TE OGH 2017/12/21 6Ob209/17d

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Veröffentlicht am 21.12.2017
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr.

 Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Knoflach Kroker Tonini & Partner, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen die beklagte Partei A*****, vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler & Dr. Sabine Danler-Brunner, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 9.329 EUR sA und Unterlassung (Streitwert 900 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 14. Juli 2017, GZ 3 R 56/17g-32, womit das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 22. Dezember 2016, GZ 16 C 135/15d-22, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den – Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig:

1.1. Bei der Beurteilung, ob Tatsachen verbreitet wurden, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch ermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers oder Durchschnittshörers, nicht aber der subjektive Wille des Äußernden ist maßgeblich (RIS-Justiz RS0032212 [T9]). Welcher Bedeutungsinhalt einer bestimmten Äußerung beizumessen ist, ob es sich um die Verbreitung von Tatsachen, die Verbreitung einer auf einem wahren Tatsachenkern beruhenden wertenden Meinungsäußerung oder eines Werturteils handelt, richtet sich nach dem Zusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (RIS-Justiz RS0031815 [T26]).

1.2. Wie eine Äußerung im Einzelfall zu verstehen ist, hängt so sehr von den Umständen des konkreten Falls ab, dass dieser Frage keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt und sie daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet (RIS-Justiz RS0112210 [T2]).

2. Die von der Revision zitierte „Unklarheitenregel“, wonach bei mehrdeutigen Äußerungen derjenige, von dem die Äußerung stammt, die ungünstigste Auslegung gegen sich gelten lassen müsse, ist durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung eingeschränkt: Liegt die Annahme eines bestimmten Tatsachenkerns nahe, der wahr ist und die damit verbundenen Werturteile als nicht exzessiv rechtfertigt, so muss die entfernte Möglichkeit einer den Kläger noch stärker belastenden Deutung unbeachtlich bleiben (RIS-Justiz RS0121107). Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung schließt es aus, eine entferntere, bloß mögliche Deutung der beanstandeten Formulierungen zur Ermittlung des für ihre rechtliche Beurteilung relevanten Tatsachenkerns heranzuziehen (RIS-Justiz RS0121107 [T4]; Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1330 Rz 21).

3.1. Im vorliegenden Fall hat der Beklagte geäußert, er habe mit dem Geschäftsführer der Klägerin „schlechte Erfahrungen“ gemacht. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen kaufte Letzterer vor einigen Jahren eine Wohnung, wobei es mit dem Beklagten als Geschäftsführer einer Maklerfirma zu „Ungereimtheiten“ hinsichtlich der Maklerprovision und zu „zähen Verhandlungen“ kam. Wenn der Beklagte vor diesem Hintergrund meint, mit dem Geschäftsführer der Klägerin „schlechte Erfahrungen“ gemacht zu haben, dann ist die Auffassung des Berufungsgerichts, darin liege ein Werturteil, dem auch ein entsprechendes Tatsachensubstrat zugrundeliegt, nicht zu beanstanden.

3.2. Dass mit der Formulierung, „schlechte Erfahrungen“ gemacht zu haben, jedenfalls auch der Vorwurf persönlicher und moralischer Defizite bzw abträglicher Charaktereigenschaften, Inseriosität oder mangelnde Vertrauenswürdigkeit verbunden sei, trifft entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung nicht zu.

4. Die (weitere) Äußerung, hinsichtlich der das Berufungsgericht dem Unterlassungsbegehren stattgegeben hat, wonach der Geschäftsführer der Klägerin den Beklagten um eine Provision „betrogen“ habe, vermag allein das Schadenersatzbegehren nicht zu tragen, weil die Geschäftsbeziehung mit der Klägerin bereits vor dieser Äußerung beendet wurde.

5.1. Soweit die Klägerin ihr Begehren auch auf § 1 Abs 1 Z 1 UWG stützt, ist ihr entgegenzuhalten, dass das – an sich wettbewerbsimmanente – Ausspannen von Kunden erst durch das Hinzutreten besonderer den Wettbewerb verfälschender Umstände zu einem Verstoß gegen § 1 UWG wird (vgl RIS-Justiz RS0078531). Als solche Umstände kommen etwa das Anschwärzen von Mitbewerbern oder sonstigen irreführende Praktiken in Form einer Täuschung der Kunden in Betracht (RIS-Justiz RS0078531). Auch die Verleitung zur ordnungsgemäßen Vertragsauflösung ist nicht schlechthin sittenwidrig, sondern nur dann, wenn besondere, die Sittenwidrigkeit begründende Umstände hinzutreten (RIS-Justiz RS0079358).

5.2. Eine sachlich vorgetragene Information bzw sachbezogene Kritik ist jedoch grundsätzlich zulässig (Burgstaller/Frauenberger/Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 548 und 556).

5.3. Zwar kann auch die Verbreitung wahrer Behauptungen wettbewerbswidrig sein, wenn diese geschäftsschädigend sind. Erforderlich ist diesfalls aber die Vornahme einer Interessenabwägung, die etwa dann zugunsten des Klägers ausschlägt, wenn die Herabsetzung in Form von Pauschalabwertungen, unnötigem Bloßstellen oder aggressiver Tendenzen das Sachlichkeitsgebot verletzt (4 Ob 91/99g; RIS-Justiz RS0078215; Burgstaller/Frauenberger/ Handig/Heidinger/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 Rz 557 ff). Die – auf einem hinreichend konkreten Tatsachensubstrat beruhende – Äußerung, mit dem Geschäftsführer der Klägerin „schlechte Erfahrungen“ gemacht zu haben, stellt hier auch kein wettbewerbsrechtlich unzulässiges Hineinzerren der persönlichen Verhältnisse des Mitbewerbers in den Wettbewerbskampf (dazu RIS-Justiz RS0078189; vgl auch Burgstaller/Frauenberger/Handig/ Heidinger/Wiebe aaO § 1 Rz 562) dar.

6. Auch ein Eingriff in fremde Forderungsrechte (dazu RIS-Justiz RS0025946, RS0025920) liegt nicht vor. Abgesehen davon, dass die Geschäftsbeziehung mit der klagenden Partei offenbar durch ordentliche Kündigung beendet wurde, ist in der inkriminierten Äußerung aus den dargelegten Erwägungen kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Beklagten zu sehen. Soweit die Revision behauptet, der Beklagte habe bezüglich der Beendigung der Geschäftsbeziehung interveniert, um der Klägerin einen Schaden zuzufügen und als Konkurrent der Klägerin selbst die Versicherungsvermittlung durchführen zu können, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus. Aus diesem Grund bedarf es auch keines Eingehens auf die Frage, ob der Beklagte als Geschäftsführer der Vertragspartnerin der Klägerin überhaupt als „Dritter“ im Sinne der Rechtsprechung zum Eingriff in fremde Forderungsrechte qualifiziert werden kann.

7. Zusammenfassend gelingt es der klagenden Partei daher nicht, eine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen, sodass die Revision spruchgemäß zurückzuweisen war.

8. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

schlechte Erfahrungen,

Textnummer

E120539

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00209.17D.1221.000

Im RIS seit

06.02.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.06.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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