TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/29 W159 2139338-1

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Veröffentlicht am 29.01.2018
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Entscheidungsdatum

29.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W159 2139338-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, Staatsangehöriger von Gambia gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2016, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gem. § 3 Abs.1 AsylG 2005 idgF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gem. § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Gambia und Angehöriger der Volksgruppe Fulla, gelangte am 23.04.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 24.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 25.04.2015 wurde er von der Polizeiinspektion XXXX einer Erstbefragung nach dem Asylgesetz unterzogen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er homosexuell sei und mit XXXX zusammen gewesen sei. Sie hätten sich geheim verabreden müssen, weil Homosexuelle in seinem Land verfolgt würden. Er habe dann telefonisch erfahren, dass sein Freund wegen dieser Beziehung verhaftet worden sei und die Polizei ihn suchen würde, worauf er umgehend geflüchtet sei.

Nach Zulassung zum Asylverfahren erfolgte am 10.10.2016 eine ausgiebige Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland. Er sei illegal nach Österreich eingereist, Familienangehörige habe er hier nicht. Er habe einen Personalausweis und einen Führerschein gehabt, diese Dokumente allerdings in Libyen verloren. Er helfe gelegentlich manchen Leuten im Garten und verkaufe die Gratiszeitung XXXX. Weiters besuche er einen Deutschkurs. Er sei in Gambia nicht vorbestraft, seine finanzielle Situation sei gut gewesen. Er habe einen Handel mit Textilien betrieben.

Sein Fluchtgrund sei, dass er homosexuell sei und einen Freund gehabt habe, der festgenommen worden sei. Jetzt wisse die Polizei auch, dass er homosexuell sei und deswegen sei er geflüchtet. Er wisse schon seit 2001 von seiner Homosexualität. In diesem Jahr habe er auch seinen Freund XXXX kennengelernt. Er sei auch Händler gewesen und hätte aus XXXX gestammt. Sie hätten wohl nicht zusammen gewohnt, aber sich regelmäßig entweder bei ihm oder bei seinem Freund getroffen, seine Familie habe aber nichts davon gewusst. Er habe das geheim gehalten. Seine Familie wisse auch nichts von seinen sexuellen Neigungen, lediglich sein Angestellter im Geschäft habe gewusst, dass er homosexuell sei. XXXX sei im Februar 2015 festgenommen worden, den genauen Tag wisse er nicht. Er habe die Nacht zuvor bei ihm verbracht, habe aber zeitig die Wohnung verlassen müssen, um Waren in XXXX zu kaufen. Später habe ihn sein Angestellter angerufen und mitgeteilt, dass die Polizei XXXX verhaftet und gefoltert habe. Als sein Freund unter Folter seinen Namen verraten habe, hätten sich die Polizisten sofort zu seinem Geschäft begeben und dort seinen Angestellten angetroffen. Diesen hätten sie nach ihm gefragt und habe dieser wahrheitsgemäß angegeben, dass er nach XXXX gefahren sei, um Waren dort zu kaufen. Sein Angestellter heiße XXXX. Als sie zu seinem Geschäft gekommen wären, hätten die Polizisten XXXX mitgenommen. Es sei ihm anzusehen gewesen, dass die Polizisten ihn schlecht behandelt hätten und nehme er an, dass er ihn aus Angst unter Folter verraten habe. Er glaube, dass die Leute der Polizei irgendetwas zugeflüstert hätten wegen der Homosexualität. Als er den Anruf bekommen habe, sei er mit einem Taxi unterwegs gewesen. Er habe dann den Taxifahrer gebeten, stehen zu bleiben. Er habe dann dem Taxifahrer gesagt, dass er etwas in XXXX vergessen habe. Er sei ausgestiegen und zu Fuß in das Dorf XXXX gegangen. Ein Eselgespann hätte ihn dann nach Senegal gebracht. Von XXXX wisse er nur, dass die Polizei ihn nach XXXX gebracht habe. Gefragt, warum die Polizei an diesem Tag nicht gewartet habe, um XXXX und ihn gemeinsam festzunehmen, gab er an, dass die Polizei vielleicht gedacht habe, dass sie beide in der Wohnung wären, aber er habe diese früh verlassen müssen.

In Österreich habe er noch keine Männerbekanntschaften geschlossen. Aus religiösen, ethnischen oder politischen Gründen sei er in Gambia nicht verfolgt worden. Bei einer Rückkehr fürchte er, getötet zu werden. Die Regierung verfolge die Homosexuellen, deswegen traue er sich nicht nach Gambia zurück.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Burgenland vom 27.10.2016, Zahl XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz vom 24.04.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Gambia zulässig sei sowie unter Spruchteil IV. die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen festgelegt.

In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen dargestellt und Feststellungen zu Gambia getroffen. In der Beweiswürdigung wurde der angegebene Sachverhalt in Zweifel gezogen und ausgeführt, dass einige Ungereimtheiten vorliegen, welche insbesondere den Fluchtweg betreffen. Zu den Fluchtgründen wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass, wenn die Polizei tatsächlich Informationen über die homosexuelle Beziehung des Beschwerdeführers erhalten hätte, davon auszugehen gewesen sei, dass die Polizei für einen Zugriff einen solchen Moment hätte abgewartet, in dem eine zeitgleiche Festnahme beider "Verdächtigen" möglich gewesen wäre. Wenn die Polizei mit dem misshandelten Freund vor dem Geschäft erschienen wäre, musste dem Angestellten klar gewesen sein, dass eine Gefahr für den Beschwerdeführer bestehe und dass dieser ihn warne. Diese Vorgangsweise wäre daher kein probates Mittel gewesen, um den Beschwerdeführer aufzufinden. Aufgrund der aufgezeigten Ungereimtheiten stehe fest, dass dem Vorbringen jegliche Glaubhaftigkeit fehle. Zu Spruchteil I. wird insbesondere ausgeführt, dass der Antragsteller eine Verfolgung aus Gründen, wie sie in der GFK taxativ aufgezählt werden ebenso wenig glaubhaft machen habe können wie wohl begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der Grundaussage dieser internationalen Norm.

