RS Vfgh 2017/11/30 G131/2017 ua

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 30.11.2017
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
BAO §207 Abs2, §209 Abs1, §304

Leitsatz

Gleichheitswidrigkeit der Beschränkung der Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens infolge Anknüpfens an die Verjährungsfrist von drei bzw fünf Jahren

Rechtssatz

Aufhebung des §304 BAO idF BGBl I 14/2013.

Die Bestimmung entspricht im Wesentlichen jenen Bestimmungen, welche der VfGH mit den Erkenntnissen VfSlg 13114/1992 und VfSlg 13778/1994 als verfassungswidrig aufgehoben hat. Die Aufhebung erfolgte nicht bloß deshalb, weil die Bestimmungen eine Besserstellung der amtswegigen gegenüber der antragsgebundenen Wiederaufnahme bewirkten, sondern (auch) weil sich diese Regelungen als unsachlich erwiesen.

Die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des verwaltungsbehördlichen Verfahrens entfaltet ihre Bedeutung für den Betroffenen erst nach Abschluss eines etwaigen Rechtsmittelverfahrens: Da in diesem kein Neuerungsverbot besteht (§270 BAO), bietet die durch den Antrag auf Wiederaufnahme bewirkte Eröffnung eines zweiten Verfahrens über dieselbe Sache keinen im gegebenen Zusammenhang zu berücksichtigenden Vorteil. Erst ab dem Zeitpunkt, ab dem der Betroffene gehindert wird, das in §303 Abs1 BAO genannte Vorbringen in einem laufenden Verfahren zu erstatten, erlangt die Möglichkeit, das Verfahren wiederaufzunehmen, Bedeutung. Durch die Maßgeblichkeit der (drei- bzw fünfjährigen; s §207 Abs2 BAO) Verjährungsfrist für die Möglichkeit einer Wiederaufnahme wird es aber - selbst unter Berücksichtigung des §209 Abs1 BAO, wonach sich die Verjährungsfrist durch Verfolgungshandlungen um ein Jahr verlängert - in vielen Fällen nicht mehr möglich sein, nach Abschluss des (Rechtsmittel-)Verfahrens eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erwirken; so etwa dann, wenn die Abgabenbehörde den Bescheid erst nach Ablauf der Verjährungsfrist erlässt. In diesem Zusammenhang ist auch von Bedeutung, dass §304 BAO nicht zwischen den verschiedenen Wiederaufnahmegründen differenziert.

§304 BAO widerspricht daher dem aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebot.

(Anlassfall E250/2017, E v 04.12.2017, Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses).

Entscheidungstexte

  • G131/2017 ua
    Entscheidungstext VfGH Erkenntnis 30.11.2017 G131/2017 ua

Schlagworte

Finanzverfahren, Wiederaufnahme, Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2017:G131.2017

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten