Entscheidungsdatum
31.01.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L516 2173972-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , staatenlos (Herkunftsstaat: Iran), vertreten durch Mag.a Irene OBERSCHLICK, Rechtsanwältin, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.08.2017, Zahl 1001895706 - 14107999, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer lebte bis zu seiner Ausreise im Jahr 2013 im Iran und stellte am 16.02.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 16.02.2014 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 15.04.2014 und am 01.08.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.
1.1. Der Beschwerdeführer brachte im Verfahren vor dem BFA zu seinen Ausreisegründen im Wesentlichen vor, er gehöre der Volksgruppe der Khawari an, sei staatenlos und illegal im Iran aufhältig gewesen, da der Iran seine Volksgruppe nicht anerkenne. Er könne nicht legal arbeiten und habe weder er noch seine Familie Land oder Vermögen. Im Iran könne er sich ein Leben nicht leisten, er habe keine Perspektive.
2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
3. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihn am 01.09.2017 zugestellten Bescheid des BFA Beschwerde erhoben (Schriftsatz datiert mit 11.09.2017, eingelangt beim BFA am 15.09.2017) und diesen zur Gänze angefochten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX , Iran, geboren und lebte bis zu seiner Ausreise im Jahr 2013 im Iran. Der Beschwerdeführer ist Angehöriger der Volksgruppe der Khawari. Er führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Seine Identität steht nicht fest.
1.2. Der Beschwerdeführer verfügt über keinen legalen Aufenthaltstitel im Iran, die iranische Staatsbürgerschaft wurde dem Beschwerdeführer und seiner Familie verweigert. Dem Beschwerdeführer war es verwehrt, im Iran einer legalen Beschäftigung nachzugehen. Die Familie seines Vaters lebte vor der Geburt des Beschwerdeführers für einige Jahre im Irak, die irakischen Behörden akzeptierten die Familie jedoch nicht als irakische Staatsangehörige. Der Iran beabsichtigte, die Familie des Beschwerdeführers in den Irak abzuschieben, dies wurde jedoch vom Irak unterbunden.
1.3. Zur Situation der Khawari bzw Barbari sind dem Verwaltungsverfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen folgende Ausführungen aus einer Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11.02.2015 (AS 213 – 222) bzw. einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.10.2015 (AS 227 – 241) zu entnehmen:
1.3.1 "Nach Angaben verschiedener Quellen bezeichnen die Begriffe Khawari und Barbari die Nachkommen der Hazara-Flüchtlinge aus Afghanistan, welche sich in Iran im späten 19. Jahrhundert niederliessen (AS 214). [ ] Gemäss verschiedener Aussagen eines hohen iranischen Beamten gegenüber einer Delegation des Danish Immigration Service, Danish Refugee Council und der norwegischen Landinfo im Jahr 2012 gehen iranische Behörden in der Regel davon aus, dass die Khawari afghanische Staatsangehörige sind. [ ] Nach Angaben einer Kontaktperson werden Khawari in Iran in ähnlicher Weise wie Personen aus Afghanistan diskriminiert. Dies sei unabhängig davon, ob sie die iranische Staatsbürgerschaft besitzen oder sich illegal in Iran aufhalten (AS 215). [ ] Ein Bericht der Afghanistan Research and Evaluation Unit aus dem Jahr 2009 erwähnt ebenfalls, dass Khawari oft mit grossem Einsatz zu erreichen versuchen, als Iraner wahrgenommen werden. [ ] Für Khawari, welche keinen legalen Aufenthaltstitel in Iran haben, ist die Situation deutlich schwieriger. Wie oben erwähnt, können Khawari, die ihre Herkunft nicht beweisen können, von Behörden als afghanische Hazara und illegale Migranten eingeschätzt werden. Nach Angaben einer Kontaktperson sind viele Khawari im Iran faktisch staatenlos. [ ] Gemäss des Menschenrechtsberichts des US Department of State vom 27. Februar 2014 können staatenlose Personen keine staatlichen Unterstützungsleistungen beziehen und keine Reisedokumente erhalten (AS 216). [ ]
