TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/15 L508 2176912-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L508 2176912-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX ,

Staatsangehörigkeit: staatenlos (palästinensische Autonomiegebiete/Westjordanland), vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass diese wie folgt zu lauten haben:

Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wird der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland abgewiesen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird XXXX gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wird gegen XXXX eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in die Palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland gemäß § 46 FPG zulässig sei.

III. Spruchpunkt IV. hat zu lauten: Gemäß § 55 Abs. 2 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

III. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Staatenloser aus dem Westjordanland sowie der arabischen Volksgruppe und der sunnitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellte am 18.05.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (AS 3) und wurde der BF am Tag der Antragstellung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt (AS 1 - 11).

Der Beschwerdeführer gab hierbei zunächst zu Protokoll (AS 5), dass sein Reiseziel Deutschland gewesen sei, weil er gehört hätte, dass es dort mehr Freiheit gebe und die medizinische Versorgung bezüglich seines linken Auges besser sei. Sein behandelnder Arzt habe ihm in Israel gesagt: "Die Ärzte in Deutschland sind spezialisiert auf Augen und Linsen, besonders im Krankenhaus namens XXXX und diese könnten mich besser versorgen."

Was seine Fluchtgründe betrifft, so führte der BF aus (AS 9), dass er Angst vor dem israelischen Staat habe. Im Rahmen einer Streitigkeit bei einer Polizeikontrolle im Jahr 2012 sei er von einem Polizisten am linken Auge verletzt worden. Er hätte hierbei das Augenlicht verloren und würde er seither ein Glasauge nutzen. In der Folge habe er ein Ausreiseverbot erhalten, weil der israelische Staat befürchtet habe, auf Schmerzensgeld verklagt zu werden. Er habe die Erlaubnis für eine Pilgerfahrt nach Mekka erhalten. Dies habe er genutzt, um nach Europa zu gelangen.

Bei einer Rückkehr in seine Heimat habe er Angst um sein Leben, weil er nicht wisse, was ihn erwarte.

2. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) am 04.10.2017 (AS 65 - 74) gab der BF bezüglich seines Fluchtgrundes zu Protokoll, dass er 2011 in Jordanien bei Verwandten auf Besuch gewesen sei. Im Zuge der bei der Heimreise erfolgten Grenzkontrolle habe ihm eine israelische Beamtin seinen Reisepass abgenommen und ihn angewiesen zu warten. Nach zehn Minuten habe sich ein israelischer Soldat erkundigt, was er hier machen würde, da er sich dort gar nicht aufhalten hätte dürfen. Als er dem Soldaten von der Anweisung erzählt habe, sei dieser wieder gegangen. Auf Nachfrage habe ihm die Beamtin mitgeteilt, dass er noch zu warten hätte, es käme dann jemand zu ihm. Man habe ihn aufgehalten, weil er Flüssigkeiten in seiner Tasche gehabt habe. Nach ein paar Minuten habe ihn der Soldat in einen Einvernahmeraum mitgenommen. Nach dem Inhalt seiner Tasche befragt, erwiderte er, nichts zu haben. Der Soldat habe gesagt, er solle ihn nicht anlügen, woraufhin er zu lachen begonnen und ausgeführt habe, nur Gesichtsöle bei sich zu haben. Der Soldat habe ihm nicht geglaubt und ihm eine Minute gegeben, um die Wahrheit zu sagen. Hierbei habe dieser auch seine Waffe auf den Tisch gelegt und plötzlich habe er nichts mehr sehen können. Er habe viel Blut gesehen, aber nicht gewusst, woher dieses gekommen sei. Er wisse auch nicht, wie er sein Auge verloren hätte. Man habe ihn dann in eine Kaserne und anschließend mit dem Hubschrauber nach Jerusalem gebracht, wo er fünf Tage medizinisch behandelt worden sei. Nach den fünf Tagen habe ihm ein Offizier im Krankenhaus erklärt, dass es sich um ein Missverständnis gehandelt hätte, weil man ihn mit jemandem verwechselt hätte. Er würde einen Termin beim Augenarzt erhalten und sämtliche Kosten würden übernommen werden. Bis dahin habe er nichts vom Verlust seines Augenlichts gewusst. Einen Monat nach der Entlassung habe er einen Termin in einem privaten Krankenhaus erhalten. Der Arzt dort habe gemeint, dass er mit dem linken Auge nie mehr etwas sehen könnte und sie ihm ein Glasauge geben würden, wobei er in der Folge aufgrund dieser Verletzung dennoch immer wieder Schmerzen gehabt habe. Man habe ihm empfohlen, sich im Ausland, beispielsweise in Jordanien oder im Libanon, behandeln zu lassen. Nach seiner ersten Operation sei der israelische Offizier wieder bei ihm gewesen und habe gesagt, dass er den Vorfall vergessen solle, weil es ihm jetzt besser ginge. Es wäre alles keine Absicht gewesen. Dies sei eine indirekte Bedrohung gewesen, keine Anzeige zu erstatten. Ein Anwalt habe ihm von einer Anzeige abgeraten, weil diese nichts bringen würde.

Er habe vor einer Rückkehr Angst, weil er sein Auge verloren hätte. Er befürchte auch sein zweites Auge zu verlieren. Als er 2014 aufgrund einer Ladung beim israelischen Offizier gewesen sei, habe dieser gemeint, er solle aufpassen, dass er nicht durch ein Missverständnis auch noch sein zweites Auge verlieren würde.

Des Weiteren wurden in der Einvernahme mit dem BF die von der belangten Behörde herangezogenen Länderfeststellungen an diesen ausgefolgt und ihm die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von zwei Wochen eingeräumt.