Zu Spruchteil II. wurde nach Darlegung der Bezug habenden Judikatur und Rechtslage insbesondere darauf hingewiesen, dass in Gambia derzeit keine exzeptionelle Situation (Bürgerkrieg, Seuchen, Hungersnot) bestehe, wodurch eine Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK indiziert wäre. Eine lebensbedrohende Erkrankung oder einen sonstigen auf die Person des Antragstellers bezogenen "außergewöhnlichen" Umstand habe dieser weder behauptet noch bescheinigt. Auch die sonstigen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens hätten bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, welcher gem. § 8 AsylG zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen würde, ergeben.

Zum Spruchteil III. wurde zunächst festgehalten, dass im vorliegenden Fall kein schützenswertes Familienleben in Österreich vorliege. Beim Antragsteller gäbe es wohl gewisse Hinweise auf eine Integration, nämlich den Besuch eines Deutschkurses und den Verkauf der Straßenzeitung XXXX, aber anderseits sei dieser erst seit 24.04.2015 in Österreich aufhältig und zwar nur aufgrund des Antrages auf internationalen Schutz und sei illegal eingereist. Es sei daher ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht zu erteilen gewesen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen gewesen, zumal dieser auch keine vorläufige Maßnahme des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte entgegenstehe. Auch Gründe für die Verlängerung der Frist zur freiwilligen Ausreise wären nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller fristgerecht gegen alle Spruchpunkte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In dieser wurde zunächst das bisherige Vorbringen wiederholt. Zum Thema "Mangelhaftigkeit des Verfahrens" wurde vorgebracht, dass es die Behörde verabsäumt habe, den Antragsteller detailreich über seine sexuellen Neigungen zu befragen. Nicht nachvollziehbar sei auch, warum die Behörde den Besitz von 1.500,-- Euro anzweifle, zumal der Beschwerdeführer gesagt habe, dass er ein Geschäftsmann gewesen sei und gut verdient habe. Aufgrund der Verfolgung von Homosexuellen in Gambia könne die Behörde nicht davon ausgehen, dass dem Antragsteller keine Gefahr einer Verfolgung drohe. Auch hinsichtlich des subsidiären Schutzes hätte die Behörde auf die individuelle Gefährdung des Antragstellers abstellen müssen, welche im vorliegenden Fall nicht nur real, sondern sogar massiv sei. Schließlich wurde hinsichtlich Spruchpunkt III. darauf hingewiesen, dass der Antragsteller in Österreich weder die öffentliche Ruhe noch Ordnung noch die nationale Sicherheit oder das wirtschaftliche Wohl des Landes gefährde und ein weiterer Aufenthalt öffentlichen Interessen nicht entgegenstehen würde. Es hätte daher die vorgenommene Interessensabwägung nicht zu seinem Nachteil ausfallen dürfen, zumal der bekämpfte Bescheid den Antragsteller in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletze. Schließlich wurde ausdrücklich die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung beantragt, um die Fluchtgründe nochmals vor unabhängigen Richtern persönlich und unmittelbar schildern zu können und glaubhaft zu machen und allenfalls auch einen länderkundlichen Sachverständigen beizuziehen. In der Folge wurde eine Bestätigung der Straßenzeitung XXXX sowie Empfehlungsschreiben österreichischer Staatsbürger vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht beraumte eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung für den 20.12.2017 an. Der Beschwerdeführer legte eine Vollmacht des XXXX vor, welcher für diesen auch Deutschkursbestätigungen übermittelte.

Der Beschwerdeführer erschien in Begleitung eines Mitarbeiters des XXXX, während die belangte Behörde auf eine Verhandlungsteilnahme verzichtete. Der Beschwerdeführer hielt sein bisheriges Vorbringen aufrecht und betonte, dass dieses der Wahrheit entspreche. Er sei Staatsangehöriger von Gambia und seien seine Dokumente in Libyen weggenommen worden. Er sei von der Volksgruppe her Fulla und Moslem und am XXXX in der Ortschaft XXXX in der Nähe von XXXX in Gambia geboren. Der 01.01. sei nicht nur von der Behörde als Geburtsdatum angenommen worden, sondern sein tatsächliches Geburtsdatum. Er könne sich erinnern, dass er immer am Neujahrstag Geburtstag gefeiert habe. Er sei in XXXX aufgewachsen. Im Alter von 13 Jahren sei er nach Senegal zur Schulausbildung gegangen, 2001 sei er dann nach Gambia zurückgekehrt und zwar zuerst nach XXXX und dann nach XXXX, wo der Familienbetrieb angesiedelt gewesen sei. Dies sei in der Nähe der senegalesischen Grenze. Er habe acht Jahre lang die Koranschule besucht und keine weitere Ausbildung erhalten. In Gambia habe er vom Handel gelebt und zwar mit Textilien, wirtschaftliche Probleme habe er nie gehabt. Er sei früh selbständig tätig geworden und zwar bis zu jenem Zeitpunkt, als er sein Herkunftsland verlassen habe. Seine Mutter lebe noch, sein Vater sei schon verstorben. Er sei im Jahre 2003 an einer Krankheit gestorben. Er habe eine ältere Schwester, welche in XXXX lebe.

