TE Vwgh Beschluss 2018/1/12 Ra 2017/18/0298

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Veröffentlicht am 12.01.2018
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 2005 §3;
AsylG 2005 §8;
B-VG Art133 Abs4;
MRK Art2;
MRK Art3;
VwGG §28 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/18/0299

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober und den Hofrat Dr. Sutter als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wech, über die Revision

1. der V P und 2. des O P, beide in S, beide vertreten durch Dr. Anton Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Schottenfeldgasse 2-4/2/23, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2017,

1) Zl. W226 2126260-1/11E (ad 1., prot. zur hg. Zl. Ra 2017/18/0298) und 2) Zl. W226 2126254-1/4E (ad 2., prot. zur hg. Zl. Ra 2017/18/0299), betreffend Asylangelegenheiten (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Erstrevisionswerberin ist die Mutter des minderjährigen Zweitrevisionswerbers. Beide Revisionswerber sind ukrainische Staatsangehörige und stellten am 6. Februar 2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab die Erstrevisionswerberin zusammengefasst an, sie stammten aus dem Gebiet Luhansk; dort herrsche Bürgerkrieg und die russische Armee bombardiere die Stadt. Seit November 2014 hätten wiederholt Männer in Militäruniform die Erstrevisionswerberin aufgesucht und nach ihrem geschiedenen Mann gefragt. Die Männer hätten die Erstrevisionswerberin mit einer Pistole bedroht und ihr ins Gesicht geschlagen. Der Zweitrevisionswerber habe das mitansehen müssen und habe bis heute Angst. Er habe auch angefangen zu stottern.

2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diese Anträge mit den Bescheiden vom 11. April 2016 gemäß §§ 3 und 8 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab, erteilte den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005, erließ gegen sie Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerber in die Ukraine gemäß § 46 FPG zulässig sei.

3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - mit Erkenntnis vom 21. Februar 2017 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig. Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft. Insbesondere stünde den Revisionswerbern eine interne Fluchtalternative offen.

4 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 9. Juni 2017 die Behandlung der Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG ablehnte und die Beschwerde mit Beschluss vom 11. Juli 2017 dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

5 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird zu deren Zulässigkeit zusammengefasst vorgebracht, das BVwG weiche von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Anforderungen an die Aktualität von Länderfeststellungen ab. Insbesondere seien die herangezogenen Länderberichte zur medizinischen Versorgung und zur Sicherheitslage in der Ukraine veraltet. Feststellungen zur medizinischen Versorgung von psychisch erkrankten Kindern in der Ukraine würden gänzlich fehlen. Weiters weiche das angefochtene Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insofern ab, als trotz substantiierten Vorbringens kein medizinisches Sachverständigengutachten zur psychischen Erkrankung des Zweitrevisionswerbers eingeholt worden sei. Schließlich fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob Kinder mit einer psychischen Erkrankung aufgrund mangelnder medizinischer bzw. psychotherapeutischer Versorgung der Gefahr von Verletzungen ihrer nach Art. 2 und 3 EMRK garantierten Rechte in der Ukraine ausgesetzt seien.

6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Soweit die Revisionswerber eine mangelhafte Aktualität der Länderfeststellungen zur Sicherheitslage in der Ukraine monieren, ist dem entgegenzuhalten, dass das BVwG neben Berichten des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation und dem Länderbericht des Auswärtigen Amts Berlin vom 11. Februar 2016 mit Stand Jänner 2016 auch den Bericht "UNHCR Operational Update vom September 2016" in die Entscheidung miteinbezog und im gegenständlichen Fall keine reelle Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK erkannte. Die Revision legt aber auch nicht dar, inwieweit die pauschal vorgebrachte Verschlechterung der Sicherheitslage ein solches Ausmaß erreicht hätte, dass bei Rückkehr der Revisionswerber - entgegen der Annahme des BVwG - für sie eine reale Gefahr einer Verletzung der Art. 2 oder 3 EMRK bestehen würde. Insbesondere werden in den vom BVwG herangezogenen Länderberichten auch die instabile Konfliktlage in der Ostukraine und die damit einhergehenden Menschenrechtsverletzungen ausreichend dargestellt und in Folge ausreichend gewürdigt; die Revision hält dem keine darüber hinausgehende oder dem entgegenstehende relevante Berichte entgegen. Der Vorwurf der mangelnden Aktualität der herangezogenen Länderberichte scheitert demnach schon an der für die Zulässigkeit der Revision geforderte Relevanzdarstellung des vorgebrachten Verfahrensmangels (vgl. etwa VwGH 9.10.2014, Ra 2014/18/0036 bis 0039).

11 Soweit in der Revision ferner eine mangelhafte Aktualität der Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgung und die fehlenden Feststellungen betreffend die medizinische Versorgung bei psychisch erkrankten Kindern beanstandet werden, ist zu erwidern, dass in keiner Lage des Verfahrens eine psychische Erkrankung des Zweitrevisionswerbers konkret dargelegt wurde. Vielmehr bestätigte die Erstrevisionswerberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung, dass der Zweitrevisionswerber gesund sei, aber stottere.

12 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig ist, seitens des Revisionswerbers detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen sollten (vgl. VwGH 8.9.2016, Ra 2016/20/0063, mwN). Das BVwG führte mehrere Berichte zur medizinischen Versorgung in der Ukraine an. Mangels eines konkreten Vorbringens zu einer bestehenden Erkrankung des Zweitrevisionswerbers war das BVwG somit auch nicht gehalten, aktuellere oder speziellere Berichte zur medizinischen Versorgung einzuholen. Aus diesem Grund kann dem BVwG auch nicht entgegengetreten werden, wenn es im gegenständlichen Fall von der Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens abgesehen hat.

13 Ebenso geht das Vorbringen, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob Kinder mit psychischen Erkrankungen aufgrund mangelnder medizinischer oder psychotherapeutischer Versorgung einer realen Gefahr von Art. 2 oder 3 EMRK Verletzungen in der Ukraine ausgesetzt seien, ins Leere. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits wiederholt mit psychischen Erkrankungen und einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK - unter anderem auch bei Kindern (vgl. etwa VwGH 15.12.2010, 2008/19/1210) - beschäftigt (vgl. etwa VwGH 21.2.2017, Ro 2016/18/0005, mwN; VwGH 26.2.2015, Ra 2014/22/0198, mwN). Im vorliegenden Fall aber wurde kein konkretes Vorbringen zu einer derartigen Erkrankung erstattet und eine solche vom BVwG auch nicht festgestellt; das Revisionsvorbringen entfernt sich damit vom festgestellten Sachverhalt. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 21.3.2017, Ra 2017/22/0017, mwN).

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Jänner 2018

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017180298.L00

Im RIS seit

07.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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