TE Vwgh Beschluss 2018/1/16 Ra 2017/03/0025

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Veröffentlicht am 16.01.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
27/01 Rechtsanwälte;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
RAO 1868 §45 Abs4;
RAO 1868 §46 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Dr. N N, Rechtsanwältin in W, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 29. Dezember 2016, VGW-101/020/13821/2016-8, betreffend Enthebung von der Verfahrenshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien; weitere Partei: Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionswerberin hat der Rechtsanwaltskammer Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 23. August 2016 wurden - soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Bedeutung - Anträge der Revisionswerberin auf Enthebung von der Verfahrenshilfe für eine näher bezeichnete Person in einem näher bezeichneten Strafverfahren (Spruchpunkt 1) und auf Befreiung von der Bestellung von der Verfahrenshilfe für diese Person (Spruchpunkt 2) abgewiesen; weiters wurde der Antrag, "sonstige erforderliche Maßnahmen bzw. Handlungen zu setzen", dass die Revisionswerberin die Verfahrenshilfe dieser Person ab sofort nicht länger zu betreuen habe, zurückgewiesen (Spruchpunkt 3). Die Anträge waren im Wesentlichen darauf gestützt, dass die Revisionswerberin einerseits umfangreiche Sorge- und Beistandspflichten gegenüber betagten Verwandten habe und andererseits seit der Bestellung Gründe eingetreten seien, die zur Befangenheit der Revisionswerberin geführt hätten, zumal die Betreuung der konkreten Verfahrenshilfe für die Revisionswerberin mit beträchtlichen Nachteilen verbunden sei, welche das pflichtgemäße sachliche Handeln durch psychologische Motive hemmen würden.

2 Die gegen diese Spruchpunkte des Bescheides des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien gerichtete Beschwerde der Revisionswerberin wies das Verwaltungsgericht - mit einer geringfügigen, für den Revisionsfall nicht relevanten Spruchkorrektur - als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für unzulässig.

3 Das Verwaltungsgericht hielt fest, dass eine Umbestellung in einer konkreten Verfahrenshilfesache nur aus den in § 45 Abs. 1 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 RAO taxativ genannten Gründen sowie wegen Befangenheit in Betracht komme; darüber hinaus ergebe sich aus der EMRK die Verpflichtung zur Enthebung des Amtsverteidigers, wenn die wirksame Verteidigung des Angeklagten nicht anders als durch Bestellung eines anderen Verteidigers sichergestellt werden könne. Für die Zukunft könne (nur) aus den in § 46 Abs. 2 RAO genannten Gründen von einer Heranziehung als Verfahrenshilfeverteidiger abgesehen werden. In der Folge führt das Verwaltungsgericht näher aus, weshalb die Gründe des § 45 Abs. 4 in Verbindung mit § 10 Abs. 1 RAO nicht vorlägen, insbesondere Befangenheit nicht angenommen werden könne und auch die Enthebung nicht erforderlich sei, um eine wirksame Verteidigung zu ermöglichen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

6 Der Verwaltungsgerichtshof leitete über die Revision zunächst das Vorverfahren ein, in dem die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurückweisung, in eventu Abweisung der Revision beantragte.

7 Die Revisionswerberin wirft zur Zulässigkeit der Revision zunächst die Frage auf, ob ein Antrag auf Befreiung gemäß § 46 Abs. 2 RAO nur von der Bestellung von kommenden Verfahrenshilfen befreien könne oder auch - wie sie meint - von bereits bestehenden Bestellungen.

Dazu ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in dem auch von der Revisionswerberin zitierten Erkenntnis vom 5. Juli 2007, 2006/06/0255, bereits klargestellt hat, dass § 46 Abs. 2 RAO (nur) bei der Entscheidung über den Antrag auf künftige Befreiung von der Bestellung zur Verfahrenshilfe zur Anwendung kommt. Für den Revisionsfall, bei dem es um die beantragte Enthebung von einer bereits erfolgten Bestellung zur Verfahrenshilfevertreterin geht, ist diese Bestimmung somit nicht anwendbar. Daran ändert es auch nichts, dass im vorliegenden Fall von der Revisionswerberin im Wesentlichen persönliche Gründe (Sorgepflichten) für die von ihr beantragte Enthebung geltend gemacht werden, nicht aber - wie in jenem Fall, der dem zitierten Erkenntnis zugrunde lag - schlechte wirtschaftliche Verhältnisse. Das Verwaltungsgericht ging daher zutreffend davon aus, dass § 46 Abs. 2 RAO im vorliegenden Fall nicht anzuwenden war.

8 Das Verwaltungsgericht hat zudem rechtsrichtig ausgeführt, dass bei Enthebung bzw. Umbestellung als Verfahrenshilfeverteidiger die in § 45 Abs. 4 RAO taxativ aufgezählten Gründe maßgeblich sind (vgl. VwGH 28.11.2014, 2013/01/0012). Ob diese Gründe gegeben sind, unterliegt der jeweiligen einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn die Beurteilung des Verwaltungsgerichts in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Dass dies gegenständlich der Fall war, vermochte die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar.

9 Soweit die Revisionswerberin "im Kontext des Anwendungsbereiches des Art. 6 EMRK" ein Abweichen des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Thema Befangenheit vorbringt, wird auch damit keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt. Mit der bloßen Behauptung, eine bestimmte Auffassung des Verwaltungsgerichts widerspreche der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wird die Begründung für die Zulässigkeit der Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, schon weil nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher Rechtsprechung das Verwaltungsgericht nach Ansicht der Revisionswerberin abgewichen sein soll (siehe VwGH 6.10.2015, Ra 2015/02/0187).

Darüber hinaus ist festzuhalten, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die Anforderungen des Art. 6 Abs. 1 EMRK im Hinblick auf eine wirksame Verteidigung durch den Verfahrenshelfer (vgl. hierzu etwa VwGH 27.3.2000, 2000/10/0019; 13.9.2016, Ro 2016/03/0009 mwH) geprüft hat und in einer vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu beanstandenden Beurteilung zu dem Schluss gekommen ist, dass ein ausreichend wirksamer Beistand im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK gegeben ist.

10 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

11 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 16. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017030025.L00

Im RIS seit

12.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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