TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/31 W176 1430742-3

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Veröffentlicht am 31.01.2018
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Entscheidungsdatum

31.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §8 Abs1

Spruch

W176 1430742-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. NEWALD als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, syrischer Staatsangehöriger, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl betreffend den am XXXX05.2014 eingebrachten Antrag auf internationalen Schutz zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 iVm § 8 Abs. 1

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer brachte am XXXX05.2014 einen (Folge)Antrag auf internationalen Schutz ein.

2. Mit Bescheid vom 08.07.2014, Zl. 821522309/14643017, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und erteilte dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Zugleich erließ das BFA gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 1 FPG und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist.

3. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 03.08.2015, Zl. W211 1430742-2/10E, statt, ließ das Verfahren über den genannten Antrag auf internationalen Schutz zu und hob den unter Punkt 2. dargestellten Bescheid des BFA auf. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 06.08.2015 wurde der Verwaltungsakt dem BFA zurückgesendet, wo er am 12.08.2015 einlangte.

4. Mit einem am 08.03.2016 beim BFA eingebrachten Schriftsatz erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde (Säumnisbeschwerde) und beantragte, das Verwaltungsgericht möge in Stattgabe der Säumnisbeschwerde in der Sache selbst erkennen und ihm Asyl, jedenfalls aber subsidiären Schutz zuerkennen.

5. Mit Schreiben vom 04.05.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 11.05.2016, übermittelte das BFA die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt.

6. Mit Beschluss vom 17.05.2016, Zl. W176 1430742-3/3Z, setzte das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in dem zur Zl. Ro 2016/20/0001 anhängigen Verfahren aus.

7. Mit Beschluss vom 08.09.2016, Zl. 2016/20/0001-8 u.a., erklärte der Verwaltungsgerichtshof die betreffende Revision (nach deren Zurückziehung) für gegenstandslos geworden und stellte das Verfahren ein.

8. Mit Schreiben vom 11.1.2018 teilte das Bundesverwaltungsgericht den Verfahrensparteien mit, dass das Verfahren in Hinblick darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof über die hier maßgebliche Rechtsfrage mit Erkenntnis vom 24.05.2015, Zl. Ro 2016/01/0001 bis 0004-3, abgesprochen hatte, fortgesetzt werde, übermittelte ihnen das genannte Erkenntnis (in anonymisierter Form) sowie die auf der Homepage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl für 2014 bis 2016 veröffentlichten Jahresbilanzen und gab Gelegenheit zur Stellungnahme.

9.1. Mit Schriftsatz vom 22.01.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass die Asylwerberzahlen in den Jahren 2016 und 2017 sehr stark rückläufig gewesen seien und die Leitung des BFA sowie der Bundesminister für Inneres vor einigen Tagen angegeben hätten, dass ein erheblicher Teil der 2015 angesammelten Rückstande bereits abgebaut worden sei.

9.2. Vom BFA langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Entscheidung wird zum einen der unter Punkt I. dargestellte Sachverhalt zugrunde gelegt.

1.2. Überdies wird festgestellt:

In Österreich kam es aufgrund der erheblich erhöhten Antragszahlen im Bereich des Asylrechts - im Jahr 2013 haben 17.503, im Jahr 2014 haben 28.027 Fremde in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, im Jahr 2015 waren es rund 90.000 Personen, was in etwa einer Verdreifachung der Asylanträge gegenüber dem Jahr 2014 entspricht, in dem wiederum um 60,1 Prozent mehr Anträge als im Jahr 2013 gestellt wurden - zu einer außergewöhnlichen Mehrbelastung des BFA; diese Mehrbelastung führte zu erheblichen, auch in anderen Verfahren zu beobachtenden Verzögerungen.

Festzustellen ist, dass die monatlichen Antragszahlen im Jahr 2014 zwischen 1.500 bis - zu Jahresende - maximal rund 4.200 schwankten. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 hat die Anzahl der Anträge pro Monat oftmals deutlich über 10.000 betragen. Daraus ergibt sich, dass die im Laufe des Jahres 2015 erreichten Antragszahlen bereits ab dem zweiten Halbjahr 2014 kontinuierlich angestiegen sind.