Politisch betätigt habe er sich nie. Er sei homosexuell. Das habe er schon in der Koranschule gemerkt. Dort sei jeglicher sexueller Kontakt zum anderen Geschlecht untersagt gewesen und so wären sie alle homosexuell geworden. Am Anfang habe er damit kein Problem gehabt. In der Schule hätte er sich auch das erste Mal homosexuell betätigt. Sie wären eine Gruppe gewesen und jeder habe seinen homosexuellen Partner gehabt. Die Koranlehrer wären auf so etwas nicht vorbereitet gewesen. Interesse an Mädchen oder Frauen habe er nie gehabt. Er habe auch niemals eine sexuelle Beziehung zu einer Frau gehabt. Erstmals über seine Homosexualität habe er mit einem gewissen XXXX gesprochen, das sei der passive Partner gewesen. Seine Familienangehörigen hätten hingegen nichts von seiner homosexuellen Orientierung gewusst. Er habe Angst gehabt mit seiner Familie darüber zu sprechen. Er habe getrennt von seiner Familie gewohnt, deswegen habe er sich mit seinem Partner auch zuhause treffen können. Sie hätten sich aber auch woanders getroffen, er habe aber alles Mögliche gemacht, um die Beziehung zu verheimlichen und habe seine Homosexualität nicht nach außen getragen. Unter dem früheren Präsidenten lief man in Gambia Gefahr als Homosexueller verhaftet zu werden und einfach zu verschwinden. Durch den Präsidentenwechsel habe sich nichts verändert. Es sei vielleicht aber noch schlimmer geworden. Persönliche Wahrnehmungen von der Verfolgungspraxis von Homosexuellen habe er keine gemacht, aber er habe davon gehört. Von einer Homosexuellenszene habe er dort noch nichts gesehen. Homosexuelle Organisationen gebe es in Gambia nicht. Er habe aber immer wieder gehört bzw. mitbekommen, dass es in größeren Städten Plätze gibt, wo sich bevorzugt Homosexuelle treffen würden. Über Vorhalt, dass aus anderen Asylverfahren betreffend Homosexuelle in Gambia bekannt sei, dass sich Homosexuelle immer wieder am Strand, zum Beispiel auch mit Touristen getroffen hätten, gab der Beschwerdeführer an, dass er auch davon gehört habe, aber das nie persönlich miterlebt habe. Er sei nicht am Strand gewesen, er sei hauptsächlich mit seiner Arbeit beschäftigt gewesen. Seinen Freund habe er, als er von der Koranschule im Senegal zurückgekommen sei, im Jahr 2001 kennengelernt. Beide seien im Handel tätig gewesen. Sie hätten gemeinsam Waren gekauft und abgeholt und hätten dann über viele verschiedene Themen Gespräche geführt. Eines Tages habe er seinem Freund gesagt, dass er homosexuell sei. Dieser habe ihm gesagt, dass er wohl dieselbe Orientierung habe, aber Angst habe, darüber zu sprechen. Sein Freund heiße XXXX. Er sei ein guter Mensch, liebe seine Arbeit und habe Respekt vor ihm. Er sei drei Jahre älter als er, etwas größer, von der Statur her ähnlich. Er habe eine sehr dunkle Hautfarbe und sei immer gut angezogen gewesen. Sein Freund habe sich sehr für Fußball interessiert. Er sei ein Fan von XXXX gewesen. Sie hätten regelmäßig sexuellen Kontakt gehabt, aber gemeinsam gewohnt hätten sie nicht. Er habe aber viel Zeit mit seinem Freund verbracht. Sie hätten sich immer nach der Arbeit getroffen. Sein Freund habe in XXXX gelebt und er in XXXX. Dies sei aber nicht so weit entfernt.

Eines Tages habe er bei seinem Freund übernachtet, sei aber sehr früh aufgebrochen, um Waren in XXXX zu kaufen. Er sei dort gewöhnlich mit einem Taxi hingefahren und die Rückreise habe er dann mit den Waren mit einem LKW gemacht. Kurz nach seiner Abfahrt sei er von seinem Helfer namens XXXX angerufen worden und von der Verhaftung seines Freundes informiert worden. Dieser habe ihm gesagt, dass XXXX verhaftet worden sei und dass sie mit ihm ins Geschäft gekommen wären und ihn gesucht hätte. Er habe ihn auch gewarnt, weiter zu fahren, da es immer wieder Checkpoints gebe und die Polizei ihn suchen würde. Er sei dann gleich aus dem Auto gestiegen und zu Fuß weitergegangen und anschließend mit einem Pferdekarren in den Senegal geflohen. Über Vorhalt, dass er beim BFA (AS 41) von einem Eselgespann gesprochen habe, gab er an, dass er nie von Eseln gesprochen habe. Bei ihnen würden Pferdekarren verwendet. Über Vorhalt, warum er nicht gleich mitverhaftet worden sei, gab er an, dass die Polizei es wohl auf beide abgesehen gehabt hätte, aber sie nichts von seinem Vorhaben, möglichst früh nach XXXX zu fahren, gewusst hätte. Offenbar habe die Polizei von der homosexuellen Beziehung erfahren. Wie sie davon erfahren habe, wisse er nicht. Das könne man auch nicht herausfinden. Sein Freund XXXX sei geschlagen und gefesselt worden. Sie hätten dann ihn ins Geschäft auf der Suche nach ihm mitgenommen, seien aber dahinter gekommen, dass er sich nicht im Geschäft befinde. Was mit ihm dann weiter geschehen sei, wisse er nicht. Er habe nur erfahren, dass er nach XXXX überstellt worden sei. Ob er verurteilt wurde, wisse er auch nicht, aber seiner Erfahrung nach würden Homosexuelle keine Verhandlung bekommen, sondern einfach angehalten werden. Er habe auch nichts weiter über das Schicksal seines Freundes erfahren. Unmittelbar danach habe er die Flucht ergriffen, um sein Leben zu retten. Er sei dann nach Senegal gefahren, habe dort Geld gewechselt und sei dann mit einem Auto weiter Richtung Mali gefahren, von Mali dann nach Niger, anschließend nach Libyen und über das Mittelmeer nach Italien. Mit seinem ehemaligen Mitarbeiter XXXX habe er noch am ehesten Kontakt. Mit seiner Familie vermeide er einen Kontakt. Die finanzielle Versorgung seiner Familie laufe über XXXX. Er habe wohl Probleme mit dem Magen, aber es sei nicht so schlimm. Es behindere ihn nicht in seinem Leben.

