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62/01 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlassfallLeitsatz
Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im AnlassfallSpruch
I. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Das Erkenntnis wird aufgehoben.
II. Der Bund (Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit € 2.856,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe
1.1. Der Beschwerdeführer, ein zum Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes 45-jähriger serbischer Staatsangehöriger, stellte mit Schriftsatz vom 24. September 2014 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot–Karte" gemäß §49 Abs2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) um eine Beschäftigung als Schlüsselkraft gemäß §12b Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) auszuüben. Dieser Schriftsatz langte am 9. Oktober 2014 beim Amt der Wiener Landesregierung (Magistratsabteilung 35) ein, welche den Antrag am 10. Oktober 2014 an das AMS Wien weiterleitete (dieses leitete den Antrag in Folge an das zuständige AMS Neunkirchen weiter). Laut den Angaben auf der Arbeitgebererklärung solle der Beschwerdeführer eine Tätigkeit als Landwirt, Baumeister, Maschinentechniker, Liegenschaftsverwalter bzw. Betreuer aufnehmen.
1.2. Mit Bescheid vom 22. Juni 2015 wies das AMS Neunkirchen den Antrag auf Zulassung als Schlüsselkraft gemäß §12b Z1 AuslBG nach Anhörung des Regionalbeirates ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 50 Punkten nicht erreiche und deshalb eine Grundvoraussetzung gemäß §12b Z1 AuslBG nicht erfüllt sei.
1.3. Gegen diesen Bescheid erhoben der Beschwerdeführer sowie der (geplante) Arbeitgeber des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 17. Juli 2015 Beschwerde und legten umfangreich dar, dass sich die Anzahl der anrechenbaren Punkte gemäß Anlage C bei richtiger Betrachtung erhöhen würde. Beispielsweise sei die Mitarbeit des Beschwerdeführers in der elterlichen Land- und Forstwirtschaft nicht angerechnet worden (20 Punkte), ebenso wenig sei seine Ausbildung zum Verkäufer gewertet worden. Wesentlich sei auch, dass §12b Z1 AuslBG in Bezug auf das Qualifikationskriterium des Alters verfassungswidrig sei.
1.4. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 25. September 2015 wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab, da die persönlichen Voraussetzungen des §12b Z1 AuslBG nicht erfüllt seien. Der Beschwerdeführer habe für das Kriterium "Qualifikation" 20 Punkte und für das Kriterium "Sprachkenntnisse" 10 Punkte erhalten. Für das "Alter" von 44 Jahren haben keine Punkte vergeben werden können. Der Beschwerdeführer würde selbst bei Vorlage eines weiteren Sprachdiploms und bei Anrechnung der "ausbildungsadäquaten Berufserfahrung" und somit einer weiteren zusätzlichen Höchstpunkteanzahl von 15 bzw. 10 Punkten nicht die erforderliche Mindestpunkteanzahl von 50 Punkten erreichen. Die Voraussetzungen zur Erteilung einer "Rot-Weiß-Rot–Karte" würden folglich nicht vorliegen.
1.5. Gegen die Beschwerdevorentscheidung erhoben der Beschwerdeführer und der (potentielle) Arbeitgeber des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 12. Oktober 2015 einen Vorlageantrag. Erneut brachte der Beschwerdeführer u.a. vor, dass es zu einer Diskriminierung von über 40-jährigen Ausländern auf dem österreichischen Arbeitsmarkt komme, da sie bei Anrechnung aller Maximalpunkte nie mehr als 45 Punkte erreichen könnten. Zudem würden Ausländer untereinander ungleich behandelt werden.
1.6. Mit Erkenntnis vom 24. August 2016 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Ausländer würden zu einer Beschäftigung als Schlüsselkraft u.a. zugelassen werden, wenn sie die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C des AuslBG angeführten Kriterien erreichen. Der Beschwerdeführer erreiche jedoch lediglich 30 Punkte (von 50), weswegen die Voraussetzungen für die beantragte "Rot-Weiß-Rot–Karte" nicht vorliegen würden. Die Punkteanzahl nach Anlage C für "Qualifikation" betrage 20 Punkte, für "Sprachkenntnisse" 10 Punkte, für die "ausbildungsadäquate Berufserfahrung" 0 Punkte und für das "Alter" 0 Punkte. Somit werde bei Berücksichtigung aller in Anlage C aufgelisteten Kriterien für sonstige Schlüsselkräfte eine Punkteanzahl von insgesamt 30 Punkten erreicht. Für eine ausbildungsadäquate Berufserfahrung haben keine Punkte vergeben werden können, da es sich auf Grund der angegebenen Tätigkeitsbeschreibungen um keine Tätigkeit handle, die mit der Ausbildung zum Verkäufer zusammenhänge. Es liege auch keine Unionsrechtswidrigkeit vor. Die Anlage C zu §12b AuslBG verstoße zudem nicht gegen den Gleichheitssatz, da der Eingriff in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Schutz vor Diskriminierung auf Grund des Alters im Hinblick auf das Ziel der Regelung, auf Grund der erwarteten demographischen Entwicklung vorwiegend jüngerer Arbeitskräfte anzusprechen, sachlich gerechtfertigt sei. Zudem werde ein höheres Alter durch andere Kriterien wie beispielsweise eine höhere Qualifikation oder längere Berufserfahrung ausgeglichen.
2. Dagegen richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander und Art21 GRC sowie eine Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (Anlage C zu §12b Z1 AuslBG) behauptet wird. Zudem regte der Beschwerdeführer ein Vorabentscheidungsverfahren zur Frage an, ob eine Diskriminierung, die der Gesetzgeber Inländern gegenüber rechtfertigt und die sodann nur unter bzw. zwischen Ausländern untereinander wirke, auch letzteren gegenüber als gerechtfertigt gelte.
3. Aus Anlass dieser Beschwerde leitete der Verfassungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §12b Z1 sowie der Anlage C "Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß §12b Z1" des AuslBG ein. Mit Erkenntnis vom 13. Dezember 2017, G281/2017, hat der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage C angeführten Kriterien erreichen und" in §12b Z1 sowie die Anlage C "Zulassungskriterien für sonstige Schlüsselkräfte gemäß §12b Z1" des Bundesgesetzes vom 20. März 1975, mit dem die Beschäftigung von Ausländern geregelt wird (Ausländerbeschäftigungsgesetz – AuslBG), BGBl 218/1975 idF des Bundesgesetzes, mit dem das Ausländerbeschäftigungsgesetz und das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1997 geändert werden, BGBl I 25/2011, als verfassungswidrig aufgehoben.
4. Die Beschwerde ist begründet.
Das Bundesverwaltungsgericht hat eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.
Der Beschwerdeführer wurde also durch das angefochtene Erkenntnis wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.404/1985).
5. Das Erkenntnis ist daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
7. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 436,– sowie eine Eingabegebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 240,– enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlassfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:E2723.2016Zuletzt aktualisiert am
09.02.2018