TE OGH 2018/1/18 12Os71/17h

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Veröffentlicht am 18.01.2018
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Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel-Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Ettel als Schriftführerin in der Strafsache gegen Thomas H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 und Abs 3, 15 Abs 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Thomas H***** und Dr. Michael R***** sowie über die Berufung der Angeklagten Babett He***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Februar 2017, GZ 15 Hv 6/16h-700, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird

- in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas H***** in Ansehung des Schuldspruchs II./2./ und der zu den Schuldsprüchen I./ und II./2./ gebildeten Subsumtionseinheit,

- in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Michael R***** in Ansehung des Schuldspruchs II./3./ und

- aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden im Umfang der Schuldsprüche II./2./ und III./ hinsichtlich des Angeklagten Mario W***** sowie der Schuldsprüche II./4./ und III./ hinsichtlich der Angeklagten Babett He*****,

demzufolge auch in den Strafaussprüchen (einschließlich der Vorhaftanrechnung) und in den Verfalls- und Adhäsionserkenntnissen ebenso aufgehoben wie der zum Angeklagten Mario W***** ergangene Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas H***** zurückgewiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Angeklagten Thomas H*****, Dr. Michael R***** und Babett He***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Dem Angeklagten Thomas H***** fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Thomas H***** des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3, 15 Abs 1 StGB (I./ und II./2./), sowie Mario W***** (II./1./ und III./), Dr. Michael R***** (II./3./) und Babett He***** (II./4./ und III./) je des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 15 Abs 1 StGB, und zwar die Angeklagten H*****, Dr. R***** und He***** als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB, schuldig erkannt.

Danach haben Thomas H*****, Mario W*****, Dr. Michael R***** und Babett He***** in W***** und anderen Orten in Österreich mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, an deren Personen durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet und zu verleiten versucht, die diese an ihrem Vermögen schädigten bzw schädigen sollten, wobei sie jeweils einen 300.000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführten, und zwar

I./ Thomas H***** am 7. März 2012 in W***** Verfügungsberechtigte der S***** GmbH unter Vorlage von Kopien zweier gefälschter Lohnbestätigungen über das Bestehen eines aufrechten Dienstverhältnisses bei der in W***** ansässigen M***** GmbH, somit durch wahrheitswidrige Vorgabe seiner „Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit“ und des Bestehens eines geregelten Einkommens, wobei er zur Täuschung falsche Beweismittel verwendete, zum Abschluss eines Kreditvertrags und zur Auszahlung der Kreditsumme von 36.000 Euro zu verleiten versucht;

II.„Mario W*****, Thomas H*****, Dr. Michael R***** und Babett He*****, H*****, Dr. R***** und He***** jeweils durch sonstigen Tatbeitrag, in K***** und anderen Orten in Österreich Verfügungsberechtigte der K***** AG durch Abschluss eines Rahmenvertrags und durch monatliche Übermittlung von Datensätzen der fremden Kontoinhaber im elektronischen Lastschriftverkehr samt dem Auftrag, diese Dauerabbuchungsaufträge zu Gunsten der T***** GmbH durchzuführen, teils unter der falschen Vorgabe, den Dauerabbuchungsaufträgen würden entsprechende Ermächtigungen der jeweiligen Kontoinhaber zugrunde liegen, wobei diese fallweise tatsächlich keinen Auftrag und keine Einziehungsermächtigung erteilt hatten und jedenfalls keine werthaltige oder sonstige Gegenleistung erhielten, zur Vornahme von Überweisungen von deren Konten auf das Geschäftskonto der T***** GmbH bei der K***** AG, wobei sie dadurch die jeweiligen Kontoinhaber an ihrem Vermögen schädigten und Mario W***** und Babett He***** jeweils einen Schaden von 1.658.558,73 Euro sowie Thomas H***** und Dr. Michael R***** jeweils einen Schaden von 1.271.686,24 Euro herbeiführten“, und zwar

