TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/31 W146 2122971-1

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Veröffentlicht am 31.01.2018
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Entscheidungsdatum

31.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W146 2122971-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2016, Zl. 1050433806-150077944, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, Staatsangehöriger von Syrien, Angehöriger der arabischen Volksgruppe mit christlich-orthodoxem Religionsbekenntnis, stellte am 21.01.2015 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Am 23.01.2015 wurde der Beschwerdeführer vor der PI Traiskirchen einvernommen. Dabei gab er an, dass in Syrien Krieg herrsche und es keine Sicherheit mehr gebe. Die Christen in Syrien würden verfolgt und bedroht.

Anlässlich der Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.12.2015 gab der Beschwerdeführer an, dass er neun Jahre lang die Schule besucht und danach als Bauarbeiter gearbeitet habe. Von 2003-2008 habe er seinen Militärdienst geleistet. Danach habe er sich als Auto- und Gemüsehändler selbstständig gemacht. Er habe auch ein kleines Elektrogeschäft gehabt. Er habe in einer eigenen Wohnung gelebt, sei nicht verheiratet und gehöre der Mittelschicht an.

Vor seiner Flucht habe der Beschwerdeführer im Dorf XXXX an der syrisch-libanesischen Grenze gelebt. Es habe einen Mangel an Sicherheit in Syrien geherrscht. Der Beschwerdeführer und seine Familie hätten sich nicht mehr getraut außerhalb ihres Dorfes zu gehen. Die Christen in Syrien würden immer wieder von verschiedenen Kriegsparteien entführt werden, um von den Familien Lösegeld zu erpressen. Wenn kein Geld bezahlt würde, würden diese Geiseln abgeschlachtet.

Mittlerweile würden Personen im Alter des Beschwerdeführers wiederum zum Kampf in der syrischen Armee eingezogen werden.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.02.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zunächst festgestellt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Der Beschwerdeführer führe den Namen XXXX und sei am XXXX geboren. Er sei syrischer Staatsangehöriger, gehöre der arabischen Volksgruppe und der christlich orthodoxen Glaubensgemeinschaft an.

Nicht festgestellt werden könne, dass der Beschwerdeführer einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung in seiner Heimat ausgesetzt gewesen sei.

Mit der gegen oben angeführten Bescheid fristgerecht erhobenen Beschwerde des Beschwerdeführers wurde der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich Spruchpunkt I. angefochten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien sowie Angehöriger der arabischen Volksgruppe christlich-orthodoxen Glaubens und führt den im Spruch genannten Namen. Er leistete seinen Militärdienst von 2000 bis 2003 und wurde dabei ausgebildet, Minister und Parlamentarier zu schützen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 17.02.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen Spruchpunkt I. erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.

Der 35jährige Beschwerdeführer befindet sich aktuell im wehrfähigen Alter.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr daher die reale Gefahr, als Mann im wehrfähigen Alter wiederum zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben.

Zur hier relevanten Situation in Syrien

Politische Lage

Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten.

Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, vom IS, von der Kurdisch Demokratischen Unionspartei (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen kontrollierte Gebiete aufgeteilt.

Das syrische Regime kontrolliert ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer, die noch nicht aus Syrien geflohen sind, lebt. Verschiedene oppositionelle Gruppen mit unterschiedlichen Ideologien und Zielen kontrollieren verschiedene Teile des Landes. Vielfach errichten oder wieder errichten diese Gruppierungen Regierungsstrukturen, inklusive irregulär aufgebauten Gerichten. Russland, der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz und schiitische Milizen aus dem Irak unterstützen das syrische Regime militärisch, materiell und politisch. Seit 2015 schickt Russland auch Truppen und Ausrüstung nach Syrien und begann außerdem Luftangriffe, von syrischen Militärbasen aus, auszuführen, wobei hauptsächlich auf von Rebellen kontrollierte Gebiete abgezielt wird. Die von den USA geführte internationale Koalition führte Luftangriffe gegen den IS durch.

