Entscheidungsdatum
02.02.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W185 2166643-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2017, Zl. 1156520100-170709376, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 idgF und § 61 FPG idgF
als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger aus Afghanistan, stellte am 15.06.2017 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer im August 2016 in Bulgarien um Asyl ansuchte (BG1 vom 19.08.2016).
Im Zuge der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.06.2017 gab der Beschwerdeführer zu seinem Reiseweg an, von Afghanistan über Pakistan, den Iran, die Türkei, Bulgarien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gereist zu sein. Er habe in Bulgarien um Asyl angesucht und sich dort sieben Monate lang aufgehalten, jedoch sei die Situation in Bulgarien "sehr schlecht" gewesen. Der Stand seines Asylverfahrens in Bulgarien sei ihm nicht bekannt. Er habe mehrmals versucht, von Bulgarien nach Serbien zu gelangen, sei jedoch immer wieder von der bulgarischen Polizei verhaftet und schlecht behandelt worden. Der Beschwerdeführer wolle auf keinen Fall nach Bulgarien zurückkehren, sondern in Österreich bleiben. Österreich sei sein Reiseziel gewesen, weil seine Dorfbewohner hier aufhältig seien und nur Gutes über das Land erzählt hätten. Gesundheitliche Probleme machte der Beschwerdeführer insoweit geltend, als er angab, in der Heimat als Angehöriger des Militärs bei einer Minenexplosion am Bein verletzt worden zu sein; er habe dann 2 Monate im Krankenhaus verbringen müssen. In Österreich oder einem anderen Land der EU habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen. Der mitgereiste Landsmann sei nicht sein Cousin.
Aus einem Röntgenbefund vom 21.06.2017 ergibt sich Folgendes: Blande postoperative Verhältnisse nach Unterschenkelfrakturen; noch 2 Schrauben intraossär nachweisbar.
Aufgrund des EURODAC-Treffers mit Bulgarien und den Angaben des Beschwerdeführers richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 22.06.2017 ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der VO (EU) Nr 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (infolge Dublin-III-VO) an Bulgarien.
Mit Schreiben vom 28.06.2017 stimmten die bulgarischen Behörden zu, den Beschwerdeführer auf Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin-III-VO zu übernehmen (vgl. Aktenseite 59 des Verwaltungsaktes; infolge kurz: AS).
In der niederschriftlichen Einvernahme zur Wahrung des Parteiengehörs vor einem Organwalter des Bundesamtes am 18.07.2017 gab der Beschwerdeführer, nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin, zusammengefasst an, "derzeit" gesund zu sein, wobei sein Fuß schmerze. Er sei damals in der Heimat bei einer Explosion verletzt worden, weshalb ihm im Zuge einer vor 18 Monaten in Pakistan durchgeführten Operation eine Metallstange eingesetzt worden sei; der Arzt habe aber einen Fehler gemacht und die Stange sei gebrochen (AS 109). In Österreich sei der Beschwerdeführer deswegen bereits beim Arzt gewesen, der jedoch keine gesundheitliche Probleme habe feststellen können, obwohl der Beschwerdeführer einen geschwollen Fuß und Schmerzen habe. Hinsichtlich seiner familiären Verhältnisse gab der Beschwerdeführer an, Verwandte in Belgien zu haben; in Österreich habe er lediglich Freunde aus seinem Dorf. In Österreich würden sich keine Personen aufhalten, von denen der Beschwerdeführer abhängig wäre oder zu denen ein besonders enges Verhältnis bestünde. Zu dem mit ihm mitgereisten Landsmann habe er keinerlei verwandtschaftliche Verbindungen. Nachdem dem Beschwerdeführer die beabsichtigte Überstellung nach Bulgarien mitgeteilt wurde, gab dieser an, mehrmals versucht zu haben, von der Türkei aus nach Bulgarien einzureisen, sei jedoch jedes Mal von der Polizei erwischt und in der Folge geschlagen worden. Beim neunten oder zehnten Versuch sei es ihm dann gelungen, nach Bulgarien zu gelangen. Der Beschwerdeführer habe sich in Bulgarien zunächst als minderjährig ausgegeben und sei nach Abgabe seiner Fingerabdrücke in ein (offenes) Lager gebracht worden, wo er fünf Monate verbracht habe. Danach habe er eine Einvernahme gehabt, bei welcher er die Gründe genannt habe, weshalb er nicht in Bulgarien bleiben wolle. Zudem habe er auch zugegeben, volljährig