Entscheidungsdatum
29.01.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
L516 2165030-1/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (auch XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA Pakistan, vertreten durch Mag. German BERTSCH, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2017, Zahl 1138964600/161725950, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 15.01.2018 zu Recht erkannt:
A)
I.
Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX (auch XXXX ) gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX (auch XXXX ) damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II.
Die Spruchpunkte II bis IV des angefochtenen Bescheides werden gemäß § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 26.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am selben Tag durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie am 12.04.2017 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich einvernommen.
1.1. Der Beschwerdeführer brachte zu seinen Ausreisegründen zusammengefasst im Wesentlichen vor, dass er aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadis in seiner Heimat Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei und dort seinen Glauben nicht entsprechend seiner persönlichen Überzeugung frei praktizieren könne.
1.2. Das BFA brachte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 30.05.2017 Länderfeststellungen zu Pakistan zur Kenntnis und der Beschwerdeführer gab dazu mit Schriftsatz vom 13.06.2017 eine Stellungnahme ab.
2. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) und gemäß § 8 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.
2.1. Das BFA stellte mit angefochtenem Bescheid fest, dass der Beschwerdeführer der Glaubensgemeinschaft angehört, erachtete jedoch dessen Vorbringen zu den von ihm geschilderten Geschehnissen in seiner Heimat als nicht glaubhaft.
3. Der Beschwerdeführer hat gegen den ihm am 03.07.2017 zugestellten Bescheid des BFA am 17.07.2017 Beschwerde erhoben und diesen zur Gänze angefochten.
4. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers am 29.01.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer ohne Beisein seines rechtsfreundlichen Vertreters teilnahm und zu der die belangte Behörde keinen Vertreter entsandte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, seine Identität steht fest und lautet auf den Namen XXXX , geb. XXXX .
1.2. Der Beschwerdeführer gehört von Geburt an der Glaubensgemeinschaft der Ahmadi an. Dem Beschwerdeführer ist es persönlich zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig, sich öffentlich als Ahmadi manifestieren zu können und seinen Glauben nicht lediglich im Verborgenen zu leben, sondern sich als Muslime bezeichnen zu dürfen, sowie insbesondere auch seinen Glauben außerhalb seiner Bekenntnisgemeinschaft stehenden Personen näher zu bringen. Der Beschwerdeführer nimmt in Österreich regelmäßig an den zentralen religiösen Veranstaltungen der Ahmadiyya-Gemeinschaft in Wien, zu denen Ahmadis aus ganz Österreich sowie auch aus Nachbarländern kommen, aktiv teil. Auch Personen, die keine Ahmadis sind, nehmen als Gäste an den Veranstaltungen teil und informieren sich dabei über den Glauben der Ahmadis. Darüber hinaus finden monatliche Treffen von Mitgliedern der Ahmadiyya-Gemeinschaft in der Wohnung des Beschwerdeführers statt und die Wohnung wurde von anderen bereits als Moschee bezeichnet. Auch an öffentlichen Reinigungsritualen seiner Glaubensgemeinschaft nahm der Beschwerdeführer in Österreich bereits teil.
1.3. Zur Lage der Ahmadis in Pakistan
1.3.1. Die sich als Muslime verstehenden und zum großen Teil als gebildet geltenden Ahmeadiya, deren Lehren und Riten sich von den beiden muslimischen Hauptkonfessionen insofern unterscheiden, indem sie an die Existenz eines nach Mohammed tätigen Propheten namens Mirza Ghulam Ahmad glauben und zudem einige hinduistische, buddhistische und zorastische Figuren in ihrem Glauben integriert haben, werden vom Islam ausgegrenzt (Gieler 2016). Die islamische Religionsgemeinschaft der Ahmadiya wird von den meisten muslimischen Geistlichen in Pakistan nicht als muslimisch anerkannt. Durch Änderung der Verfassung im Jahre 1974 wurde diese Lehrmeinung Verfassungsgrundsatz (AA 30.5.2016).
