogen habe. Hierzu sei anzumerken, dass dieses Vorbringen im Vorverfahren bereits ausreichend gewürdigt und festgestellt worden sei, dass die Fluchtgründe des Beschwerdeführers hinsichtlich einer Verfolgung durch die Taliban nicht glaubwürdig seien. Das neue Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach einflussreiche Personen in seiner Heimat erfahren hätten, dass er sich im Ausland aufhalte und ihn als Ungläubigen ansehen würden, weise keinen glaubhaften Kern auf und habe auch durch keine Beweismittel belegt werden können.

Die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei seit der Entscheidung über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen unverändert. Der diesbezüglich für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in Afghanistan in Verbindung mit seinem Vorbringen drohe dem Beschwerdeführer keine Verletzung wie in

§ 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben. Sein neuer Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich auch diesbezüglich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass im Fall des Beschwerdeführers ein Folgeantrag vorliege, weil sein Vorverfahren rechtskräftig entschieden sei. Die gegen ihn ausgesprochene Rückkehrentscheidung sei aufrecht, zumal der Beschwerdeführer zwischenzeitlich das Bundesgebiet nicht verlassen habe. Er verfüge über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz sei voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht und er sich auf seine schon behandelten Fluchtgründe bezogen habe, welche bereits als unglaubwürdig gewertet worden seien. Das neue Vorbringen des Beschwerdeführers weise keinen glaubhaften Kern auf. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers habe sich nicht entscheidungsrelevant geändert. Bereits im Vorverfahren sei festgestellt worden, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität drohe. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung nicht maßgeblich geändert hätten, könne davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in seinen Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen werde. Selbiges gelte für seine persönlichen Verhältnisse, auch bezüglich dieser sei keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung, die in Rechtskraft erwachsen sei, sei somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsstaat in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG beschrieben drohe. Es würden somit alle Voraussetzungen für die Aufhebung des Abschiebeschutzes vorliegen, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt und den Gerichtsakten des Beschwerdeführers.

2. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

2.1. Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde (Z 1), kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt (Z 2), im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben (Z 3), und eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist (Z 4).

Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufheben, wenn gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1), der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 ist im Sinne dieses Bundesgesetzes ein Folgeantrag jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag.

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden. Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind gemäß § 22 Abs. 2 BFA-VG mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22 Abs. 3 BFA-VG binnen acht Wochen zu entscheiden.

2.2. Das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.09.2013 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.09.2017 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.12.2017 handelt es sich somit um einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

2.3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.09.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2015 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

2.4. Mit Bescheid vom 11.03.2015 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG erlassen. Die Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.09.2017 rechtskräftig abgewiesen.

Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben gemäß § 12a Abs. 6 AsylG 2005 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn, es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Da der Beschwerdeführer seit dem rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens Österreich nicht verlassen hat, ist die Rückkehrentscheidung gegen ihn weiterhin aufrecht.

2.5. Der Antrag vom 25.12.2017 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist:

Eine maßgebliche Änderung der Rechtsgrundlage ist nicht eingetreten.

Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048; 13.11.2014, Ra 2014/18/0025; 31.07.2014, 2013/08/0163; vgl. dazu ausführlich die – zu einer früheren Rechtslage des AsylG 2005 getätigten, aber auch auf die nunmehrige Rechtslage übertragbaren – Erwägungen in VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Im Folgeantragverfahren können – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (vgl. VwGH 08.09.2015, Ra/2014/18/0089).

Der Beschwerdeführer behauptet keine neue Sachverhaltsänderung, er behauptet ausdrücklich das Fortbestehen der bereits im ersten Asylverfahren geschilderten – und für unglaubwürdig befundenen – fluchtauslösenden Umstände, da er bei der Erstbefragung am 25.12.2017 ausdrücklich angab, dass seine alten Fluchtgründe, welche er im ersten Asylverfahren angegeben habe, weiterhin aufrecht seien. Weitere Gründe für eine neue Antragstellung habe er nicht.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.01.2018, wonach einflussreiche Personen in seiner Heimat erfahren hätten, dass sich der Beschwerdeführer im Ausland aufhalte und diese ihm unterstellen würden, dass er ein ungläubiger Mensch sei, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer dies – laut seinen eigenen Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.01.2018 – bereits vor neun Monaten von seinem Onkel telefonisch erfahren haben will. Da dem Beschwerdeführer dieses "neue Vorbringen" somit bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bekannt war, er dieses aber im ersten Asylverfahren nicht vorgebracht hat, kann dies – entsprechend der oben dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes – zu keiner neuen Sachentscheidung führen. Darüber hinaus weist dieses Vorbringen auch keinen "glaubhaften Kern" im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auf, zumal er dieses bei der Erstbefragung am 25.12.2017 mit keinem Wort erwähnte, sondern dort lediglich angab, dass seine Fluchtgründe aus dem ersten Asylverfahren weiterhin aufrecht seien und es keine weiteren Gründe für die gegenständliche Antragstellung gäbe. Auf Vorhalt in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.01.2018, warum er das "neue Vorbringen" , das er heute angegeben habe, bei der Erstbefragung am 25.12.2017 nicht angeführt habe, gab der Beschwerdeführer vorerst an, dass er dies sehr wohl angegeben habe. Nach weiterem Vorhalt des diesbezüglichen Einvernahmeprotokolls führte der Beschwerdeführer schließlich an, dass er vergessen habe, dies vorzubringen. Wieso der Beschwerdeführer dieses "neue Vorbringen" bei der Erstbefragung am 25.12.2017 einfach "vergessen" hat, ist nicht nachvollziehbar und hat der Beschwerdeführer auch nicht plausibel erklärt. Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer auch nicht nachvollziehbar darlegen, warum er dieses neue Vorbringen, dass er schon seit neune Monaten wissen würde, nicht bereits im ersten Asylverfahren vorgebracht hat, weshalb das Bundesverwaltungsgericht davon ausgeht, dass dieses Vorbringen keinen "glaubhaften Kern" im Sinne der obzierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aufweist.

Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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