zu sein. Es gebe in Bulgarien keine Verpflegung, keine medizinische Versorgung und keine Hygiene. Bei Verlassen des Lagers hätten einige bulgarische Jugendliche den Beschwerdeführer und andere Asylwerber geschlagen und ihnen die Handys weggenommen. Der Beschwerdeführer habe diese Übergriffe nicht gemeldet, da die bulgarische Polizei korrupt sei und ihm ebenfalls einmal seinen Rucksack samt Inhalt weggenommen habe. Nachdem der Beschwerdeführer letztlich einen negativen Bescheid in Bulgarien erhalten habe, habe er Bulgarien nach zwei Monaten verlassen. Bei seinen Ausreiseversuchen sei der Beschwerdeführer jedoch immer wieder von der Polizei aufgegriffen und zurückgeschickt worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin III-VO Bulgarien für die Prüfung des Antrages zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge dessen Abschiebung nach Bulgarien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Feststellungen zur Lage in Bulgarien wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst (nunmehr gekürzt durch das Bundesverwaltungsgericht):
Allgemeines zum Asylverfahren
Zuständig für das erstinstanzliche Asylverfahren ist die Staatliche Agentur für Flüchtlinge beim Ministerrat (State Agency for Refugees with the Council of Ministers, SAR). Es existiert ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:
(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)
99,8% der betretenen illegalen Migranten geben an, dass Bulgarien nicht ihr Zielland ist. Ende 2016 stieg die Quote der Antragsteller, die ihr Verfahren nicht zu Ende führen, auf 84%. 44% der Asylverfahren wurden eingestellt (discontinued) und 41% in Abwesenheit entschieden. Nur 15% der Asylwerber blieben lange genug im Land, um eine inhaltliche Entscheidung zu erhalten (AIDA 2.2017). Illegale Ausreise ist eine Straftat und kann zu Haftstrafen von über einem Jahr führen (AI 2.2017). In Bulgarien gab es 2017 bis 31.5.2017 1.833 Asylanträge (VB 20.6.2017b).
Es gibt weiterhin Berichte über Gewalt gegen Migranten und Asylwerber durch Mitglieder ziviler "Bürgerwehren" und Beamte an den Landesgrenzen. Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "Pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten. Dabei soll in hunderten Fällen vonseiten der Polizei und Grenzwache körperliche Gewalt zum Einsatz gekommen und die Migranten bisweilen auch beraubt und erniedrigend behandelt worden sein. Im November 2016 wurde im Zuge der Niederschlagung eines gewaltsamen Aufstandes im Unterbringungszentrum Harmanli von der Polizei angeblich übertriebene Gewalt angewendet. Im Juni 2016 wurden zwei Männer wegen versuchten Mordes angeklagt, die einen Asylwerber aus fremdenfeindlichen Motiven niedergestochen hatten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017). Die Handlungen der zivilen "Bürgerwehren", welche Migranten an den Grenzen bis zum Eintreffen der Polizei festhielten und bisweilen auch misshandelten, wurden von Teilen von Politik und Gesellschaft zunächst begrüßt. Nach formellen Beschwerden von NGOs wurden einige Mitglieder dieser Gruppen verhaftet und das bulgarische Innenministerium rief dazu auf, von der eigenmächtigen Anhaltung von Migranten Abstand zu nehmen (AI 2.2017). Einzelne Übergriffe von staatlichen Organen auf Migranten und Asylwerber in Bulgarien sind – wie überall – nicht völlig auszuschließen. Ein systematisches Vorgehen von Misshandlungen und/oder herabwürdigender Behandlung durch die bulgarischen Sicherheitskräfte besteht laut Einschätzung des BM.I-Verbindungsbeamten jedoch nicht. Das Disziplinarsystem innerhalb des Innenministeriums wird strikt ausgelegt, und die Täter hätten mit sofortiger Entlassung zu rechnen (VB 31.1.2017). Asylwerber und Schutzberechtigte haben dieselben gesetzlichen Beschwerdemöglichkeiten wie bulgarische Staatsbürger. Sie können die Behörden informieren. Die Zuständigkeit ergibt sich aus dem Charakter der Beschwerde. Ansprechbar sind der Direktor der jeweiligen Institution; der Vorsitzende der SAR über den Direktor der jeweiligen territorialen SAR-Einheit oder über NGOs; UNHCR; das Bulgarische Rote Kreuz; das Bulgarische Helsinki Komitee und andere NGOs welche reguläre Vertreter bei den territorialen Einheiten der SAR haben; der Direktor des jeweiligen Unterbringungszentrums (VB 9.7.2015).
