Index
70/06 SchulunterrichtNorm
B-VG Art139 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung einer Regelung über die Anerkennung von Abschlussprüfungen an näher bestimmten Schulen als Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung wegen unrichtiger Abgrenzung des AnfechtungsumfangesSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht, die Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" in §2 Z5 der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Reifeprüfung, BGBl II 268/2000, idF BGBl II 218/2016 (im Folgenden: "BRP-Ersatz-VO"), als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung (Berufsreifeprüfungsgesetz – BRPG), BGBl I 68/1997, idF BGBl I 47/2017 lauten wie folgt:
"Allgemeine Bestimmungen
§1. (1) Personen ohne Reifeprüfung können nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes durch die Ablegung der Berufsreifeprüfung die mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbundenen Berechtigungen erwerben, wenn sie eine der nachstehend genannten Prüfungen bzw. Ausbildungen erfolgreich abgelegt bzw. absolviert haben:
1. Lehrabschlussprüfung nach dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl Nr 142/1969,
2. Facharbeiterprüfung nach dem Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetz, BGBl Nr 298/1990,
3. mindestens dreijährige mittlere Schule,
4. mindestens dreijährige Ausbildung nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz, BGBl I Nr 108/1997,
5. mindestens 30 Monate umfassende Ausbildung nach dem Bundesgesetz über die Regelung des medizinisch-technischen Fachdienstes und der Sanitätshilfsdienste (MTF-SHD-G), BGBl Nr 102/1961,
6. Meisterprüfung nach der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194,
7. Befähigungsprüfung nach der Gewerbeordnung 1994, BGBl Nr 194,
8. land- und forstwirtschaftliche Meisterprüfung nach dem Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetz, BGBl Nr 298/1990,
9. Dienstprüfung gemäß §28 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979), BGBl Nr 333/1979 bzw. §67 des Vertragsbedienstetengesetzes 1948 (VBG), BGBl Nr 86/1948, in Verbindung mit §28 BDG 1979 für eine entsprechende oder höhere Einstufung in die Verwendungs- bzw. Entlohnungsgruppen A4, D, E2b, W 2, M BUO 2, d oder die Bewertungsgruppe v4/2, jeweils gemeinsam mit einer tatsächlich im Dienstverhältnis verbrachten Dienstzeit von mindestens drei Jahren nach Vollendung des 18. Lebensjahres,
10. erfolgreicher Abschluss sämtlicher Pflichtgegenstände in allen Semestern der 10. und 11. Schulstufe einer berufsbildenden höheren Schule oder einer höheren Anstalt der Lehrer- und Erzieherbildung jeweils gemeinsam mit einer mindestens dreijährigen beruflichen Tätigkeit sowie erfolgreicher Abschluss aller Module über Pflichtgegenstände der ersten vier Semester einer berufsbildenden höheren Schule für Berufstätige oder einer höheren Anstalt der Lehrer- und Erzieherbildung für Berufstätige,
11. erfolgreicher Abschluss eines gemäß §5 Abs3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl Nr 305, durch Verordnung des zuständigen Bundesministers genannten Hauptstudienganges an einem Konservatorium,
12. erfolgreicher Abschluss eines mindestens dreijährigen künstlerischen Studiums an einer Universität gemäß Universitätsgesetz 2002, BGBl I Nr 120, oder an einer Privatuniversität gemäß Universitäts-Akkreditierungsgesetz, BGBl I Nr 168/1999, für welches die allgemeine Universitätsreife mittels positiv beurteilter Zulassungsprüfung nachzuweisen war,
13. erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung zum Heilmasseur gemäß dem Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildung zum medizinischen Masseur und Heilmasseur – MMHmG, BGBl I Nr 169/2002,
14. erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung in der medizinischen Fachassistenz gemäß Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG), BGBl I Nr 89/2012,
15. erfolgreicher Abschluss einer Ausbildung in der Pflegefachassistenz gemäß Gesundheits- und Krankenpflegegesetz – GuKG, BGBl I Nr 108/1997.
(2) Zu den mit der Reifeprüfung einer höheren Schule verbundenen Berechtigungen zählen insbesondere die Berechtigung zum Besuch von Kollegs, Fachhochschulen und Fachhochschul-Studiengängen, Pädagogischen Hochschulen, anerkannten privaten Pädagogischen Hochschulen und Studiengängen, Universitäten und akkreditierten Privatuniversitäten sowie die Erfüllung der Ernennungserfordernisse gemäß Z2.11 der Anlage 1 zum Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl Nr 333.
(3) Die Berufsreifeprüfung ist eine Externistenprüfung im Sinne des §42 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl Nr 472/1986 in seiner jeweils geltenden Fassung. Soweit im Folgenden nicht anderes bestimmt wird, gelten die Vorschriften über Externistenprüfungen.
[…]
Inhalt und Umfang der Berufsreifeprüfung
§3. (1) Die Berufsreifeprüfung umfaßt folgende Teilprüfungen:
1. Deutsch: eine fünfstündige schriftliche Klausurarbeit mit den Anforderungen einer Reifeprüfung einer höheren Schule und eine mündliche Prüfung bestehend aus einer Präsentation der schriftlichen Klausurarbeit und Diskussion derselben;
2. Mathematik (bzw. Mathematik und angewandte Mathematik): eine viereinhalbstündige schriftliche Klausurarbeit mit den Anforderungen einer Reifeprüfung einer höheren Schule und eine allfällige mündliche Kompensationsprüfung;
3. Lebende Fremdsprache: nach Wahl des Prüfungskandidaten eine fünfstündige schriftliche Klausurarbeit oder eine mündliche Prüfung mit den Anforderungen einer Reifeprüfung einer höheren Schule;
4. Fachbereich: eine fünfstündige schriftliche Klausurarbeit über ein Thema aus dem Berufsfeld des Prüfungskandidaten (einschließlich des fachlichen Umfeldes) und eine diesbezügliche mündliche Prüfung mit dem Ziel einer Auseinandersetzung auf höherem Niveau.
(2) Die Prüfung gemäß Abs1 Z3 bzw. Abs1 Z4 und Abs3 Z2 entfällt für Personen, die eine nach Inhalt, Prüfungsform, Prüfungsdauer und Niveau gleichwertige Prüfung erfolgreich abgelegt haben. Der zuständige Bundesminister hat durch Verordnung jene Meister-, Befähigungs- und sonstigen Prüfungen festzulegen, die diesen Anforderungen entsprechen.
(3) Die Teilprüfung gemäß Abs1 Z4 kann
1. auch über ein Thema abgelegt werden, das sowohl der beruflichen Tätigkeit des Prüfungskandidaten als auch dem Ausbildungsziel einer berufsbildenden höheren Schule zugeordnet werden kann, oder
2. an Stelle der fünfstündigen schriftlichen Klausurarbeit auch in Form einer projektorientierten Arbeit (einschließlich einer Präsentation und Diskussion unter Einbeziehung des fachlichen Umfeldes) auf höherem Niveau abgelegt werden (Projektarbeit)."
2. Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Bildung, Wissenschaft und Kultur über den Ersatz von Prüfungsgebieten der Reifeprüfung, BGBl II 268/2000, idF BGBl II 218/2016, lauten wie folgt (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):
"§1. Die Prüfung gemäß §3 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung, BGBl I Nr 68/1997, entfällt für Personen, die eine der folgenden Prüfungen erfolgreich abgelegt haben:
[…]
§2. Die Prüfung gemäß §3 Abs1 Z4 des Bundesgesetzes über die Berufsreifeprüfung, BGBl I Nr 68/1997, entfällt für Personen, die eine der folgenden Prüfungen erfolgreich abgelegt haben:
[…]
5. erfolgreiche Abschlussprüfung von im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde,
[…]."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Die Beschwerdeführerin vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden kurz: "Beschwerdeführerin") besuchte vom 10. September 2012 bis 8. Juli 2016 die landwirtschaftliche Fachschule Ritzlhof, Fachrichtung Gartenbau, und schloss diese am 8. Juli 2016 durch erfolgreiche Ablegung der vorgesehenen Abschlussprüfung ab. Mit Entscheidung des Vorsitzenden der Prüfungskommission vom 10. Juni 2016 wurde die Beschwerdeführerin zur Ablegung der Berufsreifeprüfung zugelassen. Antragsgemäß wurde u.a. festgelegt, dass die Teilprüfung "Fachbereich" durch die in Aussicht genommene Ablegung einer Meisterprüfung ersetzt werde. In weiterer Folge strebte die Beschwerdeführerin nicht mehr den Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" durch die Ablegung der Meisterprüfung an, sondern beantragte mit Schreiben vom 8. September 2016 auf Grund des erfolgreichen Abschlusses der landwirtschaftlichen Fachschule Ritzlhof den Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" gemäß §3 Abs2 BRPG iVm §2 Z5 BRP-Ersatz-VO.
1.2. Mit der Entscheidung des Vorsitzenden der Prüfungskommission vom 15. September 2016 wurde die am 8. Juli 2016 abgelegte Abschlussprüfung samt Abschlussarbeit nicht als Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung anerkannt. Dies wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der erforderliche Nachweis für den Entfall nicht erbracht werden konnte, weil es sich bei der landwirtschaftlichen Fachschule Ritzlhof um keine im Schulorganisationsgesetz (kurz: "SchOG", BGBl 262/1962) geregelte vierjährige berufsbildende mittlere Schule handle.
1.3. Mit Bescheid vom 21. November 2016 wies die Bundesministerin für Bildung den dagegen erhobenen Widerspruch der Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit der gleichen Begründung ab. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte dabei im Wesentlichen vor, die in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO normierte Beschränkung auf Schulen, wie sie im SchOG geregelt sind, sei gesetzwidrig, verstoße gegen den Gleichheitssatz, gegen das "Recht auf Bildung" und gegen das Berücksichtigungsgebot.
2. Aus Anlass dieses Verfahrens entstanden beim Bundesverwaltungsgericht Bedenken hinsichtlich der angefochtenen Wortfolge in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO, die im gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Antrag wie folgt dargelegt werden:
2.1. Präjudizialität liege vor, weil die Bundesministerin für Bildung den Widerspruch der Beschwerdeführerin gemäß §3 Abs2 und §10 BRPG iVm §2 Z5 BRP-Ersatz-VO abgewiesen und dazu ausgeführt habe, dass die an der betroffenen Berufs- und Fachschule erfolgreich abgelegte Abschlussprüfung samt Abschlussarbeit nicht zum Entfall der Teilprüfung aus dem "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung berechtige. Konkret habe sich die belangte Behörde darauf gestützt, dass es sich bei der betroffenen Fachschule um keine im SchOG geregelte Schulart handle, vielmehr sei diese Schule im Oö. Land- und forstwirtschaftlichen Schulgesetz geregelt. Die angefochtene Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO sei daher im Verfahren vor der belangten Behörde als Grundlage für den erlassenen Bescheid herangezogen worden und das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtmäßigkeit des in Rede stehenden verwaltungsbehördlichen Handelns zu überprüfen. Aus diesem Grund habe das Bundesverwaltungsgericht auch die angefochtene Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO anzuwenden und die angefochtene Wortfolge sei daher präjudiziell iSd Art89 Abs2 iVm Art135 Abs4 iVm Art139 Abs1 Z1 B-VG.
Für die Bereinigung der gesetzwidrigen Rechtslage sei die Aufhebung der Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO notwendig, weshalb sich die formulierten Bedenken gegen diese Wortfolge richten würden.
2.2. In inhaltlicher Hinsicht sei aus Sicht des Gleichheitssatzes keine sachliche Rechtfertigung dafür zu finden, dass der Entfall der Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung davon abhängig gemacht werde, dass der erfolgreiche Abschluss von im SchOG geregelten vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde, nachgewiesen wird. Denn durch diese Anknüpfung an eine "im Schulorganisationsgesetz geregelte" vierjährige berufsbildende mittlere Schule würden Absolventen land- und forstwirtschaftlicher Fachschulen ohne Prüfung der Gleichwertigkeit des Bildungsziels, des Unterrichtsausmaßes, der Pflichtgegenstände und der vermittelten Lehrinhalte der besuchten Schule institutionell von der Anrechnung bzw. Anerkennung einer Teilprüfung der Berufsreifeprüfung ausgeschlossen.