Deportationen. Die iranische Regierung drängt laut Human Rights Watch seit 1992 afghanische Personen dazu, nach Afghanistan zurückzukehren. Dies erfolge mittels verschiedener Massnahmen wie erschwerten Verfahren bei der Beschaffung von notwendigen Papieren, der Verweigerung von Registrierungen oder zunehmend auch mittels der Verweigerung des Zugangs zu öffentlichen Diensten für anerkannte Flüchtlinge. Afghanische Personen, deren Aufenthalt von den Behörden aus verschiedenen Gründen als illegal eingestuft wird, können abgeschoben werden. Nach Einschätzung einer Kontaktperson kann auch für Khawari die Gefahr einer Deportation nach Afghanistan bestehen. Dabei könnten laut der Kontaktperson sowohl Personen mit als auch ohne gültige Papiere davon betroffen sein. Tausende von afghanischen Flüchtlingen wurden in den letzten Jahren willkürlich deportiert, ohne Möglichkeit, die Deportation rechtlich anzufechten. Iranische Behördenvertreter sollen bei den Deportationen Familien getrennt, Betroffene misshandelt und den Besitz der Betroffenen beschlagnahmt haben. Laut eines Artikels der NZZ vom 01. Februar 2014 habe sich die Praxis bezüglich der Deportationen auch unter dem neuen Präsidenten Hassan Rohani nicht verändert (AS 217). [ ]
Schulbildung. Nach verschiedenen Berichten ist Kindern ohne gültige Identifikationskarten in Iran der Zugang zu Schulbildung nicht erlaubt. Dies betreffe laut eines Berichts der norwegischen Landinfo vom März 2011 sowohl nicht registrierte afghanische als auch gewisse iranische Kinder. Staatenlosen Kindern – auch der zweiten Generation – bleibt der Zugang zur staatlichen Schule verwehrt. Laut Vertretern der afghanischen Flüchtlinge in Iran werden so schätzungsweise jährlich über 400‘000 Kinder vom Unterricht ausgeschlossen. Nach Angaben des US Department of State können staatenlose Kinder manchmal die öffentlichen Schulen besuchen, aber sie erhalten keine Bestätigung für ihren Schulbesuch. Laut einer Meldung von Human Rights Watch vom Dezember 2014 habe die iranische Regierung mitgeteilt, dass afghanischen Kindern ohne Papiere in Zukunft der Zugang zu den Schulen wieder erlaubt werden soll. Auch bei höherer akademischer Ausbildung scheinen Einschränkungen zu bestehen. Laut eines Artikels der NZZ vom 4. April 2014 veröffentlichte die halbstaatliche Nachrichtenagentur Mehr eine Liste von Studiengängen, die per sofort für Personen afghanischer Abstammung unzugänglich waren.
Gesundheitsdienste und Krankenversicherung. Nicht registrierte Personen aus Afghanistan haben laut der norwegischen Landinfo keinen Zugang zur Krankenversicherung. Auch stehe den sich illegal in Iran aufhaltenden Personen der Zugang zu öffentlichen Gesundheitsdiensten nicht offen. So müssten sich die Betroffenen für Behandlungen an private Gesundheitsinstitutionen wenden und die Kosten vollumfänglich selber tragen. Personen, welche diese Kosten nicht tragen können, sind darauf angewiesen, dass sie freiwillige Unterstützung bei Gesundheitsdiensten durch medizinische Fachpersonen oder gemeinnützige NGOs erhalten.
Keine legale Arbeit. Nicht registrierte Personen können nicht legal arbeiten und leben oft von schlecht bezahlten Gelegenheitsjobs. Gemäss eines Berichts von Human Rights Watch sind vor allem nicht registrierte afghanische Flüchtlinge besonders davon betroffen. Wenn die Behörden diese bei der Ausübung einer nicht genehmigten Tätigkeit erwischen, können sie deportiert werden. Laut der Auskunft von Landinfo lagen die normalen Löhne für Gelegenheitsjobs im Jahr 2008 zwischen 100 und 150 US-Dollar pro Monat. Nach Angaben des UNHCR haben die illegal Angestellten keine Rechte. So können sie auf keine organisierte Unterstützung zurückgreifen, wenn es Probleme mit den Arbeitgebern gibt. (AS 218) [ ].
Umstrittene Staatsangehörigkeit. Die Frage der Staatsangehörigkeit der Gruppe der Khawari stellte sich laut einer internationalen Organisation in Teheran erst, als Afghanistan und Iran ihre Gesetze zur Staatsangehörigkeit durchsetzten. Die Staatsbürgerschaft der Khawari in Mashad sei umstritten und eine unbekannte Anzahl hätte sogenannte Amayesh-Karten erhalten, welche spezifisch ihre irakische Nationalität erwähne. Laut einer internationalen Organisation in Teheran seien einige Khawari in Iran als Flüchtlinge registriert. Nach Angaben einer Kontaktperson sind viele Khawari in Iran faktisch staatenlos. (AS 219)
[ ] Die Geburt auf dem Territorium von Iran verleiht gemäss des iranischen Zivilgesetzes einer Person nicht automatisch die Staatsbürgerschaft. (AS 219) [ ]
(Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11.02.2015)
1.3.2. "Der Vertrauensanwalt der ÖB Teheran gibt an, dass die Situation für afghanische Flüchtlinge prekär ist, was das Vorgehen der iranischen Regierungsbehörden zur Verlängerung der Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen betrifft. In der iranischen Gesellschaft im Allgemeinen werden sie bedauerlicherweise in unmenschlicher Art behandelt und auch allen möglichen Demütigungen ausgesetzt (AS 228). [ ] der andere Teil, ca. 2 Millionen Menschen, besitzen keine Papiere und gelten als Illegale. Sie haben keinerlei rechtlichen oder sozialen Schutz (AS 234)."
(Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Lage afghanischer Flüchtlinge im Iran vom 21.10.2015)
2. Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen:
2.1. Die Feststellungen zur Herkunft des Beschwerdeführers (oben II.1.1.) ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben, an denen aufgrund seiner Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Mangels Vorlage personenbezogener Identitätsdokumente im Original konnten der Name und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers jedoch nicht abschließend festgestellt werden. Das Feststehen der Identität eines Fremden ist jedoch keine besondere gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung von Asyl (VwGH 26.09.2007, 2007/19/0086).
2.2. Dass der Beschwerdeführer Angehöriger der Volksgruppe der Khawari angehört sowie staatenlos ist, ergibt sich, wie die übrigen Feststellungen zur Situation des Beschwerdeführers und seiner Familie im Iran (oben II.1.2.), aus dem vom BFA erhobenen Sachverhalt. Bereits vom BFA wurden die entscheidungswesentlichen Angaben des Beschwerdeführers nicht für unglaubhaft befunden. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb keine Veranlassung, am Vorbringen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
2.3. Die Feststellungen zur Situation der Khawari (oben II.1.3.) im Iran beruhen auf einer Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 11.02.2015 (AS 213 – 222) bzw. auf einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Lage afghanischer Flüchtlinge im Iran vom 21.10.2015 (AS 227 – 241). Die Auskunft der Schweizerischen Flüchtlingshilfe lag dem BFA im konkreten Verfahren bereits vor der Bescheiderlassung vor, blieb aber dennoch vom BFA im angefochtenen Bescheid unberücksichtigt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005
3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.
3.2. Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
3.3. Gemäß Art 1 des Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen (BGBl III Nr. 81/2008) ist ein "Staatenloser" eine Person, die kein Staat aufgrund seines Rechtes als Staatsangehörigen ansieht.
3.3.1. Gemäß Art 10 Abs 1 lit c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (Qualifikations-RL) beschränkt sich der Begriff der Nationalität nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet dieser insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Ursprünge oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird.
3.3.2. Gemäß § 2 Abs 1 Z 17 AsylG ist Herkunftsstaat der Staat dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes.
3.3.3. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bestimmt die klare Anordnung des § 2 Abs 1 Z 17 AsylG 2005 als Herkunftsstaat den Staat, dessen Staatsangehörigkeit Fremde besitzen, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - den Staat ihres früheren gewöhnlichen Aufenthaltes. Herkunftsstaat im Sinne dieser Bestimmung ist somit primär jener Staat, zu dem ein formelles Band der Staatsbürgerschaft besteht. Nur im Falle der Staatenlosigkeit wird subsidiär auf sonstige feste Bindungen zu einem Staat in Form eines dauernden (gewöhnlichen) Aufenthaltes zurückgegriffen (Hinweis E vom 10. Dezember 2009, 2008/19/0977, mit Verweis auf das zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 1 Z 4 AsylG 1997 ergangene E vom 22. Oktober 2002, 2001/01/0089) (VwGH 03.05.2016, Ra 2016/18/0062).
3.3.4. Auch die Verfolgung von Staatenlosen, die gerade wegen Fehlens einer Staatszugehörigkeit maßgebliche Eingriffe zu befürchten haben, stellt eine solche aus Gründen der Nationalität dar und genügt es auch, dass dabei einer Person eine bestimmte (andere) Nationalität unterstellt wird (Rohrböck, Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl Rz 404 mwN).
3.4. Zum gegenständlichen Verfahren
3.4.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht grundsätzlich davon aus, dass die bloße Zugehörigkeit einer Person zur Volksgruppe der Khawari nicht schon für sich allein und gleichsam automatisch zu einer asylrelevanten Verfolgung dieser Person im Iran führt. Wie sich jedoch aus dem gegenständlichen Sachverhalt des konkret vorliegenden und zu prüfenden Falles ergibt, hat der iranische Staat den Beschwerdeführer aufgrund dessen Volksgruppenzugehörigkeit nicht als seinen Staatsangehörigen angesehen und bereits einmal versucht, die Familie des Beschwerdeführers in den Irak abzuschieben. Der Beschwerdeführer ist daher als Staatenloser iSd Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen anzusehen, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt von Geburt an bis zum Zeitpunkt der Ausreise im Iran hatte. Der Beschwerdeführer erhielt im Iran aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Identitätsdokumente und hatte keinen Zugang zu einer legalen Beschäftigungsmöglichkeit und zu grundlegenden sozialen Rechten oder Leistungen. Bei Ausübung einer nicht genehmigten Tätigkeit kann er von den iranischen Behörden deportiert werden. Dem Beschwerdeführer fehlt somit im Falle seiner Rückkehr jegliche (dauerhafte) Existenzgrundlage und besteht jederzeit die reale Gefahr, von den iranischen Behörden deportiert zu werden.
3.4.2. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass damit zahlreiche individuelle Gründe vorliegen, welche in Summe dafür sprechen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Iran Eingriffen von hoher Intensität in seine zu schützende persönliche Sphäre (Leben, Gesundheit, Freiheit) bedroht wäre, und zwar aus in seiner Person gelegenen Gründen, welche in Zusammenhang mit den in der GFK genannten Verfolgungsgründen (Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe) stehen. Entgegen der vom BFA vertretenen Ansicht liegt daher bei richtiger rechtlicher Würdigung im Falle des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen – welche dem BFA im konkreten Verfahren bekannt, aber dennoch nicht dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurden – mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit sowohl eine individuelle als auch asylrelevante Gefährdung vor.
3.4.3. Der Beschwerdeführer befindet sich somit aus wohlbegründeter Furcht, asylrelevant verfolgt zu werden, außerhalb des Staates Iran, als dem Staat seines letzten gewöhnlichen Aufenthaltes, und ist im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt, in dieses Land zurückzukehren.
3.4.4. Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.
3.4.5. Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben.
3.5. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.6. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht gem § 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005 idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr 24/2016 zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).
Zu B)
Revision
3.7. Da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage klar bzw durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
3.8. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2173972.1.00Zuletzt aktualisiert am
12.02.2018