Gefragt, was er derzeit in Österreich mache, gab er an, dass er Deutsch lerne und die Zeitung XXXX verkaufe. Dann helfe er auch noch Freunden bei der Gartenarbeit. Er habe in Österreich schon eine homosexuelle Beziehung gehabt, aber sein Freund sei glaublich nach Linz verzogen. Dann sei die Beziehung auseinander gegangen. In seiner Unterkunft, wo er derzeit lebe, könne er seine Homosexualität nicht ausleben. Er lebe außerdem in einer kleinen Ortschaft, wo hauptsächlich Pensionisten wohnen würden. Er suche schon Kontakt zu homosexuellen Personen, aber in diesem kleinen Ort sei das schwierig. Er habe bisher auch noch niemanden über das Internet kennengelernt, aber er suche nach homosexuellen Kontakten. Es gebe auch Personen, die seine Homosexualität bezeugen könnten.

Die Situation der Homosexuellen in Gambia und in Österreich sei sehr unterschiedlich. In Österreich habe jeder Rechte, in Gambia nicht. Er habe vor, im Jänner die A1-Prüfung zu machen. Im kleinen Ort, wo er wohne, habe er nicht die Möglichkeit, Kontakte zu homosexuellen Vereinen herzustellen. Falls er eine positive Entscheidung erhalte, möchte er sich zunächst auf die Erlernung der deutschen Sprache konzentrieren und dann in der Behindertenpflege arbeiten. Wenn er nach Gambia zurückkehre, sei er sich hundertprozentig sicher, dass für ihn dort Lebensgefahr bestünde. Er ersuche daher die österreichischen Behörden, sein Leben zu retten.

Am Schluss der Verhandlung wurden den Verfahrensparteien gem. § 45 Abs. 3 AVG folgende Dokumente zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von drei Wochen eingeräumt:

1. Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Gambia aktualisiert am 25.07.2017

2. ACCORD-Anfragebeantwortung vom 27.03.2017 a-10088 zur aktuellen Situation der Homosexuellen in Gambia.

Innerhalb gleicher Frist könnten auch weitere Dokumente vorgelegt werden.

Verlesen wurde der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers, in dem keine Verurteilung aufscheint.

Von der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme machte ausschließlich der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung Gebrauch. In dieser wurde darauf verwiesen, dass nach wie vor die Homosexualität in Gambia strafbar sei und mit Gefängnisstrafen von mehreren Jahren, allenfalls sogar bei schwerer Homosexualität mit lebenslanger Haft bestraft werde. Der neugewählte Staatspräsident BARROW habe zur Homosexualität nicht klar Stellung genommen, sondern nur gesagt, dass diese kein Thema sei. Eine Änderung der gesetzlichen Lage sei nicht erfolgt. Der Beschwerdeführer könne aus eigenem Erleben bestätigen, dass Personen, welche verdächtigt würden, homosexuell zu sein, von der Polizei verhaftet würden und dann verschwinden. Auch sein Freund XXXX sei nach seiner Festnahme spurlos verschwunden. Vorgelegt wurde weiters ein Schreiben des XXXX, welcher bestätige, dass der Beschwerdeführer in den letzten zwei Jahren homosexuell gewesen sei und er öfters einen Lebensgefährten in der Unterkunft gesehen habe. Weiters werde ein Schreiben des XXXX, welcher das Zimmer im Quartier mit dem Beschwerdeführer teile und das Interesse am selben Geschlecht bestätigen könne, vorgelegt. Auch habe dieser bestätigen können, dass der Beschwerdeführer homosexuell sei und eine Beziehung mit einem Mann gehabt habe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des Beschwerdeführers wird Folgendes festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsbürger von Gambia, gehört der Volksgruppe Fulla an und ist Moslem. Er wurde am XXXX in XXXX in der Nähe von XXXX geboren, wo er auch aufgewachsen ist. Von 1993 bis 2001 besuchte er eine Koranschule in Senegal. Der Beschwerdeführer ist homosexuell. Bereits in der Schule erwachten seine homosexuellen Neigungen und hat er sich im Kreise von Schulkameraden erstmals homosexuell betätigt. Nach seiner Rückkehr nach XXXX zog er in der Folge nach XXXX, wo die Familie einen Textilhandel betrieb. Bei seiner Berufstätigkeit lernte er seinen homosexuellen Freund XXXX kennen, mit dem er in der Folge eine langjährige homosexuelle Beziehung führte und auch viel Zeit verbrachte, aber nicht ständig zusammen wohnte. Vor seiner Familie hielt er seine Homosexualität geheim. Der Beschwerdeführer hatte keine wirtschaftlichen Probleme in Gambia, sein einziges Problem war seine Homosexualität. Sein Freund wurde nämlich im Februar 2014, nachdem der Beschwerdeführer bei seinem Freund die Nacht verbracht hatte, aber schon früh morgens nach XXXX aufbrach, um Waren zu kaufen, von der Polizei (anscheinend aufgrund einer Information aus der Nachbarschaft) verhaftet und gefoltert. Anschließend wurde er zum Geschäft des Beschwerdeführers gebracht, um diesen dort zu suchen. Der Angestellte des Beschwerdeführers rief diesen an, als er nach XXXX unterwegs war. Daraufhin brach der Beschwerdeführer die Fahrt ab und flüchtete sogleich in den Senegal, von dort über Mali und Niger nach Libyen und weiter über das Mittelmeer nach Italien. Über das weitere Schicksal seines homosexuellen Freundes weiß er nichts. Er befürchtet, dass dieser ohne Gerichtsverfahren weiter unter unmenschlichen Bedingungen angehalten wird.