1./ Mario W***** im Zeitraum von 1. Juni 2012 bis 7. August 2013 als handelsrechtlicher Geschäftsführer und im Zeitraum von 7. August 2013 bis 7. April 2015 zumindest als faktischer Geschäftsführer der T***** GmbH, somit als unmittelbarer Täter, indem er am 1. Juni 2012 eine Vereinbarung über den Einzug von Forderungen im Lastschriftverkehr abschloss und in weiterer Folge die Freischaltung des elektronischen Lastschriftverkehrs für den Geschäftsbetrieb der T***** GmbH erwirkte und die Datensätze von Kontoinhabern im elektronischen Lastschriftverkehr übermittelte;

2./ Thomas H***** zur Ausführung der zu II./1./ dargestellten Tathandlungen des Mario W***** beigetragen, indem er sich im Zeitraum von 1. August 2013 bis 7. April 2015 als handelsrechtlicher Geschäftsführer eintragen ließ und dafür monatlich 1.300 Euro „kassierte“ und daher zur Aufrechterhaltung der betrieblichen Geschäftstätigkeit bzw des Betrugsmodells wesentlich beitrug;

3./ Dr. Michael R***** im Zeitraum von April 2013 bis 7. April 2015 zur Ausführung der zu II./1./ dargestellten Tathandlungen des Mario W***** beigetragen, indem er, um den äußeren Anschein einer ordnungsgemäßen Vertretung und eines ordnungsgemäßen und legalen Geschäftsbetriebs der T***** GmbH zu wahren,

A.Thomas H***** als neuen handelsrechtlichen Geschäftsführer der T***** GmbH an Mario W***** vermittelte, wobei er für seine Vermittlungstätigkeit ein monatliches Entgelt von 300 Euro von Thomas H***** erhielt,

B.die Funktion des Beraters des Mario W***** und des Thomas H***** betreffend rechtliche und sonstige Angelegenheiten der T***** GmbH wahrnahm und

C.im Auftrag des Mario W***** die für die Abwicklung des Geschäftsbetriebs der T***** GmbH eingesetzte N***** Ltd als angeblichen Dienstleister der T***** GmbH gründete und deren zypriotische Konten zumindest eröffnete;

4./ Babett He***** im Zeitraum von 1. Juni 2012 bis 7. April 2015 zur Ausführung der zu II./1./ dargestellten Tathandlungen des Mario W***** beigetragen, indem sie an der operativen Geschäftstätigkeit der T***** GmbH mitwirkte, zumindest für deren Personalagenden verantwortlich war und vorwiegend ihren Ehemann Mario W***** psychisch unterstütze, indem sie ihn in seinem fortgesetzten Tatentschluss bestärkte;

III.Mario W***** und Babett He*****, diese „zumindest als Täterin durch sonstigen Tatbeitrag“, in Fortführung des betrügerischen Geschäftsmodells der T***** GmbH als wirtschaftliche Eigentümer der E***** SL im Zeitraum von 16. Februar bis 3. September 2015 Verfügungsberechtigte der B***** S.A. durch Täuschung über die Tatsache, im Lastschriftverkehr einzugsberechtigt zu sein, zur Durchführung einer Dauerabbuchung von monatlich 67,50 Euro und insgesamt von 540 Euro vom Konto des Franz He*****, obwohl der Genannte tatsächlich keinen Auftrag und keine Einziehungsermächtigung erteilt hatte und auch keine werthaltige oder sonstige Gegenleistung erhielt.

Ihre dagegen gerichteten Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten Thomas H***** auf § 281 Abs 1 Z 4, Z 5 und Z 9 [lit] a StPO und Dr. Michael R***** auf § 281 Abs 1 Z 3, Z 4, Z 5 und Z 9 lit a StPO.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Thomas H***** gegen den Schuldspruch I./:

Soweit die Mängelrüge unter Bezugnahme auf sechs vom Beschwerdeführer zwischen 5. Dezember 2011 und 7. Mai 2012 ausgestellte Rechnungen (Beilagenkonvolut zu ON 699) einen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) zu dessen festgestellter Einkommenslosigkeit (US 11) behauptet und aus deren angeblichem Übergehen den Vorwurf der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) erhebt, orientiert sie sich nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe. Die Tatrichter haben diese Urkunden nämlich sehr wohl erörtert (US 35), jedoch nicht den vom Rechtsmittelwerber angestrebten Schluss auf ein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit gezogen. Selbst bei inhaltlicher Richtigkeit der Rechnungen belegen diese der Beschwerde zuwider kein Einkommen in der dort aufscheinenden Höhe, sondern bloß die Verrechnung von dritter Seite erbrachter Leistungen (vgl den jeweiligen Rechnungstext: „… Tour übernommen durch unseren Subunternehmer …“) und damit Einnahmen, denen zwingend Ausgaben gegenüberstehen. Der behauptete Widerspruch liegt daher nicht vor.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorbringt, die (unter anderem) festgestellte Täuschung über die Rückzahlungsfähigkeit (US 11) trage die Subsumtion nicht, und es wäre die Täuschung über die Zahlungsfähigkeit zu konstatieren gewesen, erschöpft sie sich in einer bloßen Rechtsbehauptung, ohne diese methodisch vertretbar aus dem Gesetz abzuleiten (RIS-Justiz RS0116569). Die das Erfordernis der Feststellung einer „gänzlich fehlenden Rückzahlungsfähigkeit oder Rückzahlungswilligkeit“ reklamierende, auf den Rechtssatz RIS-Justiz RS0065663 gestützte weitere Rechtsrüge übergeht die Konstatierung, wonach der Angeklagte weder über ein regelmäßiges Einkommen noch über ein entsprechendes Vermögen verfügte, den beantragten Kredit bedienen zu können (US 11). Weshalb es über die konstatierte Benützung der falschen Lohnbestätigungen (US 10, 12) hinaus eines Zusammenhangs zwischen den Falsifikaten und einem schadenskausalen Irrtum der Getäuschten bedürfte (vgl demgegenüber RIS-Justiz RS0094510; RS0094405 [T7]), leitet die Rüge (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz RS0116565). Der Einwand fehlender Feststellungen zum Kausalzusammenhang zwischen Täuschungshandlung und (intendiertem) Schaden verschweigt die Urteilsannahmen, wonach der Angeklagte über seine durch gefälschte Lohnbestätigungen belegte Rückzahlungsfähigkeit täuschte (US 11) sowie Verfügungsberechtigte der S***** Bank zur Auszahlung der beantragten Kreditsumme von 36.000 Euro zu verleiten versuchte (US 12), womit der in den tatsächlichen Urteilsannahmen gelegene Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0099810 [T15, T21]) verfehlt wird.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Thomas H***** und zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. Michael R*****:

Soweit für die Behandlung der Rechtsrügen (Z 9 lit a), denen Berechtigung zukommt, relevant, ging das Erstgericht zusammengefasst von folgendem Sachverhalt aus:

Die T***** GmbH übte keine legale Geschäftstätigkeit aus, vielmehr beruhte ein vom Angeklagten Mario W***** aufgebautes „System“ darauf, zufällig ausgewählten Personen telefonisch die Teilnahme an diversen Lottospielen zu verkaufen bzw in Aussicht zu stellen, um so an deren Kontonummern zu gelangen. Von diesen Konten wurden dann zu Gunsten der T***** GmbH großteils ohne Wissen der Kontoinhaber monatlich Beträge eingezogen. Entgegen den Zusagen wurde nur ein äußerst geringer Anteil der so lukrierten Kundengelder tatsächlich an einen Spielvermittler bzw Spielveranstalter weitergeleitet (US 13).

