TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/26 99/06/0008

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Veröffentlicht am 26.05.2000
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Index

L85006 Straßen Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
LStVwG Stmk 1964 §26 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der E in G, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid der Stmk. Landesregierung vom 27. November 1998, Zl. 03-20.00 36-98/5, betreffend Auftrag gemäß § 26 Abs. 3

Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Dienersdorf, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach gemeinsamer Begehung der Grundgrenze des Grundstückes der Beschwerdeführerin entlang der angrenzenden Gemeindestraße wurde in der von der erstinstanzlichen Behörde durchgeführten Verhandlung am 19. Oktober 1993 festgestellt, "dass entlang des Grundstückes" der Beschwerdeführerin "zur Gemeindegrenze - öffentliches Gut - durch Sträucher und Bäume überhanggefährdete Stellen" bestünden. Aus dem Protokoll über diese Verhandlung ergibt sich weiters, dass sich die Beschwerdeführerin verpflichtete, "den allfälligen Überhang zu entfernen und zwar bis zum 30. 11. 1993, ansonsten" erfolge "eine bescheidmäßige Aufforderung".

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 14. Dezember 1993 erging gegenüber der Beschwerdeführerin folgende Anordnung:

"Anlässlich der Verhandlung am 19.10.1993 wurde zur Entfernung der einragenden Bäume und Sträucher ein Termin bis zum 30. November 1993 festgesetzt. Nachdem Sie dieser Aufforderung nicht nachgekommen sind, wird gemäß § 26 Abs. 3 Landesstraßenverwaltungsgesetz (LStVG 1964), LGBl. Nr. 154 i.d.F. des Gesetzes LGBl. Nr. 9/1973 und gem. § 91 Abs. 1 StVO BGBl. Nr. 159/1960 i.d.F. des Gesetzes BGBl. Nr. 522/1993, die Entfernung der Bäume und Sträucher, wie in der Verhandlungsschrift vom 19. 10. 1993 festgehalten, bis zum 15. Februar 1994, angeordnet. Sollte bis zu diesem Datum die Entfernung der Bäume und Sträucher ihrerseits nicht erfolgen, wird die Gemeinde D... die Entfernung gegen Kostenersatz nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes bzw. der Gemeindeverfassung anordnen."

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung und machte geltend, dass sie den in der Verhandlung vom 19. Oktober 1993 festgestellten Überhang am 29. November 1993 entfernt habe. Die Bescheiderlassung sei daher rechtswidrigerweise erfolgt.

Im Berufungsverfahren wurde ein agrartechnisches Gutachten des Amtssachverständigen Dipl. Ing. E.A. vom 15. Feber 1994 eingeholt, in dem der Sachverständige feststellte, dass nicht nur der oberirdische Teil der Bäume durch sein Wachstum Probleme für die Verkehrssicherheit und den Bestand der Straßenlage bringe, auch die unterirdischen Teile (Wurzeln) seien für den Bestand der Straße durch das Einwachsen der Wurzel in den Straßenkörper nachteilig. Von den einwachsenden Wurzeln würde der Straßenbelag gesprengt, aufgehoben und aufgerissen. Dadurch könne das Oberflächenwasser in den Straßenkörper eindringen und in der Frostperiode erhebliche Schäden am Straßenkörper verursachen. Zur Vorbeugung gegen das Einwachsen der Wurzeln bestünde die Möglichkeit der Entfernung des Bewuchses auf eine bestimmte Breite zum Asphaltbelag hin. Um den Erfordernissen der Erhaltung der Straße im Einzelfall zu entsprechen, werde die Räumung des Bewuchses, am Stammfuß gemessen 3,0 m von der Straßengrundgrenze entfernt, anzuordnen sein. Gleichzeitig würden überhängende Äste, die über den vertikalen Verlauf der Grenze ragten, zu entfernen sein. Damit könne die Erhaltung des Lichtraumprofiles gewährleistet werden.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. Mai 1994 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben und unter Berufung auf das angeführte Gutachten ausgesprochen, "dass die Bäume und Sträucher (ausgenommen Obstbäume) am Stammfuß gemessen mindestens 2,0 m (zwei Meter) von der Straßengrundgrenze entfernt sein müssen. Alle Bäume und Sträucher (ausgenommen Obstbäume) die sich innerhalb dieser Zone befinden, sind unbeschadet der Sichtbehinderung abzuholzen."

Der dagegen erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 5. August 1996 Folge gegeben und der bekämpfte Berufungsbescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde verwiesen. Der Grund für die Aufhebung war, dass gegenüber der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das angeführte Gutachten das Parteiengehör verletzt worden war.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. August 1997 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin teilweise Folge gegeben und der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wie folgt geändert:

"Gemäß 26 Abs. 3 Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetz idgF wird Frau E... C..., der Auftrag erteilt, die auf dem Grundstück Nr. ..., KG D..., entlang der Gemeindestraße, Grundstück Nr. ... (H...straße), gepflanzten Bäume und Sträucher bis zu einer Entfernung von 3 Meter zur Straßengrundgrenze (gemessen vom Stammfuß aus) binnen einer Frist von vier Monaten (30.11.1997) abzuholzen und innerhalb der gleichen Frist jenen Überhang, der über diesen 3-Meter-Bereich hinausragt, auszulichten."

