TE Bvwg Beschluss 2018/2/1 W215 1422052-3

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Veröffentlicht am 01.02.2018
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Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

AsylG 2005 §57
AVG §68
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W215 1416972-3/2E

W215 1416974-3/2E

W215 1416975-3/2E

W215 1422052-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerden von 1) XXXX, geb. XXXX, 2) XXXX, geb. XXXX, 3) XXXX, geb. XXXX, und 4) XXXX, geb. XXXX, alle Staatsangehörigkeit Republik Kasachstan, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zahlen 1) 800766009-150621296, 2) 831832310-150621300, 3) 831832408-150621318 und 4) 831832506-150621326, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die Bescheide behoben und die Angelegenheit jeweils gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin; die Drittbeschwerdeführerin ist deren gemeinsame minderjährige Tochter. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer reisten zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet und die Erst- und Zweitbeschwerdeführer stellten für sich und die Drittbeschwerdeführerin am 23.08.2010 die ersten Anträge auf internationalen Schutz.

Am XXXX wurde der Viertbeschwerdeführer, als Sohn der Erst- und Zweitbeschwerdeführer, im österreichischen Bundesgebiet geboren; die Erst- und Zweitbeschwerdeführer stellten für ihn am 11.07.2011 den ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Noch während der laufenden ersten Asylverfahren kehrten alle vier Beschwerdeführer freiwillig am 29.03.2012, unter der Gewährung von Rückkehrhilfe, in die Republik Kasachstan zurück.

2. Am 04.12.2013 reisten die Erst- bis Viertbeschwerdeführer legal mit dem Flugzeug aus der Republik Kasachstan aus, kamen illegal nach Österreich und die Erst- und Zweitbeschwerdeführer stellten für sich, die Drittbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer am 13.12.2013 die zweiten Anträge auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.03.2014, Zahlen

1) 800766009-2403969, 2) 831832310-2405198, 3) 831832408-2408316 und 4) 831832506-2419571, wurde die zweiten Anträge auf internationalen Schutz vom 13.12.2013 gemäß

§ 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurden die Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, erlassen und wurde gemäß

§ 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 11.08.2014, Zahlen 1) 1416972-2/2E, 2) 1416974-2/2E, 3) 1416975-2/2E, und 4) 1422052-2/2E, wurden die fristgerecht gegen die eben genannten erstinstanzlichen Bescheide eingebrachten Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis III. gemäß den §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 iVm 10 Abs. 1 Z 3, 55, 57 AsylG,

§ 9 BFA-VG und §§ 46 iVm 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 FPG als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt. Diese Erkenntnisse wurden den Beschwerdeführern nachweislich am 20.08.2014 zugestellt und erwuchsen damit in Rechtskraft.

3. Alle Beschwerdeführer reisten am 20.09.2014 illegal von Österreich in die Bundesrepublik Deutschland wo die Erst- bis Zweitbeschwerdeführer weiter Anträge auf internationalen Schutz für die Familie stellten. Die Beschwerdeführer hielten sich durchgehend in der Bundesrepublik Deutschland auf, bis sie von dort neuerlich illegal nach Österreich reisten.

4. Die Erst- und Zeitbeschwerdeführer stellten für alle vier Beschwerdeführer am 05.06.2015 gegenständliche dritte Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Nach Zulassung der dritten Asylverfahren am 10.06.2015 wurden den Beschwerdeführern am 11.06.2015 Aufenthaltsberechtigungskarten weiß (§ 51 AsylG) ausgestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.12.2017, Zahlen

1) 800766009-150621296, 2) 831832310-150621300, 3) 831832408-150621318 und

4) 831832506-150621326, wurden in Spruchpunkt I. die dritten Anträge auf internationalen Schutz in Österreich vom 05.06.2015 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt II. wurden Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Kasachstan zulässig ist. In Spruchpunkt III. wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG ausgesprochen, dass keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht.

Gegen diese Bescheide, zugestellt am 28.12.2017, wurden fristgerecht am 24.01.2018 gegenständliche Beschwerden erhoben.

