TE Bvwg Erkenntnis 2018/2/1 I419 2139921-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.02.2018
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Entscheidungsdatum

01.02.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a

Spruch

I419 2139921-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Tomas JOOS über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. ALGERIEN alias Libyen alias Libanon, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 07.11.2016, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen,

dass der erste Satz des Spruchpunktes III wie folgt lautet:

"Eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' gemäß § 57 AsylG 2005 wird Ihnen nicht erteilt."

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer algerischer Staatsangehörigkeit reiste illegal ein und stellte am 17.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Erstbefragt gab er an, eine Beziehung zu einer "Barbarin" und diese geschwängert gehabt zu haben. Deren Familie habe ihn verfolgt und töten wollen. Er habe sich bei seiner Schwester versteckt und dann entschieden, das Land zu verlassen, da er Angst um sein Leben habe. Seine Rückkehrbefürchtung sei die Ermordung durch die Familie der Ex-Freundin.

Er sei im Jänner 2016 mit einem algerischen Reisepass in die Türkei gereist, den er nach vier Monaten beim Queren eines Grenzflusses nach Griechenland verloren habe. Dort sei er weitere vier Monate geblieben, und anschließend nach einem einmonatigen Aufenthalt in Venedig am 16.09.2016 nach Österreich gekommen.

Im Herkunftsland habe er zehn Jahre die Schule besucht, sich zum Installateur ausbilden lassen und als solcher gearbeitet. Dort habe er Eltern und Geschwister. Er sei lediger Araber islamischer Religion und arabischer Muttersprache.

3. Bei seiner Einvernahme brachte weiter vor, nicht sehr gut arabisch zu sprechen. Er spreche "Amazighia". Die Dolmetscherin verstehe er ein "bisschen".

Seinen Reisepass habe er in Griechenland dem Schlepper übergeben, was in der Erstbefragung stehe, habe er vergessen. Er habe bei seiner Erstbefragung nicht gesagt, dass er den Beruf Installateur erlernt habe. Er sei ledig, kein Araber, sondern "100% Berber": Mit Arabern habe er keine Probleme, und er habe eine uneheliche Tochter. Deren Namen wisse er nicht, das Geschlecht von seiner Schwester, deren Mann Soldat sei. Die extremistische salafistische Familie der namentlich genannten Kindesmutter berühmt in Algerien. Sie lebe die islamische Rechtsprechung streng aus. Wenn man Unzucht betreibe, werde man sofort getötet.

Sie arbeite nun aber im Untergrund, da es die Regierung nicht zulasse, dass extremistische Moslems an der Oberfläche arbeiteten. Es seien Terroristen, welcher Organisation genau wisse er nicht. Er habe mit ihnen nichts zu tun und keinen Kontakt zur Kindesmutter mehr. Diesen habe er glaublich im Mai 2015 abgebrochen, als er erfahren habe, dass sie aus der besagten Familie stamme.

Die Terroristen hätten ihn bedroht, als das Mädchen "auf nicht legalem Weg ein Kind erwartet" habe. Geschwister und Verwandte des Mädchens seien zu ihnen ins Lebensmittelgeschäft gekommen und hätten seinen Bruder "krankenhausreif geschlagen", dieser sei sogar für etwa zehn Tage ins Koma gefallen.

Das sei im Oktober 2015 gewesen. Wo er selbst den Tag verbracht habe, wisse er nicht, er glaube, am Meer. Da sie ursprünglich nicht den Bruder gesucht hätten, sondern den Beschwerdeführer, sei er zu meiner Schwester geflohen, die in der algerischen Wüste wohne. Eine Meldung oder Anzeige des Vorfalls an die Behörden habe er nicht erstattet, sondern sei geflüchtet.

Am Ende der Einvernahme erklärte er, die Arabisch-Dolmetscherin klar verstanden zu haben.

4. Mit dem bekämpften Bescheid wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz betreffend die Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I) sowie des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Algerien (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III), sowie einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV).