Es gibt zwei verschiedene Zweige der Ahmadiya-Glaubensgemeinschaft, eine Qadiani-Gruppe (Ahmadiya Muslim Jamaat) und eine Lahore-Gruppe (Ahmadiya Anjuman Ischat-i-Islam Lahore). Die erste Bezeichnung bezieht sich auf Qadian, einen Ort im jetzigen Indien und die andere auf Lahore. Die wesentlich kleinere Lahore-Gruppe besteht weltweit aus über 30.000 Anhängern. Etwa 5.000 bis 10.000 davon leben in Pakistan (BFA 10.2014, vgl. UKHO 5.2016).
Die Anzahl der in Pakistan lebenden Mitglieder der Ahmadiya Muslim Community wird auf zwischen 400.000 bzw. zwei bis vier Millionen geschätzt. Die Divergenz dieser Werte wird damit begründet, dass die meisten Ahmadis eine Registrierung als Nicht-Muslime ablehnen. Die Ahmadiya Gemeinde der Qadiani-Gruppe hat ihr Hauptquartier in Großbritannien. Ahmadis sind über ganz Pakistan verteilt. Hauptsiedlungsräume der Ahmadis in Pakistan, abgesehen von Rabwah sind Sialkot, Quetta, Multan, Rawalpindi, Karachi, Lahore und Faisalabad, sowie weiters auch Khewra, Sarghoda, Bhalwal, Shahpur, Gujaranwala. Das Zentrum der Ahmadis in Pakistan liegt in Chenab Nagar, dem vormaligen Rabwah. Mehr als 95 Prozent – oder etwa 70.000 - der Einwohner der Stadt sind Ahmadis. Aufgrund der numerischen Dominanz der Ahmadis in Rabwah fühlen sich die Mitglieder der Gemeinschaft vor Ort relativ sicher. Rabwah bietet ein großes Maß an Freiheit, um ihre religiösen Aktivitäten durchführen zu können. Allerdings führt diese hohe Konzentration an Ahmadis in Rabwah auch zu Bedrohungen durch Gegner dieser Glaubensrichtung. So fahren bei großen religiösen Feierlichkeiten in Rabwah Gegner der Gemeinschaft in großer Anzahl vor die Stadt um Gegendemonstrationen abzuhalten und Hassparolen zu skandieren (UKHO 5.2016).
Ahmadis sind von gezielten Angriffen, Blasphemie-Vorwürfen, der Entweihung und Zerstörung ihrer Kultstätten sowie verschiedenen Formen der sozialen Diskriminierung betroffen (UKHO 5.2016).
Ahmadis unterliegen strengen gesetzlichen Einschränkungen (USCIRF 28.4.2016). Ihnen wird zwar vom Gesetz der Status einer religiösen Minderheit eingeräumt (AA 30.5.2016), allerdings werden sie durch eine speziell gegen sie gerichtete Gesetzgebung diskriminiert (AA 30.5.2016; vgl. USCIRF 28.4.2016).
Obwohl sich die Ahmadis selbst als Muslime sehen (Gieler 2016) zählt der Constitutional (Second Amendment) Act von 1974 - die zweite Novellierung der Verfassung – im Artikel 260 die Ahmadis als nicht-muslimische Minderheit auf und definiert sie somit als Nicht-Muslime. Der Artikel bezieht sich auf die Quadiani und die Lahore Gruppe (Pakistan Consitution Law 1973, 2016).
Paragraph 298C des pakistanischen Strafgesetzbuches macht es für Ahmadis, sowohl für die Lahore-Gruppe als auch die Quadiani-Gruppe, strafbar, sich selbst als Muslime zu bezeichnen, ihren Glauben Islam zu nennen und ihren Glauben zu bewerben oder zu missionieren. Außerdem dürfen sie sich nicht durch ihr Verhalten in irgendeiner Form als Muslime darstellen und irgendeiner Form die religiösen Gefühle der Muslime verletzten. Paragraph 298B behandelt den Missbrauch von Titeln und Bezeichnungen, die für Heiligtümer reserviert sind. Er verbietet Ahmadis beider Denominationen unter anderem andere Personen als die dafür im Gesetz definierten "Kalif", ihre Gebetshäuser "Moscheen (masjid)" und ihren Gebetsruf "Azan" zu nennen (Pakistan Penal Code 1984).
