Entscheidungsdatum
17.01.2018Norm
AsylG 2005 §3Spruch
I409 2165634-1/6E
I409 2165634-2/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerden des DXXXX alias KXXXX IXXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria alias Tschad, vertreten durch die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 1. vom 22. Juni 2017, Zl. "IFA: 1092283406 + VZ: 1705002585", sowie 2. vom 18. Mai 2017, Zl. 1092283406/170502585,
A)
1. zu Recht erkannt:
Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid, mit dem der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet abgewiesen worden war, wird als unbegründet abgewiesen.
2. den Beschluss gefasst:
Die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid wird als verspätet zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 18. Mai 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß "§ 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß "§ 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II) als unbegründet ab. Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§ 57 AsylG" nicht erteilt. Gemäß "§ 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß "§ 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde gemäß "§ 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß "§ 46 FPG" nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß "§ 18 Absatz 1 Ziffer 3 u. 4 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. Nr. 87/2012, (BFA-VG) idgF" die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV) und festgestellt, dass gemäß "§ 55 Absatz 1a FPG" keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt V).
Der zweitangefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde am 18. Mai 2017 persönlich ausgefolgt.
Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 18. Mai 2017 wurde dem Beschwerdeführer von Amts wegen die "juristische Person ARGE-Rechtsberatung Diakonie Volkshilfe" (in Ermangelung einer eigenständigen Rechtspersönlichkeit richtig: die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" und die "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH") als Rechtsberater zur Seite gestellt.
Gegen den zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 16. Juni 2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und stellte "eventualiter" einen "Antrag auf Wiedereinsetzung gem § 71 AVG". Der Beschwerde war eine Vertretungsvollmacht für die "juristischen Personen Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH (FN 272779x) und "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH" (FN 444937w) als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe" in Gestalt eines vorgedruckten Formulars angeschlossen. In der vorgelegten Vertretungsvollmacht wird für beide Rechtsvertreter zur Zustellung Folgendes ausgeführt: "Zustellvollmacht: Zustellung per Fax ausschließlich an 01/4056295-73; elektronische Zustellung über BRZ möglich." Sowohl die Beschwerden gegen den erst- und den zweitangefochtenen Bescheid als auch der "Antrag auf Wiedereinsetzung gem § 71 AVG" wurden von der "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" verfasst und eingebracht.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 22. Juni 2017 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab.
Gegen den erstangefochtenen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer mit undatiertem Schriftsatz Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und verband dieses Rechtsmittel mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide
A) 1. Feststellungen
Um Wiederholungen zu vermeiden, wird zunächst auf die Ausführungen unter Punkt "I. Verfahrensgang" verwiesen.
Der zweitangefochtene Bescheid vom 18. Mai 2017 wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt. Die vierwöchige Beschwerdefrist lief ab dem Tag der Zustellung, also ab dem 18. Mai 2017. Die Vormerkung der Rechtsmittelfrist erfolgte in den vom zuständigen Rechtsberater persönlich geführten elektronischen Kalender.
Die mit Schriftsatz vom 16. Juni 2017 erhobene Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid (samt Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), die am selben Tag bei der belangten Behörde einlangte, wurde somit verspätet eingebracht.
A) 2. Beweiswürdigung
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, insbesondere in den bekämpften Bescheid sowie in den Beschwerdeschriftsatz, Beweis erhoben.
A) 2. Rechtliche Beurteilung
Zu A) I. Abweisung der Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid:
1.1. Der hier zur Anwendung gelangende § 71 Abs. 1 bis 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 33/2013, lautet wie folgt:
"Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
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1-1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2-2. die Partei die Rechtsmittelfrist versäumt hat, weil der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung, keine Rechtsmittelfrist oder fälschlich die Angabe enthält, daß kein Rechtsmittel zulässig sei.
(2) Der Antrag auf Wiedereinsetzung muß binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses oder nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Berufung Kenntnis erlangt hat, gestellt werden.
