TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/25 99/07/0198

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Veröffentlicht am 25.05.2000
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/07/0199

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden des A R in U, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in Zell am See, Mozartstraße 3, gegen die Bescheide des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg 1.) vom 28. September 1999, Zl. UVS-5/10.394/5-1999, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, und 2.) vom 28. September 1999, Zl. UVS-5/10.393/5-1999, betreffend Zurückweisung einer Berufung (weitere Parteien: 1.) Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft und 2.) Salzburger Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund und dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe je S 2.282,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Zell am See (BH) vom 9. Februar 1999 wurden über den Beschwerdeführer wegen Übertretungen 1.) nach dem Abfallwirtschaftsgesetz und 2.) dem Salzburger Abfallwirtschaftsgesetz Geldstrafen verhängt.

Dieses Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer am 11. Februar 1999 zugestellt.

Mit einem am 8. März 1999 bei der BH eingelangten Schriftsatz beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist und holte gleichzeitig die Berufung gegen das Straferkenntnis nach.

Den Wiedereinsetzungsantrag begründete der Beschwerdeführer damit, die schon seit Jahren in der Kanzlei seiner Rechtsvertreter beschäftigte und äußerst zuverlässige Kanzleileiterin A.B. habe in dem für die Fristen vorgesehenen Kalender die Frist für die Berufung gegen das Straferkenntnis der BH aus Versehen irrtümlicherweise für 24. März 1999 anstatt richtig für 24. Februar 1999 eingetragen, weshalb die Frist zur Einbringung der Berufung unbearbeitet verstrichen sei. Frau A.B. sei üblicherweise die Zuverlässigkeit in Person und dieser Fehler sei unerklärlich, da ein ähnlicher Fehler in ihrer mehrjährigen Tätigkeit niemals vorgekommen sei. Es könne den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers nicht zugemutet werden, bei einer äußerst zuverlässigen Kanzleileiterin, die bereits mehr als 10 Jahre als Kanzleiangestellte tätig sei, jede einzelne Eintragung in den Fristenkalender auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Der Umstand der Falscheintragung in den Fristenkalender sei den Rechtsvertretern erstmals am Montag, dem 1. März 1999 bewusst geworden, da an diesem Tag der Beschwerdeführer sich telefonisch mit der Kanzlei in Verbindung gesetzt habe, um eine Abschrift der schriftlichen Berufung gegen das Straferkenntnis zu fordern.

Mit Bescheid vom 9. März 1999 gab die BH dem Wiedereinsetzungsantrag keine Folge.

Der Beschwerdeführer berief. Er verwies darauf, dass es sich bei der Bediensteten A.B. um eine 55-jährige Person handle, welche bereits sei acht Jahren im Kanzleibetrieb integriert sei und bereits zuvor Jahrzehnte in einer deutschen Rechtsanwalts- und Notariatskanzlei tätig gewesen sei und welcher ein derartiger Fehler noch nie unterlaufen sei.

Die belangte Behörde führte am 1. September 1999 eine mündliche Verhandlung durch. Bei dieser verwies der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers darauf, dass A.B. nicht von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbunden werde. Die Genannte sei mittlerweile nicht mehr in der Kanzlei der Beschwerdeführer-Vertreter angestellt. Das Arbeitsverhältnis habe am 31. Juli 1999 geendet; das Verfahren zur Pensionierung sei im Gange.

