Entscheidungsdatum
24.01.2018Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W211 2180406-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX,
StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheids des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG
2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die beschwerdeführende Partei ist ein Staatsangehöriger Syriens. Sie stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei ihrer Erstbefragung am XXXXgab die beschwerdeführende Partei an, sie gehöre der Volksgruppe der Kurden an und sei sunnitischen Glaubens. Ihre Mutter, ihr Vater, ein Bruder und drei Schwestern würden noch in Syrien leben. Sie habe Syrien illegal zu Fuß über die Grenze zur Türkei verlassen. Eine Schwester sowie mehrere weitere Verwandte würden sich in Österreich aufhalten. Als Fluchtgrund gab die beschwerdeführende Partei an, in Syrien herrsche Krieg und es bestehe Gefahr durch den Islamischen Staat (IS).
3. Bei ihrer Einvernahme durch die belangte Behörde am XXXX gab die beschwerdeführende Partei an, sie habe Syrien illegal, gemeinsam mit ihrer Schwester, am XXXX verlassen. Sie stamme aus XXXX im Gouvernement XXXX. Sie habe in Syrien neun Jahre lang die Schule besucht. Ihr Vater habe in einem Supermarkt gearbeitet und so für die Familie gesorgt. Syrien habe die beschwerdeführende Partei wegen des Krieges, und weil sie kein Soldat sein wolle, verlassen. Sie habe jedoch noch keinen Einberufungsbefehl erhalten. Im Falle einer Einziehung zum Militär hätte sie aber gegen den IS kämpfen müssen. Sie sei sich sicher, dass, wenn sie kämpfen müsste, sie getötet werde.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.). Die Behörde stellte die syrische Staatsbürgerschaft der beschwerdeführenden Partei fest. Weiters wurde festgestellt, dass sie in Syrien weder persönlich bedroht noch verfolgt werde, sondern ihr Herkunftsland wegen der allgemeinen Folgen des Bürgerkrieges verlassen habe. Ihren Militärdienst habe sie nicht abgeleistet, da sie damals minderjährig gewesen sei. Sie habe auch keinen Einberufungsbefehl erhalten. Auch habe die beschwerdeführende Partei im Rahmen der Einvernahme auf die Frage, ob sie aufgrund ihrer Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung im Heimatland verfolgt würde, mit "Nein" geantwortet.
5. Gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die beschwerdeführende Partei ausgereist sei, da ihr 18ter Geburtstag bevorgestanden sei und sie befürchtet habe, als Soldat zu Militärdienst herangezogen zu werden. In Syrien bestehe eine allgemeine Wehrpflicht. Ihre Familie lebe aufgrund der unsicheren Lage in XXXX. Als Kurde gehöre die beschwerdeführende Partei weiters der Gruppe der besonders gefährdeten Personen an. Da die beschwerdeführende Partei zum Zeitpunkt der Ausreise noch minderjährig gewesen sei, habe sie auch keinen Einberufungsbefehl erhalten. Die Behörde habe es unterlassen die Situation der beschwerdeführenden Partei im Falle einer Rückkehr zu untersuchen. Dieser würden aufgrund einer Entziehung von der Wehrpflicht und der damit einhergehenden unterstellten politischen oppositionellen Gesinnung Verfolgungshandlungen seitens der syrischen Regierung drohen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur beschwerdeführenden Partei:
1.1.1. Die beschwerdeführende Partei ist ein Staatsangehöriger Syriens, die am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.2. Die beschwerdeführende Partei gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischen Glaubens.
Die beschwerdeführende Partei stammt aus XXXX Im Gouvernement XXXX. Eine Schwester und mehrere weitere Verwandte leben in Österreich. Ihre Kernfamilie lebt in XXXX in Syrien.
