Entscheidungsdatum
26.01.2018Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W140 2128277-1/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alice HÖLLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX , StA. Marokko, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.06.2016, Zl. IFA 1108284404; VZ 160830453 und gegen die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde gegen den Bescheid vom 14.06.2016 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben. Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 14.06.2016 bis 27.08.2016 für rechtswidrig erklärt.
II. Der Bund (Bundesminister für Inneres), hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 13.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Sein erstes Asylverfahren wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 19.03.2016, Zahl 1108284404, hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 Asylgesetz 2005, abgewiesen (Spruchpunkt I) und wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, erlassen. Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Absatz 1a wurde festgestellt, dass keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt IV) und wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V). Diese Entscheidung wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Der BF wurde am 14.06.2016 auf Grundlage der Dublin-III-VO von der Schweiz nach Österreich rücküberstellt. Er stellte am selben Tag einen Folgeantrag.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Niederösterreich, vom Beschwerdeführer persönlich übernommen am 14.06.2016 um 15.20 Uhr, wurde über den BF gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl l Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung angeordnet.
Mit dem am 17.06.2016 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten und mit 17.06.2016 datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Vertreter Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die (andauernde) Anhaltung in Schubhaft. In der Beschwerde wurde beantragt, die Verhängung der Schubhaft sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, den bekämpften Bescheid zu beheben, Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Aufwandersatzverordnung zuzuerkennen, dem BF die Eingabegebühr zu ersetzen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Erkenntnis vom 22.06.2016 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF iVm. § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG idgF als unbegründet ab (Spruchpunkt I). Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II). Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wurde gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen (Spruchpunkt III). Der Antrag auf Ersatz der Eingabegebühr in der Höhe von € 30 Euro wurde gemäß § 14 TP 6 Abs. 5 GebG idgF iVm § 1 VwG-AufwErsV idgF zurückgewiesen (Spruchpunkt IV).
Einer dagegen erhobenen außerordentlichen Revision gab der Verwaltungsgerichtshof statt. Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.11.2017 (Ra 2016/21/0219-14) wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Umfang seiner Spruchpunkte A.I. bis A. III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Betreffend Spruchpunkt A.IV. wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurück.
Der BF wurde aufgrund eines fehlenden Heimreisezertifikates am 27.08.2016 aus der Schubhaft entlassen. Der BF befand sich von 14.06.2016 bis 27.08.2016 in Schubhaft.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung (Sachverhalt)
Die Feststellungen aus dem Verfahrensgang ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen.
2. Rechtliche Beurteilung
2.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen. Gegen die Anordnung der Schubhaft ist gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG eine Vorstellung nicht zulässig.
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 76 FPG idF BGBL I Nr. 70/2015 lautete:
(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
2.2. Zu Spruchpunkt I.:
Mit Erkenntnis vom 14.11.2017 (Ra 2016/21/0219-14) stellte der Verwaltungsgerichtshof fest, dass für den BF zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung die RL 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 ("Aufnahmerichtlinie") galt. Wie in seinem Erkenntnis vom 05.10.2017 (Ro 2017/21/0009) kann § 76 Abs. 2 Z 1 FPG nicht als Umsetzung eines Schubhaftgrundes nach Art. 8 Abs. 3 der Aufnahmerichtlinie gedeutet werden. Mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.11.2017 wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Umfang seiner Spruchpunkte A.I. bis A. III. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Betreffend Spruchpunkt A.IV. wies der Verwaltungsgerichtshof die Revision zurück.
Der Verwaltungsgerichtshof führte aus:
"Entscheidungsgründe:
Der Revisionswerber, ein marokkanischer Staatsangehöriger, stellte am 13. März 2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom 19. März 2016 vollinhaltlich abgewiesen, und es erging eine Rückkehrentscheidung samt Ausspruch gemäß § 52 Abs. 9 FPG, dass die Abschiebung nach Marokko zulässig sei. Der Bescheid wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
Am 14. Juni 2016 wurde der Revisionswerber aufgrund eines gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) erlassenen Festnahmeauftrages des BFA festgenommen.
Mit Mandatsbescheid vom 14. Juni 2016 ordnete das BFA sodann gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung an.
Die gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG vom 17. Juni 2016 wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 22. Juni 2016 gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG abgewiesen (Spruchpunkt A.I.). Mit Spruchpunkt A.II. dieses Erkenntnisses stellte das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Danach traf es eine diesem Verfahrensergebnis entsprechende Kostenentscheidung (Spruchpunkt A.III.) und wies einen Antrag des Revisionswerbers auf Ersatz der Eingabegebühr als unzulässig zurück (Spruchpunkt A.IV.). Schließlich wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
In der Begründung seiner Entscheidung stellte das BVwG insbesondere fest, dass sich der vom Revisionswerber vor der Verhängung der Schubhaft gestellte Asylfolgeantrag "in Bearbeitung" befinde.
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage durch das BVwG und Durchführung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet - in einem gemäß § 12 Abs. 2 Z 1 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Revision erweist sich - entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Ausspruch nach § 25a Abs. 1 VwGG - als zulässig und berechtigt.