Der Bundesgesetzgeber habe – entgegen den Ausführungen in den Erläuterungen zu BGBl II 218/2016 – die Möglichkeit, im Bundesgesetz betreffend die Grundsätze für land- und forstwirtschaftliche Fachschulen, BGBl 320/1975, idF BGBl I 91/2005, österreichweit einheitliche Standards hinsichtlich der Abschlussarbeit im Rahmen vierjähriger land- und forstwirtschaftlicher Fachschulen vorzusehen, die den Voraussetzungen des §3 Abs2 BRPG betreffend den Entfall von Prüfungen entsprechen. Darüber hinaus könne einzelfallbezogen die Prüfung der Gleichwertigkeit im Hinblick auf die absolvierte land- und forstwirtschaftliche Fachschule mit einer "im Schulorganisationsgesetz geregelten" vierjährigen berufsbildenden mittleren Schule vorgenommen werden.
Die Aufgaben bzw. Bildungsziele der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und der berufsbildenden mittleren (Bundes-)Schulen seien – wie das Bundesverwaltungsgericht näher darlegt – jedenfalls vergleichbar, sodass eine Gleichwertigkeitsprüfung nicht aus Gründen einer unterschiedlichen Ausbildungsintention der jeweiligen Institution ausscheide. Aus den genannten Gründen hege das Bundesverwaltungsgericht die vorgebrachten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der zur Aufhebung beantragten Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO.
3. Die Bundesministerin für Bildung hat als verordnungserlassende Behörde die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken – zusammengefasst – wie folgt entgegengetreten wird:
3.1. Der vom Bundesverwaltungsgericht gewählte Anfechtungsumfang führe zur Unzulässigkeit des Antrages, weil §2 Z5 BRP-Ersatz-VO auch nach einer möglichen Aufhebung der beantragten Wortfolge land- und forstwirtschaftliche Fachschulen nicht miteinschließen würde. Die Einführung der Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" durch die Novelle BGBl II 218/2016 habe rein deklarative Wirkung gehabt, weil schon seit Erlassung der Verordnung im Jahr 2000 lediglich die im SchOG geregelten Schulen darunter subsumiert worden seien. Deshalb hätte auch ihre Aufhebung nur rein deklarative Wirkung, sodass der Anfechtungsumfang jedenfalls als zu eng angesehen werden müsse.
Die Beschränkung auf Abschlussprüfungen der im SchOG geregelten berufsbildenden mittleren Schulen ergebe sich einerseits daraus, dass zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung in den Landesgesetzen Abschlussprüfungen an land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen und insbesondere auch Abschlussarbeiten im Rahmen der Abschlussprüfungen üblicherweise nicht vorgesehen gewesen seien. Auch das Öö. Land- und forstwirtschaftliche Schulgesetz, LGBl 60/1997, habe Regelungen zu Abschlussprüfungen mit der Novelle LGBl 75/2005 eingeführt und eine verpflichtende Abschlussarbeit sei auf landesgesetzlicher Ebene erst 2015 mit der Novelle LGBl 11/2015 verankert worden. Daher könne die Aufhebung der Wortfolge allein keine Änderung der Rechtslage bewirken.
Der Anfechtungsumfang sei auch deshalb unzutreffend abgegrenzt, weil durch eine Aufhebung der betroffenen Wortfolge eine statische Verweisung der BRP-Ersatz-VO auf eine landesrechtliche Vorschrift herbeigeführt würde. Diese dürfte sich nur auf solche Abschlussprüfungen beziehen, die gemäß den zum Zeitpunkt der Erlassung der Norm (also in diesem Fall der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof) in Geltung stehenden Fassungen der landesgesetzlichen Regelungen absolviert werden. Im Gegensatz dazu seien bei Verweisungen auf Bundesgesetze diese gemäß §2a BRP-Ersatz-VO "in der mit dem Inkrafttreten der jeweils letzten Novelle dieser Verordnung geltenden Fassung anzuwenden". Sowohl auf Grund des Fehlens der genauen Bezeichnung der verwiesenen Norm(en) als auch der unterschiedlichen Regelungen hinsichtlich der statischen Verweisungen auf Landes- bzw. Bundesgesetze sei eine solche Rechtsansicht (Verweisung auf Abschlussprüfungen der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen) im Lichte des aus dem Legalitätsprinzip fließenden Determinierungsgebotes kritisch zu betrachten.