Den Auftrag zur Vorlage des Fristenbuches im Original lehnte der Beschwerdeführer-Vertreter mit dem Hinweis auf die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ab. Er legte eine Kopie des Terminblattes betreffend den 24. Februar 1999 vor und erklärte, der Beschwerdeführer sei am 11. Februar 1999 in die Kanzlei gekommen und habe den Auftrag erteilt, die Berufung zu erstatten. Es sei dann von ihm der Strafbescheid vorgelegt und mit einem Eingangsstempel versehen worden. Der Fristvermerk am Bescheid weise die Schrift von Frau A.B. auf. In der Regel werde der Posteinlauf von einem der anwesenden Rechtsanwälte gesichtet. Jene Schreiben, die mit einer Frist verbunden seien, würden separat sortiert. Die Fristen seien in der Regel gemeinsam mit dem Anwalt und Frau A.B. durchgesehen worden. Es sei dann die entsprechende Frist angeordnet worden. Eingetragen worden sei diese am Akt dann meistens von Frau A.B. Das Hakerl neben dem Termin bedeute, dass der Termin entsprechend in das Fristvormerkbuch eingetragen worden sei. Die Eintragung in das Fristenbuch erfolge nämlich, nachdem sämtliche Akten durchbesprochen worden seien. Anlässlich der Eintragung in den Kalender sei das Abhaken im Akt erfolgt. Ob der Termin im Fristenvormerkbuch richtig eingetragen worden sei, sei vom Beschwerdeführer in der Regel nicht mehr nachkontrolliert worden. Auf diesen Vorgang könne er sich eigentlich verlassen und er könne sich nicht an einen ähnlichen Fehler erinnern.

Die als Zeugin vernommene A.B. gab an, sie sei seit dem Jahr 1991 in der Kanzlei der Beschwerdeführer-Vertreter angestellt gewesen. Seit 31. Juli 1999 sei sie nicht mehr in der Kanzlei beschäftigt. Sie sei zuständig gewesen für Buchhaltungsangelegenheiten, für die Fristenführung, für den Telefondienst sowie für das Öffnen der Eingangspost. Die eingehende Post sei von ihr geöffnet und dann mit einem Eingangsstempel versehen worden. Die Post sei dann von einem der beiden Beschwerdeführer-Vertreter oberflächlich durchgesehen und dem zuständigen Anwalt zugeteilt worden. In der Regel seien bereits von der Zeugin bei Eingang der Schreiben die entsprechenden Termine im Fristenbuch vorgemerkt worden. Die Frist habe sie der entsprechenden Rechtsmittelbelehrung entnommen. Bei komplizierteren Sachen habe sie entsprechend nachgefragt; dies insbesondere bei gerichtlichen Strafsachen. In der Regel sei der Termin noch einmal nachkontrolliert worden, wenn er dann angestanden sei. Wenn der Zeugin die vorherige Äußerung des Beschwerdeführer-Vertreters vorgehalten werde, dann müsse sie sagen, es stimme, dass die Eingangspost zunächst sortiert werde nach Aktenstücken, die mit Fristen verbunden seien und solchen, die nicht mit Fristen verbunden seien. Bezüglich des "Durchsprechens auf Termine" müsse sie sagen, dass sie sich an so etwas in der Regel nicht erinnern könne, weil die Frist an sich immer unstrittig sei, weil sie in der Rechtsmittelbelehrung ja angegeben sei. Nur bei strittigen Sachen habe sie dann nachgefragt. Sie habe den Termin entsprechend eingetragen in das Fristvormerkbuch und dann den Akt dem entsprechenden Anwalt zugeteilt. An eine Kontrolle, ob der Termin richtig in das Fristenbuch eingetragen worden sei, könne sie sich eigentlich nicht erinnern. Wenn eine Sache erledigt gewesen sei, sei sie von den Schreibkräften aus dem Terminbuch gestrichen worden. Kurz vor dem Fristablauf, d.h. ein oder zwei Tage zuvor, sei dann von den Schreibkräften bezüglich der Erledigung nachgefragt worden, wenn eine Fristsache im Terminkalender noch nicht gestrichen gewesen sei. Die Eintragungen auf der 1. Seite des Strafbescheides betreffend den Beschwerdeführer und am Bescheid neben dem Eingangstempel stammten von der Zeugin. Wer das Hakerl gemacht habe, könne sie jetzt nicht sagen. Normalerweise mache sie es dann, wenn sie den Termin in das Fristenbuch eingetragen habe. Sie könne sich nicht daran erinnern, dass sie in ihrer Zeit eine Frist falsch eingetragen habe oder eine solche übersehen worden sei.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 28. September 1999, Zl. UVS-5/10.394/5-1999, gab die belangte Behörde der Berufung gegen die Verweigerung der Wiedereinsetzung keine Folge.