(3) Im Fall der Versäumung einer Frist hat die Partei die versäumte Handlung gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachzuholen.
(4) Zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung ist die Behörde berufen, bei der die versäumte Handlung vorzunehmen war oder die die versäumte Verhandlung angeordnet oder die unrichtige Rechtsmittelbelehrung erteilt hat.
(5) ".
1.2. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung hindert nicht, dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grads des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. der Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. zB den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Juni 2013, 2013/06/0098, mwN).
Wird die Fristversäumung von anderen Personen als der Partei oder ihrem Vertreter selbst verursacht (wie z.B. von Angestellten oder Haushaltsangehörigen), ist zu prüfen, ob der Parteienvertreter bzw. die Partei selbst dadurch ein schuldhaftes Verhalten gesetzt hat, dass er bzw. sie eine ihm bzw. ihr auferlegte Sorgfaltspflicht (z.B. Auswahlverschulden, mangelnde Überwachungstätigkeit oder sonstige Organisationsverschulden) außeracht gelassen hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass auch die Büroorganisation von Gebietskörperschaften (z.B. Gemeinden) oder Kapitalgesellschaften in gleicher Weise wie eine Rechtsanwaltskanzlei dem Mindesterfordernis einer sorgfältigen Organisation entsprechen muss. Dazu gehört insbesondere die Vormerkung von Fristen und die Vorsorge durch entsprechende Kontrollen, dass Unzulänglichkeiten zufolge menschlichen Versagens voraussichtlich auszuschließen sind. Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Terminen und Fristen müssen Kapitalgesellschaften daher Mindesterfordernisse einer sorgfältigen Organisation erfüllen. Diese Organisation erfordert, wenn sich das verantwortliche Organ hiebei der Unterstützung von Hilfskräften bedient, – im Rahmen der Zumutbarkeit – ein Kontrollsystem. Der Wiedereinsetzungswerber hat das, was er in Erfüllung seiner der Sachlage nach gebotenen Pflicht zur Überwachung allfälliger für ihn tätig gewordener Hilfskräfte hinsichtlich der Wahrung eines Termines vorgekehrt hat, im Wiedereinsetzungsantrag substantiiert zu behaupten. Fehlt eine entsprechende Organisation bzw. ein solches System oder sind sie unzureichend, so dass die Einhaltung von Terminen und Fristen nicht gewährleistet ist, kann nicht mehr von einem bloß minderen Grad des Versehens gesprochen werden. Im Erkenntnis VwSlg. 16.547 A/2005 gab der Verwaltungsgerichthof einer Beschwerde gegen einen Bescheid keine Folge, mit dem ein Antrag auf Wiedereinsetzung unter Hinweis darauf abgewiesen wurde, dass aus den internen Organisationsabläufen der antragstellenden Partei, wonach beispielsweise für den Postbevollmächtigten nicht vorgesehen sei, einen Eingangsstempel auch nur am Kuvert der Sendung anzubringen, weder ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis, noch ein schuldausschließender oder selbst nur ein minderer Grad des Versehens für die nachfolgend eingetretene Fristversäumnis zu erkennen war (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 17. März 2015, I402 2004709-1, mwN).
2.1. Der Beschwerdeführer begründete seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen folgendermaßen:
"Der BF führte am 24.05.2017 mit dem Rechtsberater MMag. S. H. der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH eine Rechtsberatungsgespräch. Am selben Tag erteilte der BF der ARGE Rechtsberatung eine Vertretungsvollmacht für das Asyl- und fremdenpolizeiliche Verfahren.
Neben dem Antragsteller führte der Rechtsberater des BF an diesem Tag noch mit weiteren Klientinnen im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel Beratungsgespräche. Die Nachbearbeitung aller an diesem Tag bearbeiteten und neu erstellten Akten fand am Abend desselben Tages statt. Es umfasst das Anlegen der Papierakten, Fristvormerkung und Dokumentation. Die Eintragung der Rechtsmittelfrist findet in den vom Rechtsberater persönlich geführten elektronischen Kalender (in der E-Mail Applikation Thunderbird) statt.