1.1.3. Die beschwerdeführende Partei ist strafrechtlich unbescholten und gesund.
1.2. Festgestellt wird, dass in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren besteht. Weiters werden aufgrund von Schwierigkeiten bei der Aushebung neuer Rekruten auch Reservisten (neuerlich) zum Militärdienst eingezogen, und es kommt zurzeit sogar zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben. Schließlich kommt es bei der Vollziehung des Wehrgesetzes zu einem bestimmten Maß an Willkür.
Die beschwerdeführende Partei befindet sich aktuell im wehrfähigen Alter.
Der beschwerdeführenden Partei droht in Syrien bei einer nunmehrigen Rückkehr daher die reale Gefahr, als Mann im wehrfähigen Alter zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden, und sie ist im Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die beschwerdeführende Partei hat Syrien unter anderem verlassen, damit sie sich ihrer Wehrdienstverpflichtung in Syrien entziehen kann.
Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Bei Männern im wehrfähigen Alter wird überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben.
1.3. Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten wiedergegeben:
Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Syrien, 05.01.2017:
1. Folter und unmenschliche Behandlung
Die weit verbreitete Anwendung von Folter in Syrien zeigt die Straflosigkeit, mit der die Konfliktparteien agieren. Folter wird eingesetzt, um an Informationen zu gelangen und um die Zivilbevölkerung zu bestrafen und zu terrorisieren (UNHRC 11.8.2016).
Folter und andere Misshandlungen wurden durch das syrische Regime schon seit Jahrzehnten genutzt, um Widerstand zu unterdrücken (AI 17.8.2016). Das syrische Regime und die mit ihm verbündeten Milizen begehen physische Misshandlungen und Folter an Oppositionellen und Zivilisten. Regierungsangestellte misshandeln Gefangene. Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und auch von Minderjährigen sind weitverbreitet und werden als Kriegstaktik eingesetzt (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Viele der Opfer von Folter sind Männer zwischen 18 und 60 Jahren. Das Regime foltert jedoch auch Frauen und Kinder, welche sich in Gewahrsam befinden (UNHRC 11.8.2016). Manche Opfer von Folter werden festgenommen, weil sie Aktivisten sind, oder als die Regierung nicht ausreichend unterstützend wahrgenommen werden. Opfer von Folter werden auch Mitglieder oder Verwandte von Mitgliedern bewaffneter Gruppen (UNHRC 11.8.2016).
Die syrischen Sicherheitskräfte führen willkürliche Festnahmen durch und lassen häufig Festgenommene in dem weitreichenden Netzwerk an Haftanstalten in Syrien verschwinden. Viele der Häftlinge sind junge Männer im Alter von 20 bis 30 Jahren, jedoch sind auch Kinder, Frauen und ältere Menschen unter den Inhaftierten (HRW 27.1.2016). Berichten zufolge wurden Familienmitglieder durch die Sicherheitskräfte der syrischen Regierung festgenommen, darunter auch Kinder, um gesuchte Personen dazu zu bewegen, sich den Sicherheitskräften zu stellen (HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Schätzungen zufolge sind seit 2011 in Gefängnissen der syrischen Regierung 17.723 Menschen durch Folter, Misshandlungen und katastrophale Haftbedingungen ums Leben gekommen (AI 18.8.2016). Das syrische Regime stellt falsche Totenscheine aus, offenbar mit dem Ziel, die wahre Ursache und den Ort des Todes der Gefangenen zu verschleiern (USDOS 13.4.2016).
Rebellengruppierungen begehen ebenfalls schwere Menschenrechtsverletzungen, wie Inhaftierungen, Folter, Hinrichtungen von (also solche wahrgenommenen) Andersdenkenden und Rivalen und konfessionell motivierte Tötungen von Zivilisten (FH 27.1.2016). Manche Gruppen fügen Gefangenen, von denen vermutet wird, sie wären Mitglieder von regierungstreuen Milizen, schweren körperlichen und psychischen Schmerz zu, um Informationen oder Geständnisse zu erlangen, oder als Bestrafung oder Zwangsmittel (USDOS 13.4.2016). Des Weiteren begehen sie Massaker, Morde, Folter, Geiselnahmen, Verschwindenlassen, Vergewaltigungen und sexuelle Gewalt und setzen Kinder in Kampfhandlungen ein (UKFCO 8.2016).