Quellen:
? AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/336454/479095_de.html, Zugriff 27.6.2017
? AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
? BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States, http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/pushed_back.pdf, Zugriff 29.6.2017
? USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017
? VB des BM.I Bulgarien (9.7.2015): Auskunft SAR, per E-Mail
? VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
? VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017b): Bericht des VB, per E-Mail
Dublin-Rückkehrer
Mit Jänner 2016 ist in Bulgarien eine Reihe von Gesetzesänderungen in Kraft getreten. Demzufolge ist ein Verfahren zu suspendieren, wenn sich der Antragsteller diesem für mehr als zehn Arbeitstage entzieht. Nach weiteren drei Monaten ist das Verfahren zu beenden (Act Art. 14f.). Erscheint der Antragsteller binnen einer Frist von sechs Monaten ab Beendigung und bringt triftige Gründe für sein Fernbleiben vor, ist das Verfahren wiederzueröffnen. Die zuvor gebräuchliche Drei-Monats-Regel für die Wiedereröffnung von Verfahren existiert nicht mehr. Ohne triftige Gründe für das Fernbleiben bleibt nur die Möglichkeit eines Folgeantrags, der aber als unzulässig gilt, wenn er keine neuen Elemente in Bezug auf den Antragsteller oder den Herkunftsstaat enthält (Act Art. 77 und 13).
Wenn es bereits einen Antrag gab, aber das Verfahren des Dublin-Rückkehrers nicht inhaltlich geführt wurde, ist dieses jedenfalls wiederzueröffnen (Act Art. 77; vgl. SAR 17.5.2016a). Sind mehr als sechs Monate seit Einstellung des Verfahrens vergangen, würde in so einem inhaltlich noch nicht behandelten Fall ein erneuter Antrag als Erstantrag gelten (und nicht als Folgeantrag) (SAR 17.5.2016b).
Folgeantragsteller (außer Vulnerable) haben während der Zulässigkeitsprüfung ihres Folgeantrags (de jure 14 Tage) kein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversicherung/-versorgung und psychologische Hilfe (Act Art. 29 und 76b; vgl. AIDA 2.2017). Bei Antragstellern, deren suspendiertes Verfahren wiedereröffnet wird, weil es triftige Gründe für Ihr Fernbleiben gibt, ist laut Gesetz das Recht auf Krankenversicherung als fortdauernd (continuous) zu betrachten (Act Art. 29).
Die Angaben zum Zugang von Dublin-Rückkehrern zu Versorgung sind widersprüchlich. Zum einen sagt der AIDA-Bericht, dass Antragsteller, die sich dem Verfahren entziehen, in der Praxis bei Rückkehr das Recht auf Versorgung verlieren. Sie können auf eigene Kosten außerhalb der Zentren wohnen, was demnach hauptsächlich Dublin-Rückkehrer ohne Recht auf Versorgung in Anspruch nehmen. Ihre Zahl ist aber nicht sehr hoch. Auf der andren Seite gibt AIDA an, dass SAR vor der Ankunft von Dublin-Rückkehrern die Grenzpolizei darüber informiert, ob der Rückkehrer in ein Unterbringungszentrum zu verbringen (im Falle einer Wiedereröffnung des Verfahrens; bzw. wenn Rückkehrer die Ablehnung seines Antrags in Abwesenheit noch nicht mitgeteilt wurde), oder in Schubhaft zu nehmen ist (etwa wenn eine negative Entscheidung in Abwesenheit Rechtskraft erlangte). Jedenfalls übernahm Bulgarien 2016 624 Dublin-Rückkehrer (von 10.377 Anfragen). 2015 waren es noch 262 Rückkehrer gewesen (von 8.131 Anfragen). Im Prinzip gibt es für Dublin-Rückkehrer keine Hindernisse beim Zugang zum Verfahren in Bulgarien (AIDA 2.2017).