Zusätzlich zum Eintrag im Kalender, setzte der Rechtsberater des BF eine Aufgabe (Task) in derselben Applikation mit dem Hinweis "Beschwerde I. K. 01.06.2017. Diese Art der Fristvormerkung praktiziert der Rechtsberater des BF seit mehreren Jahren, da auf diese Weise neben dem Kalendereintrag, alle noch zu erledigenden Aufgaben gut sichtbar angezeigt werden (vgl. der Erklärung beigelegter Screenshot).
Am 01.05.2017 übernahm der Rechtsberater des BF die Einrichtungsleitung einer neuen Rechtsberatungsstelle am Standort 11XX Wien, X-gasse XXX mit Schwerpunkt Schubhaft-Beratung. Darüber hinaus erfüllte der Rechtsberater weiterhin seine üblichen Beratungstätigkeiten mit Sorgfalt und zur Zufriedenheit seiner Klientinnen und seiner Vorgesetzten erfüllt. Durch die Übernahme der Einrichtungsleitung erhöhten sich die Arbeitszeiten des Rechtsberaters des BF massiv.
Am 01.06.2017 arbeitete der Rechtsberater des BF von 9 Uhr bis 21 Uhr und erledigte neben seinen Leitungsaufgaben auch mehrere Beratungstätigkeiten wie auch das Verfassen von Schriftsätzen mit Fristende 01.06.2017. Aufgrund des überdurchschnittlich hohen Arbeitsaufwandes übersah der Rechtsberater des BF um 21 Uhr, dass eine Beschwerdefrist - nämlich die gegenständliche - noch nicht erledigt wurde.
Am nächsten Tag befand sich der Rechtsberater des BF von 9 Uhr bis 15 Uhr im Polizeianhaltezentrum Hernalser Gürtel und begab sich anschließend in die Beratungsstelle der Diakonie in 11XX Wien, X-gasse XXX. Erst zu diesem Zeitpunkt realisierte der Rechtsberater des BF, dass die Frist für die Erhebung einer Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid des BF bereits am Vortag abgelaufen war.
Der Rechtsberater MMag. S. H. ist seit März 2015 beim Diakonie Flüchtlingsdienst beschäftigt und wurde auch bezüglich des Systems und der Fristen von der Leitung der Rechtsberatung entsprechend eingewiesen. Er hat seine Aufgaben stets mit Sorgfalt und zur Zufriedenheit seiner Klientinnen und seiner Vorgesetzten erfüllt. Ein derartiger Fehler ist ihm in dieser Zeit nie unterlaufen. Das Beratungsteam ist sehr gut eingespielt und ein solcher Fehler ist diesem bisher noch nicht unterlaufen. Das gesamte Rechtsberatungsteam arbeitet mit großer Sorgfalt, jedoch sind die Mittel der Organisation begrenzt und insbesondere der rasch angestiegene Arbeitsaufwand durch die erhöhte Zahl an Mitarbeitern des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl musste durch die bestehenden Mitarbeiter kompensiert werden. Darüber hinaus hat das BFA seit April 2016 sukzessiv seine Mitarbeiterzahl aufgestockt, was sich mittlerweile natürlich in der Anzahl der Bescheide und der Inschubhaftnahmen widerspiegelt. Zuletzt drastisch gestiegen ist die Zahl der Schubhäftlinge, und zwar von 625 im dritten Quartal 2016 auf 1.137 im ersten Quartal 2017 (https://www.parlament.qv.at/PAKT/PR/JAHR 2017/PK0715/. abgerufen am 16.06.2017).
