Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.
Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Eigentümergemeinschaft *****, vertreten durch Dr. G***** GmbH, diese vertreten durch Dr. Alexander Rehrl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei P***** -Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch MMag. Hermann Bogensperger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 309.545,79 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 107.272,95 EUR sA) und den als „außerordentliche Revision“ bezeichneten Rekurs der beklagten Partei (Rekursinteresse 202.272,84 EUR) gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. August 2017, GZ 3 R 81/17b-73, mit denen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 24. April 2017, GZ 5 Cg 150/12y-68, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1. Die „außerordentliche Revision“ der beklagten Partei wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung:
Die Beklagte hat auf der Liegenschaft EZ ***** die Wohnungseigentumsanlage ***** errichtet und die Objekte in den Jahren 2008 bis 2010 an die einzelnen Wohnungseigentümer verkauft. Bis Ende des Jahres 2010 war die Beklagte auch die Verwalterin.
Die Klägerin begehrte von der Beklagten letztlich 309.545,79 EUR an Deckungskapital für Mängelbehebungs-kosten. Die Beklagte als Bauträgerin und Verkäuferin der Objekte habe – im Einzelnen näher ausgeführte – Mängel trotz Verbesserungsaufforderung nicht behoben. Da mit Ausnahme von acht – im Einzelnen näher bezeichneten – Wohnungseigentümern, die insgesamt 20,3 % der Miteigentumsanteile repräsentierten, sämtliche übrige Wohnungseigentümer ihre Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche an die Klägerin abgetreten hätten, sei diese zur Geltendmachung im Gesamtausmaß von 79,7 % der Verbesserungskosten aktiv legitimiert.
Die Beklagte wendete – soweit für das Revisionsverfahren relevant – insbesondere die mangelnde Aktivlegitimation der Klägerin ein. Die aus individuellen Verträgen der Wohnungseigentümer mit dem Bauträger herrührenden Gewährleistungsansprüche stünden den einzelnen Wohnungseigentümern zu. Zu einer wirksamen Abtretung sei es nicht gekommen.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Eine wirksame Abtretung der Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche durch die einzelnen Wohnungseigentümer sei zu verneinen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und bestätigte die Abweisung eines Teils des Klagebegehrens von 107.272,95 EUR sA als Teilurteil. Die ordentliche Revision ließ es nicht zu. Hinsichtlich der Abweisung eines Begehrens von 202.272,84 EUR sA sowie im Kostenpunkt hob es das angefochtene Urteil hingegen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.
Es verneinte eine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 9 ZPO und vertrat die Auffassung, die mit Verfahrens- und Tatsachenrüge bekämpfte Ausführung des Erstgerichts „am 2. Oktober 2010 erfolgte keine Abtretung von Ansprüchen einzelner Wohnungseigentümer an die Eigentümergemeinschaft“ sei richtigerweise eine rechtliche Beurteilung ohne Feststellungscharakter. Im Zusammenhang mit der behaupteten Abtretung der Ansprüche einzelner Wohnungseigentümer an sie habe die Klägerin Urkunden über Erklärungen bei der Hausversammlung am 2. Oktober 2010 samt Auswertung nach Miteigentumsanteilen (./N bis ./P) vorgelegt, sodass von ausreichendem Prozessvorbringen zu der an diesem Tag bei der Hausversammlung erfolgten Abtretung auszugehen sei. Damals hätten Wohnungseigentümer, die insgesamt 57,4 % der Miteigentumsanteile repräsentieren, sich (unter anderem) mit (Punkt 3.) der Bestellung eines Anwalts zur Geltendmachung von Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüchen (durch Ralf H***** in ihrem Namen) und Tragung der anteiligen Kosten durch die Eigentümergemeinschaft einverstanden erklärt.