Auch der IS begeht Misshandlungen, Folter, Bestrafungen von Individuen, und agiert mit Brutalität. Der IS bestraft regelmäßig Opfer in der Öffentlichkeit und zwingt Bewohner, inklusive Kindern, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (17.8.2016): "It breaks the human":
Torture, disease and death in Syria's prisons [MDE 24/4508/2016], http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1471499119_mde2445082016english.PDF, Zugriff 2.12.2016
-
AI - Amnesty International (18.8.2016): Schwere Folter in syrischen Gefängnissen,
http://www.amnesty.de/2016/8/18/schwere-folter-syrischen-gefaengnissen, Zugriff 22.11.2016
-
FH-Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016-Syria, https://www.ecoi.net/local_link/327745/454885_en.html, Zugriff 22.11.2016
-
HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/318418/443598_en.html, Zugriff 18.11.2016
-
UKFCO - UK Foreign and Commonwealth Office (21.7.2016): Human Rights and Democracy Report 2015- Human Rights Priority Country update report: January to June 2016, http://www.ecoi.net/local_link/329304/470272_de.html, Zugriff 22.11.2016
-
UNHRC - United Nations Human Rights Council (11.8.2016): Report of the Independent International Commission of inquiry on the Syrian Arab Republic,
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1474461066_g1617860.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015-Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016
2. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 19.10.2016; vgl. FIS 23.8.2016). Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen (FIS 23.8.2016).
Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht (FIS 23.8.2016).
In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).
Oppositionsgruppen haben ihre eigenen Vorgangsweisen bei der Rekrutierung, und die Situation kann von der jeweils verantwortlichen Person abhängen (FIS 23.8.2016).
Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren Kinder und nutzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker und auch in unterstützenden Funktionen. Kinder werden als Zwangsarbeiter oder Informanten benutzt, wodurch sie dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen ausgesetzt sind. Manche bewaffnete Gruppierungen, die auf der Seite der Regierung kämpfen, zwangsrekrutieren Kinder - manche nicht älter als 6 Jahre (USDOS 30.6.2016).
Der IS setzt aktiv Kinder - manche lediglich 8 Jahre alt - in Kampfhandlungen ein, teils auch bei der Enthauptung von Soldaten des syrischen Regimes. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 30.6.2016).
Auch die Kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) rekrutieren Burschen und Mädchen, indoktrinieren sie und bringen sie in Trainings-Camps (USDOS 30.6.2016).
Quellen:
-
CIA - Central Intelligence Agency (19.10.2016): The World
Factbook: Syria,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/sy.html, Zugriff 27.10.2016
-
FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
-
USDOS - US Department of State (30.6.2016): Trafficking in Persons Report 2016 - Country Narratives - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 2.12.2016
3. Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht (FIS 23.8.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2016). Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 10.8.2016).
Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).
Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten. Für junge Männer im Alter von 16 und 17 Jahren ist es schwer, einen Reisepass zu erhalten, oder sie erhalten nur einen Pass, der zwei Jahre gültig ist (FIS 23.8.2016; vgl. UNHCR 30.11.2016).
Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt (FIS 23.8.2016).
Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2016).
Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit. Möglicherweise kommt es bei diesen Ausnahmen zum Wehrdienst derzeit jedoch auch zu Willkür (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015, UNHCR 30.11.2016). Durch den erhöhten Bedarf an Soldaten wird mittlerweile ebenso auf "geschützte" Gruppen wie Studierende, Beamte und Minderheiten zurückgegriffen (UNHCR 30.11.2016).
Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).
Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016).