Im Jahr 2014 kam es zu ersten Personalerweiterungsmaßnahmen im BFA, die sich in den Jahren 2015 und 2016 fortgesetzt haben (2014: 134 neue Mitarbeiter, 2015: 206 neue Mitarbeiter, 2016: 500 neue Mitarbeiter). Zudem wurden laufend intensive Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen gesetzt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu Punkt 1.1. ergeben sich aus der Aktenlage.

2.2. Die Feststellungen zur Zahl der Anträge auf internationalen Schutz in Österreich zwischen 2014 und 2016 sowie zu den vom Bund in diesem Zeitraum ergriffenen organisatorischen und personellen Maßnahmen stützen sich auf die vom BFA auf seiner Homepage veröffentlichten Jahresbilanzen und auf die unter Punkt II.3.3.2. auszugweise zitierten Gesetzesmaterialien zu der in BGBl. I Nr. 24/2016 kundgemachten Änderung des AsylG 2005 (AB 1097 BlgNR, 25. GP, S. 7 f).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz, BGBl. I Nr. 10/2013 (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels einfachgesetzlicher materienspezifischer Sonderregelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz, BGBl. Nr. 51/1991 (AVG), mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 (BAO), des Agrarverfahrensgesetzes, BGBl. Nr. 173/1950 (AgrVG), und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984, BGBl. Nr. 29/1984 (DVG), und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Gemäß § 73 Abs. 1 1. Satz 1. Fall AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge von Parteien ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Bis zum Inkrafttreten des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 war das BFA - in Ermangelung einer von § 73 Abs. 1 AVG abweichenden Entscheidungsfrist - verpflichtet, in einem durch einen Antrag auf internationalen Schutz eingeleiteten Verfahren binnen sechs Monaten nach dessen Einlangen den Bescheid zu erlassen.

Die Regelung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 sieht demgegenüber vor, dass über einen Antrag auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden ist. Gemäß § 73 Abs. 15 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 tritt § 22 Abs. 1 leg.cit. mit 01.06.2016 in Kraft und mit Ablauf des 31.05.2018 außer Kraft.

Die 15-monatige Entscheidungsfrist für das BFA gilt mangels Übergangsbestimmungen für alle am 01.06.2016 dort anhängigen Verfahren.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes ist § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 hingegen nicht auf bereits vor dem 01.06.2016 nach der bisherigen Rechtslage eingebrachte Säumnisbeschwerden anwendbar (vgl. etwa VwGH 11.10.2006, 2006/12/0128, wonach die Voraussetzungen nach § 27 Abs. 1 VwGG [Anm.: außer Kraft getreten am 31.12.2013] im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde vorliegen müssen).

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung - hier der Antrag auf internationalen Schutz - bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

In den vorliegenden Fällen traf das BFA - bezogen auf den nach § 8 Abs. 1 VwGVG maßgeblichen Zeitpunkt der Erhebung der Säumnisbeschwerde am 29.04.2016 - gemäß § 73 Abs. 1 AVG eine Pflicht zur Entscheidung des am 22.05.2014 eingebrachten und am 12.08.2015 nach Aufhebung des unter Punkt I.2. dargestellten Bescheides und Zulassung des Verfahrens an das BFA zurückgelangten Antrags auf internationalen Schutz innerhalb von sechs Monaten.

Diese Frist ist im gegenständlichen Verfahren mit Blick auf die am 08.03.2016 eingebrachte Beschwerde abgelaufen und die Säumnisbeschwerde daher zulässig.

3.3. Sie ist jedoch - wie im Folgenden gezeigt wird - nicht begründet:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 letzter Satz VwGVG ist eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

3.3.2. Zur Frage, ob das Bundesamt ein überwiegendes Verschulden an den im vorliegenden Fall objektiv festzustellenden Verfahrensverzögerungen trifft, ist zunächst die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes näher zu beleuchten:

Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des überwiegenden Verschuldens der Behörde bereits ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (s. zuletzt VwGH 16.03.2016, Ra 2015/10/0063). Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. etwa VwGH 18.12.2014, 2012/07/0087 mwN).

