Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Dezember 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pichler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Daniel K***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 34 U 38/15s des Bezirksgerichts Döbling, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 10. November 2016, GZ 34 U 38/15s-82, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, zu Recht erkannt:
Spruch
Das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 10. November 2016, GZ 34 U 38/15s-82, verletzt im Gilbert T***** und Martin B***** betreffenden Strafausspruch § 91 Abs 2 StGB.
Es werden dieses Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Strafaussprüchen des Gilbert T***** und des Martin B*****, demzufolge auch die diese beiden Verurteilten betreffenden Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten, Verlängerung einer Probezeit und Erteilung einer Weisung, aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Döbling verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen, in gekürzter Form ausgefertigten Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 10. November 2016, GZ 34 U 38/15s-82, wurden – soweit hier von Bedeutung – Gilbert T***** und Martin B***** jeweils eines Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 2 „1. Fall“ StGB schuldig erkannt.
Danach haben sie am 28. Februar 2015 in W***** an einem Angriff mehrerer tätlich teilgenommen, indem sie gemeinsam mit weiteren Tätern Andreas R***** und mehrere andere Personen attackierten und ihnen Fußtritte versetzten, wobei der Angriff jeweils eine Körperverletzung des Andreas R***** (in Gestalt einer Rissquetschwunde im Stirn-Scheitelbereich links), des Umar S***** und des Khusen L***** verursachte.
Jeweils nach „§ 91 Abs 1 2. Fall StGB“ wurden hiefür T***** zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, B***** zu einer solchen von neun Monaten verurteilt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurden diese Strafen jeweils unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.
Zugleich wurde beschlussförmig
- vom Widerruf der T***** mit Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 10. Oktober 2013, AZ 15 U 198/13s, und der B***** mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 2. Oktober 2013, AZ 162 Hv 89/13s, jeweils gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO),
- die zur zuerst genannten (T***** betreffenden) bedingten Strafnachsicht bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert (§ 494a Abs 6 StPO) und
- B***** für die Dauer der (gemeint offenbar: mit dem gleichzeitig gefällten Urteil bestimmten) Probezeit die Weisung (§§ 50, 51 StGB) erteilt, sich einem „Anti-Aggressionstraining“ zu unterziehen und dem Gericht hierüber in bestimmten Abständen Nachweise zu erbringen (§ 494 Abs 1 StPO).
Rechtliche Beurteilung
Der Strafausspruch dieses Urteils steht – wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt – mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Vorauszuschicken ist, dass § 91 Abs 1 und Abs 2 StGB jeweils (nur) einen Strafsatz enthalten; zusätzlich normieren sie Kriterien (Abs 1: Verursachung des Todes eines anderen durch die Schlägerei; Abs 2: Verursachung einer schweren Körperverletzung oder des Todes eines anderen durch den Angriff), deren Vorliegen jeweils (bloß) zu einer Anhebung des Strafrahmens führt (RIS-Justiz RS0125921; zu den Begriffen Strafsatz, Strafrahmen und Strafdrohung Ratz, WK-StPO § 281 Rz 25 und 666 sowie EvBl 2013/129, 886 [Hinweis zu 14 Os 82/13k, 14 Os 83/13g]).
Mit BGBl I 2015/112 (Inkrafttreten mit 1. Jänner 2016) – somit zwischen Tat- und Urteilszeitpunkt – wurde § 91 Abs 2 StGB in einer seiner erhöhten Strafdrohungen (Verursachung einer schweren Körperverletzung, wofür [alternativ zu einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr] nach alter Fassung eine Geldstrafe bis zu 360, nach neuer Fassung eine solche bis zu 720 Tagessätzen angedroht ist), nicht aber im Strafsatz geändert.
Bei einem – wie hier zulässigerweise (§ 447 iVm § 270 Abs 4 StPO) – in gekürzter Form ausgefertigten Urteil ist Bezugspunkt für die materiell-rechtliche Beurteilung das Referat der entscheidenden Tatsachen im Urteilsspruch (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO; RIS-Justiz RS0125764 [T4]). Auf dessen Basis zu Recht wurden T***** und B***** jeweils eines Vergehens des Raufhandels nach § 91 Abs 2 StGB schuldig erkannt. Nach dem Urteilsinhalt lag keiner der in dieser Bestimmung normierten Umstände erweiterter Strafbefugnis vor. Daraus folgt zwar zum einen, dass sich die zum Urteilszeitpunkt geltende Fassung des § 91 Abs 2 StGB
– fallbezogen (RIS-Justiz RS0119085 [T1]) – gleich günstig auswirkt wie das Tatzeitregime, die vom Schuldspruch erfassten Taten daher (schon) aus diesem Grund zutreffend der aktuellen Fassung dieser Bestimmung subsumiert wurden (§ 61 zweiter Satz StGB). Zum anderen aber folgt daraus, dass die Strafen nach dem Strafsatz des § 91 Abs 2 StGB zu finden gewesen wären, der eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen vorsieht. Sie nach der (gemeint:) erhöhten Strafdrohung des § 91 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren) auszumessen war hingegen verfehlt.
Da die aufgezeigte Gesetzesverletzung zum Nachteil dieser beiden Verurteilten wirkt (vgl RIS-Justiz RS0099852, RS0088469), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Textnummer
E120543European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00145.17H.1212.000Im RIS seit
07.02.2018Zuletzt aktualisiert am
15.01.2020