5. Das Beschwerdevorbringen wiederholt den Kern des Vorbringens im Verwaltungsverfahren. Auch bei der Schwester in der Wüste sei es zu unsicher für den Beschwerdeführer gewesen, weshalb er sich entschlossen habe das Land zu verlassen.

6. Die Staatsanwaltschaft Wien leitete gegen den Beschwerdeführer 2016 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls und des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift ein, welches betreffend den zweiten Verdacht am 26.04.2017 "hinsichtlich des Eigenkonsums" eingestellt wurde.

7. Der Beschwerdeführer stellte am 06.03.2017 in der Schweiz unter einer falschen libyschen Identität einen Antrag auf internationalen Schutz und wurde am 16.05.2017 von dort überstellt. Zur Frage der Schubhaft vernommen erklärte der Beschwerdeführer am selben Tag, nachdem er bestätigt hatte den Arabisch-Dolmetsch "sehr gut" zu verstehen, Arabisch sei seine Muttersprache, zudem beherrsche er noch "ein bisschen" Französisch. Vor etwa drei Monaten habe er Wien verlassen und sei in die Schweiz gefahren. Dort habe er einen neuen Asylantrag gestellt. Nach dem Grund befragt, antwortete er: "Keine Ahnung, ich weiß nicht, was in meiner Heimat los ist. Ich habe hier aber ein bisschen Deutsch geübt und war auch in der Kirche."

Seine weiteren Vorhaben seien, hier nochmals einen Asylantrag zu stellen, die Schule zu besuchen und zu arbeiten. Zu einer Rückkehr sei er nicht bereit, in Österreich gehe es ihm gut, sonst wolle er nichts mehr sagen.

Mit Mandatsbescheid verhängte das BFA anschließend die Schubhaft über den Beschwerdeführer. Dieser sprach wegen des Folgeantrags bei einer Polizeiinspektion vor, wurde dort auf das laufende Beschwerdeverfahren verwiesen und entfernte sich darauf, wie diese vermerkte, in Richtung Bahnhof.

7. Anschließend gelangte der Beschwerdeführer nach Holland, von wo eine Überstellung für 29.11.2017 geplant war, aber nicht stattfand, da der Beschwerdeführer sich nicht meldete.

8. Am 10.01.2018 teilte das BFA mit, dass Interpol Algier den Beschwerdeführer mit den nunmehr im Spruch genannten Namens- und Geburtsdaten als Algerier identifiziert habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I beschriebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, Staatsangehöriger von Algerien der Volksgruppe der Berber und Moslem. Seine Identität steht fest. Er ist gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer ist seit 20.07.2017 nicht mehr in Österreich gemeldet, auch nicht mit seinen echten Personendaten. Er hielt sich hier zwischen spätestens 17.09.2016 und spätestens 06.03.2017 auf. Ob er sich danach wieder nach Österreich begeben hat, kann nicht festgestellt werden. Die ÖBB haben ihn vor dem 03.05.2017 als Fahrgast ohne gültigen Fahrschein angetroffen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Er verfügt über keine Verwandten im Bundesgebiet und schon angesichts seines kurzen Aufenthaltes keine maßgeblichen privaten Beziehungen hier. Er weist in Österreich keine Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf, geht keiner Beschäftigung nach und hat keinen festen Wohnsitz. Familienangehörige des Beschwerdeführers leben in Algerien. Er spricht Arabisch und ein wenig Französisch sowie die Berbersprache Tamazight.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, einer politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe in Algerien verfolgt wurde oder verfolgt werden würde.

Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Algerien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

Der Beschwerdeführer besuchte die Schule und konnte sich anschließend bis zu seiner Ausreise durch Arbeit sein Auskommen sichern, wobei nicht festgestellt werden kann, ob als Installateur, im Lebensmittelhandel oder auf andere Art. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Algerien hat er die Möglichkeit, auch künftig im algerischen Arbeitsmarkt Beschäftigung zu finden.

