TE Vwgh Erkenntnis 2000/5/29 97/10/0083

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Veröffentlicht am 29.05.2000
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Index

L55002 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Kärnten;
L55302 Geländefahrzeuge Motorschlitten Kärnten;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
NatSchG Krnt 1986 §9 Abs2 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Killian, über die Beschwerde der A in Techendorf, vertreten durch Dr. Franz P. Oberlercher, Rechtsanwalt in 9800 Spittal/Drau, Bahnhofstraße 2, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 24. März 1997, Zl. Ro-290/1/1997, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. Juli 1993 war der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung der naturschutzbehördlichen Bewilligung für die Errichtung einer Badeplatte auf ihrem Seeufergrundstück am Weißensee (Grundstück Nr. 103/5 KG T.) abgewiesen worden.

Dieser Bescheid war mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. April 1995, Zl. 93/10/0187, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben worden. Die weitere Vorgeschichte des Beschwerdefalles betreffend wird auf dieses Vorerkenntnis verwiesen.

Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag gemäß §§ 4 lit. a, 8, 9 Abs. 1 lit. b, 9 Abs. 7 und 10 Abs. 3 lit. b des Kärntner Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 54/1986 idF LGBl. Nr. 87/1995 (NSchG) neuerlich ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges unter Hinweis auf Befund und Gutachten der Amtssachverständigen für Naturschutz aus, das Grundstück sei am Nordufer des Weißensees gelegen und im Norden vom Promenadenweg begrenzt. Es weise Ausmaße von 36,5 m bzw. 40 m x 12,67 m bzw. 12 m auf; die Uferlänge betrage 12 m. Das Grundstück selbst sowie der daran Richtung Osten auf einer Länge von 200 m anschließende Bereich sei als "Grünland-Bad" gewidmet. Daran schließe eine Fläche mit ca. 65 m Uferlänge an, die als "Grünland-Landwirtschaft" gewidmet sei. Daran schließe zunächst eine als "Grünland-Bad" gewidmete Fläche von ca. 15 m Uferlänge und sodann eine als "Grünland-Landwirtschaft" gewidmete Fläche mit einer Uferlänge von ca. 500 m an. Vom Grundstück der Beschwerdeführerin aus gesehen Richtung Westen folge das Grundstück 103/1 mit einer Uferlänge von 46 m mit der Widmung "Grünland-Landwirtschaft". Daran schließe ein Bereich an, der auf etwa 100 m Uferlänge als "Grünland-Bad", sodann ein Bereich mit 240 m Uferlänge mit der Widmung "Grünland-Landwirtschaft" und daran anschließend Flächen mit unterschiedlichen Widmungen an. Bei den östlich an das Grundstück der Beschwerdeführerin anschließenden Grundstücken handle es sich um Riemenparzellen, die im Bereich der Widmung "Grünland-Bad" mit wenigen Ausnahmen mit Wochenendhäusern, Badehütten und Badestegen bebaut seien. Westlich des Grundstückes lägen flächenmäßig größere Parzellen. In einer Entfernung von ca. 50 m vom Grundstück der Beschwerdeführerin befinde sich ein Badehaus und daran anschließend - im Bereich der als "Grünland-Bad" gewidmeten Flächen - Badehütten, Wochenendhäuser und Badestege, wobei die Verbauung weniger dicht sei als im Bereich östlich des Grundstückes der Beschwerdeführerin. Das Grundstück der Beschwerdeführerin bilde bis zu einer Entfernung von ca. 19,5 m vom Promenadenweg Richtung Süden eine Rasenfläche. Daran schließe mit einem Abstand von 2 bis 2,5 m von der West- und Ostgrenze des Grundstückes eine "Liegeplatte" (Holzkonstruktion, gedeckt mit Brettern, auf einer Seite mit Sitzplätzen und Geländer) an. Dieser Liegeplatte Richtung Weißensee vorgebaut und im Weißensee selbst befinde sich ein Badesteg mit einer Länge von ca. 8,5 m und einer Breite von ca. 1,3 m. Vor dem Grundstück und vor den sich Richtung Westen und Osten anschließenden Grundstücken befinde sich ein schmaler Reststreifen des Verlandungsgürtels, der unter anderem aus Schilf bestehe. Dieser Verlandungsgürtel sei jeweils im Bereich vor den Seeeinbauten unterbrochen. Sähe man von der konsenslosen Errichtung der Liegeplatte und des Badesteges auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin ab, wäre dort die für den Weißensee typische Verlandungszone, bestehend aus einem von Erlen und Weiden durchsetzten Schilfgürtel sowie aus einem Röhrichtgürtel vorzufinden. In der Verlandungszone des Weißensees hätten zahlreiche näher genannte Vögel ihren Lebensraum. Weitere nähere aufgezählte Vogelarten nutzten die offenen Wasserflächen, das randliche Röhricht und auch angrenzende durchmischte Bereiche. Durch die Errichtung des Badesteges und der Badeplatte sei es zu einer wesentlichen flächenmäßigen Verkleinerung des Lebensraumes gekommen. Die Vögel bräuchten das Röhricht als Schlafplatz, Brutversteck, Brutplatz, Rastplatz und als Nahrungsraum sowie als Unterschlupf oder Deckung zum Mausern. Die meisten im Schilf vorkommenden bzw. ans Schilf gebundenen Vogelarten seien bezüglich menschlicher Störungen sehr empfindlich. Ein Schilfbestand werde von ihnen in der Weise besiedelt, dass sie trachteten, eine entsprechend große Pufferzone zwischen dem Störungserreger und ihrer Lebenstätigkeit einzuschalten. So gesehen gliedere sich das Biotop in einen Kernbereich, in dem die Tiere ungestört leben könnten, und eine Pufferzone von artspezifisch unterschiedlicher Breite. Wenn der bisherige Kernbereich durch eine Störquelle durchschnitten werde, sei er nicht ohne weitere Konsequenzen in zwei Teile geteilt; vielmehr entstünden neue Kernzonen und Pufferzonen, was zu einer wesentlichen Verkleinerung der Kernzonenfläche führe. Die Störungen bestünden in der Benutzung der Liegeplatte und des Badesteges durch Menschen. Allein schon deren Anwesenheit bewirke, dass die störungsempfindlichen Vögel des Röhrichts ihr Brutgeschäft unterbrechen oder sich zum Brüten in weiter entfernte Schilfbereiche zurückziehen.