Präsident Bashar al-Asad regiert die Arabische Republik Syrien seit dem Jahr 2000. 2014 wurden Präsidentschaftswahlen abgehalten, welche zur Wiederwahl von Präsident Asad führten. Bei dieser Wahl gab es erstmals seit Jahrzehnten zwei weitere mögliche, jedoch relativ unbekannte, Kandidaten. Die Präsidentschaftswahl wurde nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten abgehalten, wodurch ein großer Teil der syrischen Bevölkerung nicht an der Wahl teilnehmen konnte. Diese Wahl wurde jedoch als undemokratisch bezeichnet, die syrische Opposition bezeichnete sie als "Farce". Am 16. April 2016 fanden in Syrien Parlamentswahlen statt. Das Parlament wird im Vier-Jahres-Rhythmus gewählt, und so waren dies bereits die zweiten Parlamentswahlen, welche in Kriegszeiten stattfanden. Die in Syrien regierende Baath-Partei gewann gemeinsam mit ihren Verbündeten unter dem Namen der Koalition der "Nationalen Einheit" 200 der 250 Parlamentssitze. Die syrische Opposition bezeichnete auch diese Wahl, welche erneut nur in den von der Regierung kontrollierten Gebieten stattfand, als "Farce". Jeder der 200 Kandidaten auf der Liste der "Nationalen Einheit" bekam einen Parlamentssitz. Die Vereinten Nationen gaben an, die Wahl nicht anzuerkennen.

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16-The State of the World’s Human Rights-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/319684/458913_de.html, Zugriff 6.12.2016

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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): Syria Country Report, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Syria.pdf, Zugriff 5.12.2016

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CNN (12.9.2016): Syria ceasefire: Who’s in, who’s out and will this one hold?,

http://edition.cnn.com/2016/09/12/middleeast/syria-ceasefire-explained/, Zugriff 6.12.2016

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/468444_de.html, Zugriff 6.12.2016

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France24 (4.17.2016): Assad’s Party wins majority in Syrian election,

http://www.france24.com/en/20160417-syria-bashar-assad-baath-party-wins-majority-parliamentary-vote, Zugriff 6.12.2016

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Haaretz (4.6.2014): Landslide Win for Assad in Syria’s Presidential Elections,

http://www.haaretz.com/middle-east-news/1.597052, Zugriff 6.12.2016

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Reuters (13.4.2016): Assad holds parliamentary election as Syrian peace talks resume,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-idUSKCN0XA2C5, Zugriff 6.12.2016

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Spiegel Online (10.8.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 1. Was sind die Ursachen des Konflikts in Syrien?, http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=1, Zugriff 6.12.2016

-

Spiegel Online (16.8.2016): Ankara sieht kurdischen Militärerfolg mit Sorge,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syrien-kurden-traeumen-nach-eroberung-von-manbidsch-von-eigenem-staat-rojava-a-1107785.html, Zugriff 6.12.2016

-

Spiegel Online (18.12.2016): Die Fakten zum Krieg in Syrien: 3. Wo wird gekämpft?,

http://www.spiegel.de/politik/ausland/krieg-in-syrien-alle-wichtigen-fakten-erklaert-endlich-verstaendlich-a-1057039.html#sponfakt=3, Zugriff 5.1.2017

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 6.12.2016

Christen

In Syrien gibt es keine offizielle Staatsreligion, wobei die Verfassung jedoch vorsieht, dass der syrische Präsident Muslim sein muss. Die Sunniten stellen 74% der Bevölkerung und sind überall im Land präsent. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Schiiten machen zusammen 13% aus, die Drusen 3%. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10%, wobei laut Medien- und anderen Berichten davon auszugehen ist, dass viele Christen aufgrund des Bürgerkrieges das Land verließen, und die Zahl nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden. Diese Zahl könnte aufgrund des Zuzugs von Jeziden, die aus dem Irak nach Syrien flüchteten, mittlerweile höher sein.

In Gebieten, welche der IS kontrolliert, wurden Christen gezwungen, eine Schutzsteuer zu zahlen, zu konvertieren oder liefen Gefahr, getötet zu werden. In Raqqa hält der IS tausende jezidische Frauen und Mädchen, die im Irak entführt und nach Syrien verschleppt wurden, gefangen, um sie zu verkaufen oder an seine Kämpfer als Kriegsbeute zu verteilen. Jabhat Fatah al-Sham und einige verbündete Rebellengruppen zielen im Norden des Landes mit Bomben und Selbstmordattentaten auf Drusen und Schiiten ab, was laut Jabhat Fatah al- Sham eine Reaktion auf das "Massaker an Sunniten" durch die Regierung sei. Oppositionelle Gruppen entführen Mitglieder religiöser Minderheiten. Da sich die Motive politischer, ethnischer, konfessioneller und religiöser Gewalt überschneiden, ist es schwierig, Übergriffe als lediglich religiös motiviert zu kategorisieren.

(Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 5. Jänner 2017, S. 30f.)

Wehrdienst

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten. Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen.

Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden. Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen.

Quellen:

-

CIA - Central Intelligence Agency (19.10.2016): The World

Factbook: Syria,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 27.10.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

USDOS - US Department of State (30.6.2016): Trafficking in Persons Report 2016 - Country Narratives – Syria, https://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 2.12.2016

Die syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden.