Quellen:
-
DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016
-
FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
-
IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:
Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015) [SYR105361.E],
https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 27.1.2016
-
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (30.11.2016): Ergänzende aktuelle Länderinformationenen; Syrien: Militärdienst, https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1481012908_coi-military-recruitment-syria.pdf, Zugriff 5.12.2016
-
USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report in International Religious Freedom - Syria, https://www.ecoi.net/local_link/328447/469225_de.html, Zugriff 27.10.2016
4. Wehrdienstverweigerung/Desertion
Es gab Amnestien der syrischen Regierung, um Deserteure und Wehrdienstverweigerer zu ermutigen, sich zum Dienst zu melden (FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016). Es ist jedoch nicht bekannt, ob Männer, die dieses Angebot in Anspruch nehmen, Konsequenzen erfahren oder nicht (FIS 23.8.2016). Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).
Auf Desertion steht die Todesstrafe. Es ist jedoch nicht bekannt, wieweit die Todesstrafe wirklich angewendet wird. Ein Deserteur würde jedoch zumindest inhaftiert werden. Wenn ein Deserteur an einem Checkpoint rekrutiert wird, kann er direkt zum Dienst - auch an die Front - oder ins Gefängnis geschickt werden. Die Konsequenzen für Desertion hängen vom Bedarf an der Front und von der Position und dem Rang des Deserteurs ab. Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).
Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016).
Wenn ein Wehrdienstverweigerer von den Behörden aufgegriffen würde, würde er verhaftet und überprüft werden. Anschließend könnte die Person zum Dienst in der Armee geschickt werden. Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.02.2015).
Quellen:
-
AI - Amnesty International (6.2012): Amnesty Journal Juni 2012 - Operation Freiheit,
http://www.amnesty.de/journal/2012/juni/operation-freiheit, Zugriff 5.1.2016
-
DIS - Danish Immigration Service (26.2.2015): Syria: Military Service, mandatory Self-Defence Duty and Recruitment to the YPG, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1425637269_syriennotat26feb2015.pdf, Zugriff 25.11.2016
-
FIS - Finnish Immigration Service (23.8.2016): Syria: Military Service, National Defence Forces, Armed Groups Supporting Syrian Regime and Armed Opposition,
https://coi.easo.europa.eu/administration/finland/PLib/Report_Military-Service_-Final.pdf, Zugriff 27.10.2016
-
Reuters (20.7.2016): Seeing no future, deserters and draft-dodgers flee Syria,
http://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-syria-army-idUSKCN1001PY, Zugriff 27.10.2016
5. Rückkehr
Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen (AA 22.11.2016).
Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar (IRB 19.1.2016). Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert (UK HOME 8.2016).
Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen (IRB 19.1.2016).
Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird (UK Home Office 8.2016).
Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden (USDOS 13.4.2016).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (22.11.2016): Syrien: Reisewarnung, http://www.auswaertigesamt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/SyrienSicherheit_node.html, Zugriff 22.11.2016
-
IRB - Immigration and Refugee Board of Canada (19.1.2016): Syria:
Treatment of returnees upon arrival at Damascus International Airport and international land border crossing points, including failed refugee claimants, people who exited the country illegally, and people who have not completed military service; factors affecting treatment, including age, ethnicity and religion (2014 - December 2015),
https://www.ecoi.net/local_link/320204/459448_de.html, Zugriff 30.9.2016
-
UK HOME - UK Home Office (8.2016): Country Information and Guidance Syria: the Syrian Civil War, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1472706544_cig-syria-security-and-humanitarian.pdf, Zugriff 22.11.2016
-
USDOS - US Department of State (13.04.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Syria, http://www.ecoi.net/local_link/322447/461924_de.html, Zugriff 18.11.2016
Risikoprofile (Quelle: UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 4. aktualisierte Fassung aus November 2015):
Werden Asylanträge von Asylsuchenden aus Syrien auf Einzelfallbasis gemäß bestehenden Asylverfahren oder Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft geprüft, so ist UNHCR der Ansicht, dass Personen mit einem oder mehreren der unten beschriebenen Risikoprofile wahrscheinlich internationalen Schutz im Sinne der GFK benötigen, sofern keine Ausschlussklauseln anwendbar sind. Bei Familienangehörigen und Personen, die auf sonstige Weise Menschen mit den nachfolgend aufgeführten Risikoprofilen nahestehen, ist es je nach den Umständen des Einzelfalls ebenfalls wahrscheinlich, dass sie internationalen Flüchtlingsschutz benötigen. Sofern relevant, sollte besonderes Augenmerk auf jegliche Verfolgung gelegt werden, der Asylsuchende in der Vergangenheit möglicherweise ausgesetzt waren.