1.2 Zu den Fluchtmotiven des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer erstattete kein substantiiertes Vorbringen über eine ihm drohende Gefährdung in seinem Herkunftsstaat im Falle seiner Rückkehr. Auch sonst ergaben sich im Verfahren keine diesbezüglichen Hinweise.

Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Algerien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurde. Es kann insbesondere nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit etwa 22 Jahren eine etwa 15-Jährige kennengelernt, anschließend mit dieser eine mehrmonatige, geheime Beziehung geführt und sie geschwängert hätte. Es kann weiter nicht festgestellt werden, dass er aus einer solchen Beziehung eine Tochter oder Schwierigkeiten mit den Eltern der Kindesmutter hätte. Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die Familie der Kindesmutter einer salafistischen oder terroristischen Einstellung anhängt, weshalb sie ihn der Vaterschaft wegen verfolgt.

Festgestellt wird dagegen, dass der Beschwerdeführer aus nicht asylrelevanten Gründen seine Heimat verlassen hat.

Zusammenfassend wird in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers und aufgrund der allgemeinen Lage im Land festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.3 Zur Lage im Herkunftsland:

Algerien ist nach § 1 Z. 10 HStV ein sicherer Herkunftsstaat im Sinne des § 19 BFA-VG. Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 07.11.2016 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Algerien mit Stand 09.02.2016 zitiert. Das aktuelle mit Stand 17.05.2017 zeigt demgegenüber keine relevante Verschlechterung der Situation im Herkunftsland auf. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Gericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und sie auch zu den seinen erhebt.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers und zur Lage von Rückkehrenden ist demnach fest-zustellen:

1.3.1 Sicherheitslage

In den letzten Jahren ist es wiederholt zu Terroranschlägen islamistischer Gruppen und zu Entführungen mit kriminellem oder terroristischem Hintergrund gekommen (BMEIA 15.2.2017; vgl. AA 15.2.2017, FD 15.2.2017). Landesweit kann es zu Behinderungen durch Demonstrationen und Streiks kommen (BMEIA 15.2.2017). Da jedoch Algerien in den 1990er Jahren ein Jahrzehnt des Terrorismus erlebt hat, bevorzugt die große Mehrheit der Algerier Frieden und lehnt Instabilität ab. Der vom Präsidenten durch die Versöhnungscharta 2006 vermittelte Frieden trug zur in der Bevölkerung weithin anerkannten Legitimität des Staates bei (BS 2016).

Algerien ist eine Basis für den heute in Nordafrika und im Sahel operierenden djihadistischen Terrorismus. Die Angaben über die Zahlen der gegenwärtig in Algerien aktiven Terroristen schwanken zwischen einigen Hundert bis etwa Tausend. Die in Algerien weiterhin einflussreichste Gruppe AQIM (Al Qaida im islamischen Maghreb) ist durch den Anschluss der Salafist Group for Preaching and Combat (GSPC) an Al-Qaida entstanden. Inzwischen hat sich diese Gruppe wieder mehrmals geteilt, 2013 u.a. in die MUJAO (Bewegung für Einheit und Jihad in Westafrika). Ableger dieser Gruppen haben den Terroranschlag in In Amenas/Tigentourine im Jänner 2013 zu verantworten. 2014 haben sich mit dem Aufkommen des "Islamischen Staates" (IS) Veränderungen in der algerischen Terrorismusszene ergeben. AQIM hat sich aufgespalten und mindestens eine Teilgruppe, Jund al-Khilafa, hat sich zum IS bekannt. Diese Gruppe hat die Verantwortung für die Entführung und Enthauptung des französischen Bergführers Hervé Gourdel am 24.9.2014 übernommen. Dies war 2014 der einzige Anschlag, der auf einen Nicht-Algerier zielte. Ansonsten richteten sich die terroristischen Aktivitäten ausschließlich auf militärische Ziele (ÖB 3.2015).