Der Revisionswerber war nämlich nach den Annahmen im angefochtenen Erkenntnis zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft und auch noch bei Erlassung des Fortsetzungsausspruches (mit Zustellung am 22. Juni 2016) ein Fremder bzw. Asylwerber mit faktischem Abschiebeschutz; dass ihm aufgrund seines Folgeantrages gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz aberkannt worden sei, hat das BVwG nicht festgestellt. Jedenfalls ausgehend davon galt für ihn die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung vom Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (Neufassung), sodass die Verhängung von Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gegen ihn nicht in Betracht kam. Dazu wird des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Entscheidungsgründe des Erkenntnisses VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, verwiesen (vgl. insbesondere zusammenfassend Rn. 29 und Rn. 31; die in Rn. 14 in Bezug auf Folgeanträge gemachte Einschränkung wird in der vorliegenden Konstellation jedenfalls nicht schlagend).
Im Übrigen ist noch anzumerken, dass im vorliegenden Fall auch § 76 Abs. 6 FPG nicht als Rechtsgrundlage für die Verhängung von Schubhaft in Frage gekommen wäre, weil diese Bestimmung schon nach ihrem Wortlaut ("während einer Anhaltung in Schubhaft") eine vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz bereits in Vollzug befindliche Schubhaft voraussetzt, die dann (ohne Erlassung eines Bescheides - vgl. § 76 Abs. 6 zweiter Satz) aufrechterhalten werden kann (vgl. nochmals VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0009, Rn. 30; siehe in diesem Sinn auch schon VwGH 31.8.2017, Ro 2017/21/0004, Rn. 20).
Sowohl die Abweisung der Schubhaftbeschwerde mit Spruchpunkt A.I. des angefochtenen Erkenntnisses als auch der Fortsetzungsausspruch (Spruchpunkt A.II.) sowie die damit zusammenhängende Kostenentscheidung (Spruchpunkt A.III.) erweisen sich demnach als rechtswidrig.
Das angefochtene Erkenntnis war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben."
Ergänzend ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 05.10.2017 (Ro 2017/21/0009) Folgendes feststellte:
"Jedenfalls vor dem aufgezeigten unionsrechtlichen Hintergrund kommt aber die Verhängung von Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z 1 FPG, der - wie erwähnt - ohne entsprechende Deckung in der Aufnahme-RL nur auf Fluchtgefahr als Haftgrund abstellt, gegenüber einem Asylwerber, der wie der Revisionswerber zunächst faktischen Abschiebeschutz genießt und dem gegenüber dann die Fristen des § 16 Abs. 4 zweiter Satz BFA-VG noch nicht abgelaufen sind, nicht in Betracht. Das macht die gegenständliche, auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützte Schubhaft rechtswidrig. Zwar mag das Vorliegen von Fluchtgefahr im Sinn des § 76 Abs. 3 FPG beim Revisionswerber zu bejahen sein. Darauf kommt es im Rahmen des hier gegenständlichen Revisionsverfahrens aber nach dem Gesagten angesichts der keinen Zweifel offenlassenden klaren unionsrechtlichen Regelungen und deren Konsequenzen - insbesondere auch in Anbetracht der Urteile "Arslan' und "J. N." - nicht an".
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom Beschwerdeführer persönlich übernommen am 14.06.2016 um 15.20 Uhr, wurde über den BF gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl l Nr. 100/2005 (FPG) idgF, iVm § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 (AVG) idgF, Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung angeordnet.
Der BF befand sich von 14.06.2016 bis 27.08.2016 durchgehend in Schubhaft.
Am 14.06.2016 stellte der BF - nach seiner Rücküberstellung aus der Schweiz nach Österreich - einen Folgeantrag. Dieser Folgeantrag befand sich zum Zeitpunkt der Fortsetzung der Schubhaft in Bearbeitung. Dem BF kam zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung sowie der Fortsetzung der Schubhaft faktischer Abschiebeschutz zu.
Auf den BF fand somit zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung sowie der Fortsetzung der Schubhaft die Aufnahmerichtlinie Anwendung.
Aus den dargelegten Gründen war der Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers von 14.06.2016 bis 27.08.2016 spruchgemäß stattzugeben.
2.3. Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):
In der Frage des Kostenanspruches - nur der Beschwerdeführer begehrte den Ersatz seiner Aufwendungen - sind gemäß § 56 (3) leg. cit. die §§22 (1a) leg. cit. und § 35 VwGVG die maßgeblichen Normen - diese lauten:
§22 (1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Da die beschwerdeführende Partei vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.
Hinsichtlich der konkreten Höhe des "Ersatzes ihrer Aufwendungen" sind § 35 Abs. 4 und 5 iVm § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) maßgeblich.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 lautet:
1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.
In diesem Sinne war dem Beschwerdeführer Kostenersatz im "gemäß § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung" beantragten Umfang, also in der Höhe von € 737,60 zuzusprechen, nicht jedoch jener nach "§ 1 Z 2 VwG-Aufwandersatzverordnung", da keine Verhandlung durchgeführt wurde.
2.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Da im gegenständlichen Fall der maßgebliche und der hg. Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.
Zu B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Rechtslage wurde in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 05.10.2017 (Ro 2017/21/0009) sowie im gegenständlichen Verfahren (VwGH 14.11.2017, Ra 2016/21/0219) dargelegt. Die Revision war daher bezüglich Spruchpunkt I. nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage hinsichtlich des Kostenersatzes war die Revision auch hinsichtlich Spruchpunkt II. gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W140.2128277.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.02.2018