Zur Umsetzung seines betrügerischen Geschäftsmodells schloss der Zweitangeklagte am 1. Juni 2012 als handelsrechtlicher Geschäftsführer der T***** GmbH mit der K***** AG eine Rahmenvereinbarung über den Einzug von Forderungen im Lastschriftverkehr ab. Diese Vereinbarung verpflichtete die T***** GmbH als Zahlungsempfängerin, Lastschriftaufträge nur dann einzureichen, wenn der Kunde des Lottospiels als Zahlungspflichtiger seinem kontoführenden Kreditinstitut einen Abbuchungsauftrag erteilt hat „und dessen Inhalt verbindlich festgelegt ist“. Grundlage dieser Vereinbarung war, dass nur aufgrund gültiger Verträge zwischen der T***** GmbH und den Kunden Datensätze von den Verantwortlichen der T***** GmbH „in das System eingespeist“ werden. Demgegenüber hatten die Angeklagten bei Abschluss der Verträge mit den Kunden zu keinem Zeitpunkt die Absicht, die diesen versprochene Leistung im zugesagten Ausmaß zu erbringen, worauf der Geschäftsbetrieb der T***** GmbH im anklagegegenständlichen Zeitraum auch gar nicht ausgerichtet war (US 17). Der die Rahmenvereinbarung für die K***** AG abschließende Kurt Ra***** ging bei deren Abschluss davon aus, dass die T***** GmbH dafür „Sorge tragen werde, dass das Verfahren rechtlich abgesichert ist und mit den Kunden schriftliche Vereinbarungen getroffen werden, die einen Einzug erlauben“. Für Kurt Ra***** war das Vorliegen einer schriftlichen Einzugsermächtigung unabdingbare Voraussetzung für den Einzug von Kundenkonten. Die Kunden gingen großteils davon aus, dass durch die Telefonate kein Vertrag zustande gekommen war und vertrauten darauf, dass erst mit Unterzeichnung schriftlicher Unterlagen ein die T***** GmbH zu Abbuchungen berechtigendes Vertragsverhältnis begründet werde. Mit einem Einzug bzw einer Abbuchung vor Unterschriftsleistung wären diese Opfer nie einverstanden gewesen, was die Angeklagten auch wussten. Diese Umstände wurden den Verfügungsberechtigten der K***** AG tatplankonform nicht mitgeteilt (US 18).

Die K***** AG stellte bei Aufnahme der Geschäftsbeziehung mit der T***** GmbH dem Angeklagten Mario W***** eine „Telebanking-Software“ zur Verfügung. Der T***** GmbH war es sodann möglich, über das Datenträgerservice im Netbanking die Abbuchungen von den Kundenkonten selbständig zu veranlassen. Hiezu war es zuerst erforderlich, mittels einer passenden Software die Einzüge zu erstellen und zu verwalten. In einem zweiten Schritt konnten sodann via „Telebanking“ oder „Netbanking“ diese Daten, die letztlich noch mit einem TAN- bzw TAC-Code abgezeichnet werden mussten, hochgeladen werden, bevor von den so „eingespeisten Kundenkonten“ Abbuchungen zu Gunsten der T***** GmbH erfolgen konnten (US 19). Bei den dargestellten Einzügen handelt es sich um einen automatisierten Ablauf; seitens der Bank erfolgte daher keine weitere Prüfung (US 20). Sobald man seitens der T***** GmbH „in den Besitz einer Bankverbindung eines Kunden“ gelangte, erfolgten die Einspeisung von dessen Daten und in weiterer Folge die Abbuchungen, und zwar unabhängig davon, ob die Kunden zustimmten oder nicht (US 28).

Auch wenn die Einspeisung der Datensätze und die Rückbuchungen vollautomatisiert abliefen, basierte der Abschluss sowie das Aufrechterhalten dieser Einzugsmöglichkeit auf einer Täuschungshandlung gegenüber den Verfügungsberechtigten der K***** AG (US 84 f).

Das Wesen des Betrugs besteht darin, dass der Täter, der sich (oder einen Dritten) unrechtmäßig bereichern will, zu diesem Zweck eine Täuschungshandlung setzt und dadurch bei dem Getäuschten einen Irrtum hervorruft, der diesen zu einer Vermögensverfügung verleitet, die sein Vermögen oder das eines anderen schädigt. Diese Vermögensschädigung wird erst durch das Verhalten des Getäuschten herbeigeführt. Betrug ist daher ein Selbstschädigungsdelikt (Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 146 Rz 1 mwN). Erfasst wird jedoch nur ein durch die täuschungsbedingte Vermögensverfügung unmittelbar bewirkter Vermögensschaden, nicht aber bloß mittelbar herbeigeführte (Folge-)Schäden (RIS-Justiz RS0094410; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 71; Kert SbgK § 146 Rz 265). Der Betrug als Selbstschädigungsdelikt setzt voraus, dass der Getäuschte durch sein Verhalten (Tun, Dulden, Unterlassen) unmittelbar selbst einen Vermögensschaden herbeiführt. Wird hingegen der Schaden erst nach der durch Täuschung erschlichenen Disposition des Getäuschten durch eine weitere selbstständige Aktion des Täters herbeigeführt, scheidet Betrug aus (Kert SbgK § 146 Rz 266 mwN; Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 54).

Als Betrug zu beurteilen sind aber auch Konstellationen, in denen der Getäuschte durch eine tatplangemäß irrtumsbedingte Vermögensverfügung dem Täter ein (zu dessen Betrugskonzept gehörendes) Verhalten gestattet, das den schon bei Vornahme der Täuschung von einem konkreten Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz umfassten Schadenseintritt auslöst. In diesen Fällen geht es nicht um schlechthin „eigenmächtiges“ Handeln des Täters (wie bei einem durch Vortäuschungen ermöglichten Diebstahl), sondern um ein den Betrug abschließendes Täterverhalten auf Grund einer dafür wesentlichen, nach den Umständen des einzelnen Falls als Vermögensverfügung zu wertenden, durch Täuschung über Tatsachen erschlichenen Zustimmung des Getäuschten (Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 72 mwN).

Vorliegend ging das Erstgericht von einem täuschungsbedingten Abschluss der „Vereinbarung über den Einzug von Forderungen im Lastschriftenverkehr“ (ON 364 S 537 f) und damit verbunden dem Zur-Verfügung-Stellen einer entsprechenden „Telebanking-Software“ aus, was jedoch bei der nach den Umständen des einzelnen Falls gebotenen Wertung nicht als eine den Betrug abschließende Vermögensverfügung (siehe die Beispiele bei Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 53; Kert SbgK § 146 Rz 170 ff) anzusehen ist. Verhaltensweisen, die nur ein schädigendes Täterhandeln erleichtern, aber sonst ohne Auswirkung auf das Vermögen bleiben, stellen auch wenn sie auf einer Täuschung beruhen, keine Vermögensverfügung dar (Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 54).

Betrug kommt zwar – wie oben ausgeführt – bei Erschleichung einer (vermögensbezogenen) Dispositionsbefugnis in Betracht (RIS-Justiz RS0123004, zust Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 72, aM Kert SbgK § 146 Rz 267), fallbezogen ist jedoch zum Zeitpunkt der Ermöglichung des Lastschrifteinzugs durch die K***** AG nicht einmal ansatzweise konkretisierbar, welches Vermögen welcher Person betroffen ist.

Die im Urteilstenor (II./) gewählte Tatbeschreibung, wonach „Verfügungsberechtigte der K***** AG durch Abschluss eines Rahmenvertrags und durch monatliche Übermittlung von Datensätzen der fremden Kontoinhaber im elektronischen Lastschriftverkehr samt dem Auftrag, diese Dauerabbuchungsaufträge zu Gunsten der T***** GmbH durchzuführen, … zur Vornahme von Überweisungen von deren Konten auf das Geschäftskonto der T***** GmbH“ verleitet worden seien, findet keine Deckung durch entsprechende Feststellungen in den Entscheidungsgründen (vgl RIS-Justiz RS0114639 [insbesondere T5]).

Soweit das Erstgericht auch Konstatierungen über die Irreführung der betroffenen Kunden traf, fehlen wiederum Sachverhaltsannahmen zum Vorliegen einer Vermögensverfügung durch die Getäuschten. Vielmehr konstatierte das Schöffengericht, dass – unabhängig davon, ob Kunden zustimmten oder nicht – sobald die T***** GmbH „in den Besitz einer Bankverbindung eines Kunden gelangte“, die Einspeisung von Kundendaten und sodann die Abbuchungen erfolgten (US 28) sowie dass es möglich war, über das Datenträgerservice im Netbanking diese Abbuchungen von den Kundenkonten selbstständig zu veranlassen (US 19), wobei es sich in weiterer Folge um einen automatisierten Ablauf handelte und seitens der Bank keine weitere Prüfung erfolgte (US 20).

Damit mangelt es den Urteilsgründen, wie von den Beschwerdeführern zu den Schuldsprüchen II./2./ und II./3./ moniert, an Feststellungen zum Vorliegen einer täuschungsbedingten Vermögensverfügung, womit die Urteilskonstatierungen bereits die Subsumtion nach dem Grundtatbestand des Betrugs (§ 146 StGB) nicht tragen. Folglich erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere gegen den Schuldspruch II./2./ gerichtete Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerden.

