TE Bvwg Beschluss 2018/1/15 I404 2182735-1

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Veröffentlicht am 15.01.2018
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Entscheidungsdatum

15.01.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I404 2182735-1/5E

BESCHLUSS

Über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 10.01.2018, Zl. 1137156600-180003101, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA. Algerien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag. Alexandra JUNKER als Einzelrichterin beschlossen:

A)

Die gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist nicht rechtswidrig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte nach seiner Festnahme am 05.12.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen seiner Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 06.12.2016 gab er an, dass ein Mann seine Schwester im Gesicht verletzt habe. Den Grund wisse er nicht, wahrscheinlich seien sie ein Paar. Er habe den Mann aufgesucht und geschlagen. Seitdem werde er von dessen Brüdern und Freunden verfolgt.

2. Am 16.12.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, niederschriftlich einvernommen. Er habe keine psychischen oder physischen Probleme, nur bei kaltem Wetter habe er Zahnprobleme. Seine Mutter sei in Frankreich, sein Vater sei in Algerien aufhältig. Seine Mutter sei Ärztin, sein Vater habe als Sicherheitsangestellter beim Präsidenten gearbeitet. Zu seinem Fluchtgrund gab er erneut an, dass seine Schwester von ihrem Verlobten im Gesicht verletzt worden sei, weshalb er diesen mit einer Flasche ins Gesicht geschlagen habe. Er sei dann sofort aus der Stadt geflohen. Auch seine Familie habe aus diesem Grund die Stadt Algier verlassen müssen, weil der Verlobte immer wieder zu seiner Familie gekommen sei und sie belästigt und bedroht habe. Er hätte nicht mehr in die Stadt zurückkommen dürfen, weil er Angst gehabt habe, da dieser Mann ein sehr reicher und mächtiger Mann sei. Da habe er beschlossen, das Land so schnell wie möglich zu verlassen und in möglichst kurzer Zeit einen Reisepass zu bekommen. Unter Vorhalt des Neuerungsverbotes erklärte der Beschwerdeführer, dass er keine weiteren Fluchtgründe vorzubringen habe.

3. Mit Bescheid vom 29.12.2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Tirol, den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Algerien gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Algerien zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß "§ 55 Abs. 1a FPG" besteht keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV). Einer Beschwerde wurde "gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF" die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V) und letztlich gemäß "§ 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Ziffer 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF" wurde gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

5. Am 30.11.2017 wurde der Beschwerdeführer von Deutschland nach Österreich überstellt und noch am selben Tag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, dass er im Sommer 2015 das letzte Mal in Algerien gewesen sei. Seit Dezember 2016 befinde er sich durchgehend in Europa. Er habe keine Deutschkurse absolviert und spreche nicht Deutsch. In Algerien würden seine Eltern, seine Schwester und seine beiden Brüder leben. Er sei ledig und habe keine Kinder. In Algerien habe er die Grundschule absolviert und als Maler gearbeitet. Er könne in seinem Heimatland eine Beschäftigung aufnehmen.

6. Mit Mandatsbescheid vom 30.11.2017 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet.

7. Am 2.1.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). In der Erstbefragung am 02.01.2018 gab er an, dass er im Dezember 2016 sechs Monate in Belgien und danach ca. fünf ein halb Monate in Deutschland gewesen sei. Zu den Gründen für seinen neuerlichen Asylantrag befragt gab der Beschwerdeführer an, dass die österreichische Polizei die algerischen Polizisten über die Tätigkeit seines Vaters fragen könne. Sein Vater sei ein Offizier in der algerischen Armee. Ein Terrorist habe ihn angesprochen und habe von ihm gewollt, dass er seinen Vater zu ihnen bringen solle, damit diese ihnen bestrafen könnten, da er angeblich viele Terroristen festgenommen und getötet habe. Er habe das nicht gemacht. Er sei aus dem Land geflüchtet und habe daher Angst um sein Leben in Algerien.

8. In der niederschriftlichen Befragung am 10.01.2018 vor dem BFA, Erstaufnahmezentrum Ost (in der Folge: belangte Behörde), gab der Beschwerdeführer an, dass auch seine Eltern aus Algerien ausgereist seien. Sein Vater und seine Mutter seien 2016 nach Frankreich geflüchtet. Er habe die Fluchtgründe, die er bereits im ersten Verfahren angegeben habe.

