Entscheidungsdatum
25.01.2018Norm
AVRAG 1993 §7i Abs1Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Böhler über die Beschwerde des DI E A, L, vertreten durch RA Mag. Andreas Germann, Bregenz, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft B vom 29.09.2017, Zl X-9-2016/16054, zu Recht erkannt:
Gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde insoweit Folge gegeben, als die verhängten Geldstrafen in Anwendung des § 20 VStG jeweils auf 250 Euro und die für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit festgesetzten Ersatzfreiheitsstrafen jeweils auf 16 Stunden herabgesetzt werden. Im Übrigen wird der Beschwerde keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, dass die Tatbildumschreibungen jeweils wie folgt zu lauten haben:
„DI E A hat als Arbeitgeber der unten angeführten Arbeitnehmer der Vorarlberger Gebietskrankenkasse (VGKK) als zuständigen Träger der Krankenversicherung die für die Tätigkeit nach § 7g Abs 1 AVRAG erforderlichen Unterlagen nicht übermittelt. DI E A wurde mit Schreiben der VGKK vom 29.03.2016, zugestellt am 09.04.2016, aufgefordert, für die nachfolgend angeführten Arbeitnehmer und den nachfolgend angeführten Zeiträumen
1. M M 01.03.2015 bis 15.04.2015
2. B D 01.03.2015 bis 30.04.2015
3. E S 03.04.2015 bis 30.04.2015
ua jeweils den Arbeitsvertrag (bzw Dienstzettel) zu übermitteln, wobei diese Unterlagen bis zum Ablauf des 12.04.2016 abzusenden waren. DI E A hat dieser Aufforderung bis zum 20.04.2016 dadurch nicht entsprochen, dass er die Arbeitsverträge (Dienstzettel) für die genannten Arbeitnehmer nicht übermittelt hat.
Tatzeit: 13.04.2016 bis 20.04.2016
Tatort: VGKK, Hauptstelle, Dornbirn, Jahngasse 4“
Weiters werden die Übertretungsnormen und die Strafnormen dahingehend ergänzt, dass es sich jeweils um das AVRAG idF BGBl I Nr 113/2015 handelt.
Der gemäß § 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG zu leistende Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens verringert sich auf 75 Euro.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.
Begründung
1. Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten vorgeworfen, er habe drei Übertretungen nach § 7i Abs 1 letzter Satz iVm § 7g Abs 2 AVRAG begangen. Es wurde jeweils eine Geldstrafe von 500 Euro verhängt und für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 33 Stunden festgesetzt.
2. Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschuldigte rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, schon daraus, dass die Unterlagen nach Ansicht der Behörde bis zum 04.04.2016 abzusenden gewesen wären, ergebe sich, dass er die ihm vorgeworfene Übertretung hinsichtlich der Dienstnehmer M und B, wonach er die Unterlagen nicht bis zur gesetzten Frist am 02.04.2016 verweigert habe, nicht begangen haben könne. Alleineigentümerin der gegenständlichen Liegenschaft sei seine Ehegattin. Er könne somit auch nicht Dienstgeber der drei beschäftigten Personen gewesen sein.
3. Das Landesverwaltungsgericht hat in dieser Angelegenheit eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Folgender Sachverhalt steht fest:
Der Beschuldigte hat gemeinsam mit seiner Ehegattin bei dem im Eigentum der Ehegattin stehenden Haus in L, Hweg, einen Umbau vorgenommen. Der Beschwerdeführer hat dabei gewisse Gewerke selbst vorgenommen und dabei folgende Personen in den nachstehend angeführten Zeiträumen als Handlanger beschäftigt:
M M 01.03.2015 bis 15.04.2015
B D 01.03.2015 bis 30.04.2015
E S 03.04.2015 bis 30.04.2015
Mit Schreiben der VGKK vom 29.03.2016 wurde der Beschwerdeführer und seine Gattin gemäß § 7g Abs 2 AVRAG aufgefordert, für die im Straferkenntnis genannten drei Dienstnehmer und die im Straferkenntnis angeführten Zeiträume jeweils den Arbeitsvertrag/Dienstzettel, die Lohnzettel/Auszahlungsbelege/Banküberweisungsbelege, die Jahreslohnkonten, die Arbeitsaufzeichnungen und die Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zu übermitteln und diese Unterlagen bis zum Ablauf des zweitfolgenden Werktages ab Erhalt dieses Schreibens abzusenden. Dieses Schreiben wurde in einem einzigen Rückscheinbrief, der an beide Ehegatten adressiert war, nach einem am 30.03.2016 vorgenommenen Zustellversuch am 31.03.2016 hinterlegt.
Der Beschwerdeführer ist mit seiner Familie am 25.03.2016 nach Dubai verreist. Seine Gattin ist am 31.03.2016 an die Abgabestelle zurückgekehrt und hat die für ihren Mann eingegangene Post in das hiefür vorgesehene Fach im Büro des Mannes hineingegeben. Der Beschwerdeführer selbst ist am 08.04.2016 nach L zurückgekommen und hat in der Folge den RSb-Brief behoben.
Am 12.04.2016 hat der Beschwerdeführer mittels E-Mail in Entsprechung des Aufforderungsschreibens der VGKK vom 29.03.2016 diverse Unterlagen an die VGKK geschickt. Die Arbeitsverträge/Dienstzettel für die drei genannten Arbeitnehmer wurden dabei nicht, auch nicht bis zum 20.04.2016 übermittelt.
