TE Vwgh Beschluss 2018/1/29 Ra 2015/08/0148

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Veröffentlicht am 29.01.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art6;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §41;
VwGVG 2014 §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des C P in Wien, vertreten durch Dr. Leonhard Reis, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mölker Bastei 10/5, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 12. August 2015, LVwG-MD-14-1108, betreffend Bestrafung nach dem ASVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Mödling), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

2.1. Mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigte das Verwaltungsgericht die Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 33 Abs. 1 in Verbindung mit § 111 Abs. 1 Z 1 ASVG zu Geldstrafen von EUR 1.500,-- und EUR 1.200,-- (Ersatzfreiheitsstrafen von 231 und 184 Stunden), weil dieser als Dienstgeber unterlassen habe, zwei von ihm seit Mai 2010 bzw. seit Herbst 2012 gegen Entgelt beschäftigte - am 30. August 2013 von der Finanzpolizei auf einer Baustelle beim Montieren einer Balkontür betretene - Arbeiter vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger zur Vollversicherung anzumelden.

Das Verwaltungsgericht erklärte die Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für nicht zulässig.

2.2. Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision, in der ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in mehreren Punkten behauptet wird.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG wird jedoch nicht aufgezeigt.

3.1. Soweit sich der Revisionswerber gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz nur insofern zugänglich ist, als es um die Kontrolle der Schlüssigkeit der vom Verwaltungsgericht angestellten Erwägungen geht. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 16.8.2016, Ra 2015/08/0074).

3.2. Vorliegend hält die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts den aufgezeigten Kriterien einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof stand. Das Verwaltungsgericht hat die Feststellungen nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung auf Basis der abgelegten Aussagen und der vorliegenden Urkunden getroffen. Der Revisionswerber vermag keine stichhältigen Gründe anzugeben, aus denen die Beweiswürdigung unschlüssig wäre bzw. in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre.

4.1. Soweit der Revisionswerber Verfahrensmängel behauptet, ist ihm entgegenzuhalten, dass das diesbezügliche Vorbringen weit überwiegend durch die Aktenlage widerlegt ist. Zudem kann von hier in Rede stehenden Verfahrensmängeln nur dann ausgegangen werden, wenn die Relevanz für den Verfahrensausgang konkret dargetan wird (vgl. VwGH 9.2.2015, Ra 2015/02/0014). Eine nicht weiter substanziierte Behauptung von Mängeln reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen (vgl. VwGH 19.1.2016, Ra 2015/19/0226).

4.2. Die behaupteten Mängel sind insofern widerlegt, als das Verwaltungsgericht sehr wohl ein Protokoll über die mündliche Verhandlung am 28. Mai 2015 aufgenommen hat, wobei das Deckblatt auch (nicht lesbare) Unterschriften aufweist. Nach dem Inhalt des Protokolls konnten die Parteien nach Schluss des Beweisverfahrens weitere Ausführungen machen bzw. ergänzende Anträge stellen, bevor die Verhandlung geschlossen wurde. Folglich wäre es dem Revisionswerber möglich gewesen, vor Schluss der Verhandlung ein ergänzendes Vorbringen zu erstatten und auch weitere Beweisanträge (auf Einvernahme seines Steuerberaters, Beischaffung des Insolvenzakts eines der Arbeiter und Aufnahme weiterer Urkunden zum Beweis für eine selbständige Tätigkeit der Arbeiter) zu stellen.

4.3. Im Übrigen legt der Revisionswerber die Relevanz der behaupteten Mängel (wobei er ferner das Unterbleiben einer Protokollzustellung rügt) nicht ordnungsgemäß dar, lässt er doch ein hinreichend konkretes und substanziiertes Vorbringen vermissen, inwiefern die Mängel den Verfahrensausgang zu seinem Nachteil beeinflusst hätten. Am Erfordernis einer hinreichenden Relevanzdarstellung kann bei ordnungsgemäßer Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch die Berufung auf Art. 6 EMRK nichts ändern (vgl. VwGH 2.8.2016, Ra 2014/05/0058).

5.1. In Ansehung der rechtlichen Würdigung zeigt der Revisionswerber ebenso keinen dem Verwaltungsgericht unterlaufenen Fehler auf, der als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzugreifen wäre.

5.2. Das Verwaltungsgericht ist auf fallbezogen nicht unvertretbare Weise zum Ergebnis gelangt, dass nach den im Sinn der ständigen Rechtsprechung (vgl. etwa VwGH 10.12.1986, VwSlg. 12.325/A) anzuwendenden Abgrenzungskriterien, bezogen auf das Gesamtbild der konkret zu beurteilenden Beschäftigung, von einem Überwiegen der Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit und damit vom Vorliegen eines (echten) Dienstverhältnisses im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG - und nicht etwa vom Vorliegen eines Werkvertrags - auszugehen ist.

Was die persönliche Abhängigkeit betrifft, so finden sich hinreichende Anhaltspunkte für Bindungen der Arbeiter in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten sowie diesbezügliche Weisungs- und Kontrollbefugnisse des Revisionswerbers (vgl. VwGH 15.2.2017, Ra 2014/08/0055). Die wirtschaftliche Abhängigkeit ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge der persönlichen Abhängigkeit ist (vgl. VwGH 21.9.2015, Ra 2015/08/0045).

5.3. Die Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien für ein im Jänner 2012 gegen einen der beiden Arbeiter eröffnetes Insolvenzverfahren spricht ebenso nicht gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Im Bereich des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien schreitet - soweit es sich nicht um ein Schuldenregulierungsverfahren handelt, für welches gemäß § 182 IO das Bezirksgericht zuständig ist - das Handelsgericht Wien als Insolvenzgericht ein (§ 64 IO). Dessen Eigenzuständigkeit sagt daher nichts darüber aus, ob der Arbeiter ein Unternehmen betrieb oder nicht.

5.4. Das erstmals in der Revision - erkennbar mit Blick auf § 35 Abs. 3 ASVG - erhobene Vorbringen, der Revisionswerber habe die ihn treffenden Pflichten auf seinen Steuerberater delegiert, sodass ihn kein Verschulden treffe, ist wegen Verletzung des Neuerungsverbots (§ 41 VwGG) unbeachtlich.

6. Insgesamt wird daher in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. zu deren Maßgeblichkeit etwa VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0008) keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war deshalb zurückzuweisen.

Wien, am 29. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2015080148.L00

Im RIS seit

08.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

04.04.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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