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37/02 KreditwesenNorm
B-VG Art91Leitsatz
Abweisung von Anträgen des Bundesverwaltungsgerichtes auf Aufhebung der Bestimmungen über die - in die Zuständigkeit der Finanzmarktaufsichtsbehörde fallende - Verhängung von Geldstrafen über juristische Personen wegen Übertretungen des BankwesenG; Änderung der Rechtsprechung des VfGH zur Abgrenzung des gerichtlichen Strafrechts und des Verwaltungsstrafrechts; Höhe der Strafdrohung kein taugliches Abgrenzungskriterium; keine Verpflichtung des Gesetzgebers zur Übertragung der Verfahren über die Verhängung der im BankwesenG angedrohten Geldstrafen angesichts ihrer spezifischen Funktion in die Zuständigkeit der ordentlichen StrafgerichteSpruch
Die Anträge werden abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Anträge
1. Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten, beim Verfassungsgerichtshof zu G408/2016 protokollierten Antrag begehrt das Bundesverwaltungsgericht,
"1. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 zur Gänze,
in eventu
2. §99d Abs1, 2 und 3 Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013,
3. §99d Abs3 Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013,
in eventu
4. Folgende Teile des §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013: Die Wortfolge ', Abs5a' in den Abs1 und 2 sowie der Abs3 [zur] Gänze,
in eventu
5. Folgende Teile des §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013: Die Wortfolge ', Abs5a' in den Abs1 und 2 sowie im Abs3 die Wortfolge 'bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs4 oder'
in eventu
6. Folgende Teile des §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013: Die Wortfolge ', Abs5a' in den Abs1 und 2 sowie im Abs3 die Wortfolge 'bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs4 oder',
in eventu
7. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 2 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
8. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 3 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
9. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 4 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
10. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 5 zuzüglich des Absatzes 4
11. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 6 zuzüglich des Absatzes 4
in eventu
12. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 2 zuzüglich der Absätze 4 und 5
in eventu
13. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 3 zuzüglich der Absätze 4 und 5
in eventu
14. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 4 zuzüglich der Absätze 4 und 5
in eventu
15. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 5 zuzüglich der Absätze 4 und 5
16. §99d Bankwesengesetz, BGBl Nr 532/1993 in der Fassung BGBl I Nr 184/2013 im Umfang der Anfechtung zu Pkt. 6 zuzüglich der Absätze 4 und 5"
als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Darüber hinaus stellte das Bundesverwaltungsgericht weitere Anträge mit im Wesentlichen gleichlautendem Aufhebungsbegehren, welche beim Verfassungsgerichtshof zu G412/2016, G2/2017, G21/2017 und G54/2017 protokolliert wurden. Alle diese Anträge teilen denselben Hauptantrag, hinsichtlich der Eventualanträge bestehen geringfügige Abweichungen in der Textierung.
II. Rechtslage
§98, §99 und §99d des Bundesgesetzes über das Bankwesen (Bankwesengesetz – BWG), BGBl 532/1993, idF BGBl I 118/2016, lauten (die mit den jeweiligen [Haupt-]Anträgen angefochtene Bestimmung des §99d ist in der bekämpften Fassung BGBl I 184/2013 wiedergegeben und hervorgehoben):
"§98. (1) Wer Bankgeschäfte gemäß Art4 Abs1 Nummer 1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 ohne die erforderliche Berechtigung betreibt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(1a) Wer andere als die in Abs1 angeführten Bankgeschäfte ohne die erforderliche Berechtigung betreibt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 100 000 Euro zu bestrafen.
(2) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstituts oder, bei einem Kreditinstitute-Verbund im Falle der Z1, 2, 4b, 7, 7a, 8 und 11 als Verantwortlicher (§9 VStG) der Zentralorganisation
1. die schriftliche Anzeige nach §10 Abs5 über Änderungen der Bedingungen der Angaben nach §10 Abs2 Z2 bis 4 und Abs4 Z2 bis 6 an die FMA unterlässt;
2. die Anzeige der Tätigkeiten nach den Nummern 1 bis 15 des Anhangs I zur Richtlinie 2013/36/EU gemäß §10 Abs6 an die FMA unterlässt;
(Anm.: Z3 und 4 aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
4a. die schriftliche Anzeige des Ergebnisses der Wahl zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates gemäß §28a Abs4 unterlässt;
(Anm.: Z4b aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
5. dem übergeordneten Kreditinstitut nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß §30 Abs7 erteilt;
5a. der Zentralorganisation nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß §30a Abs8 erteilt;
(Anm.: Z6 aufgehoben durch BGBl I Nr 37/2010)
7. die unverzügliche schriftliche Anzeige von in §73 Abs1 oder in der Verordnung (EU) Nr 575/2013 genannten Sachverhalten an die FMA unterlässt;
7a. die schriftliche Anzeige über Änderungen in der Zusammensetzung der Mitglieder des Kreditinstitute-Verbundes oder hinsichtlich des Wegfalls der Voraussetzungen gemäß Abs1 oder, wenn der Kreditinstitute-Verbund nicht mehr in der Lage ist, den Aufsichtsanforderungen gemäß Abs7 zu genügen, gemäß §30a Abs5 BWG unterlässt;
8. die in §§74, 74a und 75 vorgesehenen Meldungen der FMA oder der Oesterreichischen Nationalbank wiederholt nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen oder wiederholt nicht den gesetzlichen oder durch Verordnung festgelegten Formvorschriften entsprechend oder wiederholt unrichtig oder wiederholt unvollständig vorlegt;
(Anm.: Z9 aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
(Anm.: Z10 aufgehoben durch BGBl I Nr 117/2015)
11. die in §73 Abs4 und 4a oder die gemäß einer Verordnung der FMA gemäß §21a vorgesehenen Anzeigepflichten oder die in §44 Abs1 bis 6 vorgesehenen Vorlage- und Übermittlungspflichten verletzt;
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro zu bestrafen.
(3) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes
1. den für eine Spareinlage geltenden Jahreszinssatz nicht gemäß §32 Abs6 in der Sparurkunde an auffälliger Stelle ersichtlich macht;
2. Änderungen des Jahreszinssatzes nicht unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, gemäß §32 Abs6 bei der nächsten Vorlage der Sparurkunde in dieser vermerkt;
3. die unverzügliche schriftliche Anzeige gemäß §73 Abs3 unterlässt;
(Anm.: Z4 bis 7 aufgehoben durch BGBl I Nr 28/2010)
8. Verbrauchergirokontoverträge abschließt, die nicht die gemäß §34 Abs2 erforderlichen Angaben enthalten;
9. die vierteljährliche Bekanntgabe des Kontostandes gemäß §34 Abs3 unterläßt;
10. die in §35 Abs1 und §103 Z32 geforderten Angaben im Kassensaal nicht aushängt oder die Information der Einleger unterläßt;
(Anm.: Z11 aufgehoben durch BGBl I Nr 28/2010)
11a. der Preisauszeichnungspflicht gemäß §35 Abs3 nicht oder nicht vollständig entspricht;
12. die Sorgfaltspflichten des §36 verletzt,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro zu bestrafen.
(4) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes, wenn auch nur fahrlässig, dem Verbot der Verfügung über Konten gemäß §78 Abs7 zuwiderhandelt, begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 100 000 Euro zu bestrafen.
(5) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes
1. zulässt, dass das Kreditinstitut wiederholt oder kontinuierlich nicht über liquide Aktiva gemäß Art412 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 verfügt;
2. Forderungen eingeht, die über die in Art395 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Obergrenzen hinausgehen;
3. entgegen den Vorschriften des §24 Zahlungen an Inhaber von Instrumenten leistet, die Teil der Eigenmittel des Kreditinstitutes sind, oder wenn solche Zahlungen gemäß den Art28, 52 oder 63 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 an Inhaber von Eigenmittelinstrumenten nicht zulässig sind;
4. die Pflichten des §39 oder einer aufgrund §39 Abs4 erlassenen Verordnung der FMA verletzt;
5. die Konzessionserteilung nach §4 Abs1 durch unrichtige Angaben oder durch täuschende Handlungen herbeigeführt oder anderweitig erschlichen hat,
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(5a) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes
1. die schriftliche Anzeige eines jeden Erwerbes und jeder Abtretung gemäß §20 Abs1 und 2 gemäß §20 Abs3 an die FMA unterlässt;
2. die schriftliche Anzeige der Identität der Aktionäre oder sonstiger Gesellschafter, die qualifizierte Beteiligungen halten, sowie den Betrag, wie er sich insbesondere aus den anlässlich der jährlichen Hauptversammlung der Aktionäre oder sonstigen Gesellschafter oder auf Grund der §§91 bis 94 Börsegesetz 1989 erhaltenen Informationen ergibt, gemäß §20 Abs3 an die FMA unterlässt;
(Anm.: Z3 aufgehoben durch Art4 Z52, BGBl I Nr 118/2016)
4. die Meldungen über die Erfüllung der Eigenmittelanforderungen nach Art92 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 an die FMA gemäß Art99 Abs1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 unterlässt, unvollständig oder unrichtig durchführt;
5. die gemäß Art101 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Daten zu Verlusten aus Immobiliensicherheiten nicht oder unvollständig oder unrichtig an die FMA übermittelt;
6. die Meldungen von Großkrediten gemäß Art394 Abs1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 unterlässt, unvollständig oder unrichtig durchführt;
7. die Meldungen über die Liquiditätslage an die FMA gemäß Art415 Abs1 und 2 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 unterlässt, unvollständig oder unrichtig durchführt;
8. die gemäß Art430 Abs1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Informationen über die Verschuldungsquote nicht oder unvollständig oder unrichtig an die FMA übermittelt;
9. im Falle, dass das Kreditinstitut dem Kreditrisiko einer Verbriefungsposition ausgesetzt ist, die in Art405 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 festgelegten Bedingungen nicht erfüllt;
10. die gemäß Art431 Abs1 bis 3 oder Art451 Abs1 der Verordnung (EU) Nr 575/2013 vorgeschriebenen Informationen nicht offenlegt oder unvollständige oder falsche Angaben macht;
11. die Pflichten zur Informationsweitergabe an Sicherungseinrichtungen gemäß §93 verletzt;
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 150 000 Euro, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß Z3 mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen.