Nach dem objektiven Erklärungswert sei dieser Satz als Anbot zur Abtretung der die Liegenschaft betreffenden Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche an die Eigentümergemeinschaft zu qualifizieren, die diese jedenfalls konkludent durch die neu bestellte Verwalterin, der sämtliche Unterlagen übergeben worden seien und die als Vertreterin der Eigentümergemeinschaft die gegenständliche Klage eingebracht habe, angenommen habe. Da die Klägerin allerdings ihr Begehren nicht nur um die Anteile von Miteigentümern eingeschränkt habe, die das Abtretungsangebot gar nicht unterfertigt hätten, sondern auch hinsichtlich zweier – insgesamt 5,32 % der Anteile repräsentierender – Miteigentümer, die das Anbot tatsächlich unterfertigt hatten, sei die Klagslegitimation für insgesamt 52,08 % der Schadenersatz- und Gewährleistungsansprüche aufgrund wirksamer Abtretung am 2. Oktober 2010 zu bejahen.
Hinsichtlich weiterer 27,62 % der Ansprüche sei das abweisende Ersturteil zu bestätigen, weil die Klägerin trotz Erörterung der Frage der Aktivlegitimation und der substantiierten Einwände der Beklagten kein ausreichendes Tatsachensubstrat zur Abtretung der Ansprüche derjenigen Wohnungseigentümer erstattet habe, die die Beilagen ./N und ./O nicht unterfertigt hätten. Der Verweis auf Aussagen von Mit- und Wohnungseigentümern als Zeugen im Verfahren könne das mangelnde Vorbringen nicht ersetzen.
Mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO sei die Revision nicht zuzulassen.
Rechtliche Beurteilung
Das ungeachtet seiner Bezeichnung als „außerordentliche Revision“ ausschließlich gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung gerichtete und damit als Rekurs zu behandelnde Rechtsmittel der Beklagten ist absolut unzulässig.
Die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das bestätigende Teilurteil zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
I. Zur „außerordentlichen Revision“ der Beklagten:
1. Sowohl Anfechtungserklärung als auch -antrag der Beklagten lassen keinerlei Zweifel offen, dass sich ihr Rechtsmittel ausschließlich gegen die vom Berufungsgericht beschlossene Aufhebung der klagsabweisenden Entscheidung des Erstgerichts im Umfang von 202.272,84 EUR sA richtet. Die unrichtige Benennung ihres Rechtsmittels als „außerordentliche Revision“ anstelle als Rekurs hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RIS-Justiz RS0036258 [T28, T29]).
2. Das Berufungsgericht ließ hier die ordentliche Revision (die sich nur gegen das Teilurteil richten könnte), nicht zu, hinsichtlich des aufhebenden Teils seiner Entscheidung erfolgte kein Zulassungsausspruch iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO. Aufhebungsbeschlüsse ohne Rechtskraftvorbehalt sind allerdings unanfechtbar und können auch nicht mit verbundenem Rekurs (§ 515 ZPO) bekämpft werden (RIS-Justiz RS0043986). Der Ausnahmefall, dass der Zulassungsausspruch nur versehentlich unterlassen worden wäre und sich ein Zulassungswille eindeutig aus der Begründung ergäbe (RIS-Justiz RS0043986 [T11, T12]), liegt hier eindeutig nicht vor. Das Rechtsmittel der Beklagten hinsichtlich des aufhebenden Teils der Entscheidung des Berufungsgerichts ist daher gemäß § 519 ZPO jedenfalls unzulässig und zurückzuweisen.
II. Zur Revision der Klägerin:
1. Die Klägerin macht als erhebliche Rechtsfrage geltend, das Berufungsgericht sei hinsichtlich jener Eigentümer, die 27,26 % der Anteile repräsentieren, von gesicherter höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, weil sie für beide Eigentümergruppen identes Vorbringen erstattet habe.
Damit spricht sie allerdings keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO an.
2. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen soweit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht bzw wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0042828). Gegenteiliges gilt im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit nur dann, wenn die Auslegung des Parteivorbringens mit seinem Wortlaut unvereinbar ist oder gegen die Denkgesetze verstieße (RIS-Justiz RS0042828 [T11, T31]). Eine im Sinn dieser Judikatur korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts ist aber nicht zu erkennen.