Islamistischer Terrorismus und grenzübergreifende Kriminalität in der Sahelregion stellen weiterhin Bedrohungen für die Stabilität Algeriens dar. Algerien ist massiv in der Bekämpfung des Terrorismus engagiert und hat sein Verteidigungsbudget auf mehr als 10 Mrd. EUR erhöht (somit das höchste in Afrika). Eine kleine Anzahl islamistischer Extremisten operiert vor allem in der Sahara und den Berberregionen. Unsicherheit in der Region und die Aktivitäten des IS in einigen Nachbarländern machen diese jedoch zu einer potenziellen Bedrohung (BS 2016).

Spezifische regionale Risiken

Von Terroranschlägen und Entführungen besonders betroffen ist die algerische Sahararegion, aber auch der Norden und Nordosten des Landes (v.a. Kabylei). Die Gefahr durch den Terrorismus, der sich in erster Linie gegen die staatlichen Sicherheitskräfte richtet, besteht fort (AA 15.2.2017). Am 28.10.2016 wurde ein Polizist in Constantine ermordet; eine islamistische Gruppierung bekannte sich zu der Tat. Im Nordwesten Algeriens, der Provinz Ain Defla, wurden am 17.7.2015 zehn algerische Soldaten bei einem Angriff getötet (FD 15.2.2017).

Vor Reisen in die Grenzgebiete zu Libyen, Niger, Mali, Mauretanien, Tunesien und Marokko sowie in die sonstigen Saharagebiete, in ländliche Gebiete, Bergregionen (insbesondere Kabylei) und Gebirgsausläufer wird gewarnt (BMEIA 15.2.2017; vgl. AA 15.2.2017, FD 15.2.2017). Ausgenommen davon sind nur die Städte Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran (BMEIA 15.2.2017; vgl. FD 15.2.2017). Im Rest des Landes besteht weiterhin hohes Sicherheitsrisiko. Von nicht notwendigen Reisen nach Algier, Annaba, Constantine, Tlemcen und Oran wird abgeraten (BMEIA 15.2.2017).

Die häufigen Entführungen, besonders in der Region Kabylei treffen in erster Linie wohlhabende Einheimische und sind kriminell (Lösegeldforderung) motiviert. In den südlichen Grenzregionen zu Niger und Mali und jenseits der Grenzen gehen terroristische Aktivitäten, Schmuggel und Drogenhandel ineinander über. Es wird angenommen, dass AQIM in Nordmali, aber auch andernorts vereinzelt mit der lokalen Bevölkerung für Schmuggel aller Art zusammenarbeitet (ÖB 3.2015).

1.3.2 Rückkehr

Die illegale Ausreise, d. h. die Ausreise ohne gültige Papiere bzw. ohne eine Registrierung der Ausreise per Stempel und Ausreisekarte am Grenzposten, ist gesetzlich verboten (Art. 175 bis 1. algerisches Strafgesetzbuch, Gesetz 09-01 vom 25.2.2009, kundgemacht am 8.3.2009) (ÖB 3.2015, vgl. SGG o.D., AA 18.1.2016). Das Gesetz sieht ein Strafmaß von zwei bis sechs Monaten und / oder eine Strafe zwischen 20.000 DA bis 60.000 DA vor (SGG o.D.). Laut deutscher Botschaft wird das Gesetz auch angewendet; die algerischen Behörden erklären jedoch, das Gesetz sollte nur abschreckende Wirkung entfalten (ÖB 3.2015).

Rückkehrer, die ohne gültige Papiere das Land verlassen haben, werden mitunter zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Für illegale Bootsflüchtlinge ("harraga") sieht das Gesetz Haftstrafen von drei bis zu fünf Jahren und zusätzliche Geldstrafen vor. In der Praxis werden zumeist Bewährungsstrafen verhängt. Menschenrechtsorganisationen bezeichnen das Gesetz als "völlig verfehlt", da es sich gegen die Symptome (Migrations-druck), nicht aber gegen die Ursachen (Perspektivlosigkeit im eigenen Land) richte. Im Au-gust 2012 fand ein sog. "Harraga"- oder Bootsflüchtlings-Prozess auf o.g. Grundlage statt, der mit einem Freispruch endete (AA 18.1.2016).