Der Beschwerdeführer leidet außer unter gelegentlichen Magenproblemen unter keinen schwerwiegenden gesundheitlichen oder psychischen Erkrankungen. Er lernt Deutsch, verkauft die Zeitung XXXX und hilft einigen Bewohnern der kleinen Ortschaft, in der er untergebracht ist, bei der Gartenarbeit. Der Beschwerdeführer hatte auch bereits in Österreich eine homosexuelle Beziehung, die allerdings wegen des Ortswechsels seines Partners auseinandergegangen ist und ist derzeit auf der Suche nach einem neuen homosexuellen Partner, was in der kleinen ländlichen Ortschaft allerdings schwierig ist. Jedenfalls gibt es mehrere Personen, die die homosexuelle Orientierung und diesbezügliche Aktivitäten des Beschwerdeführers auch in Österreich bezeugen können. Bei Vereinen oder Institutionen ist er nicht Mitglied, er verfügt aber schon über Kontakte zu Österreichern und möchte demnächst das A1-Deutschdiplom erwerben.

Der Beschwerdeführer ist unbescholten.

Zur Gambia wird folgendes festgestellt:

1. Neuste Entwicklung:

Nach wochenlangem Hin und Her hat der Langzeitherrscher Jammeh am Samstagabend schließlich Gambia verlassen und Platz gemacht für seinen legitimen Nachfolger Barrow. Er geht nach Äquatorialguinea ins Exil (NZZ 22.1.2017; vgl. DS 22.1.2017). In der gambischen Hauptstadt Banjul brachen die Bewohner in Jubel aus und feierten die ganze Nacht in den Straßen (NZZ 22. 1. 2017).

Die Truppen der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS, bestehend aus Soldaten aus Senegal, Nigeria, Ghana, Togo und Mali, werden zunächst nicht zurückgezogen. Sie waren seit Donnerstag an strategischen Grenzorten rund um Gambia stationiert (NZZ 22. 1.2017). Dann rückten die ECOWAS-Truppen – mit Billigung der UNO – in Gambia ein (DS 22. 1. 2017; vgl. WP 22. 1. 2017), wo sie am Sonntag von der gambischen Bevölkerung mit Freudentänzen begrüßt wurden. Die Militärmission wird bis zur definitiven Amtsübernahme des neuen Präsidenten Barrow die Sicherheit im Land garantieren (NZZ 22. 1. 2017; vgl. TWP 22. 1. 2017). Die gambische Armee wurde entwaffnet (NZZ 22. 1. 20179 bzw. mussten Teile der Sicherheitskräfte "immobilisiert" werden, wie ein ECOWAS-Sprecher angab (TWP 22. 1. 2017).

Der neue Präsident Barrow wird nun ein Kabinett bilden und den Ausnahmezustand offiziell beenden. Schon am Sonntag kehrte das Leben zurück in die Straßen. Geschäfte und Restaurants sperrten wieder auf, und Menschen tanzten in den Straßen. Einige der rund 45.000 Personen, die präventiv aus dem Land geflüchtet waren, kehrten bereits nach Gambia zurück (TWP 22. 1. 2017).

Quellen:

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DS – Der Standard (22. 1. 2017): Gambias Langzeit-Präsident gibt auf: Jammeh ins Exil geflogen,

http.77derstandard.at/2000051269844/Unblutiger-Machtwechsel-in-Gambia-Jammeh-tritt-doch-zurueck?ref=rec, Zugriff 23. 1.2017

-

NZZ – Neue Zürcher Zeitung (22. 1. 2017): Jammeh geht nach Äquatorialguinea ins Exil,

https://www.nzz.ch/international/gambias-ex-praesident-jammeh-im-exil-in-aequatorialguinea-angekommen-ld. 141177, Zugriff 23. 1. 2017

-

TWP – The Washington Post (22. 1. 2017): Gambia’s ex-leader made off with millions, luxury cars, https://www.washingtonpost.com/world/africa/gambias-defeated-leader-leaves-country-ends-standoff/2017/01/21/4e46503e-e037-11e6-8902-610fe486791c_story.html?utm_term=.07012ae59564, Zugriff 23. 1. 2017