Durch die Abschnitte des Strafgesetzbuches werden grundlegende Ausdrucksformen der Glaubensausübung und Interaktion der Ahmadis strafbar (USCIRF 28.4.2016). Die vagen Formulierungen des Abschnitts 295C betreffen die Mitglieder der Ahmadiya-Gemeinschaft besonders. In einigen Fällen interpretierten Richter die religiöse Überzeugung der Ahmadis als eine Form der Gotteslästerung (ICJ 11.2015). So ist es für Ahmadis auch strafbar, den traditionellen islamischen Gruß zu verwenden, öffentlich den Koran zu zitieren, in Nicht-Ahmadis Moscheen zu beten und andere Ausdrücke des muslimischen Glaubens zu zeigen (UKHO 5.2016). Gemäß Paragraph 298c Pakistanisches Strafgesetzbuch werden diese Vergehen mit einer Strafandrohung von maximal drei Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert (AA 30.5.2016). Die Todesstrafe kann verhängt werden, indem die Anklage um den Vorwurf der Blasphemie erweitert wird. Die Todesstrafe wurde allerdings noch nie wegen Blasphemie auch tatsächlich durchgeführt, wobei bei Verhängung der Strafe dennoch die Gefahr einer langen Haftstrafe besteht (UKHO 5.2016).
Die Gesetzgebung schränkt damit die Art wie Ahmadis ihren Glauben ausüben können sowie offene Diskussionen über Religion mit Nicht-Ahmadis ein. Ahmadis, die ihren Glauben offen ausüben, also über die eingeschränkte gesetzlich gestattete Grundlage hinausgehend, können strafrechtlich unter den im ganzen Land anwendbaren "Anti-Ahmadi" Gesetzen und den Blasphemiegesetzen zur Verantwortung gezogen werden (UKHO 5.2016).
Es gibt klare Belege, dass diese Gesetzgebung durch nicht-staatliche Akteure benutzt wird, um Ahmadis zu schikanieren und zu bedrohen, u. a. durch das Einreichen eines First Information Reports (FIR; entspricht einer Anzeige seitens Dritter und stellt den ersten Schritt in einem Strafverfahren dar), der auch zu Untersuchungshaft führen kann (UKHO 5.2016).
Strafverfahren gegen Ahmadis werden in der Regel von islamistischen Gruppierungen der Khatm-e-Nabuwwat ("Siegel der Prophetenschaft") in Gang gebracht. Ähnlich wie gegenüber Christen wird die Blasphemie-Gesetzgebung dazu benutzt, die Angehörigen dieser Minderheit aus den verschiedensten Motiven unter Druck zu setzen, die nur zum Teil einen religiösen Hintergrund haben. Oft geht es auch um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Geschäftsleuten und vor allem um Auseinandersetzungen um Grundbesitz. Bei den gegen sie gerichteten Strafverfahren sind die Aussichten der Ahmadis auf ein faires Gerichtsverfahren zumindest in der ersten Instanz gering, da die Richterinnen in vielen Fällen von extremistischen religiösen Gruppierungen unter Druck gesetzt werden. Es kommt nur selten zu Freisprüchen. Wohlmeinende Richter tendieren eher dazu, die Verfahren unendlich in die Länge zu ziehen, um einer Entscheidung aus dem Weg zu gehen. Dies hat zur Folge, dass die Angeklagten immer wieder zu Gerichtsterminen geladen werden, die dann aber kurzfristig entfallen. In der Berufungsinstanz erfolgt häufig eine Abänderung des Strafvorwurfs (z.B. Entweihung des Korans, § 295b Pakistan Penal Code – PPC), so dass die für Blasphemie zwingend vorgesehene Todesstrafe in eine lebenslange Freiheitsstrafe (die auf 25 Jahre begrenzt ist) umgewandelt wird (AA 30.5.2016).