Im Rahmen der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer unter anderem einen Befundbericht eines Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie vom 29.09.2017, eine Kursbesuchsbestätigung A2/1 vom 27.09.2017, drei Bestätigungen der Marktgemeinde XXXX vom 30.08.2017, 25.09.2017 und 03.10.2017 bezüglich gemeinnütziger Hilfstätigkeiten, ein Referenzschreiben der ehrenamtlichen Lernbetreuerin des BF vom 02.10.2017 und eine Bestätigung von XXXX vom 02.10.2017 bezüglich ehrenamtlicher Tätigkeiten des BF in Vorlage.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 18.10.2017 (AS 119 - 186) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Israel - Westjordanland abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung nach Israel - Westjordanland gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.). Letztlich sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt V.).

Festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführer Israel - Westjordanland wegen des Wunsches nach einer medizinischen Behandlung in Europa verlassen hat und er im Rahmen einer gewaltsamen Auseinandersetzung vor der Ausreise aufgrund einer Verwechslung von den israelischen Sicherheitsbehörden an seinem linken Auge verletzt wurde. Dem Fluchtvorbringen bezüglich einer weiteren Bedrohung durch einen israelischen Offizier im Jahr 2014 wurde die Glaubwürdigkeit versagt, wobei angemerkt wurde, dass es dem Vorbringen - selbst bei hypothetischer Wahrunterstellung - an der erforderlichen Aktualität mangle.

In der rechtlichen Beurteilung wurde begründend dargelegt, warum der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Israel - Westjordanland gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und weshalb das BFA ausgesprochen habe, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

4. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2017 (AS 193, 194, 197, 198) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

5. Gegen den Bescheid des BFA vom 18.10.2017 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz vom 13.11.2017 (AS 203 - 217) in vollem Umfang Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

5.1. Zunächst wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und dem Antrag auf internationalen Schutz Folge zu geben und dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen oder hilfsweise den angefochtenen Bescheid zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen oder hilfsweise den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen oder einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach §§ 57 und 55 AsylG zu erteilen und darüber hinaus die Rückkehrentscheidung aufzuheben. Abschließend wurde jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und hinsichtlich der Beschwerde die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung begehrt.

5.2. In weiterer Folge wurde ausgeführt, dass der BF seine Aussagen inhaltlich aufrecht erhalte und moniert, dass die Art und Weise, in welcher die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen habe, nicht den Anforderungen der amtswegigen Ermittlungspflicht entsprechen würde.

5.3. Obwohl er anfänglich in Israel behandelt worden sei, habe sich sein Zustand verschlechtert. Er sei allergisch gegen das Glasauge, was ein Risiko dargestellt habe, das andere Auge zu verlieren.

5.4. Der BF habe seine Heimat aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung und mangels Fähigkeit seines Heimatstaates, ihn vor diesen Übergriffen zu schützen, im Jahre 2017 verlassen. Ein weiterer wesentlicher Grund sei seine schwere Erkrankung und die nicht vorhandenen Möglichkeiten, sich in seiner Heimat diesbezüglich behandeln zu lassen.

5.5. Des Weiteren wurde angemerkt, dass der BF wegen seiner politischen Ansichten und Veröffentlichungen auf Facebook von dem israelischen Offizier vorgeladen worden sei. Diesbezüglich brachte der BF mehrere seiner Einträge auf Facebook aus den Jahren 2013 und 2014 (AS 223 – 229) in Kopie in Vorlage.

5.6. Das BFA habe das Vorbringen nicht richtig beurteilt. Bei Beurteilung der richtigen Sach- und Rechtslage hätte das BFA zum Ergebnis kommen müssen, dass dem BF der Status als Asylberechtigter zuzuerkennen gewesen wäre, weil der BF aufgrund seiner politischen Gesinnung unter Berücksichtigung seiner früheren Verletzung und der Sensibilität des arabisch-israelischen Konflikts verfolgt werde.

5.7. Was seine gesundheitliche Situation betrifft, brachte der BF zudem einen weiteren ärztlichen Bericht vom 29.10.2017 samt Übersetzung in Vorlage (AS 219, 231).

5.8. Auch habe man sich nicht individuell konkret mit seiner Fluchtgeschichte auseinandergesetzt, was aber erforderlich gewesen wäre. Ebenso sei es nach § 45 Abs. 3 AVG geboten, den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der bisherigen Beweisaufnahme Kenntnis zu erlangen und dazu auch Stellung zu nehmen.

Ferner habe sich das BFA nicht ausreichend mit länderspezifischen Gebräuchen auseinandergesetzt. Der BF habe angegeben, dass er keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit für seine Erkrankung im Heimatland vorfinde.

5.9. Im Übrigen wurde nochmals darauf hingewiesen, dass ihm keine ausreichende innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe.

5.10. Ebenso wäre es Aufgabe des BFA gewesen, qualifizierte Ermittlungen zu treffen und sich nicht mit einer Befundinterpretation zufrieden zu geben, in welcher zwar von einer Krankheit gesprochen, aber so ausgelegt werde, als ob eine harmlose Erkrankung vorliege. Auch wurde ein medizinischer Sachverständiger bzw. ein entsprechendes Gutachten beantragt, um die Schwere der Erkrankung festzustellen.

5.11. Der Antrag auf eine mündliche Verhandlung wurde ausdrücklich auf Art. 47 Abs.2 iVm Art. 52 Abs. 1 und Abs. 3 der Grundrechtecharta der EU gestützt, wonach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der EU wie Art. 6 Abs. 1 EMRK auszulegen sei, demzufolge eine mündliche Verhandlung Teil eines fairen Verfahrens sei.