Die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass es gemäß § 66 AVG 1991 der Berufungsbehörde freistehe, den erstinstanzlichen Bescheid in jede Richtung hin abzuändern. Die Abänderung des Bescheidinhaltes durch die Berufungsbehörde sei daher keine Verletzung von Rechten der Beschwerdeführerin. Es handle sich im vorliegenden Fall nicht um einen Schutz- oder Bannwald. Die Sicherung einer Straßenböschung sei nicht die Aufgabe des angrenzenden Liegenschaftseigentümers, sondern die der jeweiligen Straßenverwaltung. Das Argument, dass die in der Nähe der Straße stehenden Bäume für die Sicherung der Straßenböschung als Schutzwald erforderlich seien, sei nicht zielführend, weil die Straßenböschung von der Straßenverwaltung zu erhalten bzw. baulich so zu gestalten sei, dass sie nicht abrutsche. Die Einholung eines Gutachtens eines Geologen sei daher im Hinblick auf diese Ausführungen nicht erforderlich.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat - außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall - die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 26 Abs. 3 Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz, LGBl. Nr. 154/1964 (LStVG. 1964), sind Waldungen (Baumbestände) und Gebüsche, die nicht Schutz- oder Bannwälder im Sinne der forstgesetzlichen Vorschriften sind und an Straßen grenzen, auf Verlangen der Straßenverwaltung in einer den Erfordernissen des Verkehrs und der Erhaltung der Straße im Einzelfall entsprechenden Entfernung vom Grundbesitzer (Nutzungsberechtigten) abzuholzen oder auszulichten oder nach einer bestimmten Betriebsweise zu bewirtschaften. Die Entfernung von der Straßengrenze ist höchstens mit 6 m und bei Straßen, die vorwiegend dem lokalen Verkehrsbedürfnis dienen, mit höchstens 3 m festzusetzen.

"Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 AVG ist die Angelegenheit, die den Gegenstand des Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. Dieser Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens wird durch den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz maßgeblich bestimmt (vgl. die in Walter - Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1998, 1264 unter E 109. und E 111. zu § 66 angeführten hg. Erkenntnisse). Gegenstand des Spruches des erstinstanzlichen verfahrensgegenständlichen Bescheides war die "Entfernung der Bäume und Sträucher, wie in der Verhandlungsschrift vom 19. Oktober 1993 festgehalten". In der angeführten Verhandlung verpflichtete sich die Beschwerdeführerin, den allfälligen Überhang der Sträucher und Bäume auf das Grundstück der Gemeinde zu entfernen. Der erstinstanzliche Bescheid betraf somit nur die Entfernung des Überhanges der Bäume und Sträucher auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin über die Grundgrenze. Im zuletzt ergangenen zweitinstanzlichen Bescheid wurde demgegenüber die Abholzung jener Bäume und Sträucher (ausgenommen Obstbäume) angeordnet, die sich innerhalb von 3 m von der Straßengrundgrenze befinden und weiters die Auslichtung des Überhanges, der über diesen 3-Meter-Bereich hinausragt. Genauso wie der Verwaltungsgerichtshof im hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0040, festgestellt hat, dass ein Instandhaltungsauftrag von einem Beseitigungsauftrag zu unterscheiden ist, muss in Vollziehung des § 26 Abs. 3 Stmk. Landesstraßenverwaltungsgesetz zwischen der Maßnahme der Auslichtung und der Maßnahme der Abholzung von Bäumen und Sträuchern unterschieden werden. Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides war lediglich die Auslichtung von Bäumen und Sträuchern, soweit sie sich an "überhanggefährdeten Stellen" im Hinblick auf den angrenzenden Gemeindegrund befanden. In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof zu verwaltungspolizeilichen Aufträgen ausgesprochen, dass die Berufungsbehörde nicht berechtigt ist, zusätzlich zu einem in erster Instanz erteilten Auftrag einen vom ersten Auftrag trennbaren weiteren Auftrag zu erteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. April 1991, Zl. 90/06/0156, und die in diesem Zusammenhang zitierte Vorjudikatur). Dies gilt auch für den Fall - wie den vorliegenden -, dass die Berufungsbehörde an Stelle des in erster Instanz erteilten Auftrages einen oder mehrere von diesem Auftrag trennbare weitere Aufträge erlässt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. Februar 1971, Slg. Nr. 7959/A). Die Berufungsbehörde hat somit gegen § 66 Abs. 4 AVG verstoßen, indem sie ihre Entscheidung in dieser Hinsicht nicht im Rahmen der durch den erstinstanzlichen Bescheid abgegrenzten "Sache" gehalten hat. Die Anordnung der Auslichtung im Berufungsbescheid vom 4. August 1997 ist wegen ihres unmittelbaren Zusammenhanges (die Anordnung der Abholzung ist unerlässliche Voraussetzung der in diesem Bescheid weiters getroffenen Anordnung der Auslichtung ab 3 m von der Straßengrundgrenze) mit der als rechtswidrig erkannten Anordnung der Abholzung gleichfalls rechtswidrig.

Indem die belangte Behörde die aufgezeigte inhaltliche Rechtswidrigkeit des Berufungsbescheides nicht aufgegriffen hat, hat sie ihrerseits den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Es erübrigte sich daher, auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 26. Mai 2000

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere Rechtsprobleme Auswechslung behördlicher Aufträge und Maßnahmen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1999060008.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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