2014 waren unter den 105 Personen, die wegen Blasphemie angeklagt waren elf Ahmadis (USCIRF 28.4.2016). Laut Vertretern der Ahmadis wurden auch im Jahr 2015 elf Ahmadis in Fällen mit religiösem Bezug angeklagt, davon wurden 6 in Haft genommen. Eine dieser Personen wurde aufgrund des Verkaufs von Literatur der Ahmadiya verhaftet (USDOS 10.8.2016). Laut Auswärtigen Amt waren unter den 22 Personen, die 2015 wegen Blasphemie festgenommen wurden drei- Ahmadis (AA 30.5.2016). Von 2012 bis Juni 2015 gab es laut Jinnah Institute mehr als 1070 angezeigte Fälle gegen Ahmadis, welche den religiösen Bereich erfassten. 13 Mitglieder der Gemeinschaft wurden der Blasphemie beschuldigt (Jinnah Institute 8.3.2016).
Auch sind die Ahmadis Ziel von Angriffen durch nicht-staatliche Akteure aus den Bereichen der sunnitischen muslimischen Mehrheitsbevölkerung (UKHO 5.2016).
Der weitaus größte Teil der Ahmadis lebt friedlich mit den muslimischen Nachbarn zusammen; berichtet wird aber weiterhin über Fälle von Repressionen Dritter gegen Ahmadis. So brannte am 20.11.2015 ein durch über Moscheelautsprecher aufgeheizter Mob im Distrikt Jhelum der Provinz Punjab die Fabrik eines Angehörigen der Ahmadi-Gemeinschaft sowie am folgenden Tag in Jhelum eine Gebetsstätte der Ahmadi-Gemeinschaft nieder. Auslöser waren Gerüchte, im Brennofen der Fabrik seien Koranseiten verbrannt worden (AA 30.5.2016).
Insbesondere die islamistische Gruppierung "Khatm-e-Nabuwwat" bekämpft die Ahmadis. Die von dieser Gruppe und anderen extremen religiösen Gruppierungen ausgehenden Maßnahmen gegen Ahmadis, die von regelmäßigen Belästigungen bis hin zu Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit reichen, werden von staatlichen Stellen in der Regel tatenlos hingenommen (AA 30.5.2016).
Erhebungen von Daten über Verbrechen gegen Ahmadis stellen laut Jinnah Institut eine Herausforderung dar. Eine der größten Hürden einer präzisen Datenerfassung stellt die Selbstzensur der Medien in der Berichterstattung über Gewalttaten gegen Angehörige der Ahmadis dar. Das Jinnah Institut zählt für den Zeitraum zwischen 2012 und 2014 43 gezielte Angriffe gegen Mitglieder der Ahmadi-Gemeinschaft in Pakistan und sieben auf deren Friedhöfe (Jinnah Institute 8.3.2016). Im Zeitraum 2014 und 2015 wurden laut der International Commission of Jurists 39 Ahmadis in religiös motivierten Angriffen getötet. Eine überwiegende Mehrheit dieser gezielten Tötungen erfolgte in Punjab und Sindh. Kleine Verbesserungen in der sozio-kulturellen Haltung der muslimischen Mainstream-Sekten gegenüber den Ahmadis wurden allerdings bemerkt (ICJ 12.2015).
USDOS berichtet, dass auch 2016 einige Mitglieder der Ahmadiya Gemeinde Opfer von gezielten Tötungen wurden und zählt vier Todesopfer auf (USDOS 3.3.2017). PIPS berichtet von zwei Angriffen gegen Mitglieder der Ahmadi-Gemeinde im Jahr 2016 (PIPS 1.2017).
Die Polizei zeichnet eine dürftige Bilanz beim Schutz vor bzw. beim Ermitteln in Fällen von Gewalt gegen Ahmadis bzw. ist sie darin ineffektiv. Nur wenige Fälle von Gewalt gegen Ahmadis wurden verfolgt (IRB 23.1.2016).
Gesellschaftliche Diskriminierung und Anti-Ahmadi Propaganda sind weit verbreitet. Der Einsatz von Hassreden gegen Ahmadis wird von den Medien oftmals unkritisch behandelt. Gegen Ahmadi-Geschäftsleute aller gesellschaftlichen Klassen erfolgen auch Kampagnen zum wirtschaftlichen Ausschluss bis hin zu Morddrohungen (UKHO 5.2016). Ahmadis sind religiös motivierter Diskriminierung und Belästigung in Bildungseinrichtungen und am Arbeitsplatz ausgesetzt (HRCP 3.2016). Die Diskriminierung der religiösen Minderheit der Ahmadis erfolgt in geringerem Ausmaß durch aktives staatliches Handeln als durch das Verhalten der sunnitischen Mehrheitsbevölkerung. Dies setzte sich auch 2015 fort (AA 30.5.2016).