Vertrete man die Ansicht, es handle sich um eine solche problematische statische Verweisung, wären alle zu diesem Zeitpunkt landesgesetzlich geregelten und erfolgreich absolvierten Abschlussprüfungen an vierjährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde, unter §2 Z5 BRP-Ersatz-VO zu subsumieren, unabhängig von der tatsächlichen Gleichwertigkeit gemäß §3 Abs2 BRPG. Die beantragte Aufhebung und diese Rechtsansicht würden im vorliegenden Fall bei gleichzeitiger Fortgeltung des verbleibenden Regelungstorsos zu einer Erweiterung des Anwendungsbereiches des Entfalles einer Teilprüfung gemäß §3 Abs2 BRPG führen und einen Akt der positiven Gesetzgebung durch den aufhebenden Verfassungsgerichtshof darstellen. Die Aufnahme der Abschlussprüfung einer vierjährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschule in die BRP-Ersatz-VO könne aber – sollte künftig Gleichwertigkeit gemäß §3 Abs2 BRPG vorliegen – mittels statischem Verweis nur durch den zuständigen Normsetzer, also die Bundesministerin oder den Bundesminister für Bildung, erfolgen.
Aus den genannten Gründen sei der Anfechtungsumfang jedenfalls als zu eng gewählt anzusehen.
3.2. In inhaltlicher Hinsicht sei eine Verletzung des Gleichheitssatzes nicht zu erkennen. Der Grund, Abschlussprüfungen der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen bisher nicht in die BRP-Ersatz-VO aufzunehmen, ergebe sich nicht aus der kompetenzrechtlichen Zuständigkeit der Länder zur Gesetzgebung bzw. Ausführungsgesetzgebung, sondern aus der mangelnden Gleichwertigkeit dieser Prüfungen gemäß §3 Abs2 BRPG mit Teilprüfungen der Berufsreifeprüfung.
Eine Anrechnung solcher Abschlussprüfungen sei auch aus weiteren Gründen nicht möglich. Denn nur für die im SchOG geregelten berufsbildenden mittleren Schulen könne ein einheitliches Niveau und ein einheitlicher Prüfungsumfang der abschließenden Prüfungen für alle diese Schulen im Bundesgebiet durch den Bundesgesetzgeber und durch Verordnungen, wie Lehrplanverordnungen oder Prüfungsordnung, festgelegt werden. Diese bundesweit einheitlich geregelten Abschlussprüfungen erfüllten die gemäß §3 Abs2 BRPG geforderte Gleichwertigkeit mit der Teilprüfung "Fachbereich" der Berufsreifeprüfung und seien somit in die BRP-Ersatz-VO aufgenommen worden. Hinsichtlich der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen würden diese Regelungen durch die einzelnen Länder festgelegt und diese Schulen auch durch die Länder beaufsichtigt. Als Grundsatzgesetzgeber für die land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen habe sich der Bund lediglich auf die Grundsätze zu beschränken. Er dürfe keine Detailregelungen vorsehen, weil diese dem Ausführungsgesetzgeber vorbehalten sind. Auf die Lehrpläne der land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen habe der Bund somit nur insoferne Einfluss, als er in §5 des Bundesgrundsatzgesetzes für land- und forstwirtschaftliche Fachschulen, BGBl 320/1975, Pflichtgegenstände vorsieht, die in einem Lehrplan "zumindest" enthalten sein sollen. Hinsichtlich der Abschlussprüfung werde darauf hingewiesen, dass Schulunterrichtsrecht und somit auch Regelungen über abschließende Prüfungen – entgegen der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes – unter die Kompetenzbestimmung des Art14a Abs1 B-VG fielen.
Zusammengefasst könne der Bund für die Bundesschulen Detailregelungen über Inhalte, Niveau ua. dieser Schulausbildung bzw. Abschlussprüfungen festlegen, während dies für die land- und forstwirtschaftlichen Schulen nicht möglich bzw. sogar – im Zusammenhang mit der Kompetenzverteilung hinsichtlich des Schulunterrichtsrechts – verfassungswidrig sei.