Die belangte Behörde ging von folgendem Sachverhalt aus:

Dem Beschuldigten sei am 11. Februar 1999 ein Straferkenntnis der BH vom 9. Februar 1999 zugestellt worden. Noch am selben Tag sei er in die Kanzlei seiner Rechtsvertreter gegangen und habe den Auftrag zur Berufungseinbringung erteilt. Von der Kanzleileiterin A.B. sei dieser Strafbescheid mit einem Eingangsstempel versehen und am selben Tag der Ablauf der Berufungsfrist mit "24.2." auf diesem vorgemerkt worden. Bei der Eintragung dieses Termines in das Fristenbuch sei der Kanzleileiterin ein Fehler unterlaufen; sie habe diesen Termin nicht - wie vorgesehen - mit 24. Februar 1999, sondern mit 24. März 1999 vorgemerkt. Als der Beschwerdeführer am 1. März 1999 in der Kanzlei seiner Vertreter angerufen und eine Abschrift der Berufung erbeten habe, sei die Verfristung der Berufung zutage getreten.

Bezüglich der Kanzleiorganisation in der Rechtsanwaltskanzlei habe sich im Berufungsverfahren folgendes Bild ergeben:

Die Eingangspost sei von der Kanzleileiterin geöffnet und mit einem Eingangsstempel versehen worden. Die Post für fristgebundene Sachen sei separat sortiert und von der Kanzleileiterin sofort das Fristende am Schriftstück vorgemerkt und im Terminbuch eingetragen worden. Anlässlich der Eintragung ins Terminbuch sei der Fristvermerk im Akt abgehakt worden. Die gesamte Post sei anschließend von einem der beiden Rechtsanwälte oberflächlich durchgesehen und dem jeweils zuständigen Anwalt zugeteilt worden. Wenn sich die Kanzleileiterin bezüglich der Vormerkung eines Termines ausnahmsweise unsicher gewesen sei, dann habe sie Rückfrage mit einem in der Kanzlei anwesenden Anwalt gehalten. Wenn ein Akt erledigt worden sei, dann habe die Kanzlei den Fristvermerk im Vormerkbuch durchgestrichen. Wenn ein solcher Termin etwa zwei Tage vor Ablauf noch nicht gestrichen worden sei, dann sei von den Schreibkräften die Erledigung urgiert worden. Eine zusätzliche Kontrolle, ob ein Termin richtig berechnet bzw. richtig in das Fristvormerkbuch eingetragen worden sei, sei nicht erfolgt.

Bezüglich der Fristverwaltung habe der Vertreter des Beschwerdeführers in der Verhandlung ursprünglich vorgebracht, dass die Termine jeweils von einem Anwalt gemeinsam mit der Kanzleileiterin angeordnet worden seien, die Eintragung im Akt und im Kalender habe Letztere alleine vorgenommen. Die abweichende Darstellung der Zeugin in der Verhandlung sei in der Folge aber nicht in Abrede gestellt, geschweige denn Beweismittel dafür vorgebracht worden, weshalb von der Darstellung der Zeugin auszugehen gewesen sei.

