Entscheidungsdatum
29.01.2018Norm
MSG Vlbg 2010 §8 Abs1Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Dr. Manfred Böhler über die Beschwerde des E A, D, vertreten durch Grabher & Müller Rechtsanwälte, Lustenau, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft D vom 13.11.2017, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insofern behoben, als mit diesem vorgeschrieben wurde, dass der Beschwerdeführer ab dem 24.10.2017 100% der gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus der Schenkung vom 17.3.2011 einsetzen muss.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
1. Mit angefochtenem Bescheid wurden für den Beschwerdeführer die Unterkunfts- und Verpflegskosten im Pflegeheim B D ab dem 24.10.2017 übernommen, wobei ausgesprochen wurde, dass der Beschwerdeführer von den eigenen Einkünften wie folgt einsetzen müsse:
a) 80 % der monatlichen Pension abzüglich des Unterhaltsanspruchs für seine Gattin A A,
b) das Pflegegeld, soweit es 10 % der Stufe 3 übersteigt, sowie
c) 100 % der gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus der Schenkung vom 17.03.2011, das seien monatlich 825,52 Euro.
2. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde erhoben. In dieser bringt er im Wesentlichen vor, der Bescheid werde in dem Umfang angefochten, als ihm vorgeschrieben worden sei, dass er 100 % der gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus der Schenkung vom 17.03.2011 einzusetzen haben. Dies widerspreche § 330a ASVG, wonach ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/innen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig sei. Gemäß § 707a Abs 2 ASVG dürften Ersatzansprüche ab 01.01.2018 nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren seien einzustellen. Dass die gesetzlichen Zinsen nicht mehr geltend gemacht werden dürften, ergebe sich zwingend aus der Bestimmung des § 330a ASVG, wonach ein Zugriff auf Geschenknehmer/innen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig sei. Selbst wenn aber die gesetzlichen Zinsen eingesetzt werden müssten, würde dies längstens bis 31.12.2017 gelten. Dies deshalb, da eine darüber hinausgehende Ersatzpflicht sachlich nicht gerechtfertigt und sohin gleichheitswidrig wäre.
3. Folgender Sachverhalt steht fest:
Mit Schenkungs- und Übergabsvertrag vom 17.03.2011 hat der Beschwerdeführer die Liegenschaft EZ XXX GB D, bestehend aus GST-NRn YYY und ZZZ samt darauf errichtetem Wohnhaus P-M-Straße, D, an seine Tochter E M geschenkt. Gleichzeitig wurde in diesem Vertrag vereinbart, dass die Geschenknehmerin als Gegenleistung für die Übertragung dem Beschwerdeführer und dessen Ehegattin die Dienstbarkeit des lebenslänglichen und unentgeltlichen Wohnrechtes (Wohnungsgebrauchsrechtes) am gesamten Wohnhaus P-M-Straße, D, samt Liegenschaft einräumt.
Mit Antrag vom 23.10.2017 wurde für den Beschwerdeführer um Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegungskosten im Pflegeheim B D ab dem 24.10.2017 aus Mitteln der Mindestsicherung angesucht.
Mit angefochtenem Bescheid wurde u.a. ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer 100 % der gesetzlichen Zinsen gemäß 947 ABGB aus der Schenkung vom 17.03.2011, das seien monatlich 825,52 Euro von den eigenen Einkünften einsetzen müsse.
4. Dieser Sachverhalt wird auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grund des vorliegenden Aktes als erwiesen angenommen. Er ist insoweit unbestritten; insbesondere ist unbestritten, dass die gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus der gegenständlichen Schenkung monatlich 825,52 Euro betragen.
5.1. Gemäß § 8 Abs 1 Mindestsicherungsgesetz ist das Ausmaß der Mindestsicherungsleistung im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte, insbesondere der eigenen Arbeitskraft, und Mittel zu bestimmen.
Gemäß § 9 Abs 1 lit c Mindestsicherungsverordnung sind nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 bei der Ermittlung des Anspruchs auf Leistungen der Mindestsicherung in einer stationären Pflegeeinrichtung die Einkünfte der hilfsbedürftigen Person sowie die ihr zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter zu berücksichtigen.
5.2. § 947 ABGB lautet wie folgt: „Geräth der Geschenkgeber in der Folge in solche Dürftigkeit, dass es ihm an dem nöthigen Unterhalte gebricht; so ist er befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, in so weit die geschenkte Sache, oder derselben Werth noch vorhanden ist, und ihm der nöthige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich anders dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet. Aus mehrern Geschenknehmern ist der frühere nur in so weit verbunden, als die Beyträge der spätern zum Unterhalte nicht zureichen.“
5.3. Gemäß § 330a ASVG idF BGBl I Nr 125/2017 ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig.
Gemäß § 707a Abs 2 leg cit tritt § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr 125/2017 mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.
In dem entsprechenden Abänderungsantrag ist in der Begründung zu diesen beiden Bestimmungen wie folgt festgehalten (vgl Nationalrat, XXV. GP, 190. Sitzung, S 185ff):
„Zu Art 1 lit a (§ 330a ASVG):
Die in den landesgesetzlichen Vorschriften verankerten Regelungen, die einen Zugriff auf das Vermögen pflegebedürftiger Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen betreut werden, bzw ihrer GeschenknehmerInnen ermöglichen, führen beim betroffenen Personenkreis oftmals zur gänzlichen Verwertung sämtlicher oft mühsam erworbener Vermögenswerte, wie etwa eines Eigenheimes oder Sparguthabens.
Dadurch kann die im Rahmen des österreichischen Pflegevorsorgesystems intendierte Wahlmöglichkeit für die Betroffenen insofern eingeschränkt werden, als dadurch ein allfällig sachlich gebotener oder von der betroffenen Person gewünschter Umzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung oftmals nicht realisierbar ist.
Durch die vorgeschlagene Verfassungsbestimmung soll der Pflegeregress verboten werden.
...
Zu Art 1 lit c (§ 707a Abs 2 ASVG):
Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass ab dem Inkrafttreten sowohl laufende gerichtliche als auch verwaltungsbehördliche Verfahren eingestellt werden. Ebenso dürfen keine neuen Rückersatzverpflichtungen auferlegt werden.
Es wird eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Fall vorgesehen, dass sich nähere Regelungen betreffend den Übergang zur neuen Rechtslage als erforderlich erweisen.
Selbstverständlich treten die entgegenstehenden landesgesetzlichen Bestimmungen (zum Beispiel die §§ 26 und 27 des Wiener Sozialhilfegesetzes) nur insoweit außer Kraft, als sie sich auf den Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen und ihrer Erben/Erbinnen und GeschenknehmerInnen zur Abdeckung der Pflegekosten beziehen.“
6. Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen den Spruchpunkt lit c, mit welchem ausgesprochen wurde, dass der Beschwerdeführer ab dem 24.10.2017 von seinen eigenen Einkünften 100 % der gesetzlichen Zinsen gemäß § 947 ABGB aus der Schenkung vom 17.03.2011 (monatlich 825,52 Euro) einsetzen muss. Der Beschwerdeführer stützt sich dabei auf das Verbot des Pflegeregresses nach den Bestimmungen der § 330a und § 707a ASVG idF BGBl I Nr 125/2017.
Wie sich aus der obzitierten Gesetzesbestimmung des § 707a ASVG idF BGBl I Nr 125/2017 ergibt, soll es nach dem 31.12.2017 keinen Zugriff auf Vermögen mehr geben, wenn Menschen in einer stationären Pflegeeinrichtung aufgenommen sind und dafür öffentliche Mittel aufgewendet werden. Wortlaut als auch Zweck der Regelung sprechen für ein weites Verständnis des Zugriffsverbotes: das Verbot kann nur dann wirken, wenn es jede Form des verlangten Einsatzes von Vermögen umfasst (vgl Walter J. Pfeil, Umsetzungsfragen für das „Verbot des Pflegeregresses“, ÖZPR 2017, 109; Josef Müllner, Von der Abschaffung des Pflegeregresses und was daraus folgt, ZfV 4/2017).
Bei der Geltendmachung einer Forderung nach § 947 ABGB handelt es sich um einen Zugriff auf das Vermögen eines Geschenknehmers im Rahmen der Sozialhilfe. Die Forderung gemäß § 947 ABGB setzt eine Schenkung voraus. Die geschenkte Sache oder ihr Wert müssen noch vorhanden sein. Mit der Forderung greift die hilfsbedürftige Person letztlich auf die geschenkte Sache. Dabei kann es nicht wesentlich sein, dass sich die Forderung lediglich auf die gesetzlichen Zinsen bezieht. Auch die gesetzlichen Zinsen stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der geschenkten Sache. Die hilfsbedürftige Person muss nach den einschlägigen Vorschriften des Mindestsicherungsgesetzes diese Forderung geltend machen. Insofern erfolgt dieser Zugriff auch im Rahmen der Sozialhilfe.
Es ist somit davon auszugehen, dass der Einforderung von 4% des Wertes des geschenkten Vermögens jährlich gemäß § 947 ABGB mit der Abschaffung des Pflegeregresses die Grundlage entzogen ist. Vielmehr ist in der stationären Pflege der Geschenknehmerkostenersatz ab dem 1.1.2018 grundsätzlich unzulässig.
Dass das Verbot des Pflegeregresses dabei im vorliegenden Fall auch jene Schenkungszinsen umfasst, die im Zeitraum vom 24.10.2017 bis 31.12.2017 angefallen sind, ergibt sich aus der Übergangsregelung des § 707a Abs 2 ASVG idF BGBl I Nr 125/2017, wonach ab dem 1.1.2018 Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden dürfen und laufende Verfahren einzustellen sind. Da das gegenständliche Verfahren bis zum 31.12.2017 nicht rechtskräftig abgeschlossen worden ist und somit bis zu diesem Zeitpunkt keine rechtskräftige Entscheidung über die Ersatzpflicht vorgelegen ist, liegt ein laufendes Verfahren vor, welches zufolge der Bestimmung des § 707a Abs 2 ASVG einzustellen war (vgl. Walter J. Pfeil, a.a.O).
7. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehlt, ob das Verbot des Pflegeregresses sich auch auf die Bestimmung des § 947 ABGB bezieht.
Schlagworte
Pflegeregressverbot, SchenkungszinsenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2018:LVwG.340.1.2018.R3Zuletzt aktualisiert am
02.02.2018