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann (VwGH 18.04.1979, 2877/78 mwN).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung führte der Verwaltungsgerichtshof im o.a. Erkenntnis vom 24.05.2016, Ro 2006/01/0001 bis 0004-3, u.a. aus, dass das BFA nach den unstrittigen Feststellungen der angefochtenen Entscheidungen mit einem - spätestens im Jahr 2015 in voller Intensität einsetzenden - als massenhaft zu bezeichnenden Neuanfall an Asylverfahren bzw. mit einer außergewöhnlich hohen Gesamtzahl an offenen Asyl- und Fremdenrechtsangelegenheiten konfrontiert sei. Die Bundesministerin für Inneres habe in der Revisionsbeantwortung ergänzend darauf hingewiesen, dass im Laufe des Jahres 2015 kontinuierlich neue "Rekordwerte" erreicht worden seien; von März bis Oktober 2015 seien die monatlichen Antragszahlen um 318 % gestiegen. Schließlich seien im Jahr 2015 insgesamt 88.340 Asylanträge in Österreich gestellt worden.

Diesbezüglich verwies der Verwaltungsgerichtshof auch auf die am 20.05.2016 im Bundesgesetzblatt kundgemachte Änderung des AsylG 2005, BGBl. I Nr. 24/2016: Gemäß § 19 Abs. 6 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 kann das Bundesverwaltungsgericht in einem Verfahren wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) das Bundesamt mit der Einvernahme des Asylwerbers beauftragen. Die Regelung des § 22 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016 sieht vor, dass über einen Antrag auf internationalen Schutz abweichend von § 73 Abs. 1 AVG längstens binnen 15 Monaten zu entscheiden ist. Gemäß dem neu eingefügten Abs. 15 des § 73 AsylG 2005 treten diese Änderungen mit 01.06.2016 in Kraft; der neue § 22 Abs. 1 AsylG 2005 tritt mit Ablauf des 31.05.2018 außer Kraft.

In den Gesetzesmaterialien, auf die der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung seines Erkenntnisses Bezug nimmt, wird dazu u.a. Folgendes ausgeführt (AB 1097 BlgNR, 25. GP, S. 7 f):

"...

Im Jahr 2015 hat sich die Anzahl an Anträgen auf internationalen Schutz im Vergleich zum Vorjahr mit rund 90.000 Anträgen verdreifacht. Insbesondere im zweiten Halbjahr 2015 hat die Anzahl der Anträge pro Monat oftmals deutlich über 10.000 betragen; im Jahr 2014 schwankten die monatlichen Antragszahlen hingegen zwischen

1.500 bis - zu Jahresende - maximal rund 4.200. Im Jahr 2015 traf das [BFA] mit 36.227 Statusentscheidungen nach dem Asylgesetz bereits doppelt so viele Entscheidungen wie im Jahr 2014. Dies konnte insbesondere durch eine Personalaufstockung von 206 neuen Mitarbeitern ermöglicht werden. Unbeschadet dieser Personalaufstockung hat sich aufgrund des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 die Anzahl an offenen Verfahren mehr als verdoppelt (31.000 offene Asylverfahren zu Beginn des Jahres 2015 im Vergleich zu 80.000 offene Asylverfahren Ende Februar 2016). Die Abarbeitung dieser Verfahren bedarf daher trotz der erfolgten Personalaufstockung bereits aus derzeitiger Sicht jahrelanger Arbeit, weshalb ein erneuter Zustrom Schutzsuchender in einem vergleichbaren Ausmaß den bestehenden ‚Rückstau' an Asylverfahren weiter verstärken würde. Vor diesem Hintergrund und den allgemeinen organisatorischen Rahmenbedingungen wie etwa die Personalausstattung und die zur Verfügung stehenden nichtamtlichen Dolmetscher kann daher eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden.