Die nachstehend aufgeführten Risikoprofile sind nicht unbedingt abschließend und können sich überschneiden. Die Reihenfolge der aufgeführten Profile impliziert keine Hierarchie. Die Profile basieren auf Informationen, die UNHCR zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments vorlagen. Ein Antrag sollte daher nicht automatisch als unbegründet erachtet werden, weil er keinem hier aufgeführten Profil entspricht.
-
Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben."
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Identität der beschwerdeführenden Partei und ihrer Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der beschwerdeführenden Partei sowie auf die im Verfahren vorgelegten Dokumente (Kopie des Familienbuchs; Schulausweis für Schuljahr 2013; Schriftstück als Ersatz für Personalausweis, mit Geburtsdatum XXXX).
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, zum Religionsbekenntnis, zur Herkunft in Syrien sowie zu den Familienangehörigen in Syrien sowie im Ausland ergeben sich teilweise bereits aus den Feststellungen der belangten Behörde und aus den in diesen Punkten nicht widerlegten Angaben der beschwerdeführenden Partei im Verfahren.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei basiert auf ihren Angaben im Laufe des Verfahrens.
Die Feststellung zur Unbescholtenheit der beschwerdeführenden Partei ergibt sich aus dem Auszug aus dem Strafregister vom 22.12.2017.
2.3. Die Feststellungen, dass der beschwerdeführenden Partei mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Falle einer Rückkehr nach Syrien die Einziehung zum Dienst bei der syrischen Armee bzw. dabei die Pflicht zur Teilnahme an menschenrechtswidrigen Handlungen oder für ihre Weigerung eine Bestrafung droht, deren Ausmaß aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation bis zur extralegalen Tötung reichen kann, stützen sich maßgeblich auf die Länderfeststellungen. Wie sich aus diesen Berichten ergibt, hat die syrische Regierung Schwierigkeiten neue Rekruten auszuheben. Ferner kann es während des Militärdienstes zur zwangsweisen Mitwirkung an schweren Menschenrechtsverletzungen und bei deren Verweigerung zu einer Verhaftung und Bestrafung von asylrelevanter Intensität kommen. Weiters ist aufgrund der besonderen Situation in Syrien die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig, und werden vor allem Personen einer oppositionellen Gesinnung bzw. einer Regimegegnerschaft verdächtigt, die während des staatlichen Ausnahmezustandes ihre Heimat verlassen und im Ausland einen Asylantrag gestellt haben.
Vor allem ist in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass es für eine Bedrohung oder Verfolgung durch das syrische Regime nicht (unbedingt) darauf ankommt, ob eine Einberufung zum Militärdienst vor der Ausreise bereits erfolgt ist, ob eine behördliche Suche (wegen des Militärdienstes) bereits (vor der Ausreise) stattgefunden hat oder ob die Ausreise legal erfolgen konnte, sondern vielmehr darauf, mit welcher Wahrscheinlichkeit von einem Einsatz beim Militär (im Falle einer nunmehrigen Rückkehr/Wiedereinreise in den Herkunftsstaat) auszugehen ist, was anhand der Situation (hinsichtlich der Einberufung zum Militärdienst) im Herkunftsstaat und anhand des Profils der betroffenen Person zu beurteilen ist. Aus den - diesbezüglich unwidersprochen gebliebenen - Feststellungen zu den Voraussetzungen/Kriterien einer Wehrdiensteinberufung in Syrien (diesen Feststellungen zufolge besteht in Syrien ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren; alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren kommen für den Militärdienst in Frage; es kommt aufgrund der angespannten Situation in Syrien und der Schwierigkeiten für die syrische Regierung, neue Rekruten auszuheben, auch zur Aufhebung von Militärdienstaufschüben) und dem persönlichen Profil der beschwerdeführenden Partei (als junger und gesunder Staatsbürger im wehrpflichtigen Alter) ergibt sich, dass eine Person mit diesen formellen Voraussetzungen in Syrien angesichts des dortigen innerstaatlichen Konfliktes und des Mangels an Soldaten, die sich zum Dienst melden, mit erheblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, zum Militärdienst eingezogen zu werden und dabei - wie sich auch aus den Länderfeststellungen ergibt - u.a. gegen Protestierende und gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt zu werden.