Eine behördliche Rückkehrhilfe ist ho. nicht bekannt. Ebenso sind der Botschaft keine NGOs bekannt, die Unterstützung leisten. Bekannt ist, dass Familien zurückkehrende Familienmit-glieder wieder aufnehmen und unterstützen. Viel bekannter hingegen sind Fälle, in denen Familien Mitglieder mit beträchtlichen Geldmitteln bei der illegalen Ausreise unterstützen. Sollten Rückkehrer auf familiäre Netze zurückgreifen können, würde man annehmen, dass sie diese insbesondere für eine Unterkunft nützen. Wer nicht von seiner Familie aufgenommen wird und ohne Einkommen ist, wird insbesondere in Algier Schwierigkeiten haben, die hohen Mieten zu zahlen. In Algier wird vermehrt gegen informelle Siedlungen vorgegangen. Die Botschaft kennt auch Fälle von finanzieller Rückkehrhilfe (EUR 1.000-2.000) durch Frank-reich, für Personen, die freiwillig aus Frankreich ausgereist sind. Der algerische Außenminister erklärte gegenüber dem politischen Direktor des BMEIA im Jänner 2013, dass man jeder-zeit bereit sei, Rückkehrer aufzunehmen, sofern zweifelsfrei feststehe, dass es sich um algerische Staatsangehörige handle. Nachfragen bei EU-Botschaften und Pressemeldungen bestätigen, dass Algerien bei Rückübernahmen kooperiert. Zwischen Algerien und einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bestehen bilaterale Rückübernahmeabkommen (ÖB 3.2015).

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und dem Betreuungsinformationssystem der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend eingeholt.

Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkreteres sachverhaltsbezogenes Vorbringen als zuvor, sodass das Gericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt ansieht und sich der vom BFA vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

Der Beschwerde sind keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, die geeignet wären, die getroffenen Feststellungen infrage zu stellen. Sie lässt auch gänzlich offen, wie und womit das BFA zu einer anderen Entscheidung gelangen hätte sollen.

Aus den nachträglichen ergänzenden Mitteilungen des BFA konnten die tatsächliche Identität des Beschwerdeführers und der weitere Sachverhalt entnommen werden.

2.2 Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Volksgruppe und Sprachen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des BFA, die Feststellungen zum Vorhandensein von Familie im Herkunftsland darauf, dass die Angaben im Verwaltungsverfahren in diese Richtung weisen, wohingegen das Fehlen eines familiären Netzes als Tatsache gegebenenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit anstelle dieser Angaben vorgebracht worden wäre.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers gründen sich auf seine eigenen, unbedenklichen Angaben.

Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum sowie zur Staatsangehörigkeit beruhen auf der Identifizierung des Beschwerdeführers durch Interpol im Herkunftsland.

Die Feststellung über die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem Strafregister, jene zu seinem fehlenden Wohnsitz aus dem ZMR. Das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren ist der Mitteilung der StA vom 25.04.2017 im Schubhaftakt zu entnehmen, in dem sich auch die Zahlungsaufforderung eines Inkassobüros vom 03.05.2017 wegen des "Schwarzfahrens" befindet.

2.3 Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Die vorgebrachten Gründe, Verfolgung durch einen terroristischen Familienverband, ebenfalls aus der Volksgruppe der Berber, sind wenig glaubhaft, wie bereits das BFA im angefochtenen Bescheid zutreffend darlegt (S. 30 f, AS 160 f). Hervorzuheben ist, dass der Beschwerdeführer angab, sich nicht erinnern zu können, wo er an dem Tag war, als der Angriff auf seinen Bruder stattfand, der eigentlich ihm gegolten habe, und nach dem der Bruder zehn Tage im Koma verbracht habe. Der Lebenserfahrung würde es entsprechen, wenn sich der Beschwerdeführer klar wäre, ob er an diesem Tag "am Meer" war oder nicht.