..."

Der Verwaltungsgerichtshof schließt daraus, dass auch aus Sicht des Gesetzgebers infolge des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 "eine Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nicht gewährleistet werden kann", weshalb er die Verlängerung der Entscheidungsfrist (auf 15 Monate) für geboten erachtet habe.

Die dargestellt extrem hohe Zahl an Verfahren stelle für das BFA - ungeachtet der vom Bund getroffenen bzw. weiterhin zu treffenden personellen Maßnahmen zur Verfahrensbewältigung - sohin unzweifelhaft eine extreme Belastungssituation dar, die sich in ihrer Exzeptionalität von sonst allenfalls bei (anderen) Behörden auftretenden, herkömmlichen Überlastungszuständen ihrem Wesen nach, und sohin grundlegend, unterscheide.

Für den Verwaltungsgerichtshof sei es - auch mit Blick auf die erwähnten Gesetzesmaterialien - notorisch, dass sich in einer derartigen Situation die Einhaltung von gesetzlichen Erledigungsfristen in bestimmten Fällen als schwierig erweisen könne, zumal die Verpflichtung der belangten Behörde, dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich sei, in der dargestellten Ausnahmesituation zwangsläufig an Grenzen stoßen müsse.

Nach dem Gesagten könne "dem Verwaltungsgericht ... nicht entgegen

getreten werden, wenn es - wie im vorliegenden Fall, d.h. eines spätestens ab dem Jahr 2015 bei der belangten Behörde anhängig gewordenen Asylverfahrens - bei der Verschuldensbeurteilung die dargestellte außergewöhnliche Belastungssituation der belangten Behörde in besonderer Weise ins Kalkül zieht und dabei berücksichtigt, dass die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese Belastungssituation zurückzuführen ist."

3.3.3. Vor dem Hintergrund dieser - aus Anlass von "spätestens ab dem Jahr 2015" beim Bundesamt anhängig gewordenen Asylverfahren angestellten - Überlegungen des Verwaltungsgerichtshofes und den unter Punkt 1.2. getroffenen Feststellungen muss auch bezüglich des gegenständlichen - im August 2015 beim BFA wieder anhängig gewordenen - Antrages auf internationalen Schutz davon ausgegangen werden, dass das BFA aufgrund der damals herrschenden außergewöhnlichen Umstände kein überwiegendes Verschulden an der Verzögerung des Verfahrens trifft. Denn der etwa im September 2014 begonnene erhebliche Zustrom von Asylwerbern stellte ein unbeeinflussbares und unüberwindliches Hindernis dar, das die Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes und in der Folge die bescheidmäßige Erledigung innerhalb der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist - wie in einer Vielzahl von Verfahren - auch in jenem über den Antrag des Beschwerdeführers verhindert hat.

Die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schriftsatz vom 22.01.2018, wonach die Asylwerberzahlen in den Jahren 2016 und 2017 sehr stark rückläufig gewesen seien und ein erheblicher Teil der vom BFA 2015 angesammelten Rückstande bereits abgebaut worden sei, sind nicht geeignet, eine andere Einschätzung bezüglich der Verantwortlichkeit des BFA für die fehlende Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz im hier maßgeblichen Zeitraum zwischen August 2015 und Februar 2016 zu bewirken.

Die Säumnisbeschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

3.4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Die Verhandlung kann entfallen, wenn die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG).

Im vorliegenden Fall konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 2 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.05.2016, Ro 2006/01/0001 bis 0004-3, wurde klargestellt, dass bei Beurteilung des Verschuldens einer beim BFA eingetretenen Verfahrensverzögerung die außergewöhnliche Belastungssituation der Behörde im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung vom Verwaltungsgericht ins Kalkül gezogen werden kann.

Schlagworte

Entscheidungsfrist, Entscheidungspflicht, Fristüberschreitung,
Säumnisbeschwerde, Verschulden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W176.1430742.3.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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