In ihrer Darstellung der Rechtslage verwies die belangte Behörde unter anderem darauf, dass nach der Kärntner Tierartenschutzverordnung, LGBl. Nr. 3/1989, sämtliche einheimischen und durchziehenden, nicht jagbaren freilebenden Vogelarten (mit näher angeführten Ausnahmen) vollkommen geschützte Tiere seien. Die von der Beschwerdeführerin konsenslos errichteten, den Gegenstand ihres Antrages bildenden Bauten stellten eine Störquelle für die Vogelwelt dar, die eine Teilung und Verkleinerung des Lebensraumes in einem solchen Ausmaß nach sich ziehe, dass durch das Vorhaben im Sinne von § 9 Abs. 2 lit. b NSchG der Lebensraum geschützter Tierarten wesentlich beeinträchtigt werde. Ohne die konsenslosen Einbauten wäre auf dem gegenständlichen Grundstück eine den natürlichen Gegebenheiten entsprechende gute Ausprägung der Verlandungszone vorhanden. In dieser Verlandungszone hätten zahlreiche seltene geschützte Tier- und Pflanzenarten ihren Lebensraum. Nach Wiederherstellung des rechtmäßigen Zustandes würde dieser Lebensraum zweifelsohne von Zeit zu Zeit in unterschiedlicher Intensität von zahlreichen in der Verlandungszone des Weißensees vorkommenden geschützten Vorgelarten als Lebensraum (Unterschlupf, Deckung, Nahrungsraum, Schlafplatz etc.) benützt. Im Zusammenhang mit dem Vorhaben stelle die Vermietung von zwei Ferienwohnungen kein solches öffentliches Interesse dar, das das öffentliche Interesse an der Bewahrung des Gebietes vor störenden Eingriffen übersteigen könnte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die Bewilligung im Grunde des § 10 Abs. 3 iVm § 9 Abs. 1 lit. b, Abs. 2 lit. b NSchG im Hinblick auf eine wesentliche Beeinträchtigung des Lebensraumes geschützter Tierarten versagt. Soweit sich die Beschwerde auf die Frage einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bzw. des Landschaftscharakters bezieht, kann sie schon deshalb keine Rechtswidrigkeit aufzeigen, weil die Versagung nicht auf der Annahme einer Beeinträchtigung des Landschaftsbildes bzw. Landschaftscharakters beruht.

Im Übrigen macht die Beschwerde geltend, die belangte Behörde habe zu Unrecht die Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung des Lebensraumes geschützter Tierarten durch die Errichtung der in Rede stehenden Anlagen angenommen. Die Veränderungen des Lebenshaushaltes der Natur im fraglichen Bereich seien bereits vor Jahrzehnten eingetreten und auf die intensive Badetätigkeit, das Begehen und Befahren der im Nahbereich gelegenen Straße sowie die Errichtung und Nutzung zahlreicher Badeanlagen, Bootshäuser, Ferien- und Wohnhäuser zurückzuführen. Auch die Amtssachverständige habe zugestanden, dass durch die Nutzung des Weißensees, insbesondere für Erholungszwecke, große Bereiche der Verlandungsvegetation zerstört oder gestört worden seien. Daher seien die von der Amtssachverständigen angeführten Vogelarten schon vor Jahrzehnten abgewandert.

Diese Darlegungen gehen dahin, dass die von der Sachverständigen aufgezählten Vogelarten im fraglichen Bereich gar nicht vorkämen und dieser - auch im Falle der Entfernung der konsenslos errichteten Anlage - keinen Lebensraum für diese Tierarten darstelle.