Auch die weiteren vom BFA angeführten Hinweise auf eine konstruierte Erzählung, begonnen mit dem angeblichen Kennenlernen der Tochter beim Kleidungskauf bis zur Nichterstattung einer Anzeige, wertet das Gericht wie die Verwaltungsbehörde als insgesamt Basis für die Annahme, dass das Geschehen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht so stattfand. Letztlich blieb auch offen, was andernfalls gegen die notorische Schutzwilligkeit und -fähigkeit des Staates und was gegen eine ebensolche innerstaatliche Fluchtalternative spräche.

Da der Beschwerdeführer bisher, einschließlich des Schubhaftverfahrens, mit falschen Angaben zu seiner Identität auftrat, hat er zudem genau besehen die Fluchtgeschichte einer anderen Person präsentiert.

Das Gericht kommt daher - wie auch schon die belangte Behörde - zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung oder Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen.

Daher schließt sich das Gericht dieser Beweiswürdigung vollinhaltlich an. Da der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde dem bekämpften Bescheid nicht substantiiert entgegen trat, und sich seine Beschwerdebegründung darin erschöpfte, seine Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und geltend zu machen, ergeben sich auch keine Zweifel am Zutreffen der vom BFA getroffenen Feststellungen - von der erst durch die Identifizierung des Beschwerdeführers ermöglichten Positivfeststellung zur Identität abgesehen - und seiner Beweiswürdigung.

2.4 Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Algerien vom 17.05.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren - zum Bescheidzeitpunkt bereits, soweit fallrelevant, übereinstimmenden - Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.

In der Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergaben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der Beschwerdeführer hat sich dem Verfahren entzogen. Aus den unten unter 4. angeführten Gründen ist dennoch keine Einstellung des Verfahrens die Folge, sondern eine inhaltliche Erledigung der Beschwerde möglich.

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1 Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I):

3.1.1 Nach § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht, und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

3.1.2 Zum Vorbringen des Beschwerdeführers ist festzuhalten, dass seiner Schilderung, Algerien aus Gründen privater Verfolgung durch die Familie seiner von ihm geschwängerten ehemaligen Freundin verlassen zu haben, mangels Glaubhaftigkeit versagt blieb, zu einer ihr entsprechenden Feststellung zu führen. Es käme ihm indes auch im Fall ihres Zutreffens - wie oben unter Punkt II ausgeführt - mit Blick auf den Schutz durch den Herkunftsstaat und die innerstaatliche Fluchtalternative keine Asylrelevanz zu.

Anhaltspunkte für das tatsächliche Vorliegen asylrelevanter Fluchtmotive sind weder im Verfahren vor dem BFA noch in jenem des Gerichts hervorgekommen. Die ökonomischen Schwierigkeiten im Herkunftsland erreichen auch für Berber keine asylrelevante Intensität. Die wirtschaftliche Benachteiligung einer bestimmten, beispielsweise ethnischen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich als "reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse" (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174) asylrelevant sein, wurde aber in dieser Intensität weder behauptet noch von Amts wegen festgestellt.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.2 Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II):

Nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn der Antrag in Bezug auf den Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Das Beschwerdevorbringen beinhaltet die Behauptung einer privaten Verfolgung, welcher der Beschwerdeführer nach Rückkehr ausgesetzt wäre, führte aber zu keinen einschlägigen Feststellungen im Sinn der angeführten Bestimmungen.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 oder 3 EMRK abgeleitet werden kann.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandes-schaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet. Gleichzeitig wurde jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR betont, dass eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174 und VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443 mwH). Nach den Feststellungen zu Gesundheit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers und den Länderfeststellungen ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Lage geraten würde.