Laut Minderheitenvertretern erlaubt die Regierung religiösen Gruppen, Glaubensstätten einzurichten und religiöses Personal auszubilden. Auch bei Ahmadis gibt es keine offiziellen Einschränkungen im Bau von Glaubens- und Kultstätten. Doch dürfen diese nicht Moscheen genannt werden (USDOS 10.8.2016).
Die scheckkartenartige National Identity Card (CNIC) identifiziert dessen Besitzer nicht als Ahmadi, da diese Information nicht auf der Karte angegeben ist. Um aber eine CNIC zu erhalten, ist diese Angabe über die eigene Religion bei der NADRA (National Database and Registration Authority) zu leisten. Bei der Beantragung einer National Identity Card müssen alle Personen, die sich als Muslime verzeichnen lassen wollen, eine Deklaration unterschreiben, in der sie den Propheten der Ahmadis verurteilen (UKHO 5.2016).
Sie müssen erklären, dass sie daran glauben, dass Mohammed der letzte Prophet und der Begründer des Glaubens der Ahmadis ein falscher Prophet ist; sowie dass dessen Anhänger keine Muslime sind. Diese Registrierung ist auch für die Erlangung eines Passes erforderlich, in dem die Religionszugehörigkeit angegeben ist (USDOS 10.8.2016). Bezüglich der Registrierung der Religionszugehörigkeit am Pass berichtete USCIRF für das Jahr 2012, dass es Personen gab, die sich weigerten, die Klausel mit den religiösen Beteuerungen für die Passausstellung zu unterzeichnen und dennoch einen Pass erhielten (USCIRF 30.4.2013).
Die genannte Voraussetzung hält die Gemeinde der Ahmadis effektiv von der Beschaffung von rechtlichen Dokumenten ab und übt Druck auf sie aus, gegen ihren Glauben zu handeln um ihre Bürgerrechte, einschließlich des Wahlrechts, wahrzunehmen (UKHO 5.2016).
Um zur Stimmabgabe bei einer Wahl registriert zu werden, ist es notwendig die eigene Religionszugehörigkeit anzugeben. Dies bedeutet für Ahmadis sich als Nicht-Muslime zu deklarieren. Da sich Ahmadis jedoch als Muslime betrachten, schließt diese Vorschrift viele von ihnen von einer Registrierung und in weiterer Folge von einer Stimmabgabe aus (USDOS 3.3.2017). Laut Berichten von Ahmadi Vertretern kam es auch zu physischen Einschüchterungen beim Versuch der Stimmabgabe (USDOS 10.8.2016).
Außerdem werden Ahmadis auf einer separaten Wählerliste geführt, obwohl alle anderen Pakistanis, unabhängig vom Glauben, auf einer gemeinsamen Liste stehen. Sie fordern die Einbeziehung in die allgemeine Wählerliste und nehmen aus Protest gegen diese Ausgrenzung ihr Wahlrecht nicht wahr. Damit verzichteten sie auf ihr Mitspracherecht in staatlichen Angelegenheiten bzw. generell auf politische Partizipation (HRCP 3.2016). Ahmadis sind derzeit nicht im Parlament vertreten, weil sie nicht für die Listenplätze der Parteien für nicht-muslimische Minderheiten kandidieren (AA 30.5.2016). Die Gemeinde verfügt allerdings über höhere finanzielle Mittel, z.B. für rechtlichen Schutz (BAA 6.2013).
1.3.2. Das pakistanische Counter-Terrorism Department (CTD) Faisalabad führte Anfang Dezember 2016 in Rabwah eine Razzia durch, verhaftete zwei Personen, die angeblich verbotene Literatur, die in Zusammenhang mit der Ahmaddiyya-Gemeinschaft steht, veröffentlicht haben sollen, und beschlagnahmten Computer, Telefone, Bücher und Publikationen.