(5b) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Zweigstelle eines Kreditinstituts gemäß §9 Abs1
1. die in §§74, 74a und 75 vorgesehenen Meldungen der FMA oder der Oesterreichischen Nationalbank wiederholt nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen oder wiederholt nicht den gesetzlichen oder durch Verordnung festgelegten Formvorschriften entsprechend oder wiederholt unrichtig oder wiederholt unvollständig vorlegt;
2. die in §44 Abs3 bis 6 vorgesehenen Vorlage- und Übermittlungspflichten verletzt;
3. den für eine Spareinlage geltenden Jahreszinssatz nicht gemäß §32 Abs6 in der Sparurkunde an auffälliger Stelle ersichtlich macht;
4. Änderungen des Jahreszinssatzes nicht unter Angabe des Tages, von dem an sie gelten, gemäß §32 Abs6 bei der nächsten Vorlage der Sparurkunde in dieser vermerkt;
5. Verbrauchergirokontoverträge abschließt, die nicht die gemäß §34 Abs2 erforderlichen Angaben enthalten;
6. die vierteljährliche Bekanntgabe des Kontostandes gemäß §34 Abs3 unterlässt;
7. die in §35 Abs1 und §103 Z32 geforderten Angaben im Kassensaal nicht aushängt oder die Information der Einleger unterlässt;
8. der Preisauszeichnungspflicht gemäß §35 Abs3 nicht oder nicht vollständig entspricht;
9. die Sorgfaltspflichten des §36 verletzt;
10. die Pflichten des §39 verletzt;
11. die Bestimmungen über den Deckungsstock gemäß §216 ABGB (§§66 bis 68) verletzt;
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA hinsichtlich der Z1, 2 und 11 mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro, hinsichtlich der Z3 bis 9 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und hinsichtlich der Z10 mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(5c) Wer als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Zweigstelle eines Finanzinstituts gemäß §11 oder §13
1. die in §§74, 74a und 75 vorgesehenen Meldungen der FMA oder der Oesterreichischen Nationalbank wiederholt nicht innerhalb der vorgesehenen Fristen oder wiederholt nicht den gesetzlichen oder durch Verordnung festgelegten Formvorschriften entsprechend oder wiederholt unrichtig oder wiederholt unvollständig vorlegt;
2. die in §44 Abs3 bis 6 vorgesehenen Vorlage- und Übermittlungspflichten verletzt;
3. Verbrauchergirokontoverträge abschließt, die nicht die gemäß §34 Abs2 erforderlichen Angaben enthalten;
4. die vierteljährliche Bekanntgabe des Kontostandes gemäß §34 Abs3 unterlässt;
5. die in §35 Abs1 und §103 Z32 geforderten Angaben im Kassensaal nicht aushängt oder die Information der Einleger unterlässt;
6. der Preisauszeichnungspflicht gemäß §35 Abs3 nicht oder nicht vollständig entspricht;
7. die Sorgfaltspflichten des §36 verletzt;
8. die Pflichten des §39 verletzt;
begeht, soweit die genannten Bestimmungen gemäß §11 Abs5 oder §13 Abs4 vom Finanzinstitut für die von ihm erbrachten Tätigkeiten einzuhalten sind und sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA hinsichtlich der Z1 und 2 mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro, hinsichtlich der Z3 bis 7 mit Geldstrafe bis zu 10 000 Euro und hinsichtlich der Z8 mit Geldstrafe bis zu 5 Millionen Euro oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt, zu bestrafen.