Das gilt auch dann, wenn eine Unterstützung durch die Angehörigen des Beschwerdeführers unterbleibt, weil er arbeitsfähig ist, neben Arabisch auch weitere in Algerien verwendete Sprachen spricht und dort auch bereits berufstätig war.

Es ist dem Beschwerdeführer auch unbenommen, allenfalls Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden. Aufgrund all dessen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat seine dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät, sodass auch der Spruchteil II des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3 Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt III):

3.3.1 Nichterteilung eines Aufenthaltstitels

Im ersten Satz des Spruchpunkts III im angefochtenen Bescheid sprach das BFA aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel "aus berücksichtigungswürdigen Gründen" "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt werde. Damit war, wie sich aus der Begründung des bekämpften Bescheids ergibt (S. 34, AS 206), das in § 57 AsylG 2005 beschriebene Rechtsinstitut "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemeint. Dem war durch die Richtigstellung des Spruchs Rechnung zu tragen.

Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Aus der Beschwerde und auch aus dem Verwaltungsakt ergeben sich auch keine Hinweise, die nahelegen würden, dass die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung in Betracht kommt.

3.3.2 Rückkehrentscheidung

Nach § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG ist eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Somit ist auch im vorliegenden Fall die Rückkehrentscheidung vorgesehen.

Das gilt nur dann nicht, wenn eine Rückkehrentscheidung wegen eines Eingriffs in das Privat- oder Familienleben eines Fremden auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für dauernd unzulässig zu erklären ist. Zu entscheiden ist dabei nach einer individuellen Abwägung der berührten Interessen gegenüber den öffentlichen, ob ein Eingriff im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig ist.

Zur Feststellung, dass eine Abschiebung nach Algerien zulässig ist, ist ausführen, dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Der Beschwerdeführer ist ausreichend gesund und daher erwerbsfähig.

Auch eine individuelle Abwägung der berührten Interessen ergibt, dass ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers durch seine Außerlandesbringung als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK verhältnismäßig angesehen werden kann.

Der Beschwerdeführer ist nach seinen Angaben am 16.09.2016 ein- und rund fünf Monate später in die Schweiz weitergereist. In dieser Zeit konnte keine relevante Bindung oder Beziehung aufgebaut werden. Dies gilt auch für den anschließenden Zeitraum bis zu seiner melderechtlichen Abmeldung aus dem Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer führte nach eigenen Angaben keine Lebensgemeinschaft und kein Familienleben in Österreich. Es fehlen alle Sachverhaltselemente, aus denen sich die Existenz gewisser unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens relevanter Bindungen allenfalls hätte ergeben können. Es reicht in diesem Zusammenhang nicht hin, dass er zuletzt in seiner Einvernahme im Mai 2017 angab, er habe "ein bisschen Deutsch geübt" und sei auch in der Kirche gewesen.

Gleichzeitig hat der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen und auch familiäre Anknüpfungspunkte.

Dem allenfalls bestehenden Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich stehen öffentliche Interessen gegenüber. Zuerst steht ihnen das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel anwesend sind - gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz - auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden.

Im konkreten Fall kommt dazu, dass der Beschwerdeführer nach seinem äußerst kurzen Aufenthalt naturgemäß keine Integrationsmerkmale aufweist, und diesen nur mittels eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz nach faktischer Einreise verwirklichen konnte. Das Befördern-Lassen ohne gültigen Fahrschein und der Konsum illegaler Drogen weisen zudem auf ein sozial inadäquates und mit den Werten der Rechtsordnung nicht übereinstimmendes Verhalten hin.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden.

3.3.3 Zulässigkeit der Abschiebung

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das BFA mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dies wäre aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich.

Die Abschiebung in einen Staat ist nach § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention verletzt würden, oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre.

Nach § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat auch unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.

