TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/30 W108 2137722-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2018
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Entscheidungsdatum

30.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2137722-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 26.06.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. BRAUCHART als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehörigkeit Syrien, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.09.2016, Zl. 1077409308-150831100, wegen Nichtzuerkennung des Asylstatus nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2017 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Der Beschwerdeführer ist ein im Entscheidungszeitpunkt 48 Jahre alter syrischer Staatsangehöriger arabischer Abstammung drusischen Glaubens. Er stellte am 10.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG), über den das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Bescheid dahingehend entschied, dass ihm der Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG nicht zuerkannt wurde (Spruchpunkt I. des Bescheides). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm unter Spruchpunkt III. dieses Bescheides gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Im Verfahren vor der belangten Behörde wurde folgendes Vorbringen erstattet:

Er sei im Jahr 2015 legal mit einem gültigen Reisepass mit dem Autobus von Syrien in den Libanon gereist. Er habe Angst vor dem Tod. Er habe mit Ehefrau und Kindern in XXXX, gelebt. Dort sei Krieg gewesen und er habe mit seiner Familie im Jahr 2013 umziehen müssen. Nach dem Umzug habe es auch keine Sicherheit gegeben. Ein Cousin und eine Cousine seien von Unbekannten getötet worden, es habe Anschläge und Entführungen gegeben. Er und seine Familie hätten Angst gehabt und er sei zur Ausreise gezwungen gewesen. Als Druse habe man im Allgemeinen Probleme mit der Opposition und der Regierung. Im Fall der Rückkehr befürchte er festgenommen zu werden, weil er seine Arbeit ohne Kündigung verlassen habe.

2. Im angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde begründend aus, dass der Beschwerdeführer keine konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung geltend gemacht habe. Probleme mit der syrischen Regierung und der Opposition wegen seiner drusischen Religionszugehörigkeit habe er zwar angegeben, solche hätten aber weder durch weitere Aussagen des Beschwerdeführers noch durch Ermittlungen bestätigt werden können. Befürchtungen und Hinweise, dass der Beschwerdeführer zum Militärdienst eingezogen würde, habe er weder vorgebracht noch sei dies aufgrund des Alters des Beschwerdeführers im Zusammenspiel mit der Länderinformation, wonach über 45-jährige Personen nicht mehr eingezogen würden, und der legalen Ausreise zu befürchten.

3. Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher der Beschwerdeführer ausführte, er habe mit seiner Ehefrau und seinen drei Kindern in einem Vorort von XXXX gelebt und als Lehrer gearbeitet. Als die Sicherheitslage sich dort verschlechtert habe, sei er mit seiner Familie in ein Dorf und später in eine Stadt im Stammgebiet der Drusen (XXXX) südlich von

XXXX gezogen. Dort sei die Sicherheitslage weiter prekär gewesen und seien dort ein Cousin und eine Cousine getötet worden. Er habe auch dort als Lehrer gearbeitet und es sei zu Anwerbversuchen vor allem durch regierungsnahe Truppen gekommen. Eine regierungsnahe Miliz habe in der Schule Lehrer, auch ihn, aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Da er das nicht gewollt habe, habe er seinen Dienst als Lehrer ohne offizielle Kündigung quittiert und kurze Zeit später das Land verlassen. In der Folge sei seine Ehefrau von Organen der syrischen Staatssicherheit zu Hause nach seinem Verbleib befragt worden. Die religiöse Minderheit der Drusen stehe zwischen den Fronten des Konfliktes, was etwa Zeitungsberichte, die aus der Zeit seiner Flucht stammten, verdeutlichten. Drusen würden oft als Sympathisanten des Regimes dargestellt und oftmals von Islamisten als Ungläubige bezeichnet. Umgekehrt mache man sich nach Meinung der regimetreuen Seite als Druse verdächtig, die Rebellen zu unterstützen, wenn man die Kooperation mit den regimetreuen Milizen verweigere.

Einer der in der Beschwerde wiedergegebenen Zeitungsartikel lautet auszugsweise wie folgt:

"Drusen und das Regime

Doch auch dem Assad-Regime stehen viele Drusen – in Syrien traditionell eher nationalistisch eingestellt – immer kritischer gegenüber. Zwar kämpfen tausende Drusen an der Seite des syrischen Regimes, doch verweigern mehr und mehr von ihnen den Militärdienst. "Derzeit gibt es besonders in XXXX eine wachsende Kluft zwischen dem Regime und den Drusen, was auch den vielen Zwangsrekrutierungen geschuldet ist. Mit Scheich Balous hat sich eine neue Führungsfigur herauskristallisiert, die sehr regimekritisch ist und eigene Milizen aufgestellt hat", meint XXXX. Gleichzeitig würden aber viele Drusen auch einen Rückzug des Regimes aus der Region fürchten, wodurch sie mit "Jabhat an-Nusra" und dem "Islamischen Staat" alleingelassen wären. Ursprünglich, so XXXX, gab es zu Beginn des Bürgerkrieges durchaus auch vereinzelt drusische Rebellengruppen: "Aber mit der wachsenden Islamisierung des Aufstandes wurden sie entweder herausgedrängt, haben von selber aufgehört oder sind ganz einfach durch die syrische Armee oder Pro-Assad-Milizen zerschlagen worden."

Eine ähnliche Entwicklung habe es auch bei politischen Aktivisten der Drusen gegeben."

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Im Beschwerdeverfahren übermittelte der Beschwerdeführer zu hg. OZ 3 ein (behördliches) Dokument auf Arabisch. Dieses hat nach der Übersetzung folgenden Inhalt (mit Fehlern wie im Original):

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

XXXX

Das monatliches Gehalt von XXXX syrische Pfund wird ab dem Zeitpunkt der Unterbrechung der Tätigkeit am XXXX ohne gesetzliche Entschuldigung, unterbrochen.