Bezüglich der Anschlussversorgung depressiver Dublin-Rückkehrer teilt SAR mit, dass bei vulnerablen Personen mit spezifischen Bedürfnissen, einschließlich Personen mit psychischen und psychiatrischen Problemen, deren spezifischer Zustand berücksichtigt wird. Gegenwärtig entsprechen das nationale System für internationalen Schutz in Bulgarien und die nationale Gesetzgebung im Bereich des Asyls der Gesetzgebung der EU mit sämtlichen Mindeststandards, einschließlich für die Aufnahmebedingungen. Als EU-Mitglied hält sich Bulgarien an die EU-Asylpolitik und –Gesetzgebung und folgt diesen sehr streng. Im Falle eines depressiven Dublin-Rückkehrers wird das Verfahren wieder aufgenommen und die Person hat alle in der Gesetzgebung vorgesehenen Rechte eines Asylwerbers, einschließlich das Recht auf psychologische Hilfe. Bei der Aufnahme einer Person mit speziellen Bedürfnissen werden Experten mit der jeweiligen medizinischen Qualifikation zugezogen und die betroffene Person wird von denen medizinisch, bzw. psychologisch betreut. Die Psychologen von SAR und die NGOs Zentrum "Nadya", IOM und das Bulgarische Rote Kreuz leisten selbstmordgefährdeten Dublin-Rückkehrer in Bulgarien Hilfe. Folgende Dienstleistungen werden angeboten: psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Beratung, individuelle Einschätzung des psychologischen Verhaltens, Erstellen von Zertifikaten für psychologische und psychisch-gesundheitliche Folgen eines Traumas (VB 20.6.2017a).
Quellen:
? Act – Asylum and Refugees Act (amend. 22.12.2015), per E-Mail
? AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
? SAR - State Agency for Refugees with the Council of Ministers (17.5.2016b): Auskunft SAR, per E-Mail
? VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017a): Auskunft SAR, per E-Mail
Non-Refoulement
Schutz vor Refoulement ist eine Erwägung in der Zulässigkeitsprüfung und unerlässlich für sichere Dritt- und Herkunftsstaaten (AIDA 2.2017).
Menschenrechtsorganisationen zufolge wendet Bulgarien Gewalt und sogenannte "pushbacks" an, um Migranten von seinem Territorium fernzuhalten (USDOS 3.3.2017; vgl. BHC 25.1.2017). Die Handlungen der zivilen "Bürgerwehren", welche Migranten an den Grenzen bis zum Eintreffen der Polizei festhielten und bisweilen auch misshandelten, wurden von Teilen von Politik und Gesellschaft zunächst begrüßt. Nach formellen Beschwerden von NGOs wurden einige Mitglieder dieser Gruppen verhaftet und das bulgarische Innenministerium rief dazu auf, von der eigenmächtigen Anhaltung von Migranten Abstand zu nehmen (AI 2.2017).
Die Regierung garantiert einen gewissen Schutz vor Ausweisung oder Rückkehr von Migranten und Asylwerbern in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischer Gesinnung bedroht wäre (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
? AI - Amnesty International (2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/336454/479095_de.html, Zugriff 27.6.2017
? AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
? BHC - Bulgarian Helsinki Committee et al. (25.1.2017): Pushed Back at the Door. Denial of Access to Asylum in Eastern EU Member States, http://www.helsinki.hu/wp-content/uploads/pushed_back.pdf, Zugriff 29.6.2017
? USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017
Versorgung
Asylwerber haben laut Gesetz das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens, inklusive eines etwaigen Beschwerdeverfahrens. Die Aufenthaltsdauer in den Zentren ist gesetzlich nicht begrenzt. Wenn es für Neuankömmlinge nicht genug Unterbringungsplätze geben sollte, werden in der Praxis solche ohne eigene Mittel prioritär untergebracht. Spezifische Bedürfnisse und das Armutsrisiko (finanzielle Mittel, Arbeitsmöglichkeiten, Arbeitserlaubnis, Zahl der abhängigen Familienmitglieder, etc.) werden in jedem Fall bewertet. Mit Erhalt der Asylwerbekarte, welche die Verfahrensidentität bestätigt, ist das Recht sich in Bulgarien aufzuhalten, auf Unterbringung und Versorgung, sowie zu Sozialhilfe im selben Ausmaß wie bulgarische Staatsbürger und zu Krankenversicherung, medizinischer Versorgung, psychologischer Versorgung und Bildung gegeben. Folgeantragsteller erhalten keine Asylwerberkarte und haben auch kein Recht auf materielle Versorgung. Sie haben lediglich ein Recht auf Übersetzerleistungen während die Zulässigkeit ihres Folgeantrags im Eilverfahren geprüft wird. Wurde der Folgeantrag nur eingebracht, um die Außerlandesbringung zu verzögern, besteht auch kein Recht auf Verbleib im Land. Die Zulässigkeit muss binnen 14 Tagen geklärt werden. Im Frühjahr 2015 wurde rückwirkend mit 1. Februar 2015 beschlossen, die Sozialhilfe für Asylwerber in Höhe von BGN 65,- (EUR 33,-) nicht mehr auszubezahlen, weil die Asylwerber in den Zentren der SAR drei warme Mahlzeiten am Tag erhalten würden. Letzteres ist Berichten zufolge aber nicht immer zutreffend. Einige NGOs haben daher gegen diese Entscheidung gerichtliche Beschwerde erhoben, welche jedoch nicht zugelassen wurde. Wenn Antragsteller sich dem Verfahren entziehen, verlieren sie bei Rückkehr in der Praxis das Recht auf Versorgung (AIDA 2.2017).