3. Das Berufungsgericht befasste sich mit dem Vorbringen der Klägerin zur Aktivlegitimation explizit (vgl 2.5 des Berufungsurteils) und hielt es unter Berücksichtigung der im Zusammenhang damit vorgelegten Urkunden betreffend die Hausversammlung vom 2. Oktober 2010 (./N–./P) hinsichtlich der dort genannten Wohnungseigentümer für ausreichend. Auf Basis dieses – somit unter Berücksichtigung des Inhalts der genannten Urkunden ausgelegten – Vorbringens gelangte das Berufungsgericht zur teilweisen Aufhebung. Demgegenüber gebe es hinsichtlich derjenigen Wohnungseigentümer, die die Urkunden anlässlich der Hausversammlung am 2. Oktober 2010 nicht unterfertigt hatten, nur völlig unsubstantiiertes Vorbringen dahingehend, die Abtretung der Ansprüche sei Thema bei diversen Eigentümerversammlungen gewesen; jene Eigentümer, die im Verfahren ausgesagt hätten, dass sie abgetreten hätten, hätten ihre Ansprüche zediert und die Eigentümergemeinschaft habe dies angenommen. Das Vorbringen der Klägerin zur Abtretung im Sinn des Berufungsgerichts dahin auszulegen, dass eine Abtretung bereits am 2. Oktober 2010 (nur) durch diejenigen Wohnungseigentümer behauptet werden sollte, die die Urkunden an diesem Tag unterschrieben hatten, hinsichtlich der dort nicht aufscheinenden Wohnungseigentümer aber eine Abtretung erst danach – offenbar im Zuge von nicht näher datumsmäßig festgelegten Hausversammlungen –, ist zumindest vertretbar.
4. Der Klägerin ist zwar dahin zu folgen, dass ihr ursprüngliches Vorbringen zur Abtretung (in der Tagsatzung vom 1. Februar 2016 – ON 46) ident war, sich allerdings darin erschöpfte, die Eigentümer hätten ihre Ansprüche zur Klagsgeltendmachung an die Eigentümergemeinschaft vor Klagseinbringung abgetreten. Eine Konkretisierung bzw Präzisierung dieses Vorbringens sah das Berufungsgericht in der Bezugnahme auf die Urkunden ./N bis ./P betreffend die Hausversammlung am 2. Oktober 2010. Weitere Präzisierungen des Vorbringens erfolgten allerdings nur mehr insoweit, als die Klägerin hinsichtlich einer Reihe von Wohnungseigentümern, die im Verfahren ausgesagt hatten, nicht abgetreten zu haben, das Klagebegehren einschränkte, wobei sie hiezu jeweils den Namen des betreffenden Wohnungseigentümers und den entsprechenden Anteil konkret angab (so etwa Tagsatzung vom 11. Juli 2016, Protokoll ON 58, S 2 oder Tagsatzung vom 12. Juli 2016, Protokoll ON 59, S 2). Wann konkret welche in den Beilagen ./N bis ./P nicht genannten Mit- und Wohnungseigentümer nach dem Termin dieser Hausversammlung ihre Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche an die Klägerin abgetreten haben sollen, brachte diese allerdings trotz Erörterung durch das Erstgericht und mehrfacher diesbezüglicher Einwände der Beklagten tatsächlich nicht näher vor, sondern verwies insoweit lediglich auf Zeugenaussagen der Wohnungseigentümer. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, insoweit sei das Klagsvorbringen unzureichend geblieben, weil Parteien- und Zeugenaussagen dieses nach der Judikatur (RIS-Justiz RS0038037 [T24, T25]) nicht ersetzen könnten, stellt keine grobe Fehlbeurteilung dar, die der Korrektur durch das Höchstgericht bedürfte.
5. Die außerordentliche Revision der Klägerin war somit mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen.
Schlagworte
;Streitiges Wohnrecht;Textnummer
E120521European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2017:0050OB00194.17S.1221.000Im RIS seit
05.02.2018Zuletzt aktualisiert am
05.02.2018