Aus deren Anlass hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), dass dem Urteil auch in Ansehung der die Angeklagten Mario W***** und Babett He***** betreffenden Schuldsprüche II./1./, II./4./ und III./ aus denselben Gründen (zum Schuldspruch III./ vgl die kursorischen Feststellungen US 32) materielle Nichtigkeit (Z 9 lit a) anhaftet, die diesen Angeklagten, die keine Nichtigkeitsbeschwerde erhoben haben, zum Nachteil gereicht und demnach von Amts wegen wahrzunehmen war. Überdies enthält die angefochtene Entscheidung zum Schuldspruch III./ keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite.

Mit Blick auf den zweiten Rechtsgang ist noch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Lastschrift um einen vom Zahlungsempfänger ausgelösten Zahlungsdienst zur Belastung des Zahlungskontos des Zahlers aufgrund einer Zustimmung des Zahlers zu einem Zahlungsvorgang handelt, die der Zahler gegenüber dem Zahlungsempfänger, dessen Zahlungsdienstleister oder seinem eigenen Zahlungsdienstleister erteilt hat (vgl § 3 Z 25 ZaDiG). Somit wird das Lastschriftverfahren im Gegensatz zur Giroüberweisung nicht vom Zahlenden, sondern vom Zahlungsempfänger in Gang gesetzt.

§ 146 StGB verlangt die Täuschung einer natürlichen Person. Demgegenüber liegt betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch (§ 148a StGB) vor, wenn der Vermögensschaden als unmittelbare Folge der (durch die Einwirkung auf ein edv-technisches Gerät bewirkten) Beeinflussung des Ergebnisses einer automationsunterstützten Datenverarbeitung eintritt. Dies ist auch dann der Fall, wenn eine natürliche Person den – selbsttätig zum Schadenseintritt führenden – automationsunterstützten Geschehensablauf kontrolliert, in diesen aber (wenn auch aufgrund der Einwirkung) nicht eingreift (RIS-Justiz RS0094395 [T2]). Bei vollautomatisierten Vorgängen beeinflusst der Täter durch die Eingabe der Daten (zur Inputmanipulation Kirchbacher/Presslauer WK² StGB § 148a Rz 13 ff, insb Rz 18; zu unberechtigten Online-Überweisungen [Tele- oder Netbanking] mittels erschlichener Überweisungscodes vgl Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 148a Rz 19 mwN) das Ergebnis einer automationsunterstützen Datenverarbeitung (zur vergleichbaren deutschen Rechtslage siehe auch BGH 1 StR 416/12).

Angesichts der Erschleichung einer (vermögensbezogenen) Dispositionsbefugnis käme Strafbarkeit wegen Betrugs zum Nachteil von Kunden nach den obigen Ausführungen jedoch in jenen Fällen in Betracht, in denen Abbuchungsaufträge tatsächlich unterfertigt wurden (vgl neuerlich RIS-Justiz RS0123004, zust Kirchbacher in WK² StGB § 146 Rz 72, aM Kert SbgK § 146 Rz 267).

Das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO)

- in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten H*****, die in Ansehung des Schuldspruchs I./ zurückzuweisen war (§ 285d Abs 1 StPO), in Ansehung des Schuldspruchs II./2./ und der dazu gebildeten Subsumtionseinheit,

- in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dr. R***** in Ansehung des Schuldspruchs II./3./ und

- aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO von Amts wegen in Ansehung der Schuldsprüche II./2./ und III./ in Ansehung des Angeklagten Mario W***** sowie der Schuldsprüche II./4./ und III./ betreffend die Angeklagte Babett He***** sowie

demzufolge auch in den Strafaussprüchen sowie in den Verfalls- und Adhäsionserkenntnissen ebenso aufzuheben wie der zum Angeklagten Mario W***** ergangene Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 StPO und die Strafsache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten Thomas H*****, Dr. Michael R***** und Babett He***** auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht;

Textnummer

E120544

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0120OS00071.17H.0118.000

Im RIS seit

07.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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