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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
B-VG Art130;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, Hofrätin Mag.a Merl sowie die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Lechner, über die Revision des Landeshauptmannes von Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 23. August 2017, VGW- 151/011/9508/2017-3, betreffend Aufenthaltsbewilligung (mitbeteiligte Partei: O U in W, vertreten durch Mag. Wolfgang Moser, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wächtergasse 1/11), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 20. Juni 2017 wurde der Antrag des Mitbeteiligten, eines türkischen Staatsangehörigen, auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung "Studierender" gemäß § 64 Abs. 1 und 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen.
Die belangte Behörde hielt fest, dass der Mitbeteiligte seit 21. November 2008 über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" verfüge, zuletzt verlängert bis zum 6. Mai 2017. Sie verwies auf die vorliegende "Bestätigung über positiv absolvierte Prüfungen" vom 20. April 2017 und den Bescheid über eine Anerkennung von Prüfungen vom 7. September 2016. Zwar seien die in der Bestätigung aufscheinenden Prüfungen im zuletzt abgeschlossenen Studienjahr (2015/2016) anerkannt worden, sie seien jedoch nicht im maßgeblichen Studienjahr absolviert und "bereits in den letzten Verlängerungsverfahren zum Nachweis eines Studienerfolges herangezogen" worden. Für das zuletzt abgeschlossene Studienjahr könne der Mitbeteiligte lediglich zwei näher bezeichnete Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 11 ECTS bzw. 4 Semesterstunden nachweisen. Die vom Mitbeteiligten in seiner Stellungnahme vom 19. Juni 2017 aufgelisteten Prüfungen fielen alle in das aktuelle Studienjahr 2016/2017. Die Voraussetzung für eine Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung gemäß § 64 Abs. 3 NAG, nämlich den geforderten Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr nachzuweisen, sei somit nicht erfüllt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 23. August 2017 gab das Verwaltungsgericht Wien der dagegen erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG statt, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurück. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für unzulässig erklärt.
Das Verwaltungsgericht verwies (unter Hinweis auf konkret bezeichnete Teile des Verwaltungsaktes) auf die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen, konkret einen Nachweis über Prüfungen im Umfang von 44 ECTS, eine detaillierte Auflistung dieser Prüfungsnachweise sowie den Bescheid über die Anerkennung abgelegter Prüfungen der Universität Wien. Der Landeshauptmann habe sich jedoch im angefochtenen Bescheid "nicht vertiefend mit den vorgelegten Unterlagen auseinandergesetzt", sondern lediglich festgestellt, dass diese Prüfungsergebnisse bereits im achten Verlängerungsantrag berücksichtigt worden seien. Damit liege jedoch eine Aktenwidrigkeit vor, zumal die achte Verlängerung am 17. Mai 2016 bewilligt worden sei und die zitierten Unterlagen nach diesem Datum im Zuge der nunmehrigen neunten Einreichung vorgelegt worden und auch späteren Datums seien. Abschließend wurde wie folgt ausgeführt:
"Damit liegen jedoch die Voraussetzungen für die Zurückverweisung vor, zumal entgegen der Parteienanträge deren vorgelegten Urkunden und Nachweisen nicht Rechnung getragen wurde."
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der belangten Behörde.
4 Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der er die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen.
5 Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 VwGVG abgewichen.
6 Die Revision ist im Hinblick auf dieses Vorbringen zulässig und auch berechtigt.
7 Vorauszuschicken ist zunächst, dass die Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht durch Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu erfolgen hat.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 26. Juni 2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass die Anwendbarkeit des § 28 Abs. 3 VwGVG und somit eine Aufhebung und Zurückverweisung erst dann in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur Entscheidung in der Sache selbst nach sich ziehen, nicht vorliegen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis festgehalten, dass das Verwaltungsgericht nachvollziehbar zu begründen hat, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt.
9 Dass die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung nach § 28 Abs. 2 VwGVG vorliegend nicht erfüllt sind, lässt sich der angefochtenen Entscheidung nicht entnehmen und ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich. Es wird nicht dargelegt, in welcher Weise der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht oder allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht vom Verwaltungsgericht selbst vorzunehmen wären (vgl. etwa VwGH 12.12.2017, Ra 2017/22/0066). Das angefochtene Erkenntnis lässt somit eine nachvollziehbare Begründung vermissen.
10 Auch eine - vorliegend vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführte - Aktenwidrigkeit stellt für sich genommen keine Ermittlungslücke dar, die eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG rechtfertigen würde. Darüber hinaus ist eine derartige Aktenwidrigkeit für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht ersichtlich, weil die belangte Behörde auf die vom Mitbeteiligten vorgelegten Unterlagen ohnehin Bezug genommen hat, aber die darin nachgewiesenen Prüfungen - zum einen mit der Begründung, sie beträfen das aktuelle, noch nicht abgeschlossene Studienjahr 2016/2017, zum anderen deswegen, weil die Prüfungen zwar im maßgeblichen Studienjahr anerkannt, aber früher absolviert und bereits bei vergangenen Verlängerungsverfahren berücksichtigt worden seien - nicht als für den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr maßgeblich angesehen hat. Sollte das Verwaltungsgericht mit seiner Rüge zum Ausdruck bringen wollen, dass es diese rechtliche Beurteilung durch die belangte Behörde nicht teilt, würde auch dies eine Behebung und Zurückverweisung nicht rechtfertigen.
11 Soweit der Mitbeteiligte in seiner Revisionsbeantwortung darauf verweist, dass mittlerweile das Studienjahr 2016/2017 abgelaufen sei, genügt zum einen der Hinweis darauf, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses das Studienjahr 2016/2017 noch nicht abgeschlossen war (siehe diesbezüglich VwGH 19.4.2016, Ro 2015/22/0004, Rn. 10, mwN). Zum anderen könnte auch eine unterbliebene Berücksichtigung der vom Mitbeteiligten ins Treffen geführten, im Studienjahr 2016/2017 abgeschlossenen Prüfungen für sich allein eine Behebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG nicht rechtfertigen.
12 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich somit als mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 16. Jänner 2018
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017220162.L00Im RIS seit
07.02.2018Zuletzt aktualisiert am
15.01.2019