Bulgarien verfügt über Unterbringungszentren in Sofia (Ovcha Kupel, Vrazhdebna und Voenna Rampa), Banya und Harmanli sowie Pastrogor. Die Kapazität der Unterbringungszentren liegt bei ca. 5.130 Plätzen, SAR selbst spricht mit Stand Anfang 2017 von 5.490 Plätzen:
Die Unterbringungsbedingungen in den Zentren werden als ärmlich beschrieben, vor allem in Bezug auf die sanitären Anlagen. Freizeitaktivitäten für Kinder und Sprachschulungen gibt es in den Zentren derzeit keine. Die Unterbringungsbedingungen variieren aber zum Teil erheblich von Zentrum zu Zentrum. Wo immer möglich, erfolgt die Unterbringung von Familien ohne deren Trennung. Auf die Trennung der verschiedenen Nationalitäten wird geachtet. Asylwerber können mit Erlaubnis auf eigene Kosten auch außerhalb eines Zentrums leben, verlieren dann aber das Recht auf Unterbringung und soziale Unterstützung. Nicht viele Personen nützen dieses Recht. Meist handelt es sich um Dublin-Rückkehrer, die das Recht auf anderweitige Unterbringung verloren haben, weil sie sich dem Verfahren entzogen haben. Gegen Verweigerung der Unterbringung ist binnen sieben Tagen ein gerichtliches Rechtsmittel möglich (AIDA 2.2017).
Mehrmals während des Jahres 2016 haben finanzielle Probleme des SAR zu Unterbrechungen bei der Bereitstellung medizinischer Leistungen und Übersetzerdienstleistungen geführt. Menschenrechtsorganisationen und Freiwillige halfen mit Nahrungsmitteln u.a. Unterstützung (USDOS 3.3.2017).
Wenn das Asylverfahren länger als drei Monate dauert, haben Antragsteller Zugang zum Arbeitsmarkt bzw. zu Jobtrainings und Sozialleistungen im Falle von Arbeitslosigkeit. In der Praxis ist der Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der Sprachbarriere, genereller Rezession und hoher Arbeitslosenzahlen aber schwierig (AIDA 2.2017).
Seit Jänner 2016 können Antragsteller während ihres Asylverfahrens, in Übereinstimmung mit Art. 8(3)(a), (b), (d) und (f) der Neufassung der Aufnahmerichtlinie, auch geschlossen untergebracht werden. Dazu wurde von SAR ein geschlossenes Unterbringungszentrum geschaffen, der sogenannte "Block 3" des Schubhaftzentrums Busmantsi (60 Plätze). Zeitweilig gab es auch ein zweites geschlossenes Zentrum im Elhovo Regional Border Police Directorate (150 Plätze), das aber Ende 2016 wieder geschlossen wurde. 2016 wurden insgesamt 400 Personen derart geschlossen untergebracht, alle aus Gründen der nationalen und öffentlichen Sicherheit. Darüber hinaus sind noch die Schubhaftkapazitäten Bulgariens zu nennen. Das Land verfügt über zwei Schubhaftzentren: Busmantsi (400 Plätze), Lyubimets (300 Plätze) und das geschlossene Verteilerzentrum Elhovo (240 Plätze). Die Haftbedingungen werden vor allem bezüglich Hygiene kritisiert. Medizinische Versorgung ist nicht in jedem Haftzentrum täglich verfügbar. Die Sprachbarriere und Mangel an Medikamenten werden kritisiert (AIDA 2.2017).