Die Frage, ob sich bei den Fluchtgründen etwas geändert habe, verneinte er. Er führte weiter aus, dass - nachdem er aus Algerien geflüchtet sei - ihn sein Vater angerufen habe, und ihm gesagt habe, dass seine Mutter nach Frankreich geflüchtet sei. Er habe davon im September 2017 erfahren. Nachdem der Beschwerdeführer aufgefordert wurde, noch einmal kurz seine eigenen Fluchtgründe zu nennen, gab er an, dass er wegen der Terroristen geflohen sei. In der Folge wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er bei seiner ersten Antragstellung andere Probleme angegeben habe. Dazu gab der Beschwerdeführer an:

"VP: Beim ersten Asylantrag wollte ich nicht in Österreich bleiben und habe daher nicht die richtigen Angaben gemacht. Daher war ich auch nur 13 Tage in Österreich.

LA: Dann stimmen Ihre Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren nicht? Ist das korrekt?

VP: Ja, das ist korrekt, das war nicht die Wahrheit.

LA: Welche Probleme haben sie nun mit den Terroristen?

VP: Mein Vater war in den 90er Jahren bis 2000 Offizier beim algerischen Militär. Im Jahr 2012 habe ich mich einer Gruppe von Islamisten/Salafisten angeschlossen. Ich war mit ihnen ständig beten. Sie haben mich einer Gehirnwäsche unterzogen. Bis eines Tages einer von ihnen von mir verlangt hat, dass ich meinen Vater in die Falle locken soll, damit sie ihn umbringen und ihn somit von seinen Sünden reinwaschen, weil er so viele Islamisten getötet hat. Das hätte ich auch fast gemacht. Aber in letzter Minute konnte ich es nicht übers Herz bringen und habe meinen Vater darüber berichtet und bin in weiterer Folge aus Algerien geflüchtet."

9. In der Folge wurde gegenüber dem Beschwerdeführer mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Dies wurde damit begründet, dass der nunmehrige Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich zurückzuweisen sei, da der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt, welcher nach Rechtskraft des letzten Asylverfahrens neu entstanden sei, vorgebracht habe. Die Erlangung der faktischen Notwendigkeiten für eine Abschiebung zB die Ausstellung eines Heimreisezertifikaktes seien bereits gegeben. Auch die allgemeine Lage im Herkunftsland, die persönlichen Verhältnisse und der körperliche Zustand des Beschwerdeführers hätten sich nicht entscheidungswesentlich geändert. Eine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z. 3 AsylG beschrieben könne nicht angenommen werden.

10. Am 15.01.2018 wurde der Akt der Gerichtsabteilung I404 (vollständig) zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist algerischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer ist ledig und befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er hat leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Es leben keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich. In Bezug auf das Privat- und/oder Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ist seit der letzten Entscheidungen des BFA am 29.12.2016 keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes erkennbar.

1.2. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.12.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 29.12.2016 abgewiesen und ausgesprochen, dass eine Abschiebung nach Algerien zulässig ist.

Der Beschwerdeführer verließ das Bundesgebiet seinen Angaben zufolge seit der Bescheiderlassung am 29.12.2016 und war in Belgien und zuletzt in Deutschland aufhältig. Nach Algerien ist er nicht zurückgekehrt.

1.3. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme betreffend seinen ersten Antrag vom 05.12.2016 auf internationalen Schutz gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme vom 16.12.2016 an, dass er vom Verlobten seiner Schwester geflohen sei, weil er diesen im Gesicht verletzt habe, nachdem dieser seine Schwester angegriffen habe. Er fürchte sich daher vor dem Verlobten bzw. dessen Freunden und Verwandten.

Im Folgeantrag vom 02.01.2018 gab der Beschwerdeführer nun an, dass sein Vater Offizier in der algerischen Armee sei und ihn ein Terrorist angesprochen und von ihm gewollt habe, dass er seinen Vater zu ihm bringen solle, damit diese ihn bestrafen könnten. In der Einvernahme am 10.01.2018 führte er weiter aus, dass er sich 2012 einer Gruppe von Islamisten/Salafisten angeschlossen habe und diese gewollt hätten, dass er seinen Vater in eine Falle locke, damit sie umbringen und ihn somit von seinen Sünden reinwaschen können. Beim ersten Asylantrag habe er nicht die Wahrheit gesagt, da er nicht in Österreich habe bleiben wollen.

1.4. Im Hinblick auf die allgemeine Lage in Algerien ist seit Abschluss des ersten Asylverfahrens im Dezember 2016 keine maßgebliche Änderung eingetreten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde. Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht fest.

Dass der Beschwerdeführer an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet, wurde festgestellt, da der Beschwerdeführer in seinen Vorverfahren und auch bei der Befragung am 30.11.2017 und am 10.01.2018 schwere Krankheiten anführte.