5.12. Was den Eventualantrag auf Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter betrifft, so wirke sich die derzeitige Situation in Israel - Westjordanland so aus, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einem Klima ständiger Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre.

5.13. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

6. Im Zuge einer Stellungnahme zum Beschwerdeschriftsatz vom 15.11.2017 wurde seitens des BFA ausgeführt, dass das BFA zu keinem Zeitpunkt die Mitwirkung des BF abgestritten habe. Was den Vorwurf einer verabsäumten amtswegigen Ermittlung bzw. einer Unterdrucksetzung des BF am Ende der Einvernahme anbelangt, so wurde diesbezüglich auf das Einvernahmeprotokoll verwiesen.

Dass der BF wegen seiner politischen Ansichten und Veröffentlichungen auf Facebook von diesem israelischen Offizier vorgeladen worden wäre, sei im gesamten Verfahren nicht vorgebracht worden. Vielmehr sei angegeben worden, wie auch in der Beschwerde dezidiert hervorgehoben, dass nicht in der Ladung gestanden hätte, weshalb er geladen worden wäre. Die diesbezüglich nunmehr vorgelegten Beweismittel, würden sie nicht bereits aufgrund des Neuerungsverbots ins Leere gehen, seien nicht dazu geeignet, einen Nachweis darüber zu liefern, dass der BF tatsächlich persönlich bedroht worden wäre, sondern würden diese lediglich dazu dienen, die persönliche Einstellungen des BF zu bestimmten politischen Themen darzutun.

Der BF habe in seiner Einvernahme angegeben, dass er in Österreich keiner anderen Behandlung unterzogen worden sei als in seiner Heimat. Der nunmehr vorgelegte palästinensische, medizinische Bericht, datiert mit 29.10.2017, also 25 Tage nach der Einvernahme und neun Tage nach Zustellung des Bescheides sei nach Ansicht des BFA ebenfalls vom Neuerungsverbot betroffen. Doch selbst für den Fall, dass dieser zu würdigen wäre, merke das BFA an, dass der Inhalt schon aufgrund der Tatsache in Frage zu stellen sei, dass diesfalls eine palästinensische (Gesundheits-)Behörde ohne Vorsprache des BF, ohne ihn jemals medizinisch zu untersuchen, ein Attest ausgestellt hätte. Im Übrigen werde in diesem Bericht selbst von den dortigen Behörden angemerkt, dass diese keinerlei Verantwortung für dessen Inhalt übernehmen würden.

Nun werde dem BFA auch noch vorgeworfen, sich "mit einer Befundinterpretation zufrieden zu geben, in welcher zwar von der Krankheit gesprochen wird, aber so ausgelegt wird, als ob eine harmlose Erkrankung vorliegt." Diesem Vorwurf sei zu entgegnen, dass das BFA weder dazu qualifiziert sei, eine derartige Beurteilung zu treffen, noch diese Beurteilung vorgenommen hätte. Das Bundesamt habe ausgehend von den eigenen Aussagen des BF festgestellt, dass die Behandlung in der Heimat stattgefunden habe, dergestalt wie sie auch in Österreich stattfinde, und dass diese finanziert werden habe können. Von einer speziell auf die Heimat bezogene Gefährdung der Person des BF habe aus diesem Blickwinkel daher nicht ausgegangen werden können. Weshalb das BFA der Verpflichtung, Beweismittel von Amts wegen beizuschaffen, nicht nachgekommen sein solle, werde ebenso wenig näher bezeichnet, wie auch welche konkreten Beweismittel das BFA für seine Entscheidung noch hätte beizuschaffen gehabt.

Das BFA könne abschließend nur feststellen, dass in der Beschwerde keinerlei Gründe vorgebracht worden seien, welche eine anders lautende Entscheidung rechtfertigen würden. Der BF sei ausschließlich wegen einer nicht asylrelevanten medizinischen Behandlung nach Österreich gekommen.

Wegen des Vorwurfs der Unterdrucksetzung des BF im Zuge der Einvernahme werde der Antrag gestellt, im Bedarfsfall sowohl den zur Entscheidung berufenen Organwalter als auch die zur Einvernahme herangezogene Dolmetscherin als Zeugen zu laden.

7. Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides mit Erkenntnis vom 27.11.2017 (OZ 4E) Folge gegeben und diesen Spruchpunkt gem. § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben. Ferner wurde festgestellt, dass der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid somit gem. § 13 Abs. 1 VwGVG die aufschiebende Wirkung zukomme. Schließlich wurde der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurückgewiesen.

8. Am 13.12.2017 langte nochmals der bereits im Zuge der Beschwerde in Vorlage gebrachte palästinensische, medizinische Bericht vom 29.10.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein (OZ 7).

9. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist staatenloser Palästinenser aus dem Westjordanland, gehört der arabischen Volksgruppe an und ist moslemischen Glaubens.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.

Der Beschwerdeführer wurde im Rahmen einer gewaltsamen Auseinandersetzung vor der Ausreise aufgrund einer Verwechslung von einem israelischen Sicherheitsbeamten an seinem linken Auge verletzt.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer die palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland wegen des Wunsches nach einer medizinischen Behandlung in Europa verlassen hat.