In ihren rechtlichen Erwägungen führt die belangte Behörde aus, der Rechtsanwalt habe die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten und die für ihn tätigen Personen so zu überwachen, dass die erforderliche und fristgerechte Wahrung von Prozesshandlungen bzw. die Einhaltung der behördlichen Termine sichergestellt werde (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juli 1993, 93/03/0040). Für die richtige Berechnung der jeweiligen Rechtsmittelfrist in einem bestimmten Fall sei in einer Rechtsanwaltskanzlei stets der Anwalt selbst verantwortlich. Der Rechtsanwalt selbst habe die entsprechende Frist festzusetzen, ihre Vormerkung anzuordnen sowie die richtige Eintragung im Kalender im Rahmen der ihm gegenüber seinen Kanzleiangestellten obliegenden Aufsichtspflicht zu überwachen (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1998, 98/16/0120). Werde in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes die sofortige Überprüfung von Fristen und Terminen eingelangter Schriftstücke von einer - wenn auch verlässlichen und umsichtigen - Kanzleiangestellten vorgenommen, entspreche dies nicht der vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Vorgangsweise eines Parteienvertreters, nach der die Festsetzung der Fristen und die Anordnung ihrer Vormerkung allein in die Verantwortung des Rechtsanwaltes falle. Auch im vorliegenden Fall seien die Fristvormerkungen offenbar nicht durch den Rechtsanwalt persönlich, sondern durch die - wenn auch verlässliche - Kanzleileiterin vorgenommen worden. Eine Überwachung der richtigen Eintragung der Termine in das Fristvormerkbuch (die im vorliegenden Fall auch zur Verfristung geführt habe) sei nicht - nicht einmal stichprobenartig - gegeben gewesen. Das Fristversäumnis beruhe daher nicht bloß auf einem minderen Grad des Versehens.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 99/07/0198 protokollierte Beschwerde.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es gebe grundsätzlich zwei Arten von Fristen in einer Kanzlei zum Eintrag in den Fristenkalender, nämlich solche, die sich durch das Zustelldatum und die in der Rechtsmittelbelehrung angeführte Rechtsmittelfrist berechnen ließen und solche, die sich nicht aus den anzufechtenden Schriftstücken ergeben. Wie Frau A.B. als Zeugin angegeben habe, seien Fristen, welche sie aus den entsprechenden Rechtsmittelbelehrungen entnommen habe, von ihr bei Eingang des Schreibens im Fristenbuch vorgemerkt worden. Bei komplizierteren Sachen, gemeint wohl Fristen, welche sich nicht aus den Schriftstücken ergeben, habe sie bei einem in der Kanzlei tätigen Juristen nachgefragt. Darüber hinaus habe sie angegeben, dass die eingehende Post vorweg oberflächlich von einem der beiden Anwälte durchgesehen und dann dem zuständigen Anwalt zugeteilt worden sei. Daraus gehe hervor, dass eine stichprobenartige Überprüfung der A.B. stattgefunden habe.

Da es sich bei dem Straferkenntnis der BH vom 9. Februar 1999 um eine Rechtsmittelfrist handle, welche aus der Rechtsmittelbelehrung des Straferkenntnisses herauszulesen sei, könne diese Frist auch durch eine langjährige Kanzleiangestellte berechnet werden. Frau A.B. habe richtigerweise bei Erhalt des Straferkenntnisses durch den Beschwerdeführer diesen gefragt, wann er das Straferkenntnis tatsächlich erhalten habe und auf diesem Straferkenntnis auch den 10. Februar 1999 vermerkt. Auch habe sie die Rechtsmittelfrist richtigerweise für den 24. Februar 1999 auf dem Straferkenntnis angeführt. Somit habe sie zwei wesentliche Punkte für den Fristenvormerk bereits eingehalten. Frau A.B. sei höchst zuverlässig und es sei ihr noch nie ein Fehler unterlaufen. Dadurch, dass der Beschwerdeführer das Straferkenntnis persönlich in der Kanzlei übergeben habe, sei dieses nicht mit der gewöhnlichen Post den Anwälten vorgelegt worden und habe somit nicht den gewöhnlichen Lauf eines Aktes in der Kanzlei genommen. Frau A.B. sei ein einmaliger, fast zu vernachlässigender Fehler unterlaufen. Bei einem Fristenvormerk bestehe zwar eine besondere Überwachungspflicht, allerdings sei eine Überwachung auf Schritt und Tritt nicht nötig (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, 92/09/0043). Die belangte Behörde verlange offenbar, dass die Beschwerdeführer-Vertreter jedes Poststück selbst von den Mandanten entgegennehmen, die Rechtsmittelfrist berechneten und in den Fristenkalender eintragen. Dies sei überzogen. Eine Anordnung des Rechtsanwaltes, die richtig berechnete Frist in den Fristenvormerkkalender einzutragen, hätte ein Versehen der Kanzleiangestellten nicht verhindert.

Mit einem weiteren Bescheid vom 28. September 1999, Zl. UVS-5/10.393/5-1999, wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis als verspätet eingebracht zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 99/07/0199 protokollierte Beschwerde.