(6) Bei Verletzung einer Verpflichtung gemäß §10 Abs5 über die Anzeige von Änderungen der Bedingungen der Angaben nach §10 Abs2 Z2 bis 4 und Abs4 Z2, §10 Abs6, §20 Abs3, §73 Abs1 Z1 hinsichtlich Satzungsänderungen, §73 Abs1 Z4 und 7, §73 Abs1 Z11 und 14 sowie §73 Abs2 hat die FMA von der Einleitung und Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens abzusehen, wenn die nicht ordnungsgemäß erstattete Anzeige nachgeholt wurde, bevor die FMA oder die Oesterreichische Nationalbank Kenntnis von dieser Übertretung erlangt hat. Dies gilt auch für Verfahren nach §99d Abs1 und 2.
§99. (1) Wer
1. als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Finanzholdinggesellschaft oder einer gemischten Finanzholdinggesellschaft die schriftliche Anzeige gemäß §73 Abs1a unterlässt;
(Anm.: Z2 aufgehoben durch BGBl I Nr 59/2014)
3. die schriftliche Anzeige eines jeden Erwerbes und jeder Abtretung gemäß §20 Abs1 oder 2 an die FMA unterlässt;
4. einen Erwerb oder eine Abtretung nach §20 Abs1 oder 2 während des Beurteilungszeitraums nach §20a Abs1 oder entgegen einer Untersagung gemäß §20a Abs2 durchführt;
(Anm.: Z5 aufgehoben durch BGBl I Nr 184/2013)
6. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines nachgeordneten Instituts oder einer übergeordneten Finanz-Holdinggesellschaft dem übergeordneten Kreditinstitut nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß §30 Abs7 erteilt;
6a. als Verantwortlicher (§9 VStG) einer übergeordneten Finanzholdinggesellschaft, gemischten Finanzholdinggesellschaft oder gemischten Holdinggesellschaft oder eines Tochterunternehmens solcher Gesellschaften dem Kreditinstitut nicht alle Auskünfte gemäß §70a Abs1 erteilt;
6b. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Institutes, das einer Zentralorganisation oder einem der Zentralorganisation zugeordneten Kreditinstitut nachgeordnet ist, der Zentralorganisation nicht alle für die Konsolidierung erforderlichen Auskünfte gemäß §30a Abs8 erteilt;
7. ohne hiezu berechtigt zu sein die Bezeichnung 'Sparbuch', 'Sparbrief' oder 'Sparkassenbuch' entgegen §31 Abs2 führt;
(Anm.: Z8 aufgehoben durch BGBl I Nr 37/2010)
(Anm.: Z9 aufgehoben durch Art4 Z54, BGBl I Nr 118/2016)
10. als Bankprüfer entgegen §63 Abs3 von ihm festgestellte Tatsachen oder begründete Zweifel gemäß §63 Abs3 nicht unverzüglich, bei kurzfristigen behebbaren, geringfügigen Mängeln erst dann, wenn die Bank die Mängel nicht binnen einer von ihm bestimmten Frist von längstens drei Monaten behoben hat, mit Erläuterungen der FMA und der Oesterreichischen Nationalbank schriftlich anzeigt oder es nicht anzeigt, wenn die Geschäftsleiter eine von ihm geforderte Auskunft nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist erteilen; dies gilt in Fällen, in denen eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft als Bankprüfer bestellt wird, auch für die nach §88 Abs7 WTBG namhaft gemachten natürlichen Personen;
11. als Verantwortlicher (§9 VStG) einer Repräsentanz seinen Meldepflichten gemäß §73 Abs2 nicht binnen eines Monats nachkommt;
12. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Finanzinstitutes oder eines Unternehmens der Vertragsversicherung der Meldepflicht gemäß §75 nicht entspricht;
(Anm.: Z13 aufgehoben durch BGBl I Nr 159/2015)
(Anm.: Z14 aufgehoben durch BGBl I Nr 117/2015)
15. ohne hiezu berechtigt zu sein die Bezeichnung 'Geldinstitut', 'Kreditinstitut', 'Finanzinstitut', 'Finanz-Holdinggesellschaft, Wertpapierfirma', 'Kreditunternehmung', 'Kreditunternehmen', 'Bank', 'Bankier', 'Sparkasse', 'Bausparkasse', 'Volksbank', 'Landes-Hypothekenbank', 'Raiffeisen' oder eine Bezeichnung in der eines dieser Wörter enthalten ist, entgegen §94 führt;
16. als Verantwortlicher (§9 VStG) eines Kreditinstitutes oder als Prüfungsorgan nach §216 ABGB die Bestimmungen über den Deckungsstock gemäß §216 ABGB (§§66 bis 68) verletzt;
17. entgegen unmittelbar anzuwendenden EU-Rechtsvorschriften Verfügungen über Konten durchführt oder sonst Finanzdienstleistungen erbringt, ohne dass die Handlung eine Verwaltungsübertretung nach dem Devisengesetz darstellt;
18. entgegen §31 Abs5 Sparurkunden, für die noch keine Identitätsfeststellung gemäß gemäß den Bestimmungen des FM-GwG erfolgt ist, rechtsgeschäftlich überträgt oder erwirbt,
(Anm.: Z19 aufgehoben durch Art4 Z54, BGBl I Nr 118/2016)
begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 60 000 Euro, im Falle der Z10 jedoch mit bis zu 100 000 Euro, zu bestrafen.