Das sonstige im Verfahren vor dem BFA vorgebrachte Fluchtvorbringen (Bedrohung und Verfolgung aufgrund dieses Vorfalles hinsichtlich der Verwechslung durch einen israelischen Offizier) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann ferner nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr in die palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, in den palästinensischen Autonomiegebieten/Westjordanland einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland in eine existenzgefährdende Not-situation geraten würde.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsland festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer leidet weder an einer schweren körperlichen noch an einer schweren psychischen Erkrankung. Beim BF wurde in Israel von ärztlicher Seite eine Verletzung des linken Auges festgestellt, die bereits dort und später auch in Österreich medizinisch, in Israel insbesondere auch operativ, behandelt wurde. Insoweit wurde dem BF in Israel letztlich das linke Auge entfernt und durch ein Glasauge ersetzt. Bezüglich der wiederholt auftretenden Schmerzen erhielt der BF Augentropfen. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der BF jedoch nunmehr nicht in Vorlage gebracht.

Der BF lebte bis etwa Anfang Mai 2017 in Ramallah an einer gemeinsamen Wohnadresse mit einem Bruder. Der BF besuchte in seinem Herkunftsstaat die Universität-Studienrichtung Informatik. Seinen Lebensunterhalt bestritt er als Lehrer, wobei er nebenbei in einem Sprachinstitut als EDV-Techniker tätig gewesen ist. Der BF verließ das Westjordanland Anfang Mai 2017 und reiste in der Folge ca. Mitte Mai 2017 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Die engsten Angehörigen des BF leben nach wie vor in den palästinensischen Autonomiegebieten/Westjordanland.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. In Österreich halten sich keine Verwandten des BF auf. Der BF befindet sich in der Grundversorgung und lebt von staatlicher Unterstützung. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF über umfassende Deutschkenntnisse verfügt. Der BF besucht(e) allerdings einen Deutschkurs Niveau A2/1 und verrichtete gemeinnützige Tätigkeiten in der Gemeinde XXXX . Er verfügt über einen gewissen Freundes- und Bekanntenkreis und brachte ein Unterstützungsschreiben seiner ehrenamtlichen Lernbetreuerin in Vorlage. Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthalts in Europa sein gesamtes Leben in den palästinensischen Autonomiegebieten/Westjordanland verbracht, wo er sozialisiert wurde und wo sich nach wie vor seine nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr wieder bei seiner Familie wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch und Englisch.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in die palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in den palästinensischen Autonomiegebiete/Westjordanland war insbesondere festzustellen:

Politische Lage

Der rechtliche und politische Status der Westbank, der PA und der PLO

Die PLO wurde 1974 als einzige legitime Vertreterin des palästinensischen Volkes von der UNO anerkannt. 1993 folgte die Anerkennung der PLO als einzige Vertreterin der Palästinenser durch Israel. Sie vertritt, im Gegensatz zur PA (Palästinensische Autonomiebehörde), auch die Palästinenser außerhalb der besetzten palästinensischen Gebiete. Als Dachorganisation für die verschiedenen palästinensischen Parteien und Bewegungen leidet ihre Legitimation jedoch darunter, dass vor allem die Hamas, die 2006 immerhin die Wahlen in den gesamten Gebieten gewann, nicht zu ihren Mitgliedern zählt (Zenith 30.11.2012).

Die Bedeutung der PLO sollte nicht unterschätzt werden. Auch wenn die Organisation seit der Entstehung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) mit den Oslo-Verträgen in den 1990er Jahren an Gewicht verloren hat, ist sie noch immer die einzig international anerkannte Vertretung aller Palästinenser – unabhängig davon, ob diese in den Palästinensischen Gebieten oder im Ausland leben. Derzeit beläuft sich die geschätzte Zahl aller Palästinenser weltweit auf 11 bis 12 Millionen (circa ein Drittel von ihnen leben in den Palästinensischen Gebieten).

Während die PA sich um die Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten der Palästinenser kümmert, ist die PLO die Instanz, die über politische Strategien zur Erlangung von nationaler Selbstbestimmung – kurz: über Krieg und Frieden entscheiden kann. Weil das palästinensische Parlament der PA seit acht Jahren nicht mehr zusammengetreten ist und somit nicht als ein Forum für überparteilichen Austausch dient, ist das PLO-Exekutiv-Komitees das einzige Organ, in dem (fast) alle palästinensischen Strömungen vertreten sind und in dem regelmäßig kontroverse Diskussionen stattfinden.

Die Repräsentativität der PLO wurde im Laufe der Zeit zunehmend in Frage gestellt: Ursprünglich sollte sie eine Plattform für alle politischen Bewegungen der Palästinenser sein. Die Aufnahme der neuentstandenen Kräfte – neben der Hamas auch Islamischer Dschihad und die »Palästinensische Nationale Initiative» (Al-Mubadara) – ist zwar mit dem Versöhnungsabkommen zwischen den politischen Fraktionen – zuletzt dem »Beach Camp«-Abkommen 2014, beschlossen worden, jedoch hat solch eine Reform (mit Ausnahme der Aufnahme von Al-Mubadara im März 2015) nicht stattgefunden.

Ein weiteres Manko der Organisation ist die fehlende Legitimation durch Wahlen. Die Vertretung der Mitgliedsparteien ist vielmehr Ergebnis von historischen, informellen politischen Verhandlungsprozessen. Zu keinem Zeitpunkt in der 50-jährigen Geschichte der Organisation haben Wahlen zum Palästinensischen Nationalrat (PNC) stattgefunden. Nimmt man die Ergebnisse von aktuellen Meinungsumfragen zur Unterstützung verschiedener politischer Bewegungen unter den Palästinensern in den Grenzen von 1967 als Grundlage, wird schnell offensichtlich, dass die Realitäten und Kräfteverhältnisse sich weit verschoben haben. 74 Prozent aller Palästinenser sind überzeugt, dass demokratische Wahlen zum PNC von großer Bedeutung wären (Zentith 18.9.2015).