Eine pauschale Aufnahme von Abschlussprüfungen von vierjährigen land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen in die BRP-Ersatz-VO könnte bei unterschiedlicher Ausgestaltung der jeweiligen Abschlussprüfungen sogar gleichheitswidrig sein, weil wesentlich ungleiche Tatbestände zu entsprechend unterschiedlichen Regelungen führen müssten. Die Aufnahme könnte bei Gleichwertigkeit aber sehr wohl durch statische Verweisung auf die entsprechenden landesgesetzlichen Bestimmungen erfolgen. Die unterschiedliche Behandlung von Abschlussprüfungen der im SchOG geregelten berufsbildenden mittleren Schulen und jener der in den Landesgesetzen geregelten land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen sei somit sachlich gerechtfertigt. Es werde daher beantragt, den Antrag des Bundesverwaltungsgerichtes als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, den Antrag als unbegründet abzuweisen.
4. Die im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht beschwerdeführende Partei erstattete eine Äußerung, in der sie im Wesentlichen den vom Bundesverwaltungsgericht vorgebrachten Argumenten beitritt.
IV. Zur Zulässigkeit des Antrages
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw. des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl. etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit hin zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Verordnungsteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Verordnungsstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.
Dieser Grundposition folgend hat der Gerichtshof die Rechtsauffassung entwickelt, dass im Normenprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrages nicht zu eng gewählt werden darf (vgl. zB VfSlg 8155/1977, 12.235/1989, 13.915/1994, 14.131/1995, 14.498/1996, 14.890/1997, 16.212/2001). Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, welche für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit – sollte der Verfassungsgerichtshof die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen – beseitigt werden kann (VfSlg 16.756/2002, 19.496/2011, 19.684/2012, 19.903/2014; VfGH 10.3.2015, G201/2014).
Unzulässig ist der Antrag etwa dann, wenn der im Falle der Aufhebung im begehrten Umfang verbleibende Rest einer Verordnungsstelle als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar wäre (VfSlg 16.279/2001, 19.413/2011; VfGH 19.6.2015, G211/2014; 7.10.2015, G444/2015; 10.10.2016, G662/2015), der Umfang der zur Aufhebung beantragten Bestimmungen so abgesteckt ist, dass die angenommene Gesetzwidrigkeit durch die Aufhebung gar nicht beseitigt würde (vgl. zB VfSlg 18.891/2009, 19.933/2014), oder durch die Aufhebung bloßer Teile einer Verordnung dieser ein völlig veränderter, dem Verordnungsgeber überhaupt nicht mehr zusinnbarer Inhalt gegeben würde (VfSlg 18.839/2009, 19.841/2014, 19.972/2015; VfGH 15.10.2016, G339/2015).
2. Der Antrag ist nicht zulässig.
Das Bundesverwaltungsgericht begehrt die Aufhebung der Wortfolge "im Schulorganisationsgesetz, BGBl Nr 242/1962, geregelten" in §2 Z5 BRP-Ersatz-VO. Nach dem bereinigten Wortlaut würde gemäß §2 Z5 BRP-Ersatz-VO die Prüfung gemäß §3 Abs1 Z4 BRPG für Personen entfallen, die eine "erfolgreiche Abschlussprüfung von vierjährigen berufsbildenden mittleren Schulen, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde", abgelegt haben. Die Aufhebung würde also dazu führen, dass jede erfolgreiche Abschlussprüfung an einer vierjährigen berufsbildenden mittleren Schule, sofern im Rahmen der Prüfung eine Abschlussarbeit absolviert wurde, zum Entfall der Prüfung gemäß §3 Abs1 Z4 BRPG führt. Dies würde aber den Vorgaben, die §3 Abs2 BRPG dem Verordnungsgeber macht, nicht entsprechen. Weder wäre die geforderte Gleichwertigkeit der abgelegten Abschlussprüfungen Voraussetzung für den Entfall gemäß §3 Abs2 BRPG, noch wäre der Voraussetzung Genüge getan, dass jene Abschlussprüfungen, die zum Entfall führen, "festzulegen" sind (§3 Abs2 BRPG), dh. "abschließend genannt" werden sollen (IA 152/A BlgNR 21. GP, 10).
V. Ergebnis
1. Der Antrag ist daher unzulässig.
2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang, Schulen, Schulunterricht, BerufsreifeprüfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2017:V68.2017Zuletzt aktualisiert am
07.02.2018