Entscheidungsdatum
29.01.2018Norm
BEinstG §14Spruch
W218 2169700-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER über den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen der Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, bevollmächtigt vertreten durch RAe Mag. Hutecek und Mag. Pfeiffer, 3130 Herzogenburg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ vom 11.07.2017, OB XXXX, beschlossen:
A)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu Spruchpunkt I nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 11.07.2017 hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 BEinstG abgewiesen. In ihrer Begründung traf die belangte Behörde die Feststellung, dass ein Grad der Behinderung in Höhe von 30 vH vorliege.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben.
Mit der Beschwerde wurde der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe unter Anschluss eines Vermögensverzeichnisses vorgelegt.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 04.09.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Mit Erkenntnis des heutigen Tages zu W218 2169700-1 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen abgewiesen.
Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung im Verfahren erforderlich machen, sind nicht ersichtlich und die Partei ist im Stande, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, zumal in diesem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht keine Anwaltspflicht besteht und keine Verfahrenskosten zu tragen sind.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet der Vorsitzende die Geschäfte des Senates und führt das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Die Entscheidung über die Gewährung von Verfahrenshilfe unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.
Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt. (§ 8a Abs. 1 VwGVG)
Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird. (§ 8a Abs. 2 VwGVG)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen. (§ 8a Abs. 3 VwGVG)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden. (§ 8a Abs. 4 VwGVG)
In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird. (§ 8a Abs. 5 VwGVG)
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. (§ 8a Abs. 6 VwGVG)
Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen. (§ 8a Abs. 7 VwGVG)
Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten. (§ 8a Abs. 8 VwGVG)
In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig. (§ 8a Abs. 9 VwGVG)
Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt. (§ 8a Abs. 10 VwGVG)
Gegenständlich ergibt sich daraus Folgendes:
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (s. dazu auch VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, der zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.
Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (vgl. 1255 BlgNR 25. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden stellte die Beschwerdeführerin durch ihren eigenständig eingebrachten Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten unter Beweis, der sämtlichen Formvorschriften entspricht und dem die erforderlichen medizinischen Beweismittel angeschlossen waren.
Komplexität des Falles in der Weise, dass die Beschwerdeführerin anwaltlich vertreten sein müsste, ist nicht gegeben. Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über den Grad der Behinderung und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt.
Für das Einbringen einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht besteht keine Anwaltspflicht.
Der in Art. 47 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) normierte wirksame Zugang zu Gericht ist gewährleistet.
Dies begründet sich aus den Umstand, dass im Zusammenhang mit dem Verfahren auf Grundlage des Behinderteneinstellungsgesetzes als auch im Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz seitens der beschwerdeführenden Partei keinerlei Gebühren oder sonstige Verfahrenskosten (Sachverständigengebühren, Eingabegebühren, Kommissionsgebühren, Dolmetschergebühren, Sachaufwände udgl.) zu tragen sind.
Es ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin im Stande ist, über ihre eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu berichten.
Bezugnehmend auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen, aus welchen zu entnehmen ist, dass sie zum Zeitpunkt der Antragstellung im Bezug des Arbeitslosengeldes in der Höhe von 30,15 Euro täglich ist, im Besitz eines Bausparvertrages, einer Rechtsschutzversicherung, einer Liegenschaft und eines KFZ, dem gegenüber ist sie mit einer Darlehensschuld belastet, kommt das erkennende Gericht zur Erkenntnis, dass auch unter Berücksichtigung der herkömmlichen Lebenskosten keine Beeinträchtigung des notwendigen Unterhaltes und keine Gefährdung der Lebensführung gegeben sind.
Besondere rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung im Beschwerdeverfahren erforderlich machen, sind dabei weder im Allgemeinen noch im konkreten Verfahren zu erwarten.
Da die Voraussetzungen für die Bewilligung der beantragten Verfahrenshilfe nicht vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Zur Verfahrenshilfe wird angemerkt, dass es zwar an einer Rechtsprechung des VwGH zu §8a VwGVG fehlt, allerdings eine eindeutige gesetzliche Regelung getroffen wurde und die Voraussetzungen zur Gewährung von Verfahrenshilfe aufgrund ständiger Rechtsprechung (vor allem zur ZPO) geklärt sind.
Schlagworte
VerfahrenshilfeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W218.2169700.2.00Zuletzt aktualisiert am
07.02.2018