§ 50 Abs. 3 FPG erklärt die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien einer realen Gefahr der Folter, der unmenschlichen Strafe oder Behandlung oder der Todesstrafe ausgesetzt wäre. Da der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben legal ausreiste und als untauglich für den Wehrdienst aus diesem weggeschickt wurde, ist auch eine Inhaftierung nicht zu befürchten.

Auch fehlt es an jedem Indiz, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr durch einen innerstaatlichen oder zwischenstaatlichen Konflikt Gefahr laufen würde in seinem Leben beeinträchtigt oder gar getötet würde.

Es gibt zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Algerien die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und damit die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre. Selbst die Beschwerde belässt es beim Vorbringen, ohne dazu konkret den Feststellungen des bekämpften Bescheids mit abweichenden Tatsachenbehauptungen entgegenzutreten.

Der Beschwerdeführer wird aufgrund seines Alters und seines Gesundheitszustandes in der Lage sein, in Algerien zumindest notdürftig leben zu können.

Die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz werden jedenfalls im konkreten Fall gedeckt werden können. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise in Österreich wirtschaftlich besser leben kann als in Algerien, genügt nicht für die Annahme, er würde in Algerien keine Lebensgrundlage vorfinden und somit seine Existenz nicht decken können. Es fehlen somit im vorliegenden Fall Hinweise auf derart exzeptionelle Umstände.

Zudem besteht in Algerien keine so extreme Gefahrenlage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne der Art. 2 oder 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre.

Stichhaltige Gründe für die Annahme, dass in Algerien das Leben des Beschwerdeführers oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht behauptet.

Eine der Abschiebung nach Algerien entgegenstehende Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte besteht nicht.

Daher erwiesen sich die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Algerien als rechtmäßig und die Beschwerde daher insoweit als unbegründet.

Die Beschwerde war daher - von der Richtigstellung im ersten Satz abgesehen - auch betreffend den Spruchpunkt III abzuweisen.

3.4 Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV):

Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das BFA die aufschiebende Wirkung unter anderem dann aberkennen, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat stammt (§ 18 Abs. 1 Z. 1 BFA-VG). Das ist der Fall.

Die Interessensabwägung zwischen den Interessen des Beschwerdeführers und jenen Österreichs ergibt schon wegen dessen äußerst kurzen Aufenthalts einen Überhang der Interessen Österreichs an der unverzüglichen Vollstreckung des bekämpften Bescheids, sodass das BFA der Beschwerde zu Recht die aufschiebende Wirkung aberkannte, zumal auch kein Grund vorlag, im Rahmen der Ermessensübung davon abzusehen.

Die Beschwerde erweist sich daher auch insoweit als unbegründet, sodass sie auch in Ansehung des Spruchpunkts IV abzuweisen war.

4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist.

Außerdem muss die Verwaltungsbehörde ihre die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Gericht diese tragenden Erwägungen in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Die genannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist - aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer bei seiner letzten Befragung im Schubhaftverfahren vor der neuerlichen Ausreise seine Angaben teils wiederholte, teils nicht änderte - die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Gericht zur Gänze angeschlossen.

Die Abhaltung einer Verhandlung konnte demnach unterbleiben. Aus diesem Grunde war gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 auch keine Einstellung des Verfahrens vonnöten, obwohl sich der Beschwerdeführer im Sinne des § 24 Abs. 1 AslyG 2005 dem Verfahren entzogen hat, indem er freiwillig das Bundesgebiet verließ.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Aus-spruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Beweiswürdigung von Fluchtvorbringen, den Folgen der Verletzung der Mitwirkungspflicht oder den Voraussetzungen der Aberkennung der Aufschiebenden Wirkung.

Die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage(n) kamen nicht hervor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung der Entscheidung,
Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative,
Interessenabwägung, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement,
öffentliches Interesse, persönlicher Eindruck, private Verfolgung,
Rechtsanschauung des VwGH, Rechtsirrtum, Rückkehrentscheidung,
sicherer Herkunftsstaat, staatlicher Schutz, Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I419.2139921.1.00

Zuletzt aktualisiert am

12.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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