TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/26 2000/06/0037

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Veröffentlicht am 26.05.2000
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;

Norm

BauO Tir 1998 §20 Abs1 litc;
BauO Tir 1998 §20 Abs1 litc;
BauO Tir 1998 §20 Abs3 lita;
BauO Tir 1998 §22 Abs3;
BauRallg;
Bauvorschriften Tir 1998 §1 Abs1;
Bauvorschriften Tir 1998 §2;
B-VG Art140;
MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde 1. des J und 2. der R, beide in O, beide vertreten durch Dr. H und Dr. K, Rechtsanwälte in I, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 4. Februar 2000, Zl. Ve1-550-2854/1-1, betreffend Feststellung gemäß § 22 Abs. 3 Tir. Bauordnung 1998 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Sölden, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Mit Baubewilligungsbescheid vom 20. Mai 1977 wurde den Beschwerdeführern als Eigentümer des näher angeführten Grundstückes im Zuge der Errichtung eines Zubaues zum Hotel A. im zweiten Untergeschoß die Errichtung von Kellerräumlichkeiten bzw. eines Magazins genehmigt. In der Folge haben die Beschwerdeführer in diesem Bereich fünf Personalzimmer und an den an der westseitigen Grundgrenze zur Liegenschaft des Hotels E. situierten Kellerräumen drei Fenster ausgebaut. An innenräumlichen Baumaßnahmen wurde die Errichtung dreier Zimmertrennwände sowie der Einbau von Duschen und WC's vorgenommen.

Mit Eingabe vom 5. Juli 1999 beantragten die Beschwerdeführer die nachträgliche Bewilligung der durchgeführten Baumaßnahmen bzw. Nutzungsänderungen mit dem Hinweis, dass nach Meinung der Antragsteller für die genannten Maßnahmen lediglich eine Bauanzeige mit Bewilligung der Nutzungsänderung erforderlich sei. Nach den Ausführungen in der Beschwerde hatten die Beschwerdeführer eine Bauanzeige erstattet.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. Juli 1999 wurde gemäß § 22 Abs. 3 Tir. Bauordnung 1998 festgestellt, dass diese Bauanzeige ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 20 Tir. Bauordnung 1998 betreffe.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 10. November 1999 als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieser Entscheidung wurde insbesondere das im Verfahren abgegebene hochbautechnische Gutachten des Dipl. Ing. A.R. vom 10. Oktober 1999 wiedergegeben.

Die dagegen von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Nutzungsänderung von bewilligten Keller- bzw. Magazinräumlichkeiten in Personalzimmer, sowie damit einhergehend die Durchführung baulicher Maßnahmen, wie der Einbau von sanitären Anlagen und die Errichtung von Trennwänden, verfahrensgegenständlich sei. Die Änderung der Nutzung von Kellerräumlichkeiten nunmehr als Personalzimmer stelle eine Änderung des Verwendungszweckes dar. Ob diese Änderung des Verwendungszweckes auch ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. c Tir. Bauordnung 1998 darstelle, sei entsprechend dem Gesetzeswortlaut danach zu beurteilen, ob diese Änderung des Verwendungszweckes auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein könne. Dabei würden die Beschwerdeführer den relevaten Prüfungsmaßstab verkennen. Prüfungsmaßstab sei entgegen dem Vorbringen nicht die Frage, ob bau- oder raumordnungsrechtliche Vorschriften tatsächlich beeinflusst würden. Vielmehr sei zur Beurteilung alleine maßgeblich, ob die geänderte Nutzung abstrakt geeignet sei, auf die Zulässigkeit des Gebäudes von Einfluss zu sein. Dies erfordere einen Vergleich des früheren (bewilligten oder aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweckes) mit dem nunmehrigen Verwendungszweck. Der Beurteilung seien als Maßstab die bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften zugrunde zu legen. Die gegenständliche Nutzungsänderung könnte etwa im Hinblick auf die Abstandsvorschriften der Tiroler Bauordnung 1998 von Einfluss sein. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass das Gebäude in seinem von den vorliegenden Baumaßnahmen betroffenen Teilen im Abstandsbereich situiert sei. Die Abstandsregelungen der Tiroler Bauordnung 1998 erlaubten aber nur die Errichtung gewisser im Gesetz genau festgelegter Bauvorhaben im Abstandsbereich, wobei wiederum Bauvorhaben, die dem Aufenthalt von Menschen dienten, nur sehr eingeschränkt zulässig seien. Eine abstrakte Einflussmöglichkeit auf baurechtliche Abstandsvorschriften und damit eine bewilligungspflichtige Verwendungszweckänderung sei sohin bereits aus diesen Überlegungen gegeben. Es sei nicht Gegenstand des anhängigen Feststellungsverfahrens gemäß § 22 Abs. 3 Tir. Bauordnung 1998, zu beurteilen, ob das beantragte Bauvorhaben im Ergebnis bewilligungsfähig sei oder nicht.

In einem Baubewilligungsverfahren sei u.a. auch zu prüfen, ob die vorliegende Bausache dem § 6 Abs. 9 Tir. Bauordnung 1998 grundsätzlich unterstellt werden könnte, sowie zu beurteilen, ob die zur Abklärung der dort aufgestellten Sachverhaltskriterien (etwa Erfordernisse des Brandschutzes, zusätzliche nachteilige Auswirkungen auf angrenzende Grundstücke etc.) eingeholten Sachverständigengutachten den gesetzlichen Erfordernissen entsprächen. Auf Einwendungen der Beschwerdeführer betreffend die Mangelhaftigkeit des hochbautechnischen Gutachtens sei daher im vorliegenden Feststellungsverfahren nicht einzugehen gewesen. Es werde festgestellt, dass der Sachverständige Tatsachen zu erheben und daraus Schlussfolgerungen zu ziehen habe. Der Sachverständige habe somit Tatsachen klarzustellen und aufgrund seiner Sachkenntnisse deren allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen. Er müsse aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben, keinesfalls obliege ihm hingegen die Lösung von Rechtsfragen. Durch die Nutzungsänderung der Kellerräumlichkeiten in Personalräume sei weiters eine abstrakte Einflussmöglichkeit auf die Zulässigkeit im Hinblick auf die Erfordernisse der Technischen Bauvorschriften gegeben. So beinhalteten diese Regelungen beispielsweise konkrete Vorschriften für die Zulässigkeit von Aufenthaltsräumen, insbesondere etwa im Hinblick auf die Belichtung, Belüftung, lichte Raumhöhen usw. Ein möglicher Einfluss der beantragten Verwendung könne etwa auch im Hinblick auf Brandschutzerfordernisse, Sicherheit und gesundheitliche Verhältnisse bestehen. Denkbar sei auch eine abstrakte Einflussmöglichkeit im Hinblick auf die Verpflichtung nach § 8 Abs. 1 Tir. Bauordnung 1998, nämlich etwa bei Entstehen eines zusätzlichen Bedarfes (etwa durch Vergrößerung des Personalstandes), eine entsprechende Zahl von Stellplätzen vorzusehen. Aus all diesen Gründen sei jedenfalls von einer bewilligungspflichtigen Verwendungszweckänderung im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. c Tir. Bauordnung 1998 auszugehen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 22 Abs. 1 Tir. Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15 (im Folgenden: TBO), ist die Bauanzeige bei der Behörde schriftlich einzubringen. Gemäß Abs. 3 dieser Bestimmung hat die Behörde das angezeigte Bauvorhaben zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Bauvorhaben bewilligungspflichtig ist, so hat die Behörde dies innerhalb eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid festzustellen. Ist das angezeigte Bauvorhaben nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften unzulässig, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb derselben Frist mit schriftlichem Bescheid zu untersagen.

Gemäß § 20 Abs. 1 lit. c TBO bedarf die Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden, wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann, einer Bewilligung, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt. Hiebei ist vom bewilligten Verwendungszweck bzw. bei Gebäuden für die aufgrund früherer baurechtlicher Vorschriften ein Verwendungszweck nicht bestimmt wurde, von dem aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Verwendungszweck auszugehen. Die Verwendung von bisher anderweitig verwendeten Gebäuden, Wohnungen oder sonstigen Gebäudeteilen als Freizeitwohnsitz bedarf außer im Falle der Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 15 Abs. 5 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 1997 jedenfalls einer Baubewilligung.

Gemäß § 20 Abs. 3 lit. a TBO bedürfen weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige Baumaßnahmen im Inneren von Gebäuden, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse nicht wesentlich berührt werden, sowie die Anbringung von Vollwärmeschutz und der Austausch von Fenstern und Balkontüren, wenn dadurch die äußere Gestaltung des Gebäudes nicht wesentlich berührt wird.

Gemäß § 6 Abs. 9 TBO dürfen, wenn ein nach den baurechtlichen Vorschriften rechtmäßig bestehendes Gebäude die Mindestabstände nach Abs. 1 lit. a oder b unterschreitet, diese auch bei einem Umbau oder einem geringfügigen Zubau oder einer sonstigen Änderung des betreffenden Gebäudes, bei einer Änderung seines Verwendungszweckes oder bei seinem Wiederaufbau im Falle des Abbruches oder der sonstigen Zerstörung bis auf die bisherigen Abstände unterschritten werden, wenn den Erfordernissen des Brandschutzes entsprochen wird und bei einer Änderung des Verwendungszweckes weiters keine zusätzlichen nachteiligen Auswirkungen auf die angrenzenden Grundstücke, insbesondere durch Lärm, zu erwarten sind.

Die Beschwerdeführer wenden sich zunächst dagegen, dass die belangte Behörde bei jeder abstrakten Einflussmöglichkeit einer Änderung des Verwendungszweckes auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften eine Baubewilligungspflicht annehme. Diese Auslegung widerspreche eindeutig den Absichten des Gesetzgebers. Die erstinstanzliche Behörde habe darüber hinaus ohne ausreichende Begründung, worin etwa im konkreten Fall der Einfluss auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften bestehe, festgestellt, dass die Nutzungsänderung baubewilligungspflichtig sei. Weiters sei § 20 Abs. 3 TBO nicht berücksichtigt worden, nach dem Baumaßnahmen im Inneren von Gebäuden unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, die im vorliegenden Fall gegeben seien, weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige bedürften.

Zunächst ist festzustellen, dass § 20 Abs. 3 lit. a TBO nur für solche Baumaßnahmen zur Anwendung kommen kann, die nicht gemäß § 20 Abs. 1 bewilligungspflichtig sind. Es ist somit die Frage zu beantworten, ob im vorliegenden Falle eine Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden im Sinne des § 20 Abs. 1 lit. c TBO vorliegt, die auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann. Zutreffend hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass es dabei auf die abstrakte Einflussmöglichkeit ankommt, nicht darauf, dass die Massnahme tatsächlich von Einfluss ist. Auch wenn die neuen bauordnungsrechtlichen Vorschriften eine Vereinfachung und Entbürokratisierung der bestehenden Vorschriften erreichen wollten, ist in Bezug auf die im § 20 Abs. 1 lit. c TBO geregelte Änderung des Verwendungszweckes von Gebäuden der Wortlaut dieser Regelung maßgeblich, nach dem eine solche Änderung dann bewilligungspflichtig ist, "wenn sie auf die Zulässigkeit des Gebäudes nach den bau- oder raumordnungsrechtlichen Vorschriften von Einfluss sein kann".

Soweit die Beschwerdeführer darauf verweisen, dass gemäß § 6 Abs. 9 TBO bei rechtmäßig bestehenden Gebäuden auch innerhalb der Mindestabstände zur Nachbarliegenschaft die Möglichkeit der Änderung des Verwendungszweckes unter bestimmten weiteren Voraussetzungen zulässig ist, sind die Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass die Frage der allfälligen Zulässigkeit der Schaffung von Personalzimmern und der damit einhergehenden baulichen Maßnahmen im Lichte u.a. § 6 Abs. 9 TBO erst in einem Baubewilligungsverfahren zu prüfen ist.

Die belangte Behörde hat zutreffend darauf verwiesen, dass durch die vorliegende Nutzungsänderung der Kellerräumlichkeiten in Personalräume auch eine abstrakte Einflussmöglichkeit auf die Zulässigkeit im Hinblick auf die Erfordernisse der technischen Bauvorschriften gegeben sei. Zutreffend verweist die belangte Behörde auf die Vorschriften betreffend die Zulässigkeit von Aufenthaltsräumen und ihrer Belichtung, Belüftung, lichten Raumhöhe, in den Tiroler Bauvorschriften (TBV), LGBl. Nr. 89/1998, (vgl. etwa § 2 Abs. 1- 6 betreffend die Raumhöhe, die Belichtung und Belüftung, die Beheizung). Die beantragte Verwendung kann aber auch - wie die belangte Behörde dies zutreffend vertreten hat - im Hinblick auf Brandschutzerfordernisse und die gesundheitlichen Verhältnisse von Einfluss sein (vgl. insbesondere § 1 Abs. 1 TBV). Die belangte Behörde hat daher zutreffend die Auffassung vertreten, dass das angezeigte Bauvorhaben gemäß § 20 Abs. 1 lit. c TBO bewilligungspflichtig ist.

Abschließend wird festgestellt, dass der Verwaltungsgerichtshof dagegen, dass Verwendungszweckänderungen gemäß § 20 Abs. 1 lit. c TBO unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen bewilligungspflichtig sind, in verfassungsrechtlicher Hinsicht keine Bedenken hat. Gemäß der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes sind Eigentumsbeschränkungen (eine solche stellt das Erfordernis einer Baubewilligung für ein Bauvorhaben dar) zulässig, wenn sie im öffentlichen Interesse gelegen und verhältnismäßig sind (siehe u.a. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Juni 1995, Slg. Nr. 14.142/1995, und Öhlinger, Verfassungsrecht4, 366, Rz 877). § 20 Abs. 1 lit. c TBO erscheint in dieser Hinsicht verfassungsrechtlich unbedenklich.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. Mai 2000

Schlagworte

Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:2000060037.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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