(Anm.: Abs2 aufgehoben durch Art4 Z54, BGBl I Nr 118/2016)
[…]
§99d. (1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn Personen, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt haben und eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund
1. der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,
2. der Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder
3. einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person
innehaben, gegen die in §98 Abs1, Abs2 Z7 und 11, Abs5, Abs5a oder §99 Abs1 Z3 oder 4 angeführten Verpflichtungen verstoßen haben, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Juristische Personen können wegen Verstößen gegen die in §98 Abs1, Abs2 Z7 und 11, Abs5, Abs5a oder §99 Abs1 Z3 oder 4 angeführten Pflichten auch verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs1 genannte Person die Begehung dieser Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht hat, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(3) Die Geldstrafe gemäß Abs1 oder 2 beträgt bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs4 oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt.
(4) Der jährliche Gesamtnettoumsatz gemäß Abs3 ist bei Kreditinstituten der Gesamtbetrag aller in Z1 bis 7 der Anlage 2 zu §43 angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen; handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Tochtergesellschaft, ist auf den jährlichen Gesamtnettoumsatz abzustellen, der im vorangegangenen Geschäftsjahr im konsolidierten Abschluss der Muttergesellschaft an der Spitze der Gruppe ausgewiesen ist. Bei sonstigen juristischen Personen ist der jährliche Gesamtumsatz maßgeblich. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind.
(5) Die FMA kann von der Bestrafung eines Verantwortlichen gemäß §9 VStG absehen, wenn für denselben Verstoß bereits eine Verwaltungsstrafe gegen die juristische Person verhängt wird und keine besonderen Umstände vorliegen, die einem Absehen von der Bestrafung entgegenstehen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. G408/2016
1.1. Beim Bundesverwaltungsgericht ist ein Verfahren anhängig, welches die Beschwerde eines Kreditinstituts gegen ein Straferkenntnis der Finanzmarktaufsichtsbehörde vom 14. September 2016 zum Gegenstand hat. Mit diesem Straferkenntnis hatte die Finanzmarktaufsichtsbehörde über das Kreditinstitut für mehrere Übertretungen des §98 Abs5a Z3 BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, in den Jahren 2014 und 2015 gemäß §99d BWG, BGBl 532/1993, idF BGBl I 184/2013, eine Geldstrafe in Höhe von insgesamt € 953.700,– verhängt. Der pro Übertretung höchstmögliche Strafrahmen war von der Finanzmarktaufsichtsbehörde in Bezug auf das betroffene Kreditinstitut mit € 3.135.494,83 errechnet worden.
Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten und beim Verfassungsgerichtshof zu G408/2016 protokollierten Antrag auf Aufhebung des §99d BWG, in eventu näher bezeichneter Teile dieser Bestimmung.
1.2. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):
"1. Verhältnis der verfassungsrechtlichen Vorgaben zum unionsrechtlichen Rahmen
Der Gesetzgeber bleibt auch bei der Umsetzung des Unionsrechts jedenfalls insofern an bundesverfassungsgesetzliche Vorgaben gebunden, als eine Umsetzung durch diese nicht inhibiert wird, was in der Lehre als 'doppelte Bindung' des Gesetzgebers bei Umsetzung von Gemeinschaftsrecht bezeichnet wird (VfSlg 14.963/1997, 17.347/2004).