5. Die Beschwerdevorlagen vom 25.01.2018 langten am 29.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein; was dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch am selben Tag schriftlich mitgeteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes (§ 1 VwGVG).

Entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht sind, bleiben unberührt

(§ 58 Abs. 2 VwGVG).

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG). Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG).

Zu A)

1. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Wie eben ausgeführt, ist gemäß § 17 VwGVG der IV. Teil des AVG und somit auch

§ 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, nicht anzuwenden.

Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (§ 28 Abs. 2 VwGVG).

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 VwGVG).

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Stand der Rechtslage 01.01.2014, § 28 VwGVG, Anmerkung 11).

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des

§ 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.01.2009, 2008/07/0168; VwGH 23.05.1985, 84/08/0085).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, 2002/20/0315 und 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt.

Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:

"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zahl 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommende Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem erstinstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063-4, unter anderem ausgeführt, dass gemäß den Bestimmungen des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG bereits nach dem Wortlaut die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht nicht in Betracht kommt, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht (vgl. auch Art. 130 Abs. 4 Z 1 BVG). Dies wird jedenfalls dann der Fall sein, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt. Weiters wird zusammengefasst ausgeführt, dass auch eine an der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art. 130 Abs. 4 B-VG orientierte Auslegung ergibt, dass eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde jedenfalls erst dann in Betracht kommt, wenn die in § 28 Abs. 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Aus den im Erkenntnis wiedergegeben Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht in den in Art. 130 Abs. 4 B-VG vorgesehenen und in § 28 Abs. 2 VwGVG angeordneten Fällen eine kassatorische Entscheidung nicht offensteht. Damit normiere § 28 VwGVG für die überwiegende Anzahl der Fälle die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte, in der Sache selbst zu entscheiden. Derart wird (wie erwähnt) der sich schon aus Art. 130 Abs. 4 B-VG ergebenden Zielsetzung, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst entscheiden sollen, Rechnung getragen. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73f).

2. Es erweisen sich die gegenständlichen Bescheide in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Gegenstand der erstinstanzlichen Bescheide war die Frage, ob jeweils

entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vorliegt.

Entschiedene Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).

Da sich der Antrag auf internationalen Schutz auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, bei den Asylbehörden geltend zu machen, zumal nur sie dem Asylwerber diesen Schutzstatus zuerkennen können. Bei Folgeanträgen ist das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch dafür zuständig Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte in den gegenständlichen Bescheiden somit auch zu prüfen, ob sich der Sachverhalt bezüglich subsidiärer Schutzgründe geändert hat. Die Beurteilung auch dieser Frage war jedenfalls Inhalt der Entscheidungen zu Spruchpunkt I. der gegenständlichen Bescheide.

Vorab war nicht zu übersehen, dass die Erst- und Zweitbeschwerdeführer in der niederschriftlichen Befragung am 12.12.2017, zu ihren Asylgründen und der Frage, ob sich bezüglich des Status des subsidiären Schutzes etwas geändert hat (Anmerkung:

beide wurden gemeinsam inklusive Rückübersetzung nur 45 Minuten befragt), nicht einmal gefragt wurden, ob alle Beschwerdeführer gesund sind, was jedoch für die Beurteilung der Frage, ob auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten entschiedene Sache vorliegt, unerlässlich gewesen wäre.

Die Beschwerdeführer brachten zusammen mit einer schriftlichen Stellungnahme vom 15.12.2017 18 Seiten Ausdrucke bzw. Berichte in russischer Sprache in Vorlage. Inhaltlich soll es darin, laut Stellungnahme vom 15.12.2017, um die schwierige Situation und um Menschenrechtsverletzungen in der Republik Kasachstan gehen. Diese 18 Seiten wurden jedoch vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht übersetzt und es finden sich dazu auch keine beweiswürdigenden Ausführungen in den gegenständlichen Bescheiden.

Zudem enthalten die angefochtenen Bescheide vom 21.12.2017 ausschließlich Länderfeststellungen aus den Jahren 2012 bis 2016, wobei die jüngsten Berichte von März 2016 stammen und auf diese im Juni 2016 zugegriffen wurde. Jedenfalls können die Quellen bis März 2016 zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidungen im Dezember 2017 nicht als hinreichend aktuell bezeichnet werden um eine tragfähige Entscheidungsgrundlage zu bilden, ob sich die Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer seit den letzten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (Rechtskraft: 20.08.2014) entscheidungsrelevant geändert hat. Indem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Bescheiden ausschließlich Quellen zugrunde gelegt hat, welche zum Entscheidungszeitpunkt zumindest ein Jahr und neun Monate alt oder älter waren, hat es der Ermittlungspflicht nicht Genüge getan.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht jedenfalls nicht fest. Das Ermittlungsverfahren ist mangelhaft geblieben und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird den Erst- und Zweitbeschwerdeführern in den fortgesetzten Verfahren in einer niederschriftlichen Befragung Fragen zur Gesundheit aller Beschwerdeführer (Anmerkung:

es wurde mittlerweile ein Arztbrief in Vorlage gebracht, wonach der Erstbeschwerdeführer kurz in einer Urologie stationär in Behandlung war) und zur Situation im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat stellen müssen. Weiters wird das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Erst- und Zweitbeschwerdeführern im Rahmen dieser Befragung auch Gelegenheit geben müssen, zu aktuellen Länderfeststellungen bzw. Quellen, falls gewünscht, eine Stellungnahme, als gesetzliche Vertreterin auch in den Verfahren der Dritt- und Viertbeschwerdeführer, abzugeben. Die 18 Seiten Berichte in russischer Sprache werden zu übersetzen und die Erst- und Zweitbeschwerdeführer dazu zu befragen sein, damit sie in die Beweiswürdigung einfließen können.

Alle genannten Verfahrensmängel werden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu sanieren sein. Die dargelegten Umstände müssen insgesamt jedenfalls als maßgebliche Mängel angesehen werden. Für das Bundesverwaltungsgericht erweist sich der vorliegende Sachverhalt daher als so mangelhaft, dass weitere Ermittlungen diesbezüglich unerlässlich erscheinen. Damit hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt.

Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 66 Abs. 2 AVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Wie der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sinngemäß zu entnehmen ist, sollte eine ernsthafte Prüfung eines Antrages und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes jedenfalls nicht erst bei der Beschwerdebehörde beginnen, da dies nicht nur eine "Delegierung" der Aufgaben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl an das Bundesverwaltungsgericht bedeuten, sondern auch den in der Rechtsordnung bewusst vorgesehenen Instanzenzug zur bloßen Formsache degradieren würde.

Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, waren in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen die angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 (VwGG), in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im konkreten Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, jeweils nicht zulässig, weil diese Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängen der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Diese Beschlüsse beschäftigt sich mit der Tatsache, dass die Erst- und Zweitbeschwerdeführer nicht ausführlich genug befragt, vorgelegte Beweismittel nicht übersetzt wurden, in Folge nicht in die Beweiswürdigung eingeflossen sind und die verwendeten Länderberichte ein Jahr und neun Monate alt oder älter waren. Es ergaben sich im Lauf des Verfahrens keine Hinweise auf das Vorliegen von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausführlich unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausgeführt, dass dadurch beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Sachverhalt nicht umfassend ermittelt wurde. Betreffend die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG im gegenständlichen Fall liegen keine grundsätzlichen Rechtsfragen vor, weil § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG inhaltlich

§ 66 Abs. 2 AVG (mit Ausnahme des Wegfalls des Erfordernisses der Durchführung einer mündlichen Verhandlung) entspricht und zusätzlich zur bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes betreffend die Zurückverweisung wegen mangelhafter Sachverhaltsermittlungen auch das Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063-4, heranzuziehen ist. Weder weichen die gegenständlichen Entscheidungen von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare im Sinne einer eindeutigen Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5 Ob 105/90), weshalb keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung vorliegen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, entschiedene Sache, Ermittlungspflicht,
Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W215.1422052.3.00

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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