(Dawn 06.12.2016, Ahmedi community linked literature seized, printing press sealed https://www.dawn.com/news/1300860; Dawn 15.12.2016, ll-treatment of Ahmadis HRCP calls for thorough probe https://epaper.dawn.com/DetailImage.php?StoryImage=15_12_2016_178_002)
1.3.3. Im Oktober 2017 wurden drei Angehörige der Ahmadi-Gemeinschaft von einem Gericht in Sheikhupura/Punjab wegen des Vorwurfs der Blasphemie zum Tod verurteilt, da sie an ihrer Gebetsstätte ein Plakat sowie Banner in einer beleidigenden Weise aufgehängt haben sollen und von einem Geschäftsinhaber angezeigt worden waren. (Dawn 12.10.2017, Three Ahamdi men sentenced to death on blasphemy charge https://www.dawn.com/news/1363201)
1.3.4. Im Oktober und November 2017 kam es in Islamabad und anderen Teilen Pakistans zu religiös-motivierten Protesten, Demonstrationen und Sit-ins. Die fundamentalistisch-religiöse Gruppierung Tehreek-i-Labaik Ya Rasool Allah (TLY), forderte unter anderem den Rücktritt des damaligen Justizministers Zahid Hamid, nachdem dieser den Text eines Eides, den Parlamentarier ablegen müssen, zugunsten der Minderheit der Ahmadi abgeändert hatte. Die pakistanische Regierung akzeptierte in der Folge zur Beendigung der Proteste einige Forderungen der TLY, unter anderem, dass ein Gremium von Geistlichen die Bemerkungen des Justizministers von Punjab, Rana Sanaullah, nach denen sich dieser gegen die Verfolgung von Ahmadis ausgesprochen haben soll, untersucht und Sanaullah die Entscheidung jenes Gremiums wird akzeptieren müssen; dass es keine Schwierigkeiten geben wird, Anzeigen nach § 295-C des pakistanischen Strafgesetzbuches (Blasphemie-Gesetze) zu erstatten; dass es keine Nachsicht für Personen gibt, die wegen Blasphemie verurteilt wurden.
(Dawn 27.11.2017, TLY chief Khadim Rizvi orders followers to end sit-ins across country after govt gives in to demands; https://www.dawn.com/news/1373182)
2. Beweiswürdigung:
Die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen
2.2. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft des Beschwerdeführers (oben II.1.1.) ergeben sich aus seinen diesbezüglichen Angaben, an denen auf Grund seiner Sprachkenntnisse auch nicht zu zweifeln war. Die Identität wurde bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid als feststehend festgestellt (ebenda, S 11). Der Name XXXX ergibt sich aus der vom Beschwerdeführer in Kopie dem BFA vorgelegten Geburtsurkunde seiner Kinder (AS 75, 77). Das Geburtsdatum XXXX ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers (BFA-Einvernahme 12.04.2017; AS 62) in Verbindung mit dem in Kopie dem BFA vorgelegten pakistanischen Identitätsausweis sowie dem Umstand, dass in Pakistan bei fast allen behördlichen Dokumenten, insbesondere bei Reisepass, der National Identity Card oder der Pakistan Origin Card (NIC bzw POC) das Datums-Format TT-MM-JJ Verwendung findet (vgl https://en.wikipedia.org/wiki/Date_and_time_notation_in_Pakistan).