Der völkerrechtliche Weg Richtung Anerkennung als Staat

Israel übt in variierendem Ausmaß die gesetzliche, militärische und wirtschaftliche Kontrolle über die Besetzten Gebiete [Anm.: inkl. Westbank] aus (UDOS 14.10.2015)

Nach dem Scheitern des bi- beziehungsweise trilateralen (mit den USA) Wegs verlegte sich Präsident Abbas auf eine andere Strategie und versucht in der UNO mehr Gehör zu finden. Der Versuch, im Sicherheitsrat eine Uno-Mitgliedschaft der PA-Gebiete zu bewirken oder zumindest so viele Ja-Stimmen zu sammeln, dass ein US-Veto "nötig" würde, scheiterte jedoch. Daraufhin ließ sich Abbas die quasi mindere Uno-Mitgliedschaft Palästinas in der Uno-Vollversammlung [Anm.: als Beobachterstaat, nicht Mitglied] absegnen (Standard 11.11.2014).

Am 29. November 2012 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen Palästina als Beobachterstaat anerkannt. Innerhalb des VN-Systems ergeben sich daraus zusätzliche Verfahrensprivilegien. Darüber hinaus hat der Beschluss keine unmittelbare Auswirkung auf den völkerrechtlichen Status Palästinas. Er erleichtert den Palästinenserinnen und Palästinensern aber den Zugang zu wichtigen internationalen Organisationen und Organen (SWP Dezember 2012).

Im Dezember 2014 stimmte das europäische Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit (498 Stimmen dafür, 88 dagegen) für die "Quasi"-Anerkennung Palästinas als Staat. Dieses Votum ist rechtlich nicht bindend, aber es sendet eine starke Botschaft an die internationale Gemeinschaft. Schweden ist einen Schritt weiter gegangen und hat Palästina offiziell als Staat anerkannt (BBC 17.12.2014). Auch einige weitere europäische Staaten anerkannten Palästina (Badil 10.11.2015).

Der erhoffte Domino-Effekt einer vorbehaltlosen bilateralen staatlichen Anerkennung durch wichtige europäische Staaten ist noch nicht eingetreten. Der Beitritt zum Internationalen Strafgerichtshof (ICC) wird zwar als Erfolg verbucht, mündete aber nicht unmittelbar in der Eröffnung von Strafverfahren gegen Israel. (Zenith 18.9.2015). Trotz der Relevanz dieser Entwicklungen können sie vor Ort nur etwas ändern, wenn es der Wille der mächtigsten Staaten ist. Derzeit hat keine dieser Entwicklungen Israel abgehalten, straflos zu agieren (Badil 10.11.2015).

Die PA in der Westbank – Zuständigkeiten und Beschränkungen

Die Palästinensische Befreiungsorganisation [PLO - Palestinian Liberation Organisation] und Israel richteten die Palästinensische Autonomiebehörde [PA – Palästinensische Authority] ein infolge der Prinzipienerklärung von 1993 bekannt als Oslo Verträge. Die PA war gedacht als Regierungsbehörde für die Westbank und Gaza bis zur Erreichung eines finalen Abkommens im Friedensprozess. Laut der Osloer Verträge ist ihre Autorität in drei Zonen aufgeteilt:

-

Gebiet A: Die PA hat die politische Kontrolle und die Kontrolle über die Sicherheit.

-

Gebiet B: Die PA hat die politische Kontrolle, teilt aber die Sicherheitsverpflichtungen mit Israel.

-

Gebiet C: Israel hat die politische Kontrolle und die Kontrolle über die Sicherheit.

In praktischer Hinsicht behält Israel die Kontrolle über die externe Sicherheit der Gebiete, den Luftraum, die Seewege und die elektromagnetische Sphäre (UK Border Agency 15.5.2012; ähnlich GIZ 1/2016).

Die Palästinensische Behörde (PA) hat die Verantwortung des Schutzes der palästinensischen Bevölkerung in Teilen der Westbank, aber seine Schutzmöglichkeiten werden durch die israelische Besatzungsmacht eingeschränkt, welche die effektive Kontrolle über die Westbank ausübt. Im Gebiet C unter voller israelischer Kontrolle (Zivil- und Sicherheitsbereich) findet z.B. der Großteil der Vertreibungen (zum Abriss von Gebäuden, Enteignungen und Verweigerung von Baugenehmigungen siehe auch andere Abschnitte der LIB) statt und dort hat die PA keine Kontrolle (Badil 10.11.2016).

Auf der folgenden Karte sind die zersplitterten Gebiete unter nomineller PA-Kontrolle [Anm.: Der Gaza-Streifen befindet sich de facto unter Kontrolle der Hamas bzw. aber auch letztendlich Israels und bzgl. des Zugangs via Rafah auch Ägypten] verzeichnet:

Legende zur folgenden Karte:

Bild kann nicht dargestellt werden

Bild kann nicht dargestellt werden

Quelle: Ausschnitte aus OCHA (2.10.2015): Occupied Palestinian

Territory December 2014. In: Humanitarian Atlas 2015:

http://www.ochaopt.org/documents/atlas_2015_web.pdf;

