TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/25 L516 2143826-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.01.2018
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Entscheidungsdatum

25.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L516 2143826-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX auch XXXX , StA Iran, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2016, Zahl 1098772701/1511982815, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine iranische Staatsangehörige, reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann und zwei minderjährigen Kindern in Österreich ein und stellte am 11.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 13.12.2015 erfolgte dazu eine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und am 20.05.2016 wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eine niederschriftliche Einvernahme durchgeführt.

1.1. Die Beschwerdeführerin begründete ihren Antrag bei der Erstbefragung am 13.12.2015 damit, dass ihre Familie aufgrund der derzeitigen Situation in Gefahr sei und vom Geheimdienst verfolgt werde, da ein Cousin des Ehemannes vom Geheimdienst getötet worden sei und der Ehemann Flugblätter verteilt habe, um zu demonstrieren, dass der Staat einen Unschuldigen getötet habe. Zudem werde sie als Araberin im Iran diskriminiert. Vor dem BFA gab sie am 20.05.2016 zudem an, dass sie seit rund sieben Monate in die Kirche gehe, an Jesus glaube und zum Christentum konvertiert sei.

1.2. Die Beschwerdeführerin brachte dem BFA eine Bestätigung über die in Österreich erfolgte Taufe in Vorlage.

2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (AsylG) bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV). Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführerin vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

2.1. Das BFA erachtete das Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrem Ausreisegrund und auch einen Glaubenswechsel für nicht glaubhaft und führte aus, dass auch kein Sachverhalt im Sinne der Art 2 und 3 EMRK vorliege und eine Rückkehrentscheidung im Falle der Beschwerdeführerin keine Verletzung von Art 8 EMRK darstelle.

3. Die Beschwerdeführerin hat gegen den ihr am 28.12.2016 zugestellten Bescheid des BFA am 30.12.2016 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.

4. Die Beschwerdeführerin übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 15.11.2017 Bestätigungen Teilnahme der Beschwerdeführerin an den religiösen Veranstaltungen ihrer Glaubensgemeinschaft, Bestätigung über die Teilnahme an Deutschkursen und die gemeinnützige Tätigkeit, Bestätigungen österreichischer Staatsangehöriger über die von der Beschwerdeführerin gesetzten Integrationsschritte sowie eine persönliche Schilderung der Gründe und Bedeutung des Glaubensübertritts für die Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige des Iran und führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Ihre Identität steht fest.

1.2. Die Beschwerdeführerin war ursprünglich muslimischen Glaubens. Sie reiste Ende Dezember 2015 in Österreich ein und hat in der Folge Zugang zum christlichen Glauben erlangt, hat sich mit der christlichen Glaubenslehre auseinandergesetzt und wurde am 16.05.2016 nach Taufunterricht nach dem Ritus der freikirchlichen Christlichen Gemeinde XXXX getauft. Die Beschwerdeführerin besuchte bis zu ihrer von den österreichischen Behörden verfügten Verlegung von Vorarlberg in eine Flüchtlingsunterkunft in Tirol die Gottesdienste und religiösen Veranstaltungen jener Glaubensgemeinschaft und suchte nach ihrer Verlegung nach Tirol sofort Kontakt zur Freien Christengemeinde XXXX . Seither besucht sie die religiösen Veranstaltung dieser Glaubensgemeinschaft und bemüht sich aktiv darum, am Glaubensleben mitzuwirken, soweit dies ihre Sorgfaltspflicht für ihre im Mai 2017 in Österreich geborene Tochter, welche auch einen römisch-christlichen Vornamen erhielt, und die öffentlichen Verkehrsanbindung an ihrem Wohnort aktuell zulassen. Repräsentanten ihrer vormaligen und aktuellen Glaubensgemeinschaft sind von der ernsthaften und aufrichtigen Hinwendung der Beschwerdeführerin zum christlichen Glauben überzeugt und bestätigen die aktive Teilnahme am Gemeindeleben. Es kann vor dem Hintergrund der nachangeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen hat.

1.3. Zur Konversion im Iran enthält der angefochtene Bescheid folgende Ausführungen:

"Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2013 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war (ÖB Teheran 10.2014). Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Die Zahl der politischen Gefangenen, die sich aufgrund von Apostasie oder missionarischer Tätigkeit in Haft befinden, wird auf mindestens zehn geschätzt. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2014, vgl DIS 23.6.2014). Stark eingeschränkt sind das Recht, eine Religion zu wählen oder zu wechseln, sowie das Recht, für einen Glauben oder eine Religion frei zu werben. Ehemals muslimischen Konvertiten droht Verfolgung und Bestrafung. In Einzelfällen werden Gerichtsverfahren eingeleitet, Verurteilungen erfolgen allerdings oft nicht wegen Apostasie, sondern wegen Sicherheitsdelikten. Es gibt allerdings auch Konvertiten, die unbehelligt eine der anerkannten Religionen ausüben. Die Konvertiten und die Gemeinden, denen sie angehören, stehen jedoch insofern unter Druck, als den Konvertiten hohe Strafen drohen und auch die Gemeinden mit Konsequenzen rechnen müssen (z.B. Schließung), wenn die Existenz von Konvertiten in der Gemeinde öffentlich bekannt wird. Zum anderen wird die "Ausübung" der Religion restriktiv ausgelegt und schließt jede missionierende Tätigkeit aus. Missionierende Angehörige auch von Buchreligionen werden verfolgt und hart bestraft, ihnen kann als "Kämpfer gegen Gott" ("Moharebeh") sogar eine Verurteilung zum Tode drohen (AA 9.12.2015, vgl. HRW 27.01.2016). Die Regierung sieht Konversion vom Islam als Apostasie an. Dies kann mit der Todesstrafe bestraft werden. Nicht-Muslime sollten ihren Glauben nicht öffentlich kundtun oder Muslime von ihrem Glauben überzeugen wollen, da dies als Missionierung angesehen werden kann und auch dies mit der Todesstrafe bestraft werden kann. Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Zum Christentum konvertierte Muslime sehen sich Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung ausgesetzt. Viele dieser Verhaftungen finden während Polizeirazzien bei religiösen Versammlungen statt und es wird auch religiöses Eigentum konfisziert. Die Regierung vollzieht das Verbot des Proselytismus, indem sie vor allem die Aktivitäten der Evangelikalen streng überwacht, Muslime davon abbringt, kirchliche Grundstücke zu betreten, Kirchen schließen lässt und Christen verhaftet. Die Behörden zwingen evangelikale Kirchenführer Zusicherungen zu unterschreiben, dass sie keine Muslime missionieren oder Muslime den Zugang zum Gottesdienst zu verwehren. Berichten zufolge sehen die Behörden es als Proselytismus an, wenn eine christliche Kirche einem Muslim erlaubt, die Kirche zu betreten. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Sowohl die armenischen, assyrischen und auch evangelikalen Christen wurden dazu gezwungen, ihre Gottesdienste auf Farsi zu beenden. Mitglieder von evangelikalen Kongregationen müssen Mitgliedsausweise mit sich führen und Kopien dieser müssen den Behörden übergeben werden. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führen Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen". Verhaftete Hauskirchenmitglieder werden oft beschuldigt, von feindlichen Ländern unterstützt zu werden (US DOS 14.10.2015). Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011 wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar sei. Die iranischen Behörden gaben von 2009 bis 2011 offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können, angeklagt (DIS 23.6.2014)."

2. Beweiswürdigung:

Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen

2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Herkunft der Beschwerdeführerin (oben II.1.1.) ergeben sich aus den Angaben und der in Kopie vorgelegten Geburtsurkunde im Verfahren vor dem BFA, welche insofern stringent waren und an denen auf Grund der Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Bereits das BFA erachtete die Identität der Beschwerdeführerin als erwiesen an.

2.2. Die oben unter Punkt II.1.2. getroffenen Feststellungen waren aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich alleine mit einer allfälligen Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien (vgl VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091). Die Beschwerdeführerin hat bereits unmittelbar nach ihrer im Dezember 2015 erfolgten Einreise Zugang zur christlichen Glaubenslehre erlangt und sie setzt sich seit nunmehr über zwei Jahren durchgehend mit der christlichen Glaubenslehre ernsthaft auseinander, nimmt im Rahmen ihrer Möglichkeiten, soweit dies die Verkehrsanbindungen an ihrem aktuellen Wohnort und die Betreuungspflichten für ihre im Mai 2017 geborene Tochter zulassen, regelmäßig und aktiv an. Dies wurde vom stellvertretenden Leiter der freien Christengemeinde XXXX zuletzt in seinem Schreiben vom 13.11.2017 erneut bestätigt. Auch XXXX , Mitglied des Vorstandes der Freien Christengemeinde XXXX , bescheinigt in ihrem Schreiben vom 08.11.2017 unabhängig davon das christliche Engagement der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes an ihrem aktuellen Wohnort, um aktiv am Gemeindeleben ihrer nunmehrigen Glaubensgemeinschaft teilnehmen zu können (OZ 7). Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung an dem Zeugnis dieser Repräsentanten zweier freier Christengemeinden zu zweifeln, zumal diese kein Interesse daran haben, den Ruf ihrer Glaubensgemeinschaften für Personen zu schädigen, von deren ernsthaften Hinwendung zu ihrer Glaubensgemeinschaft sie nicht überzeugt wären. Diese soeben dargestellten Betätigungen der Beschwerdeführerin insbesondere auch des letzten Jahres seit Erlassung des angefochtenen Bescheides, konnte das BFA bei der zeitlich vorgelagerten Erlassung des gegenständlich angefochtenen Bescheides naturgemäß noch nicht berücksichtigen. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens trat somit eindeutig zu Tage, dass sich die Beschwerdeführerin tatsächlich aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat und die christliche Glaubenslehre ernsthaft praktiziert. Die Beschwerdeführerin konnte sohin jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Hinwendung zum christlichen Glauben glaubhaft machen. Die der Beschwerdeführerin im Iran drohenden Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden ergeben sich aus den Feststellungen zur Lage im Iran (oben II.1.3.).

2.3. Die Feststellungen zur Lage im Iran (oben II.1.3.) beruhen auf den vom BFA selbst im angefochtenen Bescheid herangezogenen Länderquellen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005

Rechtsgrundlagen

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

3.2. Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zum gegenständlichen Verfahren

3.3. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

3.4. Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

3.5. Unter "Verfolgung" im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art 15 Abs 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0083).

3.6. Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210).

3.7. Nach islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und die Beschwerdeführerin ist daher bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.

3.8. Daher ist für die Beschwerdeführerin von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen auszugehen.

3.9. Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass die Beschwerdeführerin aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes ihres Herkunftsstaates zu bedienen.

3.10. Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.

3.11. Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gegeben. Einer darüber hinausgehenden Beurteilung des übrigen Vorbringens der Beschwerdeführerin bedurfte es angesichts des Spruchinhaltes nicht mehr.

3.12. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

3.13. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt der Beschwerdeführerin gemäß § 3 Abs 4 AsylG iVm § 75 Abs 24 AsylG 2005 damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigte zu.

Zu B)

Revision

3.14. Da die Rechtslage durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist und die Entscheidung über die gegenständliche Beschwerde letztlich lediglich von Fragen der Beweiswürdigung abhängig war, ist die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

3.15. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asyl auf Zeit, asylrechtlich relevante Verfolgung, gesamtes
Staatsgebiet, Konversion, Religion, Religionsausübung, unterstellte
politische Gesinnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2143826.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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