Bei den Fragen des Vorkommens von Tierarten in bestimmten Bereichen und der Eignung eines Gebietes als Lebensraum bestimmter Tierarten handelt es sich um Fachfragen, die die belangte Behörde auf Grund von Befund und Gutachten eines Sachverständigen zu lösen hatte. Mit den oben wiedergegebenen Darlegungen wendet sich die Beschwerde gegen Feststellungen, die dem Befund der Amtssachverständigen entnommen wurden, lediglich mit Gegenbehauptungen; dass in der Verwertung des Befundes der Amtssachverständigen im angefochtenen Bescheid ein Verfahrensmangel liege, zeigt die Beschwerde damit jedoch nicht auf. Im Verwaltungsverfahren ist die Beschwerdeführerin den ihr vorgehaltenen Feststellungen des Befundes nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten; dem von ihr beigebrachten Befund eines Zivilingenieurs für Forst- und Holzwirtschaft ist insoweit lediglich zu entnehmen, dass "anlässlich der Befundaufnahme keine Vogelarten festgestellt werden konnten, lediglich eine rege Frequenz von Besuchern am unmittelbar vorbeiführenden Uferweg". Ebenso wenig ist der erwähnten Stellungnahme zu entnehmen, dass das in Rede stehende Gebiet wegen der Nutzung der angrenzenden Flächen als Lebensraum der genannten Vogelarten nicht geeignet wäre. Auf Grund dieser Darlegungen musste die belangte Behörde den Befund der Amtssachverständigen nicht als in seiner Beweiskraft vermindert ansehen; in seiner Verwertung im angefochtenen Bescheid liegt bei dieser Sachlage kein Verfahrensmangel.

Die Beschwerde greift aus den Darlegungen der Amtssachverständigen weiters den Hinweis heraus, dass "die gefährdete Wasserralle ungestörte Schilfbestände oder Sumpf- oder Wasserpflanzenbestände von mindestens 200 bis 300 m2 Ausdehnung, das stark gefährdete Tümpelsumpfhuhn noch viel größere geschlossene Röhrichtbestände und der ebenso wie die genannten Arten geschützte Teichrohrsänger für optimales Brutgeschehen mehrere 100 m2 umfassende Schilfbestände braucht"; daraus folge - so die Beschwerde - dass das in Rede stehende, einem geschlossenen Röhrichtbestand von maximal 130 m2 umfassende Gebiet als Lebensraum der genannten Arten nicht geeignet sei.

Der angefochtene Bescheid geht im Einklang mit Befund und Gutachten der Amtssachverständigen zum einen von der Eignung des in Rede stehenden Gebietes als Lebensraum bestimmter näher angeführter Vogelarten, zum anderen von der Beeinträchtigung desselben durch die Anlage infolge einer Zerschneidung in zwei Teilabschnitte aus; der angefochtene Bescheid enthält jedoch keine ins Einzelne gehenden Feststellungen über Abmessungen bzw. Fläche jenes geschlossenen Röhrichtgebietes, das nach Entfernung der konsenslos errichteten Anlage verbliebe. Im Fehlen solcher Feststellungen liegt im Beschwerdefall jedoch kein Verfahrensmangel, weil die Beschwerdeführerin der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Auffassung der Amtssachverständigen, das in Rede stehende Gebiet stelle einen Lebensraum näher genannter Vogelarten dar, nicht mit der nunmehr in der Beschwerde relevierten Begründung entgegengetreten ist, das Gebiet eigne sich hiezu wegen seiner geringen Größe nicht. Für die belangte Behörde, der kein in diese Richtung gehender Hinweis vorlag, bestand somit kein Anlass, sich mit der Frage der Eignung des Gebietes als Lebensraum der genannten Vogelarten unter Gesichtspunkten einer bestimmten Mindestgröße auseinanderzusetzen. Mit dem oben wiedergegebenen Hinweis, der sich im Übrigen nicht auf alle der nach dem Befund der Amtssachverständigen im fraglichen Gebiet vorkommenden geschützten Vogelarten bezieht, kann schon aus diesem Grund kein Verfahrensmangel aufgezeigt werden.

In der Begründung der gemäß § 10 Abs. 3 lit. b NSchG vorzunehmenden Interessenabwägung gelegene Mängel macht die Beschwerde (ebenfalls) unter dem Gesichtspunkt geltend, die Errichtung der Anlage habe zu keiner Änderung des seit langem bestehenden Zustandes, insbesondere zu keiner Störung des Lebensraumes für Tiere, geführt. Damit entfernt sich die Beschwerde vom nach dem Gesagten mängelfrei festgestellten Sachverhalt; sie zeigt daher auch mit diesen Darlegungen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Auch das Vorbringen der Beschwerde, mit dem die Feststellungen des angefochtenen Bescheides über die Abmessungen der Grundstücke Nr. 103/5 und 103/1 bekämpft bzw. als infolge mangelhaften Beweisverfahrens unvollständig bezeichnet werden, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend, weil es hier nicht auf Lage und Abmessungen bestimmter (in der Grundstücksmappe bzw. Vermessungsplänen festgelegter) Grundstücke, sondern auf die nicht an die Grundstücksgrenzen gebundenen Gegebenheiten in der Natur ankommt.

Die Beschwerde zeigt somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf; sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 29. Mai 2000

Schlagworte

Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Besonderes Fachgebiet

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1997100083.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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