2.3. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers zu seiner Glaubenszugehörigkeit und seinen in diesen Zusammenhang stehenden Lebensumständen in Pakistan und nunmehr in Österreich (oben II.1.2) beruhen auf seinen insofern entsprechend stringenten Angaben im Verfahren vor dem BFA und insbesondere in der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Bereits das BFA erachtete die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadis als feststehend und in der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer auch eine Bestätigung der Ahmadiyya-Gemeinschaft Österreich in Vorlage, wonach er von Geburt an Ahmadi ist (Verhandlungsschrift, Beilage B). Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerdeverhandlung am 15.01.2018 glaubhaft, da logisch konsistent, widerspruchsfrei detailreich dargelegt, welche Glaubensaktivitäten er in Österreich unternimmt (Verhandlungsschrift S 7 f). Er bescheinigte in der Verhandlung auch, dass er bereits an einem Wettbewerb seiner Glaubensgemeinschaft über Glaubensfragen teilgenommen und dabei den dritten Platz belegt hat. (Verhandlungsschrift, Beilage B). Auch an den öffentlichkeitswirksamen Putzritualen der Ahmadi-Gemeinschaft nimmt der Beschwerdeführer teil (Verhandlungsschrift, S 8). Das Vorbringen des Beschwerdeführers in der Verhandlung über die in Pakistan für die Glaubensausübung drohende Verfolgung erweist sich vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zu Pakistan (siehe oben II.1.3.) als glaubhaft. Der Beschwerdeführer hinterließ in der mündlichen Beschwerdeverhandlung einen persönlich glaubwürdigen und überzeugenden Eindruck. Die zentralen Motive für seine Ausreise vermochte er in der Beschwerdeverhandlung engagiert und anschaulich zu schildern. Der Beschwerdeführer antwortete auf die ihm gestellten Fragen gewissenhaft und überzeugend. Implausibilitäten oder Widersprüche in den Angaben während der Verhandlung konnten nicht erkannt werden. Die Ausführungen stehen auch im Einklang mit den unter Punkt II.1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage in Pakistan.
2.4. Die Feststellungen zur Situation der Ahmadis in Pakistan (oben II.1.3.1) wurden bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffen und beruhen auf den dort angeführten Länderinformationsquellen (AS 194 ff). Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Plausibilität der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht daher kein Grund, an der Richtigkeit der Länderberichte zu zweifeln. Die Feststellungen zu den Ereignissen im Jahr 2016 und 2017 (oben II.1.3.2-1.3.4.) beruhen auf den dort angegebenen Quellen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides (Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 AsylG 2005)
3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl Nr 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.
3.2. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0094). Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.3. Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend (VwGH 03.05.2016, Ra 2015/18/0212).
3.4. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0233).
3.5. Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl VwGH 24.3.1999, 98/01/0352 mwN; 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134).
3.6. Eine inländische Fluchtalternative ist nur dann gegeben, wenn sie vom Asylwerber in zumutbarer Weise in Anspruch genommen werden kann. Herrschen am Ort der ins Auge gefassten Fluchtalternative Bedingungen, die eine Verbringung des Betroffenen dorthin als Verstoß gegen Art 3 EMRK erscheinen lassen würden, so ist die Zumutbarkeit jedenfalls zu verneinen (VwGH 16.12.2010, 2007/20/0913).
3.7. Zum gegenständlichen Verfahren
3.7.1. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 05.09.2012, C-71/11 und C-99/11, in Zusammenhang mit der Auslegung der Richtlinie 2004/83/EG (Qualifikationsrichtlinie; neu gefasst durch die mit 09.01.2012 in Kraft getretene Richtlinie 2011/95/EU) ausgesprochen, dass Art 9 Abs 1 lit a der Richtlinie 2004/83/EG (nunmehr: Art 9 Abs 1 lit a der Richtlinie 2011/95/EU) dahin auszulegen, dass – nicht jeder Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit, der gegen Art 10 Abs 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstößt, bereits eine "Verfolgungshandlung" im Sinne dieser Bestimmung der Richtlinie darstellt; eine Verfolgungshandlung sich aus einem Eingriff in die öffentliche Ausübung dieser Freiheit ergeben kann und bei der Beurteilung der Frage, ob ein Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit, der Art 10 Abs 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt, eine "Verfolgungshandlung" darstellen kann, die zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Betroffenen prüfen müssen, ob er aufgrund der Ausübung dieser Freiheit in seinem Herkunftsland ua tatsächlich Gefahr läuft, durch einen der in Art 6 der Richtlinie 2004/83/EG genannten Akteure verfolgt oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Art 2 lit c der Richtlinie 2004/83/EG (nunmehr: Art 2 lit d der Richtlinie 2011/95/EU) ist nach derselben Entscheidung des EuGH dahin auszulegen, dass eine begründete Furcht des Antragstellers vor Verfolgung vorliegt, sobald nach Auffassung der zuständigen Behörden im Hinblick auf die persönlichen Umstände des Antragstellers vernünftigerweise anzunehmen ist, dass er nach Rückkehr in sein Herkunftsland religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen, wobei die Behörden bei der individuellen Prüfung eines Antrags auf Anerkennung als Flüchtling dem Antragsteller nicht zumuten können, auf diese religiösen Betätigungen zu verzichten.
