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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVRAG 1993 §7g Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Mag. Samm als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Ing. M R in N, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in 3100 St. Pölten, Domgasse 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 27. April 2017, Zl. LVwG-S-303/001-2016, betreffend Übertretung des AVRAG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Pölten), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen Erkenntnis wurde der Revisionswerber - insoweit in Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde - schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der Firma R KG in seiner Funktion als Komplementär zu verantworten, dass diese Gesellschaft die erforderlichen Unterlagen (Arbeitszeitaufzeichnungen, Kassabücher, Belege) entgegen § 7g Abs. 2 AVRAG für 15 näher genannte Arbeitnehmer dem zuständigen Träger der Krankenversicherung (der NÖ GKK) für den Prüfzeitraum 1. Jänner 2008 bis 31. Dezember 2011 trotz mehrfachen Verlangens nicht übermittelt habe. Dadurch habe er § 7g Abs. 2 iVm § 7i Abs. 1 AVRAG verletzt; über ihn wurden deshalb pro Arbeitnehmer Geldstrafen von jeweils EUR 600,- (Ersatzfreiheitsstrafe jeweils 20 Stunden) verhängt.
2 Dabei nahm das Verwaltungsgericht gegenüber dem Straferkenntnis der belangten Behörde eine Spruchkorrektur betreffend den Tatzeitraum der vorgeworfenen Übertretungen insoweit vor, als eine solche "jedenfalls bis 03.07.2014", und nicht, wie von der belangte Behörde festgestellt, von "04.07.2014 bis zumindest 24.03.2015", stattgefunden habe.
3 Außerdem wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Verfahrens vor der belangten Behörde und vor dem Verwaltungsgericht verpflichtet.
4 Gemäß § 25a VwGG wurde schließlich ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig sei.
5 In seiner Begründung wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass für die Befreiung von der Verantwortlichkeit des Arbeitgebers für eine unterbliebene Übermittlung der vom zuständigen Krankenversicherungsträger angeforderten Unterlagen der Nachweis der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems entscheidend sei. Der Arbeitgeber habe durch geeignete Maßnahmen die jederzeitige Vorlage der erforderlichen Unterlagen über Anfrage des Trägers der zuständigen Krankenversicherung sicherzustellen und geeignete Maßnahmen vorzusehen, durch welche verhindert werde, dass die erforderlichen Unterlagen untergehen bzw. im Anfragefall nicht vorgelegt werden können. Die Lagerung von Arbeitsaufzeichnungen und arbeitsbezogenen Unterlagen in "regelmäßig überfluteten Kellerräumlichkeiten" erfülle diese Anforderungen zweifelsfrei nicht. Da sich aus der Aussage einer Zeugin zweifelsfrei ergab, dass es bereits seit dem Jahr 2008 am Standort des Unternehmens immer wieder zu Grundwasseranhebungen gekommen sei, sei von einem grob fahrlässigen Umgang des Revisionswerbers mit den von ihm zu verwahrenden arbeitsrechtlichen Unterlagen auszugehen. Auch der Hinweis des Revisionswerbers darauf, dass seine Lebensgefährtin diese Agenden übernommen hätte, gehe deshalb ins Leere, weil sich im Zuge der mündlichen Verhandlung ergeben habe, dass sich die Lebensgefährtin im März 2011 vom Revisionswerber getrennt habe und nur mehr bis Mai 2011 im Unternehmen beschäftigt gewesen sei. Der Revisionswerber habe zudem bezogen auf den Tatzeitpunkt das Vorliegen eines wirksamen Kontrollsystems iSd. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht glaubhaft machen können, zumal er nicht einmal ansatzweise ein derartiges Kontrollsystem behauptet, sondern in der Beschwerdeverhandlung selbst angegeben habe, sich um die Sammlung bzw. Verwaltung jeglicher Arbeitsaufzeichnungen nicht gekümmert zu haben.
6 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Diesem Erfordernis wird insbesondere nicht schon durch nähere Ausführungen zur behaupteten Rechtswidrigkeit der bekämpften Entscheidung (§ 28 Abs. 1 Z 5 VwGG) oder zu den Rechten, in denen sich der Revisionswerber verletzt erachtet (§ 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), Genüge getan (vgl. VwGH 25.3.2014, Ra 2014/04/0001, und vom 28.2.2015, Ra 2015/08/0008).
9 2.2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das vom Revisionswerber "zu verwirklichende Kontrollsystem" sei vor dem Hintergrund des Zweckes des § 7i Abs. 1 AVRAG (nämlich der "Sicherstellung, dass die Unterlagen der Arbeitszeitaufzeichnungen zeitnah zur Verfügung gestellt werden können") als ausreichend anzusehen bzw. habe der Revisionswerber keine lückenlose Kontrolle sicherzustellen, sondern lediglich alle ihm möglichen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen. Insbesondere könne der vorliegende Fall der Flutung des Kellers und somit der Zerstörung der physischen Aufzeichnungen dem Revisionswerber deshalb nicht als mangelndes Kontrollsystem vorgeworfen werden, da es sich diesbezüglich um die Einwirkung einer Naturgewalt, sohin um "vis maior", gehandelt habe. Die vom Verwaltungsgericht zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Erfordernis der Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems betreffend die Anmeldung von Arbeitnehmern zur Sozialversicherung könne im vorliegenden Fall - der die Voraussetzung eines Kontrollsystems lediglich zur Sicherstellung einer "einfachen Vorlagepflicht" betreffe - nicht herangezogen werden bzw. gebe es diesbezüglich "keine relevante Rechtsprechung" des Verwaltungsgerichtshofes.
10 Damit gelingt es dem Revisionswerber nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von der das Schicksal der Revision abhängt:
11 2.2.2. Der Revision ist zu entgegnen, dass es im Zusammenhang mit Ungehorsamsdelikten iSd. § 5 Abs. 1 VStG wie dem hier vorliegenden, bei welchem gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. von vornherein die Vermutung des Verschuldens (in Form fahrlässigen Verhaltens) besteht, nach ständiger hg. Rechtsprechung Sache des Beschuldigten ist, glaubhaft zu machen, dass ihn an der Begehung der Verwaltungsübertretung kein Verschulden traf und initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0260; 9.10.2013, 2013/08/0183; 28.3.2014, 2014/02/0004). Den Beschuldigten trifft (nur) dann kein Verschulden, wenn nicht erkennbar ist, welche "tauglichen und zumutbaren" Maßnahmen er zur Verhinderung der entsprechenden Verwaltungsübertretung hätte treffen sollen (vgl. VwGH 16.5.2011, 2009/17/0185).
12 Das Verwaltungsgericht hat im vorliegenden Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und Vernehmung mehrerer Zeugen im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung festgestellt, dass es am Unternehmensstandort des Revisionswerbers (seit dem Jahr 2008) regelmäßig zu Überflutungen des Kellers aufgrund von Grundwasseranhebungen kam, der Revisionswerber sich jedoch trotzdem nicht dazu veranlasst sah, den Aufbewahrungsort der verfahrensgegenständlichen Unterlagen zu ändern bzw. deren sichere Lagerung an einem anderen Ort zu gewährleisten. Es verwarf auch das Argument des Revisionswerbers zur Verantwortlichkeit von dessen ehemaliger Lebensgefährtin, weil unstrittig sei, dass diese im maßgeblichen Zeitraum nicht mehr im Unternehmen des Revisionswerbers beschäftigt und eine Delegation an sie nicht mehr möglich gewesen sei. Zudem habe der Revisionswerber die Errichtung eines wirksamen Kontrollsystems iSd. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdeverfahren auch gar nicht behauptet.
13 Vor diesem Hintergrund und im Lichte der oben zitierten Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, dass das LVwG mit der Qualifizierung des Verhaltens des Revisionswerbers als fahrlässig (und damit schuldhaft) eine unvertretbare, die Rechtssicherheit beeinträchtigende Einzelfallbeurteilung vorgenommen hätte.
14 2.3. Der erkennende Senat hat aus diese Erwägungen beschlossen, die Revision zurückzuweisen.
Wien, am 11. Jänner 2018
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2017110152.L00Im RIS seit
06.02.2018Zuletzt aktualisiert am
15.02.2018