Weiters ist es bereits notorisch, dass es im Bürgerkrieg in Syrien zu durch staatliche Stellen zu verantwortende Menschenrechtsverletzungen kommt. Mitglieder aller Konfliktparteien in Syrien haben schwere Verletzungen im Bereich Menschenrechte und humanitäres Recht begangen.
Der Ansicht der belangten Behörde, wonach die beschwerdeführende Partei keine eigenen Fluchtgründe habe, ist vor dem Hintergrund der aktuellen Länderfeststellungen zu ihrem Herkunftsstaat nicht zu folgen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist auf die Tatsache, dass die beschwerdeführende Partei bei Bescheiderlassung bereits das 18te Lebensjahr erreicht hat, und eine damit einhergehende Gefahr einer potentiellen Einziehung zum Wehrdienst, mit keinem Wort eingegangen.
Die beschwerdeführende Partei würde als gesunder Mann im wehrfähigen Alter mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zum Militärdienst eingezogen und unter anderem zur Mitwirkung an schweren Menschenrechtsverletzungen gezwungen werden. Durch ihren Auslandsaufenthalt entzieht sich die beschwerdeführende Partei jedoch dem Militärdienst und wäre daher im Fall einer Rückkehr der Gefahr der Verhaftung und Bestrafung bis hin zu Misshandlungen und Folter ausgesetzt. Bei der Rückkehr von erfolglosen Asylwerbern nach Syrien kommt es nämlich zu einer Befragung an der Grenze. Es kann daher angenommen werden, dass aufgrund der Wehrdienstentziehung eine regimekritische Haltung der beschwerdeführenden Partei erblickt wird.
Die Rückkehrbefürchtungen der beschwerdeführenden Partei stellen sich daher - vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen -als plausibel dar.
2.4. Im Lichte dessen muss nicht mehr geprüft werden, ob die beschwerdeführenden Partei aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden einer Gefährdung ausgesetzt ist.
2.5. Das Bundesverwaltungsgericht stützt seine Beurteilung der gegenständlichen Beschwerde auf aktuelle Länderinformationen, die soweit wesentlich oben unter 1.3. wiedergegeben werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
Rechtsgrundlagen:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Flüchtling im Sinne der Bestimmung ist demnach, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH, 05.08.2015, Ra 2015/18/0024 und auch VwGH, 12.11.2014, Ra 2014/20/0069). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH, 26.02.1997, Zl. 95/01/0454), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH, 18.04.1996, Zl. 95/20/0239), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.
3.1.3. Der EuGH hat mit Urteil vom 26.02.2015 in der Rechtssache C-472/13, Shepherd, eine Auslegung der Bestimmungen von Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2004/83/EG dahingehend vorgenommen,
-
dass sie alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals erfassen,
[...]
-
dass die Verweigerung des Militärdienstes das einzige Mittel darstellen muss, das es dem die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrenden Antragsteller erlaubt, der Beteiligung an den behaupteten Kriegsverbrechen zu entgehen, so dass der Umstand, dass er kein Verfahren zur Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer angestrengt hat, jeden Schutz nach Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83 ausschließt, sofern der Antragsteller nicht beweist, dass ihm in seiner konkreten Situation kein derartiges Verfahren zur Verfügung stand.