Bulgarien bietet entsprechend der Flüchtlingskonvention ausreichende Unterkunft, Verpflegung und medizinische Versorgung. Die Aufnahmezentren werden dahingehend immer wieder von NGOs auf Mindeststandards kontrolliert (VB 31.1.2017).
Es gibt weiterhin Bedenken über unzureichende Information der Neuankömmlinge über ihre Rechte und schlechte Unterbringungsbedingungen. Das Zentrum in Pastrogor wird renoviert um es in eine geschlossene Einrichtung umzuwandeln. Dazu werden der Zaun und die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt, die Fenster werden vergittert. Das Zentrum Harmanli wird nach den gewaltsamen Ausschreitungen vom November 2016 ebenfalls sicherer gemacht, und die dort Untergebrachten dürfen nur noch zu bestimmten Zeiten in die Stadt gehen. Die etwa 500 an den Ausschreitungen Beteiligten wurden in geschlossene Zentren verlegt und rund 80% von ihnen mittlerweile in ihre Herkunftsländer rückgeführt. Da immer weniger Fremde ankommen, sind die Zentren nur knapp zur Hälfte belegt (FRA 4.2017).
Derzeit sind in Bulgarien untergebracht (Stand 15.6.2017): 2.057 Personen in offen Zentren (40% Auslastung), 489 Personen in geschlossenen Zentren (52% Auslastung) und 419 privat (auf eigene Kosten). Das sind gesamt 2.965 Personen (VB 20.6.2017b).
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
? FRA – Fundamental Rights Agency (4.2017): Monthly data collection on the migration situation in the EU. April 2017 monthly report. 1–31 May 2017,
http://fra.europa.eu/en/theme/asylum-migration-borders/overviews/april-2017, Zugriff 29.6.2017
? VB des BM.I Bulgarien (31.1.2017): Bericht des VB, per E-Mail
? VB des BM.I Bulgarien (20.6.2017b): Bericht des VB, per E-Mail
Medizinische Versorgung
Asylwerber haben ein Recht auf dieselbe medizinische Versorgung wie bulgarische Staatsbürger. SAR ist verpflichtet Asylwerber krankenzuversichern. In der Praxis haben Asylwerber damit mit denselben Problemen zu kämpfen wie Bulgaren, da das nationale Gesundheitssystem große materielle und finanzielle Defizite aufweist. In dieser Situation ist laut AIDA spezielle Betreuung für Folteropfer und Traumatisierte nicht verfügbar. Wenn das Recht auf Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, entzogen wird, betrifft das auch das Recht auf medizinische Versorgung. Medizinische Grundversorgung ist in den Unterbringungszentren gegeben, und zwar entweder durch eigenes medizinisches Personal oder Nutzung der Notaufnahmen lokaler Hospitäler. Alle Zentren verfügen über medizinische Behandlungsräume (AIDA 2.2017).
Mehrmals während des Jahres 2016 haben finanzielle Probleme des SAR zu Unterbrechungen bei der Bereitstellung medizinischer Leistungen und Übersetzerdienstleistungen geführt. Menschenrechtsorganisationen und Freiwillige halfen mit Nahrungsmitteln u.a. Unterstützung (USDOS 3.3.2017).
Asylwerber und UMA, sowie Personen, die bereits Asyl in der Republik Bulgarien erhalten haben und eine psychologische und psychiatrische Betreuung benötigen, werden nach Angaben von SAR von Psychologen der SAR sowie von Psychologen und Psychiatern der Zentren ASET und NADYA betreut. Das Zentrum ASET ist eine NGO, welche Folteropfer unterstützt. ASET arbeitet seit 2003 mit SAR zusammen und bietet psychologische Beratung, Psychotherapie, psychiatrische Behandlung, soziale Beratung, Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen, individuelle Einschätzung des psychologischen Zustandes und psychologische Gutachten an. Das Zentrum NADYA ist eine Stiftung, welche Frauen hilft, die physische, psychische oder sexuelle Gewalt erlebt haben. Das Zentrum bietet medizinische, psychologische und juristische Beratung, sowie Psychotherapie bzw. verweist die Bedürftigen zu anderen Behörden und Spezialisten. Momentan leistet das Zentrum NADYA psychiatrische und psychologische Unterstützung in den territorialen SAR-Einheiten im Rahmen eines Projekts, finanziert vom Fonds "Asyl, Migration und Integration" ("Unterstützung des Prozesses der Anfangsanpassung der Asylsuchenden durch soziale Mediation, Bildungsaktivitäten, psychologische Hilfe und rechtliche Beratung") (VB 26.4.2016).