4. Dieser Sachverhalt wird aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere aufgrund der durchgeführten mündlichen Beschwerdeverhandlung als erwiesen angenommen.
Dass der Beschwerdeführer erst am 08.04.2016 an seine Abgabestelle zurückgekehrt ist, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers iVm den von ihm vorgelegten Flugtickets und der Zeugenaussage der Ehegattin.
Weiters geht das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass es der Beschwerdeführer selbst war, der den RSb-Brief der VGKK vom 29.03.2016 behoben hatte. Die Ehegattin des Beschwerdeführers hat nämlich ausgesagt, dass sie den Brief der VGKK nicht gesehen habe.
5. Der § 7g Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG), BGBl Nr 459/1993, zuletzt geändert durch BGBl I Nr 113/2015, lautet auszugsweise wie folgt:
„Feststellung von Übertretungen durch den Träger der Krankenversicherung(1) ...
(2) Der zuständige Träger der Krankenversicherung ist berechtigt, in die für die Tätigkeit nach Abs. 1 erforderlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen und Abschriften dieser Unterlagen anzufertigen. Auf Verlangen haben Arbeitgeber/innen die erforderlichen Unterlagen oder Ablichtungen zu übermitteln, wobei die Unterlagen oder Ablichtungen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
(3) ...“
Der § 7i AVRAG lautet auszugsweise wie folgt:
„Strafbestimmungen(1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen § 7d Abs. 1 oder § 7f Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. Ebenso ist zu bestrafen, wer entgegen § 7g Abs. 2 oder § 7h Abs. 2 die Unterlagen nicht übermittelt.
(2) ...“
5.2. Betreffend die Zustellung des Aufforderungsschreibens der VGKK vom 29.03.2016 ist festzuhalten, dass dieses Schreiben sowohl an den Beschwerdeführer als auch an dessen Ehegattin adressiert war. Die Hinterlegung dieses RSb-Briefes galt daher gegenüber keinem der beiden Adressaten als Zustellung (VwGH 2013/05/0003), da für eine ordnungsgemäße Zustellung auch bei Ehegatten die Zustellung mittels zweier Sendungen (hier: Rückscheinbriefe) erforderlich ist. Es ist aber zu einer Heilung dieses Zustellmangels gegenüber dem Beschwerdeführer deshalb gekommen, da diesem das Schriftstück tatsächlich zugekommen ist (VwGH 94/17/0320, VwSlg 11211).
5.3. Dem Vorbringen der VGKK, die Lohnunterlagen hätten bis zum 04.04. abgesendet werden müssen, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Lohnunterlagen bis zum 12.04.2016 abgesendet werden hätten müssen:
Da der Beschwerdeführer erst am 08.04.2016 an seine Abgabestelle zurückgekehrt war, galt zufolge der Bestimmung des § 17 Abs 3 Zustellgesetz das Aufforderungsschreiben am 09.04.2016 (Samstag) als zugestellt. Zufolge des Aufforderungsschreibens waren die Unterlagen bis zum zweitfolgenden Werktag ab Erhalt dieses Schreibens abzusenden. Dies bedeutet, dass die Lohnunterlagen bis Dienstag, 12.04.2016 abgesendet werden mussten. Zwar hat der Beschwerdeführer mit seinem E-Mail vom 12.04.2016 diesen Termin eingehalten; er hat aber nicht sämtlich geforderten Unterlagen übermittelt, da er die jeweiligen Arbeitsverträge/Dienstzettel nicht vorgelegt hat.
6. Gemäß § 19 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) iVm § 38 VwGVG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Schutzzweck der Norm ist letztlich die Verhinderung von Lohn- und Sozialdumping.
Für die Strafbemessung ist hinsichtlich jeder Übertretung der erste Strafrahmen des § 7i Abs 1 AVRAG (500 Euro bis 5.000 Euro) heranzuziehen, weil es sich nicht um einen Wiederholungsfall handelt.
Als Verschulden ist zumindest Fahrlässigkeit anzunehmen.
Nach § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder wenn der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.
Im vorliegenden Fall konnte die Mindeststrafe aus folgenden Gründen um die Hälfte unterschritten werden: Zunächst ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer – entgegen der Anzeige – die Frist zur Übermittlung der Unterlagen tatsächlich eingehalten hat; es ist somit nicht zutreffend, dass der Beschwerdeführer innerhalb der ihm gesetzten Frist überhaupt keine Unterlagen übermittelt hat. Weiters war zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer fast alle Unterlagen übermittelt hat; lediglich die Arbeitsverträge/Dienstzettel haben gefehlt. Schließlich ist festzuhalten, dass die VGKK in gegenständlicher Angelegenheit eine Anzeige wegen Unterentlohnung erstattet hat; die VGKK war somit offensichtlich in der Lage, mit den übermittelten Dokumenten eine derartige Anzeige zu erstatten.
Unter Würdigung des vorgetragenen Sachverhaltes findet das Landesverwaltungsgericht die nunmehr festgesetzte Strafe schuld- und tatangemessen.
7. Da der Beschwerde teilweise Folge gegeben wurde, entfällt gemäß § 52 Abs 8 VwGVG die Vorschreibung eines Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außerdem verringert sich der Beitrag zu den Kosten des behördlichen Verfahrens auf 10% der nunmehr herabgesetzten Strafe, mindestens jedoch auf 10 Euro.
8. Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Nichtvorlage von Lohnunterlagen, außerordentliche StrafmilderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.1.698.2017.R3Zuletzt aktualisiert am
06.02.2018