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden – zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt.

Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde.

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür. Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen.

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Quellen:

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DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 27.1.2016

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/328447/469225_de.html, Zugriff 27.10.2016

Wehrdienstverweigerung/Desertion

Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden. Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht. Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden.

Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst – auch an die Front – oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte‘, vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen.

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert.

Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster.

Quellen:

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AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,

http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 5.1.2016

-

DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016

-

FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,

https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016

-

Reuters (20.7.2016): Seeing no future, deserters and draft-dodgers flee Syria,

http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-army-idUSKCN1001PY, Zugriff 27.10.2016

Rückkehr

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden.

Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar. Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert.

Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Assad-Regimes angesehen wird.

Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016

-

IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:

Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),

https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016

-

UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016

-

USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016

Es liegen kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vor. Quellen zufolge werden Personen an der Grenzübergangsstelle (Landgrenze, Flughafen) bei ihrer Einreise untersucht, um festzustellen, ob sie im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen Vorfällen (wie Straftaten, tatsächliche oder vermeintliche regierungsfeindliche Aktivitäten oder Ansichten, Kontakte zu politischen Oppositionellen im Ausland, Einberufung etc.) gesucht werden.

Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, insbesondere aus den unter den Risikoprofilen unten beschriebenen Gründen, sind Berichten zufolge dem Risiko einer längeren incommunicado-Haft und Folter ausgesetzt. Für Rückkehrer besteht außerdem das Risiko, inhaftiert zu werden, weil Familienmitglieder von den Behörden gesucht werden, weil sie ihren Militärdienst nicht geleistet haben, weil sie aus einem Gebiet stammen, das sich unter der Kontrolle der Opposition befindet, oder weil sie aufgrund ihrer konservativen Kleidung als religiös wahrgenommen werden. Andere werden ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt. Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen Syrer am Flughafen Damaskus oder an Landgrenzübergängen bei Ein- oder Ausreisen durch Sicherheitsdienste verhaftet und später gefoltert wurden und/oder gewaltsam verschwanden. Auch nach der ersten Einreise nach Syrien kann das Inhaftierungsrisiko weiterhin bestehen. Berichten der Unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu Syrien zufolge wurde ein Syrer, der zwangsweise aus Jordanien nach Syrien zurückgewiesen wurde, an einer Kontrollstelle in einem ländlichen Gebiet des Gouvernements Homs verhaftet.

(UNHCR-Bericht, Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien; Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Syrien – "illegale Ausreise" aus Syrien und verwandte Themen vom Februar 2017 [deutsche Version April 2017], S. 5ff.)

Risikogruppen

In seinen Richtlinien "zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen" vom November 2015 geht UNHCR u.

a. von folgenden "Risikoprofilen" aus:

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen [u.a. Wehrdienstverweigerer]

* Mitglieder religiöser Gruppen (u.a. Christen)

2. Beweiswürdigung

Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen stützen sich auf das Länderinformationsblatt der BFA-Staatendokumentation vom 05.01.2017 sowie auf die Herkunftslandinformationen des UNHCR vom Februar 2017 und den UNHCR Richtlinien von November 2015.

All diese Dokumente sind dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl amtsbekannt.

Die Feststellung hinsichtlich des allfälligen Reiseweges im Falle einer Rückkehr nach Syrien ergibt sich aus dem Amtswissen und dass eine andere legale und hinsichtlich des Reiseweges (also des Weges außerhalb Syriens) zumutbare Heimreiseroute nicht ersichtlich ist. Dass der Flughafen in Damaskus sich in der Hand der Regierung befindet ist notorisch.

Die Identität und die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers wurden bereits von der belangten Behörde festgestellt. Auch für das Bundesverwaltungsgericht besteht nach derzeitigem Kenntnisstand kein Anlass, das diesbezüglich glaubwürdige Vorbringen des Beschwerdeführers sowie sein Vorbringen zu seiner Volkgruppenzugehörigkeit und zu seinem Religionsbekenntnis in Zweifel zu ziehen, zumal im Verfahren auch der syrische Reisepass vorgelegt wurde.

Das Datum der Antragstellung nach illegaler Einreise sowie der bisherige Verfahrensgang ergeben sich darüber hinaus aus dem Verwaltungsakt.

Die Behörde erachtete es als glaubhaft, dass der Beschwerdeführer christlich-orthodoxen Glaubens ist.