In Bulgarien besteht grundsätzlich die Möglichkeit, rezeptfreie Medikamente auch über das Internet zu erwerben (VB 26.4.2016).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
(Anm. der Staatendokumentation: Ausführlichere Informationen zu psychologischer Betreuung, eine Liste der Psychologen in Bulgarien (in bulgarischer Sprache) und eine Liste von Apotheken in einigen bulgarischen Städten, in denen Psychopharmaka verfügbar sind, sowie eine Liste von Krankenhäusern in einigen bulgarischen Städten, in denen psychologische/psychiatrische Behandlung verfügbar ist, ist der AFB BULG_RF_MEV_Psychologische Betreuung von Asylwerbern und Schutzberechtigten_2016_05_02_AS auf dem Koordinationsboard bzw. auf ecoi.net zu entnehmen!)
Quellen:
? AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Bulgarian Helsinki Committee (BHC) / European Council on Refugees and Exiles: Country Report Bulgaria,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_bg_2016update.pdf, Zugriff 27.6.2017
? MedCOI – Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
? USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Bulgaria, https://www.ecoi.net/local_link/337129/479890_de.html, Zugriff 27.6.2017
? VB des BM.I Bulgarien (26.4.2016): Auskunft SAR, per E-Mail
Die Identität des Beschwerdeführers stehe nicht fest. Der Beschwerdeführer sei volljährig und leide nicht an lebensbedrohenden Krankheiten. Der vom Beschwerdeführer vorgelegte Röntgenbefund bescheinige "blande postoperative Verhältnisse nach Unterschenkelfrakturen"; zudem liege kein auffälliger Befund zum Kniegelenk vor. Der Beschwerdeführer habe in Bulgarien um internationalen Schutz angesucht; Bulgarien habe der Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin-III-VO ausdrücklich zugestimmt. Der Beschwerdeführer habe in Österreich keine Angehörigen oder Verwandte, zu denen ein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis oder eine besonders enge Beziehung bestünde. In Hinblick auf die vom Beschwerdeführer geschilderten Übergriffe durch Polizisten und Jugendliche wurde festgehalten, dass kein Hinweis für eine Duldung solcher Übergriffe oder für eine mangelnde Bereitschaft bzw. Fähigkeit der bulgarischen Sicherheitskräfte, Schutz zu gewähren, bestehe und von einer ausreichenden Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Sicherheitskräfte in Bulgarien ausgegangen werden könne. Darüber hinaus widerspreche der Vorwurf des Beschwerdeführers, dass es in Bulgarien keine medizinische Versorgung gegeben habe, den Länderfeststellungen. Schlechter sei hingegen die Lage für Folgentragsteller. Mangels familiärer Anknüpfungspunkte in Österreich und aufgrund des erst kurzen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet, sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer relevanten Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es habe sich diesbezüglich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ergeben.
Am 01.08.2017 langte fristgerecht eine Beschwerde ein. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer aufgrund des Erhalts eines negativen Bescheides und des illegalen Verlassens Bulgariens bei einer Rückkehr eine Haftstrafe bzw. die Verhängung von Schubhaft drohen könnte. Zudem befürchte der Beschwerdeführer obdachlos zu sein und keine medizinische Versorgung zu erhalten, was in Hinblick auf seine Beinbeschwerden problematisch sei. Im Übrigen würden sich seine Aussagen, von der bulgarischen Polizei bestohlen worden zu sein, mit den vorliegenden Länderinformationen decken. Aus den genannten Gründen sei dem Beschwerdeführer eine Rückkehr nach Bulgarien nicht zumutbar.