2. Sicherheitslage

Die politische Situation ist zwar weiterhin stabil, wurde jedoch im Zuge der Häufung von politischen Demonstrationen und der Verhaftung von Oppositionspolitikern ab April 2016 unruhiger. Im Vorfeld der für Dezember 2016 geplanten Präsidentschaftswahlen fanden seit April wiederholt Märsche bzw. Demonstrationen von Anhängern der Oppositionsparteien statt. Diese wurden mitunter gewaltsam von den Sicherheitskräften aufgelöst und es kam zu Verhaftungen von Oppositionspolitikern (BMEIA 17.8.2016; vgl. BAMF 25.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.8.2016): Reise & Sicherheit - Gambia - Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/GambiaSicherheit.html?nn=368308#doc368274bodyText1, Zugriff 22.8.2016

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (25.4.2016):

Briefing Notes,

http://www.ecoi.net/file_upload/4765_1461673868_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-25-04-2016-deutsch.pdf, Zugriff 18.8.2016

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (22.8.2016): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität,

http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 22.8.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht - Gambia

3. Allgemeine Menschenrechtslage

Das gambische Recht basiert auf einer Kombination aus Common Law, Scharia und Gewohnheitsrecht. Prinzipiell gewährt die Verfassung von 1997 den Bürgern weitreichenden Schutz, wie z.B. Schutz der persönlichen Freiheit sowie vor willkürlicher Festnahme und Haft (Art. 19), der Meinungs-, Versammlungs-, und Glaubensfreiheit (Art. 25) oder der Pressefreiheit (Art. 207 und 208). Die in der Verfassung garantierten Rechte werden jedoch auf einfachgesetzlicher Ebene teilweise stark eingeschränkt, was zu einer großen Diskrepanz zwischen Verfassung und gelebter Realität führt (ÖB 9.2015).

Zu den schwersten Menschenrechtsverletzungen zählen Folter, willkürliche Verhaftungen, das Verlängern von Vorverhandlungen und Isolationshaft, das Verschwindenlassen von Bürgern und behördliche Schikanen und Übergriffe auf ihre [Behörden] Kritiker. Regierungsbeamte wenden regelmäßig verschiedene Einschüchterungsmethoden an, um ihre Macht beizubehalten. Obwohl die Regierung Schritte unternommen hat, um einige Personen zu strafen oder zu ahnden, die Missbräuche begangen haben, bleibt die Straffreiheit [von Tätern] und die fehlende konsequente Durchsetzung weiterhin ein Problem (USDOS 13.4.2016).

Die Meinungs- und Pressefreiheit sind gesetzlich vorgesehen, werden in der Praxis aber eingeschränkt. Die wichtigsten nationalen Medien sind unter staatlicher Kontrolle, darunter der einzige nationale Fernsehsender. Daneben existieren acht private Printmedien und neun private Radiosender (ÖB 9.2015; vgl. FH 27.1.2016).

Die Versammlungsfreiheit ist in der Verfassung und anderen Gesetzen vorgesehen. Die Polizei lehnt jedoch systematisch Anträge zur Genehmigung von Demonstrationen ab, einschließlich der friedlichen, und verweigert gelegentlich Oppositionsparteien, die politische Kundgebungen halten wollen, Genehmigungen zu erteilen (USDOS 13.4.2016). NGOs arbeiten unter ständiger Bedrohung durch Repressalien und Inhaftierung der Regierung (FH 27.1.2016).

Quellen:

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World, Gambia, the, http://www.ecoi.net/local_link/322484/461961_de.html, Zugriff 19.8.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht - Gambia

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/322484/461961_de.html, Zugriff 18.8.2016

4. Haftbedingungen

Die Haftbedingungen sind hart und lebensbedrohlich. Die Zellen sind überfüllt, feucht und schlecht belüftet. Das Mile 2 [Anm.:

Zentralgefängnis in der Hauptstadt Banjul], welches eine Kapazität von 450 Insassen hat, hält 536 Gefangene. Die Insassen beschweren sich oft über schlechte Hygiene, Lebensmittel und dass sie manchmal am Boden schlafen. Die Zuführung von Lebensmitteln von Außerhalb ist nur bis zur Verurteilung erlaubt. Die medizinischen Einrichtungen in den Haftanstalten sind schlecht. Die Todesrate unter Häftlingen ist ehemaligen Insassen und NGOs zufolge hoch (USDOS 13.4.2016). Der UN-Sonderbericht vom März 2015 über Folter äußert Bedenken über die Haftbedingungen (AI 24.2.2016; vgl. HRW 27.1.2016).

Den Häftlingen stehen sowohl ein Besuchs- als auch ein Beschwerderecht zu, welche im Allgemeinen gewährt werden. Beides gestaltet sich jedoch mitunter schwierig. Hindernisse werden hauptsächlich mit der jeweiligen Gefängnisordnung gerechtfertigt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat seit 2006 keinen Zugang mehr zu den gambischen Gefängnissen, bis dato konnte keine Einigung über ein diesbezügliches Abkommen mit der gambischen Regierung gefunden werden. Das Büro in Banjul wurde daher geschlossen und das Land wird vom Senegal aus betreut. (ÖB 9.2015).