Die Feststellungen, dass dem Beschwerdeführer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee bzw. dabei die Pflicht zur Teilnahme an menschenrechtswidrigen Handlungen oder für seine Weigerung eine Bestrafung droht, deren Ausmaß aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation bis zur extralegalen Tötung reichen kann, stützen sich maßgeblich auf die Länderfeststellungen. Wie sich aus diesen Berichten nämlich ergibt, hat die syrische Regierung Schwierigkeiten neue Rekruten auszuheben. Aus den nunmehrigen Länderfeststellungen geht hervor, dass durch den erhöhten Bedarf an Soldaten mittlerweile auch auf Reservisten zurückgegriffen wird, weshalb der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr jedenfalls eine Rekrutierung befürchten muss. Dass er es ablehnt, an Kämpfen beteiligt sein zu wollen, ergibt sich aus seinen Angaben im Rahmen der Erstbefragung und seiner Einvernahme vor dem BFA. Ferner kann es während des Militärdienstes zur zwangsweisen Mitwirkung an schweren Menschenrechtsverletzungen und bei deren Verweigerung zu einer Verhaftung und Bestrafung von asylrelevanter Intensität kommen. Weiters ist aufgrund der besonderen Situation in Syrien die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig und werden vor allem Personen einer oppositionellen Gesinnung bzw. einer Regimegegnerschaft verdächtigt, die während des staatlichen Ausnahmezustandes ihre Heimat verlassen und im Ausland einen Asylantrag gestellt haben.

Die Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers stellen sich daher – vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen –als plausibel dar.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann – soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist – das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat glei-chermaßen drohenden Bestrafung kann asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Ver-halten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Be-troffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt (vgl. VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124; 25.03.2015, Ra 2014/20/0085). Unter dem Gesichts-punkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefäng-nisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. etwa VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009 m.w.N.; Putzer, Leitfaden, Asylrecht, 2. Auflage [2011], Rz 97; EuGH 26.02.2015, Fall Shepherd, C-472/13). Auch dem Zwang zum Vorgehen gegen Mitglieder der eigenen Volksgruppe kann Asylrelevanz zukommen (vgl. VwGH 27.04.2011, 2008/23/0124 m.w.N.).

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien besteht für den Beschwerdeführer aus nachstehenden Gründen eine asylrelevante Verfolgungsgefahr:

Einerseits hat er sich durch seine Ausreise dem Reservedienst, in dessen Rahmen er zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen (wie Angriffen auf die Zivilbevölkerung) gezwungen und bei Weigerung mit Haft und Folter bedroht würde, entzogen und würde somit als politischer Gegner des syrischen Regimes gesehen (vgl. insbes. nochmals VwGH 25.03.2015, Ra 2014/20/0085, sowie EuGH 26.02.2015, Fall Shepherd, C-472/13).

Damit fällt er (auch) in eine von UNHCR angeführte Risikogruppe, nämlich der "Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen [u.a. Wehrdienstverweigerer]" (siehe oben; zur Indizwirkung von UNHCR-Positionen vgl. etwa VwGH 16.01.2008, 2006/19/0182 m.w.N.).

Andererseits besteht für den Beschwerdeführer als Christ laut UNHCR besonderer Schutzbedarf (vgl. dazu auch die oben angeführten Länderfeststellungen), weshalb auch eine asylrelevante Verfolgung aus religiösen Gründen nicht auszuschließen ist.

Eine Inanspruchnahme des Schutzes durch den syrischen Staat ist für den Beschwerdeführer schon deswegen auszuschließen, weil die (politische) Verfolgung gerade von diesem ausgeht.

Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht nicht; die Annahme ebendieser würde im Widerspruch zum aufgrund der derzeitigen Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. etwa VwGH 25.03.2015, Ra 2014/18/0168; 29.06.2015, Ra 2014/18/0070).

Da auch keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannten Endigungs- oder Aus-schlussgründe vorliegt, war dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, wodurch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 Z 15 und 3 Abs. 4 AsylG 2005 idF des Bundesgesetzes BGBl. I 24/2016 ("Asyl auf Zeit") gemäß § 75 Abs. 24 leg. cit. im konkreten Fall keine Anwendung finden.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Nach Art 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall erweist sich die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG insofern als nicht zulässig, als der gegenständliche Fall keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwirft. Wie der rechtlichen Beurteilung unzweifelhaft zu entnehmen ist, weicht die gegenständliche Entscheidung weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es zu irgendeinem Sachverhaltsaspekt des gegenständlichen Falles an einer Rechtsprechung und kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Rechtsprechung in Bezug auf den gegenständlichen Fall als uneinheitlich zu beurteilen wäre. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der im vorliegenden Fall zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

asylrechtlich relevante Verfolgung, Glaubhaftmachung, Militärdienst,
Religion, unterstellte politische Gesinnung, Wehrdienstverweigerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W146.2122971.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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