TE Bvwg Beschluss 2018/1/30 W262 2174544-1

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Veröffentlicht am 30.01.2018
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Entscheidungsdatum

30.01.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
BBG §46
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W262 2174544-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, gegen den Behindertenpass, OB XXXX, ausgestellt am 22.02.2017 vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, in dem ein Grad der Behinderung von fünfzig von Hundert (50 v. H.) eingetragen wurde, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 17, § 28 Abs. 1, § 31 Abs. 1 VwGVG

und §§ 32, 33 AVG iVm § 46 erster Satz BBG als verspätet zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 02.02.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte eine ärztliche Bescheinigung zum Nachweis der erheblichen Behinderung im Sinne des FLAG 1967 vom 14.02.1994 vor, in dem ein Grad der Behinderung von 70 v.H. festgestellt wurde.

2. Die belangte Behörde holte daraufhin eine "sofortige Beantwortung" des ärztlichen Dienstes zu der Frage ein, ob der Gesamtgrad der Behinderung kleiner als 50 % werden bzw. die Voraussetzungen für eine oder mehrere Zusatzeintragungen wegfallen könnten. Dies wurde seitens des ärztlichen Dienstes am 15.02.2017 verneint.

3. Dem Beschwerdeführer wurde am 22.02.2017 ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt. Im beiliegenden Schreiben vom selben Tag wird in der Rechtsmittelbelehrung ausgeführt, dass gegen diesen Behindertenpass innerhalb von sechs Wochen nach seiner Zustellung beim Sozialministeriumservice schriftlich eine Beschwerde eingebracht werden kann.

4. Am 23.10.2017 brachte der Beschwerdeführer eine Beschwerde "gegen den Ende Februar 2017 ausgestellten Behindertenpass" ein und beantragte gleichzeitig, das beiliegende Schreiben vom 27.03.2017 an das "Verkehrsministerium" als die eigentliche Beschwerde zu behandeln, das somit im Rahmen der geforderten sechs Wochen dort eingelangt sei. Er richte sich gegen die Höhe des Grades der Behinderung von 50 v.H., da ihm ein amtsärztliches Zeugnis einen Grad der Behinderung von 70 v.H. bescheinige, welchen er für die Gewährung der Fahrpreisermäßigung der ÖBB benötige.

5. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 25.10.2017 vorgelegt.

6. Mit Schreiben vom 30.10.2017, zugestellt durch persönliche Übernahme des Empfängers am 09.11.2017, wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass das Bundesverwaltungsgericht nach derzeitiger Aktenlage von der verspäteten Einbringung der Beschwerde ausgehe. Es stehe ihm frei, innerhalb von drei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens dazu eine schriftliche Stellungnahme abzugeben. Er wurde weiters darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes auf der Grundlage der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens erlassen wird, soweit nicht eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordert.

7. Am 27.11.2017 brachte der Beschwerdeführer eine schriftliche Stellungnahme ein. Darin führte er aus, dass er innerhalb offener Frist eine Beschwerde an das Verkehrsministerium geschickt habe und nicht ersichtlich sei, warum diese nicht berücksichtigt werde. Darüber hinaus legte er seinem Schreiben eine Kopie des Antwortschreibens des Verkehrsministeriums vom 03.05.2017 bei, in dem u.a. ausgeführt wird, dass für die Ausstellung eines Behindertenpasses sowie die Feststellung des Grades der Behinderung das Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zuständig sei und aufgrund der Tatsache, dass bereits Kontakt bestanden habe, von einer Weiterleitung der Eingabe abgesehen worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 02.02.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Der Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. wurde ausweislich des Verwaltungsaktes am 22.02.2017 abgefertigt.

Festgestellt wird, dass die Zustellung des Behindertenpasses am 27.2.2017 bewirkt wurde.

Mit Schreiben vom 23.03.2017 wendete sich der Beschwerdeführer betreffend die Nichtzuerkennung eines Grades der Behinderung von 70 v. H. an das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT). Dieses Schreiben wurde nicht an die belangte Behörde weitergeleitet, was dem Beschwerdeführer vom BMVIT auch mitgeteilt wurde.

Die Beschwerde gegen den Behindertenpass vom 18.10.2017 wurde vom Beschwerdeführer am 19.10.2017 zur Post gegeben und langte am 23.10.2017 bei der belangten Behörde ein.

Mit Schreiben vom 30.10.2017, zugestellt durch persönliche Übernahme des Empfängers am 09.11.2017, erging seitens des Bundesverwaltungsgerichts ein Verspätungsvorhalt an den Beschwerdeführer.

Mit Schreiben vom 23.11.2017 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in der er angibt, sein Schreiben vom 23.03.2017 an das BMVIT sei als fristgerechte Beschwerde gegen den Behindertenpass zu werten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde, der Beschwerde und dem Verspätungsvorhalt des Bundesverwaltungsgerichtes samt Stellungnahme des Beschwerdeführers. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4

BBG.

3.2. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

A) Zurückweisung der Beschwerde wegen Verspätung

3.3. Die Bescheidbeschwerde ist schriftlich (in Form eines Schriftsatzes) bei der belangten Behörde einzubringen (§ 12 VwGVG).

Gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Sie beginnt in den Fällen des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG (= Parteibeschwerde) dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Verkündung.

Gemäß § 46 erster Satz BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des VwGVG sechs Wochen.

Gemäß § 26 Abs. 2 Zustellgesetz (ZustellG) gilt eine Zustellung (ohne Zustellnachweis) als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan bewirkt. Im Zweifel hat die Behörde die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Nach Wochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem Tag entspricht, an dem die Frist begonnen hat. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit Ablauf des letzten Tages dieses Monats (§ 32 Abs. 2 AVG).

Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen (33 Abs. 2 AVG).

Bei der Frist zur Einbringung der Beschwerde handelt es sich um eine durch Gesetz festgesetzte Frist, die nicht verlängerbar ist (§ 33 Abs. 4 AVG). Sie ist eine prozessuale (formelle) Frist, sodass die Tage des Postenlaufes nicht einzurechnen sind (§ 33 Abs. 3 AVG).

3.4. Im vorliegenden Fall wurde der Behindertenpass am 22.02.2017 von der belangten Behörde an den Beschwerdeführer abgefertigt. Ausgehend davon, dass gemäß § 26 Abs. 2 ZustellG die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gilt - als Zustelldatum war daher, da der 25.02.2017 ein Samstag war, der 27.02.2017 festzustellen - ,endete die sechswöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des 10.04.2017.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer diesen Umstand entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich vorgehalten (vgl. dazu VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050). Der Beschwerdeführer zog in seiner Stellungnahme weder die rechtswirksame Zustellung des Behindertenpasses, noch den Zeitpunkt der Zustellung in Zweifel.

3.5. Da sich die am 19.10.2017 eingebrachte Beschwerde als verspätet erwiesen hat, war sie spruchgemäß zurückzuweisen.

Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen ist dem Bundesverwaltungsgericht aufgrund der Verspätung verwehrt (vgl. VwGH 16.11.2005, 2004/08/0117).

3.6. Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, sein Schreiben an das BMVIT vom 23.03.2017 müsse als fristgerecht eingebrachte Beschwerde gewertet werden, ist dem entgegenzuhalten, dass die Weiterleitung eines bei einer unzuständigen Stelle eingereichten fristgebundenen Anbringens auf Gefahr des Einschreiters erfolgt. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die unzuständige Stelle das Anbringen zur Weiterleitung an die zuständige Stelle spätestens am letzten Tag der Frist zur Post gibt oder das Anbringen bis zu diesem Zeitpunkt bei der zuständigen Stelle einlangt (ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, vgl. etwa die Beschlüsse des VwGH 26.06.2014, Ro 2014/10/0068, und vom 20.11.2014, Ra 2014/07/0050).

Im vorliegenden Fall wurde im Begleitschreiben zum Behindertenpass vom 22.02.2017 zutreffend darauf hingewiesen, dass gegen den Behindertenpass binnen sechs Wochen nach Zustellung schriftlich Beschwerde beim Sozialministeriumservice eingebracht werden kann. Die Rechtsmittelbelehrung entspricht auch sonst den Anforderungen des § 61 Abs. 1 AVG. Die Zustellung des Behindertenpasses am 27.02.2017 ist unstrittig. Die Rechtsmittelfrist endet somit mit Ablauf des 10.04.2017.

Das BMVIT hat das Schreiben des Beschwerdeführers vom 23.03.2017 - bei dem ungeklärt bleiben kann, ob es sich um eine Beschwerde gegen den oa. Behindertenpass handelt - nicht an die zuständige Stelle weitergeleitet. Im Sinne des § 6 AVG und der dazu ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trägt die Gefahr der Weiterleitung einer bei der unzuständigen Stelle eingebrachten Beschwerde der Beschwerdeführer selbst (siehe die oben angeführte Judikatur des VwGH).

3.7. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Im vorliegenden Beschwerdefall konnte die Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, weil die Beschwerde zurückzuweisen war.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt ist.

Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weil eine zurückweisende Entscheidung, in der nur darüber abgesprochen wird, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, nicht aber über die Sache selbst, aus der Sicht des Art. 6 EMRK keine (inhaltliche) Entscheidung "über zivilrechtliche Ansprüche oder Verpflichtungen" darstellt. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH).

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

3.5. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - vgl. dazu die oben im Rahmen der rechtlichen Beurteilung angeführten Entscheidungen des Höchstgerichtes - bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053).

Schlagworte

Rechtsmittelfrist, Verspätung, Zurückweisung, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W262.2174544.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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