Quellen:

-

AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty Report - Gambia 2016,

https://www.amnesty.de/jahresbericht/2016/gambia?destination=node%2F2919%3Fcountry%3D134%26topic%3D%26node_type%3Dai_annual_report%26from_month%3D0%26from_year%3D%26to_month%3D0%26to_year%3D%26submit_x%3D103%26submit_y%3D14%26result_limit%3D50%26form_id%3Dai_core_search_form#folterundanderemisshandlungen, Zugriff 22.8.2016

-

HRW - Human rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Gambia, http://www.ecoi.net/local_link/318342/457342_de.html, Zugriff 19.8.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (10.2014): Asylländerbericht

-

Gambia

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/322484/461961_de.html, Zugriff 16.8.2016

5. Todesstrafe

Die Todesstrafe ist in Gambia formell noch in Kraft und wird auch weiterhin für schwere Delikte (Mord und Hochverrat) verhängt (ÖB 9.2015). Das seit 1985 bestehende de facto-Moratorium bezüglich ihrer Vollstreckung wurde am 23.8.2012 mit der Hinrichtung von neun Personen aufgehoben. Offizielle Begründung für die Wiederaufnahme der Hinrichtungen war eine angeblich stark gestiegene Verbrechensrate. Die Exekutionen wurden von einer gezielten Desinformationskampagne der Regierung begleitet. Aufgrund der internationalen Empörung und vor allem des Drucks seiner afrikanischen Partner setzte Präsident Jammeh am 14.9.2012 das de facto-Moratorium wieder in Kraft, behielt sich aber vor dieses wieder auszusetzen, sollte es wieder zu einer ehrhöhten Verbrechensrate kommen (ÖB 9.2015).

Zuletzt wurde die Todesstrafe in Gambia im Sommer 2012 vollstreckt (AA 17.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (17.8.2016): Reise- und Sicherheitshinweise - Gambia - Besondere strafrechtliche Vorschriften, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GambiaSicherheit_node.html, Zugriff 17.8.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht – Gambia

6. Religionsfreiheit

Schätzungsweise sind 90 Prozent der rund 1,9 Einwohner Gambias Muslime, die meisten davon sind Sunniten. Die christliche Gemeinde, welche sich hauptsächlich im Westen und Süden des Landes befindet, macht neun Prozent der Bevölkerung aus. Rund ein Prozent der Bevölkerung praktiziert indigene animistische Glaubensrichtungen, obwohl viele Muslime und Christen einige traditionelle Praktiken aufrechterhalten (USDOS 10.8.2016). Zu anderen Gruppen gehören die Bahai, eine kleine Hindu-Gemeinschaft unter südasiatischen Einwanderern und Geschäftsleuten, und eine kleine Gemeinschaft von Eckankar Mitgliedern (USDOS 10.8.2016).

Die Verfassung verbietet religiöse Diskriminierung, das Einrichten einer Staatsreligion und auf Religion basierende politische Parteien. Präsident Yahya Jammeh erklärte das Land am 10.12.2015 zu einem islamischen Staat, in dem die Scharia gilt (USDOS 10.8.2016). Die Religionsfreiheit ist in der Regel geschützt. Allerdings visieren die Behörden gelegentlich muslimische Gruppen oder Geistliche an, die von den Praktiken des regierungsnahen Obersten Islamischen Rat abweichen. Der Religionsunterricht in der Schule ist verpflichtend (FH 27.1.2016). Heiraten zwischen Muslimen und Christen sind üblich (USDOS 10.8.2016). Sowohl was das ethnische als auch religiöse Zusammenleben anbelangt, ist Gambia durch eine friedliche Koexistenz der diversen Ethnien und Religionen gekennzeichnet (ÖB 9.2015; vgl. FH 21.1.2016).

Quellen:

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/327612/468230_de.html, Zugriff 17.8.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht - Gambia

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USDOS - U.S. Department of State (10.8.2016): Report on International Religious Freedom - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/328322/469101_de.html, Zugriff 19.8.2016

7. Ethnische Minderheiten

Der Volkszählung aus dem Jahr 2015 zufolge hat Gambia 1.967.709 Einwohner. 33,8 Prozent gehören der Volksgruppe der Mandinka an, 22,1 Prozent den Fula/Fulbe, 12,2 Prozent den Wolof, 10,9 Prozent den Jola/Diola, 7 Prozent den Serahuli, 3,2 Prozent den Serer, 2,1 Prozent der Manjago, 1 Prozent der Bambara u.a. (CIA 29.7.2016). Die Amtssprache ist Englisch, die wichtigsten Umgangssprachen sind Mandinka, Wolof, Diola und Fula (ÖB 9.2015).

Es gibt keine Statistiken, wie viele Mitglieder ethnischer Minderheiten in der Legislative oder im Regierungskabinett vertreten sind. Präsident Jammeh und viele Mitglieder seiner Verwaltung gehören der ethnischen Minderheitengruppe der Jola an (USDOS 13.4.2016).

Sowohl was das ethnische als auch religiöse Zusammenleben anbelangt ist Gambia durch eine friedliche Koexistenz der diversen Ethnien und Religionen gekennzeichnet (ÖB 10.2014; vgl. FH 27.1.2016).

Quellen:

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CIA - Central Intelligence Agency (29.7.2016): The World Factbook

-

Gambia, The - Government,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ga.html, Zugriff 12.8.2016

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/327612/468230_de.html, Zugriff 17.8.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht - Gambia

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2015): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/322484/461961_de.html, Zugriff 12.8.2016

8. Homosexuelle

Homosexualität ist in Gambia strafbar und wird mit Gefängnisstrafen von mehreren Jahren geahndet (AA 12.8.2016; vgl. BMEIA 18.8.2016), die bis zu 14 Jahren Haft führen kann (ÖB 9.2015). Hohe Repräsentanten des gambischen Staates haben die Bevölkerung in öffentlichen Reden zur Anzeige Homosexueller aufgerufen. Das Vorgehen der gambischen Behörden scheint sich eher zu verschärfen (AA 12.8.2016). Generell wird Homosexualität als unafrikanisch und Versuch des Westens gesehen, die lokale Kultur zu pervertieren. Auch abseits der Gesetzeslage ist die gesellschaftliche Akzeptanz der Homosexualität praktisch nicht gegeben und öffentliches Zurschautragen stößt auf Ablehnung (ÖB 9.2015).