Der Zersplitterung der palästinensischen Wohngebiete stehen die wachsenden 237 israelischen Siedlungen in Ostjerusalem und der Westbank, die auch Industriegebiete umfassen, gegenüber. Die Siedlungen stellen einen Bruch internationalen Rechts dar. In den Siedlungen leben etwa 500.000 Israelis. In 70 Prozent der Westbank untersagt Israel, d.h. dem Gebiet C, der palästinensischen Bevölkerung bauliche Aktivitäten. (HRW 11.1.2016):

Bild kann nicht dargestellt werden

HRW – Human Rights Watch (11.1.2016): Occupation, Inc.:

https://www.hrw.org/report/2016/01/19/occupation-inc/how-settlement-businesses-contribute-israels-violations-palestinian;

Zugriff am 20.1.2016

Die politische Lage in der Westbank seit 2006

Israel und die Westbank

Die palästinensischen Gebiete sind seit Juni 1967 von Israel besetzt und seit Mai 1994 sind Teile der Gebiete unter begrenzter palästinensischer Selbstverwaltung durch die Palästinensische Behörde (PA = Palestinian Authority). In den A-Gebieten (aktuell 17,2% des Westjordanlandes) ist die PA zuständig für die zivile Verwaltung und tagsüber für die innere Sicherheit. In den B-Gebieten (23,8% der Westbank) ist die PA für die zivile Verwaltung zuständig und Israel für die innere Sicherheit. In den C-Gebieten (Siedlerstraßen, Naturschutzgebiete, die israelischen Siedlungen, militärischen Einrichtungen und sonstige sicherheitsrelevante Gebiete, die insgesamt 59% des Gebietes ausmachen) ist die PA nur für Bildung und die Gesundheitsversorgung zuständig. Die Genehmigung von entsprechender Infrastruktur ist jedoch Sache der israelischen Zivilverwaltung. Für alle auf das Land bezogenen Angelegenheiten wie Landvergabe, Planung und Bau, Infrastruktur und Wasser sowie für die innere Sicherheit ist Israel zuständig (GIZ 1/2016). 70 Prozent der Fläche in Zone C ist eingegrenzten Siedlungen zugewiesen, die für Palästinenser Sperrgebiet bleiben. Weniger als 1 Prozent des C-Gebietes ist für palästinensische Entwicklung vorgesehen, berichtet OCHA (UNRWA 2014).

Das Gebiet C beheimatet geschätzte 180.000 Palästinenser und beinhaltet die Hauptreserven an Wohngebiet und Bauland in der gesamten Westbank. Israel verbietet den Palästinensern die Landerschließung und das Bebauen von 70 Prozent des C-Gebietes. Israels Planungs- und Baupolitik ignoriert die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung, weigert sich, die meisten der Dörfer in der Region anzuerkennen, verhindert die Ausweitung und Entwicklung von palästinensischen Gemeinden, zerstört Wohnhäuser und erlaubt es den Gemeinden nicht, sich an die Infrastruktur anzuschließen. Tausende Einwohner leben unter der ständigen Bedrohung aus ihren "illegalen" oder als Feuerzone deklarierten Gemeinden vertrieben zu werden (Crisis Group 19.6.2014 – siehe auch obige Karte von OCHA und für aktuelle Details siehe z.B. HRW 11.1.2016). Unter den Betroffenen waren laut UNRWA z.B. 2013 auch 114 Familien von palästinensischen Flüchtlingen. (UNRWA 2014).

Theoretisch behält Israel in der Westbank nur in Zone C die volle Kontrolle, tatsächlich beeinflusst Israels Kontrolle im Gebiet C alle Einwohner der Westbank. Es gibt 166 A- und B-Gebiete, in denen sich die Hauptkonzentrationen der Bevölkerung befinden, und die verstreut - wie Inseln - im C-Gebiet liegen. Die diese Gebiete umgebenden Landreserven sind oftmals als C-Gebiet deklariert und Israel verbietet das Bebauen oder landwirtschaftliche Nutzen dieses Landes (Crisis Group 19.6.2014 – siehe auch obige Karte von OCHA und für aktuelle Details siehe z.B. HRW 11.1.2016).

Die israelische Besetzung der Westbank mit ihrem weiter andauernden Siedlungsbau und militärischen Checkpoints haben gemeinsam mit den palästinensischen Attacken zu einer Verlangsamung des Vorankommens in Richtung einer endgültigen Übereinkunft geführt und dazu, dass auf beiden Seiten über den Wert der Osloer Verträge diskutiert wird (BBC 10.12.2014).

Nach Schätzungen der israelischen Menschenrechtsorganisation B’Tselem, dem Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, leben im Westjordanland und in Ostjerusalem mittlerweile 550.000 israelische Siedler. Allein im Westjordanland hat sich deren Zahl seit dem Beginn der Neunzigerjahre mehr als verdreifacht. Israel verstößt damit gegen das Völkerrecht: Die Vierte Genfer Konvention untersagt die Ansiedlung eigener Bevölkerungsgruppen in annektierten Gebieten (Wiener Zeitung 19.1.2016). Israel stellt weiterhin Leistungen wie Sicherheit, Verwaltung, Unterkünfte, Bildung und medizinische Versorgung für die etwa 560.000 Siedler zur Verfügung, die in illegalen Siedlungen in der Westbank und Ostjerusalem leben (HRW 27.1.2016).

Israels dramatische Veränderung der Westbank-Landkarte verhindert jede reale Chance auf die Gründung eines unabhängigen und funktionierenden Staates (B'Tselem 23.1.2014, für aktuelle Details siehe z.B. HRW 11.1.2016). Besonders umstritten sind Pläne der Regierung Netanjahu, östlich von Jerusalem in der sensiblen East-1-Zone mehrere tausend neue Wohneinheiten für Siedler entstehen zu lassen. Gemeinsam mit der angrenzenden Megasiedlung Maale Adumim bildet diese Zone eine Art Puffer, der das Westjordanland in einen nördlichen und einen südlichen Teil trennen würde. Die Bildung eines zusammenhängenden Palästinenserstaates würde damit nahezu unmöglich gemacht (Wiener Zeitung 19.1.2016).