3.7.2. Das Bundesverwaltungsgericht geht im Einklang mit der Judikatur des EuGH und den Länderfeststellungen grundsätzlich davon aus, dass die bloße Zugehörigkeit einer Person zur Glaubensgemeinschaft der Ahmadi nicht schon für sich allein und gleichsam automatisch zu einer asylrelevanten Verfolgung dieser Person in Pakistan führt.
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer jedoch in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft und überzeugend zum Ausdruck gebracht, dass es ihm persönlich zur Wahrung seiner religiösen Identität besonders wichtig ist, sich öffentlich als Ahmadi manifestieren zu können und seinen Glauben nicht lediglich im Verborgenen zu leben, sich als Muslime deklarieren zu dürfen, sowie insbesondere auch seinen Glauben außerhalb seiner Bekenntnisgemeinschaft stehenden Personen näher zu bringen. Der Beschwerdeführer übt seinen Glauben in Österreich auch tatsächlich und in der Öffentlichkeit aus. In Pakistan wäre dies dem Beschwerdeführer nicht erlaubt. Es ist vor dem Hintergrund der persönlichen Umstände anzunehmen, dass er auch nach seiner Rückkehr religiöse Betätigungen vornehmen wird, die ihn der tatsächlichen Gefahr einer Verfolgung aussetzen würden, oder er bei einer Rückkehr ausschließlich deshalb auf die Ausübung seines Glaubens nach seinen inneren Wertvorstellungen verzichten würde, um einer Verfolgung von erheblicher Intensität zu entgehen und es ist dem Beschwerdeführer nach der zuvor zitierten Judikatur des EuGH nicht zuzumuten, bei einer Rückkehr in seine Heimat auf diese religiöse Betätigung zu verzichten. Es ist somit davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer in Pakistan aus Gründen seiner Religion ungerechtfertigte Eingriffe von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen drohen, die nach den oben getroffenen Feststellungen nicht mehr nur als entfernt möglich, sondern als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen sind. Es kann im vorliegenden Fall auch nicht angenommen werden, dass sich der Beschwerdeführer der dargestellten Bedrohung durch Ausweichen in einen anderen Teil seines Herkunftsstaates entziehen kann; die Gebiets- und Hoheitsgewalt der pakistanischen Regierung erstreckt sich auf das gesamte pakistanische Staatsgebiet und werden die vom pakistanischen Staat ausgehenden Verfolgungsmaßnahmen landesweit unterschiedslos praktiziert. Es wäre dem Beschwerdeführer daher nicht möglich, sich dauerhaft verborgen zu halten und sich der Suche zu entziehen.
3.7.3. Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen.
3.7.4. Im Verfahren haben sich schließlich keine Hinweise auf die in Artikel 1 Abschnitt C und F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- und Ausschlussgründe ergeben.
3.7.5. Im vorliegenden Fall sind somit die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben.
3.8. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
3.9. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz nach dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs 4 AsylG iVm § 75 Abs 24 AsylG 2005 damit eine auf drei Jahre befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu.
Spruchpunkt II
Zur Behebung der Spruchpunkt II bis IV des angefochtenen Bescheides
3.10. Nach dem zuvor dargestellten Ergebnis sind gleichzeitig die Spruchpunkt II bis IV des angefochtenen Bescheides mangels des Vorliegens einer gesetzlichen Grundlage dafür ersatzlos zu beheben.
Zu B)
Revision
3.11. Da die Rechtslage durch die bisherige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw des EuGH geklärt ist, ist die Revision nicht zulässig.
3.12. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Asyl auf Zeit, asylrechtlich relevante Verfolgung, EuGH, gesamtesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L516.2165030.1.00Zuletzt aktualisiert am
07.02.2018