Hier bringt der Beschwerdeführer vor, die Zurückweisung der Beschwerde hätte nicht erfolgen dürfen, da er einen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht habe.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zu gemeinsamer Beratung und Beschlussfassung zu verbinden und hat über die Beschwerden erwogen:

I. Zur Zurückweisung der Berufung:

Dass der Beschwerdeführer die Berufungsfrist versäumt hat, ist unbestritten. Die Rechtmäßigkeit eines Bescheides ist nach dem Zeitpunkt seiner Erlassung zu beurteilen, was bedeutet, dass der Zurückweisungsbescheid rechtmäßig ist, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt war (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1612, angeführte Rechtsprechung). Da zum Zeitpunkt der Erlassung des Zurückweisungsbescheides eine Wiedereinsetzung nicht bewilligt war, erfolgte die Zurückweisung der Berufung zu Recht.

II. Zur Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages:

Nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.

Ein Verschulden des Rechtsvertreters einer Partei ist einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen. Das Versehen eines Kanzleiangestellten des Rechtsanwaltes ist dem Rechtsanwalt als Verschulden anzurechnen, wenn er die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber dem Angestellten unterlassen hat. Das heißt, dass der Rechtsanwalt die Organisation seines Kanzleibetriebes so einzurichten und die für ihn tätigen Personen so zu überwachen hat, dass die erforderliche und fristgerechte Wahrung von Prozesshandlungen bzw. die Einhaltung behördlicher Termine sichergestellt wird (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juli 1993, Zlen. 93/03/0040, 0041, u. v.a.).

Im Beschwerdefall wurde die Berufungsfrist nach den Behauptungen des Beschwerdeführers deswegen versäumt, weil die Kanzleileiterin eine falsche Frist vorgemerkt hat. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers handelt es sich bei dieser Sekretärin um eine verlässliche Kraft, die bereits seit längerer Zeit in der Kanzlei der Beschwerdeführer-Vertreter gearbeitet hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 25. Oktober 1994, 94/07/0003, ausgeführt hat, kann es durchaus genügen, wenn eine verlässliche Kraft nach einiger Zeit nur mehr stichprobenartig überprüft wird; dies allerdings nur dann, wenn sie in der Anfangsphase ihrer Tätigkeit entsprechend intensiv überwacht wurde und sie sich in dieser intensiven Überwachungsphase als absolut zuverlässig erwiesen hat.

An diesen Voraussetzungen fehlt es im Beschwerdefall. Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahrens nicht dargelegt, dass die Kanzleileiterin seiner Rechtsvertreter zumindest noch stichprobenartig in zureichender Weise überprüft wird. Die Zeugeneinvernahme der Kanzleileiterin hat das Gegenteil ergeben. Ebenso hat der Beschwerdeführer nicht dargetan, dass in der Anfangsphase der Tätigkeit der Kanzleileiterin durch eine entsprechende Kontrollorganisation sichergestellt und bewiesen wurde, dass die Bedienstete die entsprechende Zuverlässigkeit aufweist.

Aus dem vom Beschwerdeführer zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Juni 1992, 92/09/0043 ist für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen.

In diesem Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass nicht eine Kontrolle jeder erforderlichen Eintragung im Fristenbuch, also eine Überwachung "auf Schritt und Tritt", zu fordern ist. Der Beschwerdeführer lässt aber außer Acht, dass der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen hat, dass nur das Verschulden einer geeigneten und ordentlich überwachten Angestellten eines Rechtsanwaltes regelmäßig einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund darstellt und dass der Rechtsanwalt geeignete organisatorische Vorkehrungen zu treffen hat, um Fehlleistungen einer Kanzleiangestellten bei Fristvormerkungen zu vermeiden.

Im Beschwerdefall wurden überhaupt keine geeigneten Maßnahmen zur Kontrolle der Kanzleileiterin getroffen.

Zu Recht hat daher die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag abgewiesen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweisen sich die Beschwerden als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen

waren.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 25. Mai 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999070198.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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