Im Jänner 2016 bestätige Israel, dass es ein großes Stück fruchtbaren Landes in Besitz nähme. Die 154 Hektar im Jordantal nahe Jericho befinden sich in einem Gebiet, wo es bereits viele Farmen von Siedlern gibt – das aber zu dem Boden gehört, den die Palästinenser zu ihrem Staatsgebiet erklären wollen. Es handelt sich um die größte Landnahme seit August 2014. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Schritt, und palästinensische Amtsträger meinten, dass sie eine UN-Resolution gegen die israelische Siedlungspolitik einbringen würden (The Daily Star 22.1.2016). Die Siedlungsaktivitäten nehmen laut dem israelischen Zentralbüro für Statistik weiterhin zu. Im 1. Quartal des Jahres 2015 wurden 566 Hauseinheiten von Israel genehmigt und 529 Hauseinheiten fertiggestellt - ein Anstieg von 93 Prozent beim Beginn von Hausbauten und 219 Prozent bei der Fertigstellung im Vergleich zum

1. Quartal 2014.

Für PalästinenserInnen in Ostjerusalem oder dem Gebiet C sind hingegen Baubewilligungen schwer bis unmöglich zu herhalten. Sie haben auch nur begrenzten Zugang zu Wasser, Elektrizität, Schulen und anderen Leistungen, während Israel diese den Siedlern zur Verfügung stellt. Mit Stand 23. November 2015 rissen die israelischen Behörden 481 palästinensische Heime und andere Gebäude in der Westbank einschließlich Ostjerusalem im Jahr 2015 ab, was 601 Menschen, darunter 296 Kinder, obdachlos machte. 46 Dörfer von Beduinen befinden sich im Gebiet E-1, das für Siedlungen vorgesehen ist. Die Bewohner sollen zwangsweise an drei Orte in der Westbank "umgesiedelt" werden. 22 Häuser wurden bereits abgerissen.

Im Mai 2015 genehmigte das israelische Höchstgericht den Abriss des Dorfes Susya mit 340 Einwohnern in den südlichen Hügeln von Hebron. Die Bewohner hatten ihre Unterkünfte auf ihrem landwirtschaftlichen Gelände errichtet, nachdem Israel sie aus ihrem damaligen Dorf vertrieben hatte und das Land zur archäologischen Stätte erklärt hatte (HRW 27.1.2016).

Beispiel Landwirtschaft für die Lage der Orte zwischen Grüner Linie und Barriere:

Für den Zutritt zu Gebieten, die zwischen der Grünen Linie und der Barriere liegen, benötigen die Bauern israelische Zutrittsgenehmigungen, deren Zahl begrenzt ist. Von den 85 Toren für landwirtschaftliche Zwecke waren jedoch 2015 nur 9 Tore jeden Tag offen, während die meisten nur während der Olivenernte einige Wochen lang geöffnet wurden. Dies schränkt die Landwirtschaft schwer ein und untergräbt die Lebensgrundlage auf dem Land (OCHA 9/2015). Z.B. war der Ertrag in diesen Regionen im Jahr um etwa 60 Prozent geringer, als in den Regionen die auf der palästinensischen Seite des Walls liegen (OCHA 11/2014).

Die Palästinensische Behörde und die Versöhnungsversuche zwischen PA/Fatah und Hamas

Das palästinensische Grundgesetz, das 2002 in Kraft getreten ist, und 2003 mit der Einführung der Position des Ministerpräsidenten geändert wurde, definiert Palästina als rechtsstaatliche, parlamentarische Demokratie mit Parteienpluralismus und klassischer Gewaltenteilung.

Der Präsident der Palästinensischen Behörde, aktuell Mahmoud Abbas, wird direkt vom Volk gewählt. Er ist Oberbefehlshaber der palästinensischen Sicherheitskräfte, wählt den Premierminister aus (und kann ihn auch wieder entlassen) und hat die Aufgabe, die vom Parlament verabschiedeten Gesetze zu verkünden. In außergewöhnlichen Fällen außerhalb der Sitzungszeit des Palästinensischen Legislativrates kann der Präsident Entscheidungen treffen und Dekrete herausbringen, die Gesetzeskraft haben.

Die gesetzgebende Gewalt wird offiziell vom Palästinensischen Legislativrat (Palestinian Legislative Council, PLC) ausgeübt. Der PLC kontrolliert die Exekutive und bringt Gesetzesvorschläge ein. Die neu gebildete Regierung muss sich einer Vertrauensabstimmung des Rates unterziehen und kann durch sein Misstrauensvotum auch wieder entlassen werden (GIZ 1/2016). Seit Juni 2007 ist der PLC jedoch nicht mehr zusammengetreten und das Land wird durch Präsidialdekrete regiert. Darüber hinaus befinden sich seit dem Sommer 2006 zahlreiche Abgeordnete, hauptsächlich Hamas-Mitglieder, in israelischer Haft (Daily Star 12.2.2013).

Am 25. Januar 2006 fanden zum zweiten Mal - die ersten Wahlen waren im Januar 1996 durchgeführt worden – die Wahlen zum Palästinensischen Legislativrat statt. Die Hamas konnte dabei 74 der 132 Sitze für sich gewinnen. Die zuvor regierende Fatah erhielt nur 45 Mandate. Im März 2006 wurde Ismail Haniyeh Premierminister einer Hamas-Regierung im Westjordanland und im Gazastreifen.

Nach dem Erdrutschsieg von Hamas begannen die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der beiden Gruppen, in deren Verlauf Hunderte von Menschen ums Leben kamen. Ihren Höhepunkt fanden sie im Juni 2007 im Gazastreifen als Hamas mit Gewalt die Kontrolle über alle Sicherheitseinrichtungen und Regierungsgebäude der PA übernahm. Präsident Mahmoud Abbas setzte die erst im März 2007 gebildete Einheitsregierung unter Ismail Haniyeh ab, verhängte den Ausnahmezustand und setzte eine Notstandsregierung unter Salam Fayyed ein, die einen Monat später in eine Übergangsregierung umgewandelt wurde. Israel verhängte eine Blockade über den Gazastreifen.

Von diesem Zeitpunkt an bis April 2014 war Palästina zweigeteilt, in einen von Hamas kontrollierten Gazastreifen und ein von Fatah kontrolliertes Westjordanland. In beiden Gebieten wurden Aktivisten der jeweils anderen Seite inhaftiert und misshandelt, deren Einrichtungen geschlossen, ihre Medien verboten und ihre Demonstrationen aufgelöst. Vermittlungsversuche zur Überwindung der Spaltung waren bis Ende April 2011 vollständig erfolglos (GIZ 1/2016).

Besorgt über ihren wachsenden Mangel an Demokratie hielten die Palästinenser 2012 Lokalwahlen in der Westbank ab. Diese wurden von der Hamas boykottiert (Daily Star 12.2.2013).

Am 23. April 2014 einigten sich Hamas und Fatah erneut auf die Bildung einer Einheitsregierung. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu reagierte erneut mit der Erklärung, Präsident Mahmoud Abbas müsse zwischen dem Frieden mit Israel und dem Frieden mit der Hamas wählen und sagte geplante Friedensgespräche mit den palästinensischen Unterhändlern ab.

Am 2. Juni 2014 wurde dann die 17köpfige Einheitsregierung aus parteilosen Experten unter Führung von Rami Hamdallah vereidigt, was als erster Schritt auf dem Weg zur vollständigen Aussöhnung zwischen Fatah und Hamas gedacht war. Für Anfang 2015 waren Präsidentschafts- und Parlamentswahlen geplant (GIZ 1/2016). Aber Parlamentswahlen fanden aufgrund der Spaltung zwischen der Hamas, die den Gazastreifen regiert und der Fatah, angeführt von Mahmud Abbas, in der Westbank seit einem Jahrzehnt nicht mehr statt (The Daily Star 2.2.2016).

Israel teilte mit, dass es die Konsensregierung boykottieren werde, da sie von der Hamas unterstützt werde. Einstimmig beschloß das israelische Sicherheitskabinett, die Friedensgespräche mit den Palästinensern auszusetzen. Das israelische Wohnbauministerium veröffentlichte als Antwort auf die Einheitsregierung die Ausschreibung von 1.500 neuen Wohneinheiten in Siedlungen (GIZ 1/2016). Die palästinensische Seite befindet sich seit Langem in einer Zwickmühle: Die israelische Regierung konnte Abbas stets vorhalten, er sei "kein Partner für den Frieden", weil ihm ohne Hamas die Abschlussvollmacht für sämtliche Palästinenser fehle. Sobald er jedoch die Hamas politisch mit ins Boot nahm, wurde ihm vorgeworfen, er arbeite mit einer Terrororganisation zusammen, die Israel von der Landkarte tilgen wolle (KAS-2 19.6.2014).

Am 31. Juli 2015 wurden fünf neue Minister vereidigt. 19 Ministerposten blieben unverändert. Die Hamas missbilligte die Regierungsumbildung und nannte sie "verfassungswidrig und außerhalb des Konsenses" (GIZ 1/2016).

Al-Monitor berichtet mit Berufung auf eine vertrauenswürdige Quelle, dass Bemühungen einer Reihe von Fatah-Führern der zweiten Generation im Gange seien, den Stillstand der Versöhnung der Hamas zu beenden. Unter anderem geht es darum, herauszufinden, warum den versöhnlichen Worten keine Taten folgen (Al-Monitor 5.1.2016).

Die Krise der Palästinischen Behörde und der derzeitige Aufruhr vor allem junger Menschen gegen die israelische Besatzung, teils auch "Dritte Intifada" genannt

"Intifada” bedeutet übersetzt "Zittern, Schaudern, Schütteln, Beben, Erwachen, in der Politik ein Volksaufstand". Die neueste Intifada steht mit keinem bestimmten Vorfall in Zusammenhang. Sie ist eine eskalierende Welle von Ärger, Protest, Unruhen, Gewalt und Repression mit Zentrum Jerusalem. Die Ursache ist der Frust über das Zusammenbrechen der Friedensgespräche, vermehrter israelischer Siedleraktivität, einer schwierigen wirtschaftlichen Situation und israelischen Drohungen bzgl. Al-Aqsa [al-Aqsa-Gelände/Haram al-Sharif/Tempelberg]. Die Dritte Intifada ist gekennzeichnet von Messerangriffen und vermehrter harter israelischer Repression und Strafen einschließlich Gefängnisstrafen für Steinewerfer (The New Arab 6.1.2016).

Im Gegensatz zur Hamas, die für den bewaffneten Kampf gegen die Besatzung steht, wird die PA mit der Suche nach Verhandlungslösungen assoziiert. S

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten