Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Sachwalterschaftssache M* M*, geboren *, verstorben *, über den Revisionsrekurs des Antragstellers R* M*, vertreten durch Pistotnik & Krilyszyn Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 23. August 2017, GZ 23 R 304/17d-95, womit dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Tulln vom 6. Juni 2017, GZ 10 P 18/12w-91, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der Antragsteller ist der Sohn der am * verstorbenen Betroffenen. Er begehrt Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt, weil er als Pflichtteilsberechtigter und Testamentserbe Informationen über während des Sachwalterschaftsverfahrens vorgenommene vermögensrechtliche Dispositionen über das Vermögen seiner Mutter zur Entscheidung darüber benötige, ob er eine Erbantrittserklärung abgeben oder sich auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen beschränken solle.
Die Vorinstanzen wiesen diesen Antrag ab. Der Antragsteller als bloßer Erbanwärter ohne Vertretungsbefugnis für den Nachlass habe kein Recht auf Einsicht in den Sachwalterschaftsakt. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht insbesondere deshalb zu, weil seit dem Inkrafttreten des SWRÄG 2006 noch keine Entscheidung dazu ergangen sei, ob allenfalls durch den Willen des Gesetzgebers eine Änderung der Rechtsprechung angezeigt erscheine.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Antragstellers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig. Die Zurückweisung des Revisionsrekurses kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Gemäß § 141 AußStrG („Vertraulichkeit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse“) dürfen Auskünfte über die Einkommens- und Vermögensverhältnisse vom Gericht nur dem betroffenen Pflegebefohlenen und seinen gesetzlichen Vertretern, nicht aber sonstigen Personen oder Stellen erteilt werden. Daraus folgert die Rechtsprechung, dass Dritte kein Recht auf Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt haben, selbst wenn sie ein berechtigtes (rechtliches) Interesse daran geltend machen können (5 Ob 121/15b mwN; 3 Ob 257/15p; RIS-Justiz RS0125886 [T3]).
Nach Rechtsprechung und Lehre hat auch ein bloß potentieller Erbe, jedenfalls solange er noch keine Erbantrittserklärung abgegeben hat, grundsätzlich kein Akteneinsichtsrecht nach § 141 AußStrG, weil seine Zugehörigkeit zum Kreis der Erbansprecher noch nicht feststeht (vgl 1 Ob 98/12m; 3 Ob 257/15p; vgl Tschugguel, Einsichtsrecht des Erben in den Sachwalterschaftsakt?, EF-Z 2013/180, 277 [279]). Dasselbe gilt auch für einen Pflichtteilsberechtigten, ist dieser doch als potentieller Erbe ebenfalls nicht Rechtsnachfolger des Verstorbenen und auch nicht Vertreter des Nachlasses (vgl 9 Ob 15/07g; Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 141 Rz 30).
Die Annahme, es läge zur Akteneinsicht noch keine Rechtsprechung seit dem Inkrafttreten des SWRÄG 2006 vor, trifft nicht zu (siehe 2 Ob 194/14i, SZ 2015/54 = EvBl 2015/155 [Rohrer/Cermak] = EF-Z 2016/50 [Graf-Schimek] = iFamZ 2015/181 [Parapatits] = ÖZPR 2015/96 [Schweighofer]).
Danach ist an der bisherigen Linie grundsätzlich festzuhalten. Inwiefern im Anlassfall die Einsichtnahme in den Sachwalterschaftsakt der Wahrnehmung der Interessen der verstorbenen Betroffenen dienen soll, hat der Antragsteller (als bloß potentieller Erbe) nicht dargetan. Soweit er Akteneinsicht begehrt, um die Entscheidung treffen zu können, ob er eine Erbantrittserklärung abgeben oder sich auf die Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen beschränken soll, dient dies erkennbar seinen Interessen. Dass die Vorinstanzen den Antrag auf Akteneinsicht in den Sachwalterschaftsakt der verstorbenen Mutter des Antragstellers abgewiesen haben, begründet daher nach der Lage des Falls keine im Einzelfall (vgl 1 Ob 232/15x, 5 Ob 121/15b) aufzugreifende Fehlbeurteilung.
Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs des Antragstellers zurückzuweisen.
Textnummer
E120542European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:E120542Im RIS seit
07.02.2018Zuletzt aktualisiert am
04.04.2022