In Gambia trat am 9.10.2014 ein Gesetz in Kraft, das bei "schwerer Homosexualität" eine Strafe von bis zu lebenslanger Haft vorsieht (AI 20.11.2014; vgl. HRW 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Die Gesetzesnovellierung Criminal Code (Amendment) Act 2014 führte die Straftat der verstärkten Homosexualität ein (AI 20.11.2014), unter dieser versteht das Gesetz u.a. homosexuelle "Wiederholungstäter", homosexuelle Handlungen mit Minderjährigen (unter 18 Jahren), Schutzbefohlenen, Behinderten, drogenabhängigen bzw. HIV-infizierten Personen (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016, HRW 27.1.2016). Obwohl Homosexualität in Gambia illegal ist und es Berichte über Verhaftungen bzw. Misshandlungen gegeben hat, kam es nicht zu strafrechtlichen Verurteilungen. Allerdings dokumentiert eine von UKHO nicht näher bezeichnete Quelle, dass die Anzahl der Fälle von Verhaftungen und Belästigungen nach der Verabschiedung des neuen Gesetzes angestiegen sind (UKHO 1.2016).

Homosexuelle Personen werden stark von der Gesellschaft diskriminiert und werden nicht vom Anti-Diskriminierungsgesetz geschützt (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (12.8.2016): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise,

http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/GambiaSicherheit_node.html, Zugriff 12.8.2016

-

AI - Amnesty International (20.11.2014): Further Information on Urgent Action: 226/14,

http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-226-2014-1/erste-festnahmen-nach-homophobem-gesetz?destination=node/5309?support_type=&node_type=&country=&topic=&from_month=0&from_year=&to_month=0&to_year=&submit_x=41&submit, Zugriff 12.8.2016

-

BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (18.8.2016): Reise & Aufenthalt - Gambia - Sicherheit und Kriminalität,

http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 18.8.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - Gambia, http://www.ecoi.net/local_link/318342/457342_de.html, Zugriff 19.8.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (9.2015): Asylländerbericht – Gambia

-

UKHO - U.K Home Office (1.2016): Country Information and Guidance

-

The Gambia: Sexual orientation and gender identity, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/489450/Gambia_Sexual_orientation_Jan_2016__2016_01_05.pdf, Zugriff 24.8.2016

-

USDOS - U.S. Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - Gambia, The, http://www.ecoi.net/local_link/270711/400794_de.html, Zugriff 12.8.2016

9. Grundversorgung/Wirtschaft

Gambia ist eines der ärmsten Länder in Afrika und steht 2015 im Human Development Index der Vereinten Nationen an 175. Stelle von 188 (IFAD 3.2016). Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (IFAD 3.2016; vgl. CIA 29.7.2016).

Gambia ist eine kleine und nur wenig entwickelte Volkswirtschaft mit einer sehr schmalen wirtschaftlichen Basis und geringem Diversifizierungsgrad. Die Außenwirtschaft ist stark von Re-Exporten, Tourismus und Überweisungen der Auslandsgambier abhängig. Nach dem Wachstumseinbruch in Folge der 2011er Dürre konnte sich die Wirtschaft 2012 und 2013 erholen. Für 2015 sollte die Wirtschaft ein Wachstum von 5 Prozent einfahren. Die wichtigsten Wachstumsmotoren sollten dabei die bisherigen zwei Säulen Landwirtschaft und Tourismus bleiben. Gambia besitzt keine nennenswerten Bodenschätze, die sich wirtschaftlich erschließen ließen (ÖB 9.2015).

Rund drei Viertel der Bevölkerung hängen für ihren Lebensunterhalt vom Landwirtschaftssektor ab (CIA 29.7.2016; vgl. IFAD 3.2016), etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes wird in diesem Sektor erwirtschaftet (CIA 29.7.2016).

Der Großteil der Bevölkerung ist entweder im Agrarsektor tätig (wo sie nicht von offiziellen Statistiken erfasst wird) oder im informellen Wirtschaftssektor (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Der formelle Wirtschaftssektor ist nur schwach ausgeprägt und beschränkt sich meist auf den öffentlichen Sektor und im Land tätige ausländische Unternehmen. Laut der gambischen Integrated Household Survey 2010 (IHS) gehen 73 Prozent der Bevölkerung einer Beschäftigung (Kleinhandel, Kleinhandwerk, Gelegenheitsjobs, Straßenverkauf, usw.) nach, wovon 96 Prozent im informellen Sektor tätig sind (ÖB 9.2015).

Der gesetzliche Mindestlohn (im formellen Sektor) für ungelernte Arbeiter beträgt GMD 50 pro Tag bei einer staatlich festlegten Armutsgrenze von GMD 38 pro Tag (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016). Dies gilt nur für 20 Prozent der im formellen Sektor beschäftigten Arbeitskräfte (USDOS 13.4.2016). Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sind weiterhin hoch (CIA 29.7.2016). Es ist jedoch in Gambia, wie auch in anderen Ländern der Region, durchaus üblich in der Großfamilie oder im Familienverband zu leben bzw. von diesem Unterstützung zu erhalten (ÖB 9.2015; vgl. USDOS 13.4.2016)

Quellen:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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