Die dargestellte Judikatur des EuGH erging zwar zur Status-RL 2004/83/EG, welche mittlerweile durch die Status-RL 2011/95/EU neu gefasst wurde, jedoch blieb Art. 9 Abs. 2 lit. e dadurch inhaltlich unverändert.
3.2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf die gegenständliche Beschwerde:
3.2.1. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch die Gefahr einer wegen "Wehrdienstverweigerung" (allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen) drohenden Bestrafung dann zur Asylgewährung führen, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, so kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zugrunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre (vgl. VwGH 14.12.2004, 2001/20/0692).
Dient die Geltung verschärfter Strafdrohungen bei Wehrdienstverweigerung im Wesentlichen dazu, dass Einberufene erhöhtem Druck zur Teilnahme an Handlungen ausgesetzt sind, die sich gegen die Ziele und Prinzipien der Vereinten Nationen richten (vgl. Art. 1 Abschnitt F GFK), so erfüllt dies unter der weiteren Voraussetzung, dass einem Wehrdienstverweigerer zumindest eine gegen den Staat gerichtete politische Gesinnung unterstellt wird, die Anforderungen der auf dem genannten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juni 1994, VwSlg. 14089 A/1994 (verst. Senat), basierenden Rechtsprechung an die Zuerkennung von Asyl. Weiters vertritt der Verwaltungsgerichtshof nunmehr ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen - etwa gegen die Zivilbevölkerung - auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (siehe VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009, zitiert nach Feßl/Holzschuster [Asylgesetz 2005, 117 ff]). Dies ist auch ausdrücklich in Art. 9 Abs. 2 lit. e der Richtlinie 2011/95/EU festgehalten. Daher ist eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Art. 12 Abs. 2 der genannten Richtlinie fallen, umfassen würde, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.
Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass der Militäreinsatz in der syrischen Armee, dem sich die beschwerdeführende Partei letztlich durch ihre Ausreise entzogen hat, im derzeitigen bewaffneten Konflikt in Syrien mit einem Zwang zur Verübung menschenrechtswidriger Handlungen und zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen (etwa Angriffe auf die Zivilbevölkerung) verbunden (und damit im Sinne des Abs. 171 des UNHCR-Handbuches über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft den "Grundregeln menschlichen Verhaltens" widersprechend) ist und dass völlig unverhältnismäßige Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen bei Wehrdienstverweigerung und bei Verweigerung von Befehlen im Bereich des Militärdienstes bzw. des Militäreinsatzes (etwa Hinrichtung von Soldaten, die sich weigern, auf Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen) erfolgen. Davon ist die beschwerdeführende Partei, der maßgeblich wahrscheinlich der Wehrdiensteinsatz bei der syrischen Armee droht und die einen solchen Einsatz verweigert bzw. ablehnt, maßgeblich wahrscheinlich betroffen. Unter den besonderen Verhältnissen in Syrien kann die Anwendung dieser völlig unverhältnismäßigen Bestrafungsmaßnahmen und Sanktionen seitens der syrischen Regierung nicht anders als dahingehend beurteilt werden, als dass sie auf der generellen Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung der Betroffenen beruht. Damit liegt im Hinblick auf die der beschwerdeführenden Partei drohende Bestrafung wegen "Wehrdienstverweigerung" als drohender Eingriff von erheblicher Intensität eine asylrelevante Verfolgung vor, weil die Bestrafung in Zusammenhang mit einem Konventionsgrund, nämlich mit dem der "politischen Gesinnung", steht.
Es haben sich im vorliegenden Fall daher ausreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der beschwerdeführenden Partei im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht. Diese Verfolgung geht von der syrischen Regierung aus und droht der beschwerdeführenden Partei hauptsächlich aufgrund ihrer Wehrdienstverweigerung. Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass der beschwerdeführenden Partei im Rahmen einer Sanktio