TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/1 W228 2179339-1

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Veröffentlicht am 01.02.2018
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Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W228 2179339-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter in der Beschwerdesache des XXXX , geboren am XXXX 1978, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.11.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in die Republik Österreich eingereist und hat am 20.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.11.2015 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu seinem Fluchtgrund an, dass er sein Land aufgrund des Krieges und der instabilen Sicherheitslage verlassen habe. Er sei wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara sowie als Schiit von den Taliban bedroht und verfolgt worden.

Der Beschwerdeführer wurde am 14.11.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er am XXXX 1978 in der Provinz Ghazni geboren sei. Dort habe er niemanden mehr. Seine Mutter und seine Schwester würden in Pakistan leben. Er führte weiters aus, dass er traditionell verheiratet sei und fünf Kinder habe. Er habe Afghanistan vor zwei Jahren und drei Monaten verlassen und habe sich zwei Jahre lang in Pakistan aufgehalten. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er in einem Hotel einen Freund, der Polizist gewesen sei, getroffen habe. Die Taliban hätten davon erfahren und hätten bei seiner Frau nach ihm gefragt. Sie seien bei ihm eingebrochen und hätten nach ihm gesucht. Als sie erfahren hätten, dass der Beschwerdeführer nicht dort sei, hätten sie zwei andere Personen aus der Nachbarschaft mitgenommen. Die Dorfältesten hätten die Personen schließlich befreit, unter der Bedingung, den Beschwerdeführer den Taliban zu übergeben. Der Beschwerdeführer habe sich nicht mehr sicher gefühlt und habe Afghanistan verlassen. Näher zu dem Polizisten befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass dieser schon einmal Taliban festgenommen habe. Das sei das Problem gewesen und so sei die Feindschaft entstanden. Auf Vorhalt eines Schreibens vom 06.01.2017, aus dem hervorgehe, dass sich der Beschwerdeführer taufen lassen wolle, führte er aus, dass er seine Religion gewechselt habe und Christ sein wolle. Näher nachgefragt gab er an, dass ihm eines Tages in Meidling drei Personen einen Flyer über die christliche Religion gegeben hätten. Darin sei gestanden, dass man Liebe und Frieden in der Bibel finden könne. Seit ca. einem Jahr besuche er einen Taufkurs und er werde – so glaube er – am 25.11.2017 getauft werden. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan würde er aufgrund seines Religionswechsels ein großes Problem bekommen.

Der Beschwerdeführer legte bei seiner Einvernahme ein Schreiben des Generalsekretärs der Kirche vom 06.01.2017, eine Bestätigung über die Zulassung zu den Sakramenten der Eingliederung vom 02.03.2017, sowie diverse Unterlagen zu seiner Integration vor.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 15.11.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Situation in seinem Herkunftsstaat. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen sei, die angebliche Konvertierung glaubhaft darzulegen. Es fehle an der inneren Überzeugung des Beschwerdeführers an seinem neuen Glauben. Die Verwirklichung des Tatbestandes der Apostasie setze den Vollzug eines ernsthaften Glaubenswechsels voraus, der durch die Vorlage eines Taufscheins allein nicht hinreichend dargelegt werden könne. Insgesamt habe der Beschwerdeführer eine Gefährdungslage nicht glaubhaft machen können. Es seien auch keine Gründe hervorgekommen, die eine Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden.

Mit Verfahrensanordnung vom 15.11.2017 wurde dem Beschwerdeführer die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben vom 07.12.2017 Beschwerde erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass die belangte Behörde mangelhafte Länderfeststellungen getroffen habe. Die Berichte über die Situation von Konvertiten seien unzureichend. In der Folge wurden ausführliche Länderberichte angeführt. Des Weiteren habe die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht insofern verletzt, als sie nicht durch konkretere Fragen bezüglich relevanter Sachverhaltselemente darauf hingewirkt habe, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht werden. Zudem habe sie eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen. Das Bundesamt qualifiziere das Vorbringen hinsichtlich der Konversion als "erneute Steigerung". Tatsache sei jedoch, dass der Beschwerdeführer erst nach der Erstbefragung konvertiert sei. Er sei vor kurzem getauft worden und besuche die Kirche ein- bis zweimal pro Woche. Das Religionsthema sei jedoch für den Beschwerdeführer sehr vorbelastet und könne er über Details seines inneren Glaubenskonflikts sowie dessen Überwindung nur in einem vertrauensvollen Umfeld sprechen und sei er bei der Einvernahme vielleicht zu eingeschüchtert gewesen um alle Details zu nennen. Es wäre von der belangten Behörde festzustellen gewesen, dass der Beschwerdeführer ernsthaft zum Christentum konvertiert sei und im Falle der Rückkehr wegen Apostasie verfolgt werden würde. Dies lasse für ihn die Definition eines Flüchtlings im Sinne der GFK zutreffen. Es stehe dem Beschwerdeführer entgegen der Ansicht der belangten Behörde keine IFA in Kabul offen.

Der Beschwerde beigelegt wurden der Taufschein vom 25.11.2017, eine Bestätigung über die Zulassung zu den Sakramenten der Eingliederung vom 02.03.2017, zwei Schreiben des Generalsekretärs der Kirche vom 06.01.2017 sowie vom 30.10.2017 sowie eine Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien über den Austritt aus dem Islam vom 30.10.2017. Weiters wurde eine Reihe von Integrationsunterlagen vorgelegt.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Beschwerdeführer:

Der Beschwerdeführer heißt XXXX , ist geboren am XXXX 1978, ist Staatsangehöriger von Afghanistan und der Volksgruppe der Hazara zugehörig. Er ist illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und hat am 20.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Der Beschwerdeführer ist traditionell verheiratet und hat fünf Kinder. Der Beschwerdeführer wohnte vor seiner Ausreise aus Afghanistan in der Provinz Ghazni, Distrikt Karabagh, Dorf Golko. Der Beschwerdeführer hat bis zur zweiten Klasse die Schule besucht und dann in der Landwirtschaft gearbeitet. Der Beschwerdeführer hat keine Angehörigen mehr in seinem Heimatdorf. Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben, seine Mutter und seine Schwester leben in Pakistan. Eine Tante des Beschwerdeführers lebt in Kabul.

Der Beschwerdeführer hat keine Angehörigen in Österreich. Der Beschwerdeführer ist gesund. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

In Afghanistan gehörte er der schiitischen Glaubensrichtung des Islam an. In Österreich ist der Beschwerdeführer zum christlichen Glauben übergetreten und bekennt sich auch offen dazu.

Der Beschwerdeführer nahm ab November 2016 am Glaubensunterricht und Taufvorbereitungskurs in der persisch-afghanischen katholischen Gemeinde der Erzdiözese Wien teil. Die Aufnahme in den Katechumenat fand am 02.03.2017 statt.

Der Beschwerdeführer ist seit 25.11.2017 getauft und nimmt regelmäßig an den Gottesdiensten teil.

Der Beschwerdeführer wäre in Afghanistan aufgrund seiner Religion, sowohl von staatlicher als auch von privater Seite einer asylrelevanten Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention ausgesetzt, da die Konversion zum Christentum in Afghanistan als Akt der Abtrünnigkeit sowie als Verbrechen gegen den Islam gesehen wird und sogar mit dem Tod bestraft werden könnte.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Christen und Konversionen zum Christentum:

Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen. Nichtmuslim/innen, z.B. Sikhs, Hindus und Christen, sind Belästigungen ausgesetzt und in manchen Fällen sogar Gewalt.

Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte - sofern die Konversion nicht widerrufen wird.

Die öffentliche Meinung und gesellschaftliche Einstellung gegenüber Christen ist feindlich. Es gibt keine öffentlichen Kirchen. Für christliche Afghanen gibt es keine Möglichkeit der Religionsausübung außerhalb des häuslichen Rahmens. Zu Gottesdiensten, die in Privathäusern von internationalen NGOs abgehalten werden, erscheinen sie meist nicht oder werden aus Sicherheitsgründen nicht eingeladen. Christen werden gezwungen, ihren Glauben zu verheimlichen. Im Jahr 2013 riefen vier Parlamentsmitglieder zur Hinrichtung von Personen auf, die zum Christentum konvertiert sind. Die Taliban haben ausländische Hilfsorganisationen und ihre Gebäude auf der Grundlage angegriffen, dass diese Zentren des christlichen Glaubens seien.

Einige Konversionsfälle von Christen haben zu harten Strafen geführt und dadurch internationale Aufmerksamkeit erlangt.

Zum Christentum konvertierte Personen gelten als Abtrünnige, worauf nach der Scharia die Todesstrafe stehen kann. Ihre Zahl ist nicht bekannt. Konversion ist im Islam einfach nicht vorgesehen, deswegen stehen diese Christen unter starkem Verfolgungsdruck. Im Islam steht eine Strafe auf Apostasie und Blasphemie. Im Regelfall werden zum Christentum konvertierte Personen auch von ihrer Familie verstoßen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt.

Was die individuellen Feststellungen hinsichtlich der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum anbelangt, wird aus folgenden Erwägungen vom oben ersichtlichen Sachverhalt ausgegangen:

Gegenständlich kann dahingestellt bleiben, ob sich die Geschehnisse seine Flucht betreffend tatsächlich in der Art und Weise ereignet haben, wie sie vom Beschwerdeführer im Zuge seiner Einvernahmen vor dem Bundesamt geschildert wurden. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich am 25.11.2017 der Taufe unterzogen und bekennt sich nun zum römisch-katholischen Glauben, wobei aus den vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen (Taufschein vom 25.11.2017, eine Bestätigung über die Zulassung zu den Sakramenten der Eingliederung vom 02.03.2017, zwei Schreiben des Generalsekretärs der Kirche vom 06.01.2017 sowie vom 30.10.2017 sowie eine Bestätigung des Magistrats der Stadt Wien über den Austritt aus dem Islam vom 30.10.2017) auch die erfolgte innerliche Konversion ersichtlich wird. Aus den Schreiben vom 06.01.2017 und 30.10.2017 geht hervor, dass der Beschwerdeführer ab November 2016 am Glaubensunterricht und Taufvorbereitungskurs in der persisch-afghanischen katholischen Gemeinde der Erzdiözese Wien teilnahm und nach wie vor regelmäßig an den Katechesen und Gottesdienstes teilnimmt. Weiters wurde bestätigt, dass der Beschwerdeführer ehrliches Interesse am Christentum hat, seine Konversion ernst nimmt und bemüht ist, nach christlichen Grundsätzen zu leben. Es ist ersichtlich, dass sich der Beschwerdeführer schon vor seiner Taufe intensiv mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat. Er bringt sich ein, wo es der Hilfe bedarf, was durch die zahlreichen vorgelegten Unterstützungsschreiben belegt wird.

Der Beschwerdeführer ist faktisch und für Dritte wahrnehmbar zum christlichen Glauben konvertiert. Es kann aufgrund der regelmäßigen, öffentlichen Teilnahme an Katechesen und Gottesdiensten davon ausgegangen werden, dass die Tatsache der Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum über das persönliche Umfeld des Beschwerdeführers hinaus bekannt geworden ist. Nach Ansicht des erkennenden Richters besteht kein Grund, insgesamt an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers in Bezug auf seine Konversion zum Christentum und der Verinnerlichung dieser Konversion zu zweifeln.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Afghanistan gründen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 02.03.2017 (aktualisiert am 25.09.2017): Religionsfreiheit; Christen und Konversionen zum Christentum sowie auf die ACCORD Anfragebeantwortung zu christlichen Konvertiten vom 01.06.2017.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquelle sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des Beschwerdeführers, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, begründet ist:

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Der Beschwerdeführer konnte glaubhaft darlegen, dass er sich während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung und Entscheidung vom Islam abgewandt und dem Christentum zugewandt hat. Es sind auch keine Anhaltspunkte hervorgekommen, die den Schluss zulassen würden, dass seine Konversion zum christlichen Glauben bloß zum Schein erfolgt wäre.

Aus dem oben zur Person des Beschwerdeführers festgestellten Sachverhalt und den Feststellungen zur Situation der Christen in Afghanistan, insbesondere der vom Islam zum Christentum konvertierten Personen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer als Person mit innerer christlicher Überzeugung, die er nicht verleugnen, sondern offen - sei es allein oder in Gemeinschaft - ausüben will, im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit massiven Einschränkungen und Diskriminierungen im persönlichen Bereich auf Grund seiner religiösen Überzeugung sowie einem erheblichen Verfolgungsrisiko für seine persönliche Sicherheit und physische Integrität sowohl von privater Seite - ohne dass in dieser Hinsicht staatlicher Schutz zukäme - als auch von staatlicher Seite ausgesetzt wäre. Dass die Konversion des Beschwerdeführers zum Christentum den afghanischen Behörden oder anderen Personen in seinem familiären und sozialen Umfeld verborgen bleiben würde, kann nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden.

Im gegenständlichen Fall liegt daher das oben dargestellte Verfolgungsrisiko in der religiösen Überzeugung des Beschwerdeführers zum Christentum vor.

Auf Grund des in ganz Afghanistan gültigen islamischen Rechts nach der Scharia und der in der Praxis angewendeten islamischen Rechtsprechung sowie auf Grund der in der afghanischen Gesellschaft bestehenden Traditionen und Moralvorstellungen sowie der allgemein vorherrschenden Intoleranz gegenüber religiösen Minderheiten, insbesondere gegenüber Konvertiten, und den damit zusammenhängenden benachteiligenden Auswirkungen des traditionellen Gesellschaftssystems in ganz Afghanistan ist davon auszugehen, dass sich die oben dargestellte Situation für den Beschwerdeführer im gesamten Staatsgebiet Afghanistans ergibt. Es ist daher hinsichtlich dieses dargestellten Verfolgungsrisikos davon auszugehen, dass keine inländische Fluchtalternative besteht.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich der Beschwerdeführer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen seiner religiösen Überzeugung eines vom Islam zum Christentum konvertierten Mannes verfolgt zu werden, außerhalb Afghanistans befindet und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in seinen Herkunftsstaat zurückzukehren.

Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben und ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes Staatsgebiet,
Konversion, Nachfluchtgründe, Religion, Schutzunfähigkeit,
Schutzunwilligkeit, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W228.2179339.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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