Am 11.08.2017 wurde das erkennende Gericht (unter Beifügung einer schriftlichen Einreiseverweigerung Deutschlands) darüber informiert, dass der Beschwerdeführer am 01.08.2017 mit einem Zug von Österreich nach Deutschland gereist und am Grenzübergang zurückgewiesen worden sei.
Mit Schreiben vom 04.09.2017 informierte das Bundesamt die bulgarischen Behörden über das zwischenzeitige Untertauchen des Beschwerdeführers und die damit zusammenhängende Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Afghanistan, reiste von der Türkei kommend über Bulgarien illegal in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten ein, wo er am 19.08.2016 um internationalen Schutz ansuchte. Am 16.06.2017 stellte er den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Am 22.06.2017 richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Wiederaufnahmegesuch gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b der Dublin-III-VO an Bulgarien und stimmten die bulgarischen Behörden mit Schreiben vom 28.06.2017 einer Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gem. Art. 18 Abs. 1 lit. d der Dublin-III- VO zu.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Bulgarien an.
Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Bulgarien Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden. Im zuständigen Mitgliedstaat herrschen keine systemischen Mängel im Asylwesen.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen. Er wurde nach einer Explosionsverletzung am Bein operiert. In Österreich wurde dann folgende Diagnose gestellt:
"Blande postoperative Verhältnisse nach Unterschenkelfrakturen, im Kniegelenk kein auffälliger Befund." Über einen stationären Aufenthalt des Beschwerdeführers bzw die Notwendigkeit einer Operation wurde nicht berichtet. In Bulgarien sind alle Krankheiten behandelbar und alle gängigen Medikamente erhältlich.
Besondere private, familiäre oder berufliche Bindungen des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet bestehen nicht.
Am 04.09.2017 wurde das Verfahren wegen des zwischenzeitigen Untertauchens des Beschwerdeführers ausgesetzt bzw. die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise des Beschwerdeführers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten über Bulgarien sowie der dortigen Asylantragstellung ergeben sich aus den eigenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Einvernahmen in Zusammenhalt mit der vorliegenden EURODAC-Treffermeldung der Kategorie "1" mit Bulgarien vom 19.08.2016.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers seitens Bulgariens nach Art 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt dem Verwaltungsakt ein - zwischen der österreichischen und der bulgarischen Dublin-Behörde ab.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch nachvollziehbare aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Bulgarien auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen. Den Quellenangaben im angefochtenen Bescheid lässt sich eindeutig entnehmen, dass sich die Feststellungen nicht ausschließlich auf staatliche Quellen gründen. Es handelt sich nach Ansicht des Gerichts bei den Länderfeststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material, welches auch ein durchaus differenziertes Bild der Situation in Bulgarien zeichnet; es wird auch Kritik an bestehenden Schwachstellen des bulgarischen Asylsytems dargestellt. Von einer Unausgewogenheit der Quellen kann nicht gesprochen werden. Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das bulgarische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in Bulgarien, den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Eine den Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in Bulgarien wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe hiezu auch unten).
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage (insbesondere aus einem Röntgenbefund vom 21.06.2017). Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Die festgestellten persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers ergeben sich aus dessen eigenen Angaben und finden in der damit im Einklang stehenden Aktenlage Deckung.
Der Beschwerdeführer ist als nicht besonders vulnerabel zu qualifizieren. Eine generelle Suspendierung von Dublin-Überstellungen nach Bulgarien wurde von UNHCR nicht aufrechterhalten. Die vorliegende Entscheidung folgt der aktuellen Einschätzung von UNHCR, da dessen Expertisen als Garant des internationalen Flüchtlingsschutzes regelmäßig auch von nationalen Höchstgerichten und dem EGMR bei deren Entscheidungen maßgebliche Berücksichtigung finden.
Der Umstand des Untertauchens des Beschwerdeführers und der damit zusammenhängenden Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate ergibt sich aus einem Schreiben des Bundesamtes vom 04.09.2017 bzw einer vom BVwG veranlassten ZMR-Abfrage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG idgF bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl § 75 Abs 18 AsylG 2005 idF BGBl I 2013/144).
§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine
Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine
Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. (2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) lauten:
KAPITEL II
ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN
Art. 3
Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU–Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
KAPITEL III
KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS
Art. 7
Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Art. 13
Einreise und/oder Aufenthalt
(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.
(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller — der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können — sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
KAPITEL IV
ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN
Art. 16
Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17
Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.
Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.
Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nac