Zu diesem Grundsatz hat der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 17.347/2004 Folgendes bemerkt:
'Stehen der Anwendung des Gemeinschaftsrechts verfassungsrechtliche Bestimmungen entgegen, so kann eine gemeinschaftsrechtskonforme Regelung meist durch Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm erreicht werden (VfSlg 15.427/1999 - Telekom Control-Kommission). Würde hingegen das bloße Unangewendet-sein-Lassen einer Verfassungsnorm keine gemeinschaftsrechts-konforme Lösung ermöglichen, so hat der Verfassungsgesetzgeber tätig zu werden (VfGH 4.10.2003, G53-55/03; vgl. auch Korinek, Die doppelte Bedingtheit von gemeinschaftsrechts-ausführenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften, in: FS Öhlinger, 2004, 131 ff., insb. 139).'
Ein Unangewendet-sein-Lassen, wie es der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 15.427/1999 (Telekom-Control-Kommission) handhaben konnte, kommt im Bereich des EU-Richtlinienrechts allerdings nur in Betracht, wenn die Voraussetzungen der unmittelbaren Anwendbarkeit der Richtlinie gegeben sind.
Waren diese Voraussetzungen im Fall des Erkenntnisses VfSlg 15.427/1999 noch gegeben, so ist dies im vorliegenden Bereich zu bezweifeln: Dies folgt schon daraus, dass die hier relevanten Richtlinienbestimmungen darauf abzielen, dass die Mitgliedstaaten belastende, pönalisierende Sanktionen festlegen. Eine Voraussetzung der unmittelbaren Anwendbarkeit von Richtlinien ist aber, dass die fragliche Richtlinienbestimmung dem Einzelnen Rechte verleiht. Belastende Richtlinienbestimmungen, insbesondere jene im Strafrechtsbereich, kommen dafür nicht in Betracht (vgl. nur EuGH 03.05.2005 verb. Rs. C-387/02, C-391/02 und C-403/02 Berlusconi u.a., Rn 77).
Die Richtlinie kann aber eine 'Inhibierung' der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art91 B-VG auch deswegen nicht bewirken, weil sie es den Mitgliedstaaten grundsätzlich offen lässt, das zu pönalisierende Verhalten (alternativ) auch mit Mitteln des gerichtlichen Strafrechts zu sanktionieren (siehe Art65 der Richtlinie: 'Beschließt ein Mitgliedstaat, bei Verstößen, die dem nationalen Strafrecht unterliegen, keine Vorschriften für Verwaltungssanktionen festzulegen, teilt er der Kommission die einschlägigen strafrechtlichen Vorschriften mit'). Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes muss die Richtlinie in diesem Punkt schon deswegen im Sinne einer Wahlfreiheit der Mitgliedstaaten bei der näheren Ausgestaltung der innerstaatlichen Sanktionsmodalitäten interpretiert werden, weil sich der Unionsgesetzgeber zu ihrer Erlassung nicht auf die für die Schaffung harmonisierter Strafrechtsregelungen vorgesehene besondere Kompetenzgrundlage des Art83 Abs2 AEUV (und das dafür vorgesehene besondere Verfahren) berufen hat, sondern auf Art53 AEUV (zu Art83 Abs2 AEUV siehe Murschetz in Mayer/Stöger, [Hrsg] EUV/AEUV, Art83 AEUV [Stand: Juni 2016, rdb.at]).
Schließlich wäre auch daran zu denken, ob eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit zur Verhängung der in der Richtlinie vorgesehenen Sanktionen nicht ohnehin auch unter Einhaltung der Zuordnung zur (ordentlichen) Strafgerichtsbarkeit vorgesehen werden könnte: Art94 B-VG erlaubt in einzelnen Bereichen die Einrichtung eines Instanzenzugs von einer Verwaltungsbehörde an ein ordentliches Gericht. Dass diese Möglichkeit auch im Bereich der Strafgerichtsbarkeit besteht, ist nicht von vornherein ausgeschlossen.
Das Bundesverwaltungsgericht geht daher bis auf Weiteres davon aus, dass der einfache Gesetzgeber bei Ausgestaltung der von ihm in §99d BWG vorgesehenen Sanktionen der doppelten Bindung sowohl durch das Verfassungsrecht als auch das Unionsrecht unterlag.
2. Zu den Bedenken im Hinblick auf Art91 B-VG
Das Bundesverwaltungsgericht hegt gegen die angefochtenen Vorschriften das Bedenken der Verfassungswidrigkeit wegen Verstoßes gegen Art91 B-VG.
Die zitierte Verfassungsbestimmung lautet:
'Artikel 91. (1) Das Volk hat an der Rechtsprechung mitzuwirken.
(2) Bei den mit schweren Strafen bedrohten Verbrechen, die das Gesetz zu bezeichnen hat, sowie bei allen politischen Verbrechen und Vergehen entscheiden Geschworene über die Schuld des Angeklagten.
(3) Im Strafverfahren wegen anderer strafbarer Handlungen nehmen Schöffen an der Rechtsprechung teil, wenn die zu verhängende Strafe ein vom Gesetz zu bestimmendes Maß überschreitet.'
Artikel 91 B-VG ist Teil des Abschnitts B. des Dritten Hauptstückes ('Vollziehung des Bundes'), den der Verfassungsgesetzgeber mit der Überschrift 'Ordentliche Gerichtsbarkeit' versehen hat.
Die Organisation und Zuständigkeit der 'Ordentlichen Gerichte' weist der Bundesverfassungsgesetzgeber der Regelung durch Bundesgesetz zu (Art83 Abs1 B-VG).
Art90a B-VG erklärt Staatsanwälte zu Organen der 'Ordentlichen Gerichtsbarkeit' und bestimmt, dass diese '[i]n Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen […] Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahr[nehmen]'.
Als 'Oberste Instanz in Zivil- und Strafrechtssachen' sieht Art92 Abs1 B-VG den 'Oberste[n] Gerichtshof' vor. Diesem kommt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes eine 'Leitfunktion' für Zivil- und Strafsachen zu, wie sie für den Bereich des Verwaltungsrechts Art130 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zuweist und wie sie dem Verfassungsgerichtshof für die einheitliche Auslegung und Anwendung des Verfassungsrechts zukommt (VfSlg 19.730/2012, 19.909/2014).
Die Strafgerichtsbarkeit ist daher von der Bundesverfassung als eine innerhalb der 'Ordentlichen Gerichtsbarkeit' eingerichtete Gerichtsbarkeit vorgesehen, an deren Spitze als oberste Instanz der Oberste Gerichtshof fungiert und in deren Verfahren Staatsanwälte als 'Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit' Funktionen der Ermittlung und Anklage wahrnehmen.
Der Verfassungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen (beginnend mit VfSlg 12.151/1989, bekräftigt mit VfSlg 12.282/1990, 12.389/1990, 12.471/1990, 12.546/1990, 12.547/1990, 12.920/1991 und 14.361/1995), dass die aus Art91 B-VG abzuleitenden Grundsätze es bei Zutreffen bestimmter Voraussetzungen gebieten, die Zuständigkeit des Strafgerichts vorzusehen. Dies dann, wenn der Gesetzgeber sich im Hinblick auf die nach seiner Wertung gegebene hohe Sozialschädlichkeit eines Verhaltens veranlasst sieht, zu dessen Hintanhaltung eine schwerwiegende, in den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fallende Strafdrohung festzulegen, wozu auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen zählt.
Dabei definiert der Verfassungsgerichtshof den 'Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit' anhand von 'Umständen quantitativer und qualitativer Natur' so, 'daß der unterhalb der (Geschwor[e]nen- und) Schöffengerichtsbarkeit liegende Teil der Strafgerichtsbarkeit einen für diesen typischen Kernbereich strafbarer Handlungen enthält' (VfSlg 12.151/1989 uvm).
Zu einer in den 'Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit' fallenden Sanktion zählt auch die Androhung besonders hoher Geldstrafen.
Aus der Rechtsprechung geht auch hervor, dass jedenfalls eine Strafdrohung von (damals) 2 Mio. Schilling (VfSlg 12.282/1990) in den umschriebenen Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit fällt (vgl. VfSlg 12.151/1989, S 104 und 106; 12.389/1990, S 614). Diese Grenze entspräche ca. € 145.000,- und ist – auch ohne Inflationsbereinigung – beim hier in Rede stehenden Strafrahmen von bis zu € 3.135.494,83 weit überschritten.
Beim anzulegenden Beurteilungsmaßstab ist auf das vom Gesetz vorgesehene Höchstausmaß der Strafdrohung abzustellen (nicht aber auch die im einzelnen Anlassfall konkret verhängte Geldstrafe).
Das Bundesverwaltungsgericht geht vorläufig im Einklang mit der Berechnung im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die hier anzuwendende Regelung bei der beschwerdeführenden Gesellschaft zu einem Strafrahmen führt, der eine höchstmögliche Strafhöhe von € 3.135.494,83 pro Verstoß erlaubt. Es geht davon aus, dass diese Regelung angesichts dieser Obergrenze des Strafrahmens in den von der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes umschriebenen 'Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit' hineinreicht. Eine vergleichbare Regelungstechnik des Strafrahmens lag auch jenen Regelungen zugrunde, die der Verfassungsgerichtshof in früheren Erkenntnissen wegen Verstoßes gegen Art91 B-VG aufgehoben hat [VfSlg 12.547/1990]; 'bis zum Dreißigfachen des Verkürzungsbetrages' [VfSlg 12.471/1990]; dreifacher Verkürzungsbetrag [VfSlg 12.389/1990]; 'bis zum Fünfzigfachen des Verkürzungsbetrages' [VfSlg 12.282/1990]).
Das Bundesverwaltungsgericht kann sich auch nicht dem Gedanken anschließen, dass die Einrichtung der Verwaltungsgerichte mit der Verwaltungsgerichts-barkeits-Novelle 2012 zu einem Entfall oder einer Relativierung der aus Art91 B-VG resultierenden Vorgaben geführt hätte. Die durch die Einrichtung von Verwaltungsgerichten erzielte Verbesserung des Rechtsschutzes im Verwaltungsrecht kann nicht dazu führen, dass die Garantien, die das Verfassungsrecht für das Strafrecht (im materiellen Sinn) vorsieht, erloschen wären. Bereits im Zusammenhang mit der Einrichtung der UVS hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass das damit gewonnene Element der Unabhängigkeit nichts an der Rechtsprechung zum Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit ändert, zumal die Unabhängigkeit der Strafgerichte nur ein 'Nebenargument' dieser Rechtsprechung darstellt (dazu s VfSlg 14.361/1995); nichts anderes kann mit Blick auf die Verwaltungsgerichte gelten. Im Übrigen hatte der Verfassungsgerichtshof auch schon nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 über einen Normenprüfungsantrag eines Verwaltungsgerichtes zu entscheiden, in dem eine Verletzung der aus Art91 B-VG resultierenden Grenzen geltend gemacht wurde; er beurteilte das Vorbringen unverändert auf Basis seiner ständigen Rechtsprechung zum Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit, ohne dass er diese als durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 überholt erachtete (VfSlg 19.960/2015). Das Bundesverwaltungsgericht misst aber noch einem weiteren Umstand Bedeutung zu: Die Zuordnung einer Strafnorm zur Zuständigkeit der Strafgerichte bewirkt grundsätzlich nicht nur die bloße Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichts, sondern es sind mit der Zuständigkeit des ordentlichen Strafgerichts aus verfassungsrechtlichen Gründen im Bereich des Strafrechts in der Regel auch weitere Folgen verbunden, nämlich die Zugehörigkeit zu jener Gerichtsbarkeit, in der der verfassungsgesetzlich für das gerichtliche Strafrecht eingerichtete Oberste Gerichtshof eine 'Leitfunktion' wahrnimmt (VfSlg 19.730/2012, 19.909/2014), in der der Staatsanwaltschaft von Verfassungs wegen Funktionen der Ermittlung und Anklage zukommen, und in der das Anklageprinzip (Art90 Abs2 B-VG) und das Mündlichkeitsprinzip des Art90 Abs1 B-VG gelten (Letzteres geht über die für das Verwaltungs[straf]recht anwendbaren Garantien des Art6 EMRK bzw. 47 GRC hinaus; vgl. Herbst in Korinek/Holoubek, Art90 Rz 39). Sowohl was die Organisation als auch die Ausgestaltung des Verfahrens betrifft, hat die Zuordnung daher verfassungsrechtliche Konsequenzen, die für den Gehalt des Kernbereichs der Strafgerichtsbarkeit nach Art91 B-VG und für die Grenzziehung dieses Bereichs bestimmend sind.
Das Bundesverwaltungsgericht übersieht auch nicht die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes im Zusammenhang mit Geldbußen im Bereich des Kartellrechts, das Sanktionshöchstdrohungen in beträchtlichem Ausmaß erreicht (vgl. zB OGH 12.09.2007, 16 Ok 4/07). Der Oberste Gerichtshof ordnet diese Geldbußen, die historisch auf das Vorbild des unionsrechtlichen Wettbewerbsrechts zurückgehen, aufgrund ihrer Rechtsnatur als 'Sanktion mit strafrechtsähnlichem Charakter' ein und folgt dabei den Literaturstimmen, wonach es sich um 'zivilrechtliche Strafen' handelt, die 'nicht zum allgemeinen (Kriminal)Strafrecht, aber doch zum Strafrecht im weiteren Sinn zählen' (OGH 27.02.2006, 16 Ok 52/05 unter Hinweis auf Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das 'Kartellstrafrecht'! Zur Rechtsnatur der Geldbuße nach §142 Z1 KartG idF KartG-Novelle 2002, JBl 2003, 907 ff; sowie OGH 12.09.2007,