Dass in Bezug auf das Privat- und/oder Familienleben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes erkennbar ist, liegt an der Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei sämtlichen Befragungen angegeben hat, keine Familienangehörigen in Österreich zu haben.

Weiters hat er auch in seiner Befragung vom 30.11.2017 angegeben, keinen Deutschkurs absolviert zu haben.

2.2. Die Feststellungen zum Verfahren betreffend den ersten Asylantrag sowie den Folgeantrag vom 02.01.2018 wurden dem vorgelegten Behördenakt entnommen. Dass der Beschwerdeführer seit Bescheiderlassung im Dezember 2016 Österreich verlassen hat, wurde der Einvernahme vom 30.11.2017 sowie vom 02.01.2018 entnommen.

2.3. Die Angaben des Beschwerdeführers zum Asylantrag vom 05.12.2016 und dem Folgeantrag vom 02.01.2018 samt Angaben vom 10.01.2018 ergeben sich aus den im Akt der belangten Behörde einliegenden Niederschriften.

2.4. Die Feststellung, dass hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat gegenüber den im rechtskräftig negativ abgeschlossenen Vorverfahren getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten sind, ergeben sich aus einem Vergleich des in den vorherigen Asylverfahren beigezogenen Länderberichtsmaterial mit dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Länderberichtsmaterial.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

3.2. Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§12a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG 2005 idgF:

(1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 idgF lautet:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

3.2.2. Das Verfahren über den ersten Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.12.2016 wurde mit Bescheid des BFA vom 29.12.2016 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 02.01.2018 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Mit Bescheid des BFA vom 29.12.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

Aufrechte Rückkehrentscheidung

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005.

Gemäß § 12a Abs. 6 AsylG bleiben Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt.

Da seit der Entscheidung und der Ausreise des Beschwerdeführers im Dezember 2016 keine 18 Monate verstrichen sind, liegt gegenständlich eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor.

Res iudicata

Der Antrag vom 02.01.2018 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist.

Der Beschwerdeführer hat im gegenständlich Folgeantrag vorgebracht, dass er sich 2012 einer Gruppe von Islamisten/Salafisten angeschlossen habe und diese gewollt hätten, dass er seinen Vater in eine Falle locke, damit sie umbringen und ihn somit von seinen Sünden reinwaschen können.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Änderung des Sachverhaltes darzulegen.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass einem Asylfolgeantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, die Rechtskraft des über den ersten Antrag absprechenden Bescheides entgegensteht (vgl. etwa VwGH vom 06.11.2009, Zl. 2008/19/0783, VwGH vom 10.06.1998, Zl. 96/20/0266, oder vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). Da sich das Vorbringen des Beschwerdeführers sohin ausschließlich auf Sachverhalte stützt, die dem Beschwerdeführer schon vor der Bescheiderlassung am 29.12.2016 bekannt waren, macht der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt geltend.

Schließlich hat sich auch die Situation in Algerien seit dem Vorbescheid nicht entscheidungswesentlich geändert. Es gab diesbezüglich auch kein Vorbringen des Beschwerdeführers.

Es ist daher davon auszugehen, dass sein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.

Verletzungen der EMRK

Im ersten Verfahrensgang hat das Bundesamt bereits ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). In der Begründung des Bescheides des Bundesamtes wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine konkrete Gefährdung seiner Person geltend gemacht habe. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten.

Auch im nunmehr zweiten Asylverfahren sind bis dato keine Risiken für den Beschwerdeführer im Sinne von § 12a (2) Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden.

Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Beschwerdeführers liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Auch seitens des Beschwerdeführers wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt.

Auch führt der Fremde in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich und sein Privatleben weist keine besonders ausgeprägte Intensität auf.

Zudem ist grundsätzlich festzuhalten, dass (auch) im Verfahren zur allfälligen Aberkennung des Abschiebeschutzes gemäß § 12 a Abs. 2 AsylG durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Ermittlungsverfahren durchzuführen ist (vgl. § 18 AsylG 2005), wobei auch der Grundsatz der notwendigen Einräumung von rechtlichem Gehör (§ 37, 45 Abs. 3 AVG) zu beachten ist. Ein solches Ermittlungsverfahren wurde ordnungsgemäß durchgeführt; es wurde dem Beschwerdeführer Parteiengehör eingeräumt, er wurde einvernommen.

3.2.3. Im Lichte des § 22 BFA - VG hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

3.2.4. Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 10.01.2018 rechtmäßig erfolgt, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz -
Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag, res iudicata

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I404.2182735.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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