Absatz 2

Einleitung der gerichtlichen Klage wegen des Delikts dem Fernbleiben von der Arbeit.

Absatz 3

Rückforderung von überschüssig und ungerechtfertigten ausbezahlten Geldern

Absatz 4

Benachrichtigung der zuständigen Behörden über den Beschluss

XXXX, am XXXX"

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich der Beschwerdeführer persönlich beteiligte. Im Rahmen der Vernehmung in der Verhandlung sagte er u.a. aus, er habe in Syrien als XXXXlehrer gearbeitet und in der Umgebung von XXXX gelebt, später sei er in den Ort XXXX gezogen. Er habe als Druse Probleme mit der syrischen Regierung, weil die Regierung von den Drusen verlangt habe, nur in bestimmten Gebieten zu wohnen, und sich den Kämpfern bzw. Milizen des Regimes anzuschließen. Man habe sie zwingen wollen, mitzukämpfen, auch um ihre Treue gegenüber dem Regime zu beweisen. In der Regel sei die Rekrutierung von zusätzlichen Kämpfern entweder über schriftliche Verständigungen erfolgt oder die betroffenen Männer seien persönlich von Sicherheitskräften abgeholt worden. Er habe sich anfänglich nicht gedacht, dass die Rekrutierungen ihn treffen würden, weil das Regime zunächst nur Männer rekrutiert habe, die jünger als er gewesen seien. In der letzten Zeit vor seiner Ausreise habe er jedoch erfahren, dass das Regime auch ältere Männer rekrutiere. Bei ihm sei es so gewesen, dass Vertreter des Regimes bzw. der Sicherheitskräfte in seine Schule gekommen seien und ein Gespräch mit dem Direktor und dem Vertreter der Baath-Partei geführt und mitgeteilt hätten, dass sie nunmehr auch Lehrer dieser Schule rekrutieren würden. Auf einer Liste seien die Namen der 6 oder 7 Lehrer der Schule, die alle eingezogen hätten werden sollen, gestanden, darunter sei auch sein Name gewesen. Man habe an diesem Tag von seiner Schule einen Lehrer mitgenommen und bekannt gegeben, dass die anderen Lehrer in der Folge abgeholt werden würden. Er habe erfahren, dass in einer anderen Schule ältere, auch ungefähr 58 Jahre alte, Kollegen zwangsweise rekrutiert worden seien. Sie seien einfach abgeholt worden. Das Regime sei dazu übergegangen, Staatsbeamte an ihren Dienststellen abzuholen. Das habe ihn veranlasst, sein Heimatland zu verlassen. Er habe keine Waffe tragen wollen, wäre jedoch dazu gezwungen worden. Er sei damals deshalb nicht gleich von der Schule mitgenommen worden, weil das System der Rekrutierung der Staatsbeamten und vor allem der Lehrer vorgesehen hätte, dass nicht alle Lehrer auf einmal rekrutiert, sondern nacheinander abgeholt würden, da es auch im Interesse der Regimes gelegen sei, den Schulalltag nicht gänzlich zusammenbrechen zu lassen. Er sei aus gesundheitlichen Gründen von der Ableistung des gesamten Wehrdienstes befreit und habe nur die 6-monatige Grundausbildung, bei der er an der Waffe ausgebildet worden sei, ableisten müssen. Er habe XXXX gehabt und habe deswegen noch Beschwerden. Er könne zwar sein Leben normal führen, nur damals sei er für die Fortsetzung des Wehrdienstes nicht tauglich gewesen. Er habe ein Wehrdienstbuch, dieses sei in Syrien. Er sei nach dem Abschluss seines Universitätsstudiums eingezogen worden, sei in die Grundausbildung gekommen, wo man gesehen habe, dass er ein körperliches Gebrechen habe. Dass er trotz seines körperlichen Gebrechens und der Wehrdienstbefreiung auf der Liste der zum Militär einzuziehenden Personen gestanden sei, sei damit zu erklären, dass dem Regime langsam die Kämpfer ausgingen, wodurch es beginne, auch auf Leute wie ihn zurückzugreifen, die eine leichte körperliche Behinderung hätten. Es würden Männer wie er zwangsrekrutiert, ungefähr 10 Tage an der Waffe trainiert und dann auf Posten eingesetzt, wo sie sich nicht viel bewegen müssten, zum Beispiel als Heckenschützen oder aber als Schützen auf fahrenden Autos. Er kenne einen Mann aus der Nachbarschaft, den das Regime sogar mit einem künstlichen Bein rekrutiert habe. Seine legale Ausreise trotz Aufscheinens auf einer Liste der zu rekrutierenden Personen erkläre sich damit, dass es letztlich eine illegale Ausreise gewesen sei. In Damaskus gebe es "Büros", die die Ausreise aus Syrien "organisierten" und alles erledigten, wenn man genügend bezahle, wobei er gewusst habe, dass er bei einer derart organisierten Ausreise nicht persönlich kontrolliert werden würde. Er habe die Dienste eines solchen Büros für seine Ausreise in Anspruch genommen und bei der Ausreise mit keinem Grenzbeamten Kontakt gehabt. Schon vor der Krise habe es in Syrien das Problem der Bestechung gegeben. Durch die Revolution sei das Problem gewachsen und es sei ihm die Ausreise nur gelungen, weil die Grenzbeamten bestochen worden seien. Wenn er vor der belangten Behörde und bei der Erstbefragung eine "legale" Ausreise angegeben habe, so habe sich diese Angabe auf das Verlassen des Heimatlandes über eine reguläre Grenze bezogen. Er sei dazu nicht näher befragt worden. Das vorgelegte Dokument (siehe Punkt 5.) habe er in Kopie von seiner Ehefrau erhalten und bestätige seine Angst, wegen unerlaubten Fernbleibens von der Arbeit verfolgt zu werden. Seine Frau habe ihm mitgeteilt, dass Sicherheitskräfte in Syrien nach ihm gesucht und auch sein Haus durchsucht hätten. Das Regime wolle seiner habhaft werden und ihn entweder dazu zwingen, Waffen zu tragen und für das Regime zu kämpfen, oder ihn gleich verhaften und umbringen, weil er sich der Rekrutierung entzogen habe und ausgereist sei sowie in einem anderen Land um Schutz angesucht habe. Er gelte als Gegner des Regimes. Das Regime betrachte jeden, der sich dem Regime nicht anschließe, als Feind. Er stehe in absoluter Opposition zum Regime würde nie für das Regime in den Kampf ziehen. Auch das Leben seiner Schwester und ihres Mannes wie auch ihrer Söhne sei in Gefahr, zumal die Söhne und der Ehemann seiner Schwester zum Militärdienst hätten einrücken müssen und sie, um dies zu vermeiden, aus Syrien ausgereist seien. Seine Schwester habe in Österreich den Asylstatus erhalten, ein Bruder in den Niederlanden.

7. Nach Schluss der Verhandlung wurde das im Spruch ersichtliche Erkenntnis mit den wesentlichen Entscheidungsgründen sogleich verkündet.

8. Die belangte Behörde stellte fristgerecht und zulässig einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Es wird von dem im Punkt I. dargestellten Verfahrensgang/Sachverhalt/Vorbringen des Beschwerdeführers ausgegangen. Es wird der Entscheidung daher zusammengefasst folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist ein im Entscheidungszeitpunkt 48 Jahre alter syrischer Staatsangehöriger arabischer Abstammung drusischen Glaubens aus dem Gebiet der Stadt XXXX. Zuletzt lebte er in einem Siedlungsgebiet der Drusen südlich der genannten Stadt. Er war in Syrien im staatlichen Dienst als Lehrer tätig. An den Schulen wurden die dort tätigen Lehrer durch die syrische Regierung bzw. durch deren Milizen angeworben bzw. aufgefordert, sich am bewaffneten Konflikt in Syrien an der Seite des Regimes bzw. in regimetreuen Milizen zu beteiligen, und auch zwangsweise rekrutiert, wobei auch Lehrer rekrutiert wurden, die ungefähr 58 Jahre alt waren. Auch an der Schule des Beschwerdeführers fanden Rekrutierungen statt, der Name des Beschwerdeführers stand auf einer Liste der einzuziehenden Männer seiner Schule. Um seine Rekrutierung zu vermeiden, reiste der Beschwerdeführer ohne Kündigung seiner Tätigkeit an der Schule und ohne Genehmigung der Regierung, unerlaubt, aus Syrien aus. Gegen den Beschwerdeführer wurde in Syrien ein gerichtliches Verfahren wegen des Delikts "Fernbleiben von der Arbeit" eingeleitet und es wurde staatlicherseits in seinem Haus nach ihm gesucht. Der Beschwerdeführer hatte und hat bei einem Aufenthalt in Syrien damit zu rechnen, vom syrischen Regime zum Militäreinsatz (in der syrischen Armee und/oder in einer Miliz der syrischen Regierung) gegen "oppositionelle" Kräfte aufgefordert und - zwangsweise - herangezogen zu werden. Der Beschwerdeführer ist kein Anhänger des syrischen Regimes und lehnt eine Unterstützung des Regimes, insbesondere auch durch seine Teilnahme im syrischen Konflikt in den Streitkräften des Regimes, ab. Dem Ehemann und den Söhnen der Schwester des Beschwerdeführers drohte in Syrien die Einziehung in den Militärdienst des Regimes und sie reisten, um die Einziehung und die damit in Zusammenhang stehende Verfolgung zu vermeiden, aus Syrien aus. Die Schwester des Beschwerdeführers und ihre Familie stellten in Österreich Asylanträge und ihnen wurde der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Ein Bruder des Beschwerdeführers erhielt in den Niederlanden den Asylstatus.

1.2. hinsichtlich der Lage in Syrien:

Wehrdienst/Rekrutierung

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten. Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen.

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht.

In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden.

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen.

Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden.

Berichten zufolge besteht aber auch für – teils relativ junge – Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein.

Wehrdienstpflichtige Männer werden bei Hausdurchsuchungen, Razzien, an Checkpoints oder an der Grenze verhaftet und in den Militärdienst eingezogen. Bei Behördengängen, wie zum Beispiel der Registrierung einer Heirat, soll es auch zu Verhaftungen kommen. Gemäß den vom Finnish Immigration Service befragten Quellen werden Männer auf der Straße, an Universitäten und an Checkpoints eingezogen. Busse werden angehalten, um Männer im wehrdienstpflichtigen Alter zu suchen. Im privaten Sektor werden Firmen unter Druck gesetzt, ihre Arbeiter in den Militärdienst zu schicken. Das US Department of State weist darauf hin, dass an den Checkpoints der Regierung Männer allein aufgrund ihres wehrdienstpflichtigen Alters verhaftet werden. Viele verschwinden nach den Verhaftungen an Checkpoints. Auch die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien geht von zehntausenden Männern im wehrdienstpflichtigen Alter aus, die verschwunden sind.

Bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlangt das Regime, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. Nach der Machtübernahme der Regierung in Aleppo fotografierte ein Reuters Mitarbeiter hunderte junge Männer, die zwangsrekrutiert wurden. Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien berichtet, dass die syrischen Sicherheitskräfte nach der Eroberung von Aleppo über 5000 Männer in den Wehrdienst einzogen. Auch während der Evakuierung von Zivilisten in der Region von Aleppo sollen im Dezember 2016 Pro-Assad-Gruppen Männer und Jugendliche ab 16 Jahren zwangsrekrutiert haben. Zudem werden Häftlinge unter Druck gesetzt, entweder in Haft zu bleiben oder in die Armee einzutreten.

Gemäß Berichten werden Anwohner unter Druck gesetzt, sich den lokalen Milizen anzuschließen, obwohl der Beitritt zu den Verteidigungsmilizen freiwillig ist. Im Februar 2016 wurde auf einer Webseite der Opposition berichtet, dass in Deir al-Zur, einer Stadt im Osten Syriens, welche vom sogenannten «Islamischen Staat» belagert wurde, der zuständige General die Schaffung einer Selbstverteidigungsmiliz verkündete, und dass die syrischen Sicherheitsdienste alle Männer zwischen 15 und 60 Jahren verhaftet und eingezogen haben.

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt. Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist.

Gemäß dem Danish Immigration Service können Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren freiwillig der Armee beitreten. Aktivisten berichten über Zwangsrekrutierungen von Minderjährigen sowohl in die syrische Armee wie auch in die paramilitärischen Selbstverteidigungseinheiten. Gemäß der Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien rekrutieren die Volkskomittees und Milizen der National Defence Forces Minderjährige und schicken sie ohne militärisches Training in den Kampf.

Auch das US Department of State geht davon aus, dass Regierungsmilizen Kinder ab 13 Jahren rekrutieren und dass die syrische Regierung Kinder zwischen sechs und 13 Jahren als Informanten einsetzt. In den ersten Jahren des Krieges waren die meisten Kinder, die von bewaffneten Gruppen rekrutiert wurden, im Alter zwischen 15 und 17 Jahren. Seit 2014 rekrutieren alle Gruppen immer jüngere Kinder; einige sollen bereits mit sieben Jahren rekrutiert worden sein.

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt. Sowohl der Danish Immigration Service wie auch der Finnish Immigration Service beschreiben, dass Männer, die älter als 42 Jahre sind, eingezogen werden: Kontaktpersonen des Danish Immigration Service gehen davon aus, dass vor allem technische Experten, die älter als 42 Jahre sind, eingezogen werden und dass Reservisten im Alter von 52 oder sogar 54 Jahren rekrutiert werden. Der Finnish Immigration Service wurde von einer Kontaktperson darüber informiert, dass Männer je nach Region und Umständen auch im Alter zwischen 50 und 60 Jahren Militärdienst leisten müssen. Ein syrischer Journalist sagte, dass auch Männer mit 47 oder 48 Jahren in den Militärdienst eingezogen werden.

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde.

Die Regierung strebt eine Stärkung der Berichten zufolge angespannten personellen Kapazitäten ihrer Streitkräfte an und hat daher, wie aus Berichten hervorgeht, ihre Bemühungen um Einziehung und Mobilisierung von Reservisten in Gebieten unter ihrer Kontrolle intensiviert, einschließlich an mobilen und fest installierten Kontrollstellen, bei Angriffen und Durchsuchungen von Häusern und öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch Jungen im Teenageralter, die das Aussehen von 18-Jährigen hatten, wurden Berichten zufolge an Kontrollstellen festgenommen. Zahlreiche Männer im Wehrdienst- oder Reservistenalter vermeiden es Berichten zufolge, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, halten sich versteckt oder sind aus Angst vor Drangsalierung an Kontrollstellen und vor Einziehung außer Landes geflohen. Es stellt Berichten zufolge eine gängige Praxis dar, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. In von Regierungskräften von bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen zurückeroberten Gebieten wurden Männer im Wehrpflicht- oder Reservedienstalter in großer Zahl festgenommen und zwangsrekrutiert. Männer im wehrfähigen Alter können das Land nur mit Genehmigung des Rekrutierungsbüros verlassen. Auch um zu heiraten oder in den Staatsdienst einzutreten brauchen sie eine Genehmigung. Der Pflichtwehrdienst wurde Berichten zufolge in vielen Fällen über die vorgesehenen Monate hinaus verlängert. Nach einer eventuellen Entlassung aus dem Pflichtwehrdienst folgt, wie berichtet wird, in der Regel eine automatische Aufnahme in die Reservistenliste. Angesichts des anhaltenden Konflikts und des steigenden Bedarfs an Rekruten werden Berichten zufolge Regeln und Rechtsvorschriften für den Militärdienst zunehmend willkürlich angewandt, insbesondere in Bezug auf Aufschub- und Ausnahmeverfahren. Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein.

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür. Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen.

Da es sich bei den Möglichkeiten zum Freikauf um "Kann-Bestimmungen" handelt, ist eine Befreiung in Krisenzeiten unwahrscheinlich.

Es wurden keine Berichte gefunden, nach denen Personen zum offiziellen Militärdienst einberufen wurden, die die einzigen Söhne der Familie sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass gesichert gesagt werden kann, dass es solche Fälle nicht gibt. Bei der Rekrutierung durch die syrische Armee herrscht mittlerweile durchaus eine gewisse Willkür. Außerdem kann sich jemand, selbst wenn er der einzige Sohn der Familie ist, als Freiwilliger beim Militär melden. Darüber hinaus existieren die NDF [National Defence Forces, eine im Jahr 2012 gegründete Pro-Regierungs-Miliz, die wiederum aus mehreren Milizgruppen besteht], deren Rekrutierungspolitik nicht gesetzlich geregelt ist. Gemäß einer Quelle ist davon auszugehen, dass die NDF jeden zwingen können, ihnen beizutreten, selbst dann, wenn die Person z.B. der einzige Sohn der Familie ist. Solche Fälle kommen jedoch laut unten angeführter Quelle jedoch nicht häufig vor.

Verschiedene Beobachter berichteten dem Danish Immigration Service, dass Freistellungen manchmal nicht mehr akzeptiert werden. Zudem sei die Freistellung vom Militärdienst auch gegen Bestechung schwieriger geworden. Gemäß dem Syrian Observer und Noah Bonsey von der International Crisis Group befürchten auch Männer, die vom Militärdienst befreit sind, eingezogen zu werden. Die Willkür hat vor allem in den Gebieten zugenommen, die von Milizen kontrolliert werden. Quellen des Finnish Immigration Service ist zu entnehmen, dass die Umsetzung der Freistellungen willkürlich ist. Die Freistellungsdokumente sind zwar vorzeigbar, können jedoch an einem Checkpoint zerrissen werden.

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Wehrdienstentziehung

Gemäß den Informationen des UK Home Office ist in Artikel 68 festgehalten, dass Personen, die sich der Einberufung entziehen, in Friedenszeiten zwischen ein bis sechs Monate und in Kriegszeiten bis zu fünf Jahre inhaftiert werden. Wer das Land ohne eine Adresse zu hinterlassen verlässt und sich so der Einberufung entzieht, wird mit drei Monaten bis zu zwei Jahren Haft und einer Geldbuße bestraft. Gemäß Artikel 101 wird Desertion mit fünf Jahren Haft oder mit fünf bis zehn Jahren Haft bestraft, wenn der Deserteur das Land verlässt. Deserteure, die militärisches Material mitgenommen haben und die in Kriegszeiten oder während des Kampfs desertierten oder bereits früher desertiert sind, werden mit 15 Jahren Haft bestraft. In Artikel 102 ist festgehalten, dass ein Deserteur, der im Angesicht des Feindes desertiert, mit lebenslanger Haft bestraft wird. Exekution ist entsprechend Artikel 102 bei Überlaufen zum Feind und gemäß Artikel 105 bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen. UNHCR erstellte eine inoffizielle Übersetzung ausgewählter Paragraphen des Military Penal Law, Legislative Decree No. 61/1950. Diese stimmen inhaltlich, jedoch bezüglich der Nummerierung nur teilweise mit den oben erwähnten Artikel überein. In der Übersetzung von UNHCR wird Wehrdienstentzug gemäß Artikel 98 und 99 bestraft. Gemäß UNHCR ist die Bestrafung von Desertion in Friedenszeiten im Artikel 100 geregelt und in Artikel 101 ist die Bestrafung bei Desertion in Kriegszeiten festgelegt. In den Artikeln 102 und 103 steht, dass das Überlaufen zum Feind und eine zusätzliche Verschwörung mit dem Feind mit dem Tod bestraft wird.

Bei der Umsetzung der Bestrafung herrscht Willkür. Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht. Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte‘, vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Gemäß einer Quelle des Finnish Immigration Service hängt die Bestrafung von der Position und dem Rang des Deserteurs wie auch vom Bedarf an der Front ab. Auch im Bericht des Danish Immigration Service weist eine befragte Person darauf hin, dass die Bestrafung vom Profil, von der Herkunftsregion oder vom Beziehungsnetz der betroffenen Person abhängen kann. Komme der Verdacht auf, dass Kontakte zur Opposition bestehen, würden die Untersuchungen und die Folter intensiviert. Bei Wehrdienstentzug droht je nach Profil und Umständen sofortiger Einzug in den Militärdienst, Einzug an die Front oder Haft und Folter. Desertion wird mit Haft, Verschwinden-Lassen, Verfahren vor Militärgerichten, lebenslanger Haft, Todesstrafe oder Exekution bestraft. Häuser, Läden und Besitz von Deserteuren werden vom Regime geplündert, angezündet und zerstört. Es kann auch vorkommen, dass aufgegriffene Deserteure direkt an die Front geschickt werden.

Bereits 2011 wurden Dutzende syrische Deserteure exekutiert, da sie sich den Aufständischen anschließen wollten. Human Rights Watch berichtete 2012, dass syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen oder inhaftiert werden, wenn sie Befehle nicht befolgen. Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien und das Syrian Human Rights Committee berichteten 2013 über Exekutionen von desertierten Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen können und aus umkämpften Gebieten geflohen sind. Regierungstruppen zerstörten die Häuser, Höfe und Geschäfte von verdächtigen Regierungsgegnern. Dieses willkürliche Vorgehen gegen Deserteure und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, wird auch in neueren Berichten bestätigt. Das Immigration and Refugee Board of Canada ging aufgrund verschiedener Quellen im August 2014 davon aus, dass Personen, die sich dem Militärdienst entziehen, verhaftet oder zwangsrekrutiert werden. Ein Aktivist meint, dass insbesondere hochrangige Offiziere, die desertiert sind, als Verräter gesehen werden, ihnen droht Haft und Folter.

Im Bericht des Finnish Immigration Service vom August 2016 wird darauf hingewiesen, dass Deserteuren die Todesstrafe droht. Ein europäischer Diplomat ist zwar nicht sicher, ob die Todesstrafe umgesetzt wird, er berichtet jedoch, dass es als Abschreckungsmaßnahme zu Massenexekutionen von Deserteuren gekommen ist. Gemäß einer anderen Quelle werden Deserteure inhaftiert und gefoltert, einige würden auch an die Front geschickt.

Seit 2011 hat der syrische Präsident al-Assad für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstentzieher und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstentzieher und Reservisten eine Amnestie erhalten. Weder über die Umsetzung dieser Dekrete noch darüber, wie viele Wehrdienstentzieher seit 2011 in den Genuss dieser Amnestien kamen, liegen Informationen und genaue Zahlen vor. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen von ihnen. Bei Rückkehrern aus dem Ausland werden Berichten zufolge regelmäßig die Aufzeichnungen zu ihrem Militärdienst überprüft.

Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung

Bestimmte Personen werden aufgrund ihrer politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Aber die Konfliktparteien wenden Berichten zufolge breitere Auslegungen an, wen sie als der gegnerischen Seite zugehörig betrachten. Diese basieren z.B. auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass – auch - die syrische Regierung als Konfliktpartei oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellt. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit.

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich regierungsfeindliche Ansichten haben

Einwohner Syriens, die tatsächlich oder vermeintlich regierungskritische politische Ansichten im weitesten Sinne haben, sind als Personen anzusehen, die gefährdet sind durch die Regierung verfolgt zu werden. Es liegen schon seit längerem Berichte darüber vor, dass die syrische Regierung politischen Dissens durch Einschüchterung, Überwachung und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten, Schriftstellern und Intellektuellen unterdrückt. Auf die im März 2011 aufkommenden Protestbewegungen und die sich anschließenden bewaffneten Aufstände, reagierten die Regierung und regierungsfreundliche Kräfte, wie aus Berichten hervorgeht, mit massiver Unterdrückung und Gewalt. Die Regierung wendet, wie berichtet wird, bei der Beurteilung von politischem Dissens sehr breite Kriterien an: jegliche Kritik, Opposition oder sogar unzureichende Loyalität der Regierung gegenüber, wie auch immer ausgedrückt – friedlich oder gewalttätig, organisiert oder spontan, im Rahmen einer politischen Partei, bewaffneten Gruppe oder individuell, virtuell im Internet oder im bewaffneten Konflikt – führte Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen. Es wurde berichtet, dass zahlreiche Protestteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert oder anderen Misshandlungen ausgesetzt, oder Opfer von extralegalen oder Massenhinrichtungen wurden. Gegen zahlreiche Personen wurden Berichten zufolge Strafverfahren gemäß dem Terrorbekämpfungsgesetz (Gesetz Nr. 19 vom 2. Juli 2012) durchgeführt. Das Gesetz sieht schwere Strafen – von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe – für Personen vor, bei denen festgestellt wird, dass sie "terroristische" Handlungen begangen haben. "Terrorismus" ist vage und mit sehr weiten Begriffen in den Gesetzen definiert, die viel Raum für Strafverfolgung wegen zahlreicher unterschiedlicher Aktivitäten bieten, einschließlich Teilnahme an Protesten, Äußerungen in sozialen Medien, Bereitstellung humanitärer Hilfsdienste, Schmuggeln von Arzneimitteln und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Berichten ist zu entnehmen, dass die meisten Häftlinge nie förmlich angeklagt werden. Gegen tausende Zivilisten wurden Berichten zufolge von Strafgerichten, dem Antiterrorismus-Gericht in Damaskus und militärischen Feldgerichten Strafverfahren durchgeführt, die gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen. In der Regel gingen den Verfahren monatelange Untersuchungshaft in Einrichtungen der Sicherheitsdienste und erzwungene Geständnisse voraus. Es wird berichtet, dass die Strafen für jene Personen, die vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, auch dann hart sind, wenn die fraglichen Aktivitäten selbst friedlich waren. Wie aus Berichten hervorgeht, überwacht die Regierung Korrespondenz, Online-Aktivitäten und politische Zusammenkünfte. Die Regierung hört Berichten zufolge mit Hilfe von entsprechender Ausrüstung Gespräche ab, installiert Spysoftware auf den Computern von Aktivisten, blockiert Textnachrichten und ortet Mobil- und Satellitentelefone. Aus Berichten geht hervor, dass die Online-Überwachung zu willkürlichen Verhaftungen, incommunicado Haft, Folter und Tötungen von zahlreichen politischen Dissidenten, Aktivisten, Laienjournalisten und anderen Personen geführt hat. Zahllose Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert, nachdem sie über soziale Medien Fotos oder Videos, die regierungskritische Proteste oder Aufstände unterstützen, weitergeleitet, positiv bewertet oder kommentiert hatten. Wie berichtet wird, hackt die seit April 2011 bestehende so genannte Syrische Elektronische Armee mit stillschweigender Zustimmung der Regierung Websites und Seiten sozialer Medien von oppositionellen Gruppen, von bestimmten westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen und blockiert sie oder überflutet sie mit regierungsfreundlichen Inhalten. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden nach Ausbruch der regierungskritischen Proteste im März 2011 Syrer, die im Ausland an solchen Protesten teilnahmen, durch Mitarbeiter syrischer Botschaften und durch andere Personen, die mutmaßlich im Auftrag der syrischen Regierung handelten, kontrolliert, eingeschüchtert und teilweise körperlich angegriffen. Berichten zufolge wurden die in Syrien gebliebenen Angehörigen von syrischen Staatsangehörigen, die sich an Protesten oder damit verbundenen Aktivitäten im Ausland beteiligt hatten, Befragungen unterzogen, durch telefonische Anrufe, E-Mails und Facebook-Nachrichten bedroht, sie wurden verhaftet, misshandelt oder sogar getötet. In Deutschland wurden vier Mitarbeiter der syrischen Botschaft, die mutmaßlich Aktivitäten syrischer Oppositionsmitglieder überwachten, ausgewiesen. Wie berichtet wird, befürchten im Exil lebende Syrer von Landsleuten, die aus eigener Initiative oder als Informanten im Auftrag der syrischen Regierung handeln, überwacht, bedroht oder in sozialen Medien als "regierungsfeindlich" dargestellt zu werden.

Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Die Familienangehörigen (beispielsweise Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und auch entferntere Verwandt) von (tatsächlichen oder vermeintlichen) Protestteilnehmern, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern und anderen Personen wurden Berichten zufolge willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und in sonstiger Weise ? einschließlich unter Anwendung sexueller Gewalt – misshandelt sowie auch willkürlich hingerichtet. Verläuft die Fahndung nach einem Regierungsgegner bzw. einer Person, die für einen Regierungsgegner gehalten wird, erfolglos, gehen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Dies geschieht entweder, um Vergeltung zu üben für die Aktivitäten bzw. den Loyalitätsbruch der gesuchten Person oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen und/oder mit der Absicht, die betreffende Person dazu zu bewegen, sich zu stellen bzw. die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu gestehen. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden weibliche Verwandte verhaftet und als "Tauschobjekte" für Gefangenenaustausch mit regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen verwendet. Darüber hinaus liegen Berichte vor, dass sogar Nachbarn, Kollegen und Freunde verfolgt wurden.

Aus Angst, selbst inhaftiert und misshandelt zu werden, sehen Familienmitglieder, wie Berichten zu entnehmen ist, häufig davon ab, nach dem Aufenthaltsort von verhafteten Familienmitgliedern zu forschen oder sich über die Verhaftung zu beklagen. Wie aus Berichten hervorgeht, sehen sie sich stattdessen gezwungen, korrupten Staatsbediensteten Schmiergelder zu bezahlen, um Informationen über den Aufenthaltsort eines inhaftierten Angehörigen zu erhalten, seine Verlagerung von einer Haftanstalt des Sicherheitsdienstes in die zentrale Haftanstalt zu veranlassen oder für seine Freilassung zu sorgen – dabei besteht für sie keine Erfolgsgarantie. Amnestien durch den Präsidenten haben, wie berichtet wird, auch Richtern die Möglichkeit eröffnet, Bestechungsgelder von Familien entgegen zu nehmen, die die Freilassung eines inhaftierten Familienmitglieds erreichen möchten. In besonders schwerwiegenden Fällen wurden Berichten zufolge ganze Familien von Oppositionsmitgliedern oder Überläufern verhaftet oder extralegal hingerichtet, beispielsweise bei Hausdurchsuchungen.

Aufgrund verfügbarer Herkunftslandinformationen reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, für die Verfolgung aus.

Wehrdienstverweigerer, Deserteure und ihre Familienangehörigen

Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien und das Syrian Human Rights Committee berichteten 2013 über Exekutionen von desertierten Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen können und aus umkämpften Gebieten geflohen sind.

Syrische Oppositionelle oder Deserteure sind im mit Syrien verbündeten Libanon ebenfalls von Verhaftung bedroht. Sogar Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sind im Ausland in Gefahr.

Zivilisten, die für die Armee gearbeitet haben und die Armee verlassen haben, gelten als Verräter und werden wie Deserteure bestraft. Personen, die nach einem bewilligten Aufenthalt im Ausland nicht nach Syrien zurückkehren, werden als Wehrdienstverweigerer oder Deserteur eingestuft und dementsprechend bestraft.

Wenn die Personen, die vom syrischen Regime einberufen wurden, nicht freiwillig erscheinen, werden sie als Wehrdienstverweigerer gelistet und werden von den Behörden gesucht. Die Truppen der Regierung sind ausgedünnt und es mangelt an Militärs.

Wehrdienstentzieher, die sich nicht innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der festgelegten Frist zum Militärdienst melden, werden (in Friedenszeiten) mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft. Die Wehrdienstpflicht besteht dabei weiterhin fort. Wenn Personen sich innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der Frist freiwillig melden, wird die Strafe um 50 Prozent herabgesetzt. In Kriegszeiten wird Wehrdienstentziehung je nach den Umständen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft. Nach Verbüßung der Strafe muss der Wehrdienstentzieher weiterhin den regulären Militärdienst ableisten.

Es wird berichtet, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert werden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssen. Aus Berichten geht hervor, dass sie während der Haft dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind. Die Regierung inhaftiert Berichten zufolge außerdem gezielt Familienmitglieder von Wehrdienstentziehern, um Druck auf Männer im wehrfähigen Alter auszuüben, in den Militärdienst zu treten. Wie aus Berichten hervorgeht, ist es unklar, auf welche Weise Personen über die Verpflichtung informiert werden, sich zum Militärdienst zu melden. Ferner ist unklar, wie viel Zeit vergeht, bis der Name einer Person, die dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet, an das Militär und an Personenkontrollstellen mit der Anweisung gemeldet wird, die betreffende Person aufgrund von Wehrdienstentziehung festzunehmen. Einzelne Berichte legen außerdem nahe, dass zumindest in manchen Fällen Personen nach ihrer Festnahme an Kontrollstellen in die Armee eingezogen wurden, ohne zuvor einen Einberufungsbescheid erhalten zu haben. Ungeachtet des genauen Zeitpunkts, zu dem eine Person gemäß anwendbarem syrischem Recht als wehrdienstpflichtig betrachtet wird (und sich daher strafbar macht, wenn sie dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet), kann nach Beobachtungen von UNHCR "eine Wehrdienstentziehung auch präventiv erfolgen, indem die betreffende Person noch vor Eintreffen des eigentlichen Erfassungs- oder Einberufungsbefehls handelt”, indem sie zum Beispiel das Land verlässt.

Die syrische Regierung betrachtet, wie Berichten zu entnehmen ist, Wehrdienstentziehung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen.

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen.

Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert.

Die Familien und besonders die Väter von Militärdienstverweigerern und Deserteuren werden üblicherweise schikaniert, um die Söhne zu zwingen, sich zu stellen. Die Behörden treten auch an bestimmte Gemeinschaften heran und verlangen, dass die Familien die Mitglieder, die für den Militärdienst gesucht werden, übergeben. Obwohl die Soldaten streng beaufsichtigt werden und ihre Familien bei Fahnenflucht mit Repressalien rechnen müssen, gibt es immer wieder Deserteure. Die meisten von ihnen seien Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit. Das Regime verwendet weiterhin alle möglichen Druckmittel von bürokratischen Auflagen bis hin zu Gefängnis und Folter, um die syrischen Streitkräfte oder die paramilitärischen Verbände zu verstärken. Amnestien dienen im Endeffekt nicht dazu, den Wehrdienstverweigerern und Deserteuren eine Strafe zu ersparen, sondern ihrer habhaft zu werden, um sie zum Militärdienst und letztendlich zum Kampfeinsatz einziehen zu können. Auch Familienangehörige von Deserteuren, von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, oder von Zivilisten, die bei der Armee gearbeitet haben, werden bestraft. Geschwister, Brüder und Schwestern, wie auch Mütter und Väter werden verhaftet. Neben Plünderung ihrer Häuser und Verhaftungen werden Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, häufig aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Maßnahmen gegen die Familien von Deserteuren variieren in den verschiedenen Regionen. Väter oder Brüder werden rekrutiert, um den Deserteur in der Armee zu ersetzen. Desertiert jemand mit der Waffe, werden die Familienangehörigen verhaftet. Wenn sie sich nicht mehr in Syrien aufhalten, werden sie auf eine der Suchlisten gesetzt.

Wie Berichte belegen, griffen Regierungskräfte zum Beispiel bei Verhaftungskampagnen in Gebieten, in denen ihrer Wahrnehmung nach die Opposition unterstützt wurde, gezielt Angehörige von Deserteuren heraus. Das Eigentum von Deserteuren wurde, wie berichtet wird, durch Plünderung und Brandstiftung zerstört.

Personen, die im Ausland auf bestimmte Weise aktiv sind

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien.

Ethnische/religiöse Minderheiten

Auch unter den Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes. Das Regime geht deshalb verstärkt gegen christliche und alawitische Regimegegner vor, welche der Regime-Narrative von "der sunnitisch gesponserten Gewalt" widersprechen könnten. Die ChristInnen werden beschuldigt, auf Seiten des Regimes zu stehen. In noch stärkerem Ausmaß werden AlawitInnen kollektiv als verantwortlich für Taten des Regimes wahrgenommen, obwohl bereits unter Hafiz al-Assad aus ihren Reihen die bekanntesten RegimekritikerInnen stammten. Der Anstieg an interkonfessioneller Gewalt traf besonders AlawitInnen, DruzInnen, schiitische MuslimInnen und ChristInnen. Mitglieder religiöser Minderheiten sind Drohungen und Einschüchterungen, Entführungen, Folter und Hinrichtungen durch bewaffnete Oppositionsgruppen ausgesetzt, weil sie Unterstützer oder Angehörige der Regierung, seiner Streitkräfte und Milizen sind bzw. als solche wahrgenommen werden.

Menschenrechtsverletzungen

Die syrische Regierung, ihre Streitkräfte und regierungsfreundliche Kräfte begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, wie Mord, Vernichtung, Folter, Vergewaltigung, Zwangsverschleppungen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und andere unmenschliche Akte. Im Zuge mehrerer großer Militäroperationen von Regierungs- und regierungsfreundlichen Truppen verübten diese Massenmorde, auch an Frauen und Kindern. Der fortgesetzte Konflikt führte zu einigen der abscheulichsten Bedingungen für Menschenrechte und humanitäre Lage weltweit, darunter Ermordungen, Folter, willkürliche Haft, Verschwindenlassen, Verweigerung des Zugangs zu Justiz, schwere Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die Verfolgung von Frauen und Minderheiten. Kinder wurden ermordet, gefoltert und der Gewalt durch alle Parteien ausgesetzt. Es kommt auch zu frühen Zwangsheiraten von Mädchen. Die meisten Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Gesetzes wurden systematisch von syrischen Regierungskräften und ihren verbündeten Gruppen begangen.

Der bewaffnete Konflikt in Syrien ist Berichten zufolge weiterhin von weit verbreiteten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet, die in einem Klima der Straflosigkeit stattfinden. Die Unabhängige UN-Untersuchungskommission zu Syrien und Menschenrechtsorganisationen haben syrische Regierungskräfte der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Willkürliche und direkte Angriffe auf Zivilisten, Belagerungen und Verwehrung des Zugangs von humanitärer Hilfe sowie Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Mitarbeiter haben sich Berichten zufolge als typisches Schema von Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der syrischen Regierungskräfte erwiesen. Wie aus Berichten hervorgeht, haben syrische Regierungskräfte Waffen auf willkürliche Weise eingesetzt, darunter Artillerie, Luftangriffe, Fassbomben, Brandwaffen, Streumunition und chemische Waffen.

Aus den Berichten der unabhängigen UN-Untersuchungskommission und von Menschenrechtsorganisationen geht hervor, dass bewaffnete oppositionelle Gruppen Kriegsverbrechen in Form von Mord, Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren, Folter, Geiselnahme, Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz für Kampfhandlungen und für andere Zwecke sowie Angriffe auf Mitarbeiter medizinischer und religiöser Einrichtungen, Journalisten und geschützte Objekte begehen. Von der Regierung kontrollierte Ortschaften, einschließlich solcher Gebiete, die von religiösen Minderheiten bewohnt werden, sind Berichten zufolge häufig Ziel willkürlicher Mörser-, Raketen- und USBV-Angriffe durch bewaffnete oppositionelle Gruppen. Diese bewaffneten oppositionellen Gruppen haben Berichten zufolge Zivilgebiete, die als regierungsnah angesehen werden, belagert oder zeitweise von der Wasser- und/oder Stromversorgung abgeschnitten.

Ausreise aus Syrien

Die Informationen beschreiben die Situation gemäß geltenden syrischen Gesetzen. Im Kontext des Konflikts in Syrien werden Berichten zufolge Gesetze jedoch auf willkürliche und nicht vorhersehbare Weise umgesetzt. Hinzu kommt, dass Grenzbehörden interne Anweisungen erhalten können, zu denen Informationen nicht öffentlich verfügbar sind.

Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage von Gesetz Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt waren.

Personen der folgenden Kategorien benötigen eine Reiseerlaubnis, um das Land legal zu verlassen:

a) Staatsbedienstete

Staatsbedienstete genießen keine unbeschränkte Reisefreiheit, sondern brauchen eine Ausreisegenehmigung des jeweiligen Ministeriums. Je nach ihrer Position kann eine solche Genehmigung mit bestimmten Auflagen verknüpft sein, bis hin zu einer erforderlichen "Vor-Genehmigung" bei Anträgen auf Ausstellung eines Passes.

b) Berufssoldaten

Berufssoldaten brauchen vor je

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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