Diesbezüglich ist auch die Rechtsberatung der Diakonie Wien am Aufstocken, wurden jedoch neue Mitarbeiterinnen für die neue Einrichtung XXX erst für Juni 2017 gefunden, sodass das damals bestehende Schubhaft-Beratungsteam aus 5 Rechtsberaterinnen (im Stundenumfang von ca. 176 Stunden) dies kompensieren musste, wobei alle 5 Beraterinnen neben der Schubhaftberatung auch Beratungen im Asyl- und Fremdenrecht in der Beratungsstelle in 11XX Wien, X-gasse XXX durchführten. Aufgrund dieser Situation und dem deutlich erhöhten Arbeitsaufwand hat der Rechtsberater des BF die Frist für die Erhebung einer Beschwerde gegen den negativen Asylbescheid des BF übersehen.
Im vorliegenden Fall liegt kein, den minderen Grad des Versehens übersteigendes Verschulden des Rechtsberaters vor und ist dem vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattzugeben. Bei dem Versäumen der Frist handelt es sich um einen minderen Grad des Versehens des ansonsten äußerst vertrauenswürdigen Teams, aus dem nun dem BF ein Rechtsnachteil erwächst. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Sorgfaltsmaßstab, welcher von Rechtsberaterinnen gefordert wird, insbesondere auch in Relation zu den personellen Ressourcen und dem tatsächlich herrschenden Arbeitsaufwand zu betrachten ist.
Den BF trifft bezüglich des Fristversäumnisses kein Verschulden und war dieses für ihn unvorhersehbar und unabwendbar. Der BF hat der Rechtsvertretung Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH sofort bei der Beratung im Rahmen des Beschwerdegesprächs den Rechtsberater über die Zustellung seines Asylbescheides informiert. Er hat beim Beratungsgespräch eine Vollmacht unterschrieben, mit welcher er die Rechtsvertretung Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH beauftragte ihn in seinem Asylverfahren zu vertreten und eine Beschwerde für ihn einzubringen. Da der Antragsteller selbst zum Zeitpunkt des Fristablaufs keine Kenntnis von der noch nicht erfolgten Beschwerde hatte, war es ihm nicht möglich, selbst die notwendigen Schritte einzuleiten.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der an Rechtsberater anzulegende Sorgfaltsmaßstab, sowohl in Relation zu den finanziellen Ressourcen, der Treuhänderähnlichen Stellung der Diakonie, der fehlenden Gewinnorientierung und dem tatsächlich herrschenden Arbeitsaufwand gesehen werden muss. Er muss daher auch weniger streng sein, als jener, der einem Rechtsanwalt auferlegt wird:
Das Verschulden eines Bediensteten eines rechtskundigen Parteienvertreters kann nicht dem Verschulden des Vertreters gleichgesetzt werden. Der rechtskundige Vertreter hat aber gegenüber der ihm als Hilfsapparat zur Verfügung stehenden Kanzlei alle Vorsorgen zu treffen, die notwendig sind, um die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben zu gewährleisten, die ihm aus dem Bevollmächtigungsverhältnis obliegen. Dies betrifft vor allem die Organisation des Kanzleibetriebes und die wirksame Überwachung der Angestellten in Bezug auf die Einhaltung von Fristen (2012/10/0100 vom 08.10.2014).
Eine "analoge" Anwendung der Anforderungen an die Kanzleiorganisation eines Rechtsanwaltes auf eine Beratungsorganisation ist nach der Rechtsprechung aber nicht angebracht: Zwar trifft es auch zu, dass jemand, der - wenngleich ehrenamtlich - professionelle Vertretungshandlungen vornimmt, die erforderlichen organisatorischen Vorkehrungen zu treffen hat. An das Ausmaß der Professionalität können bei Einrichtungen wie der hier betroffenen aber nicht die gleichen Anforderungen gestellt werden wie bei einem Rechtsanwalt. Würde man die ehrenamtlichen Mitarbeiter einer solchen Einrichtung an einem Maßstab messen, dem sie - ungeachtet eines allenfalls abgeschlossenen Jusstudiums - mangels Berufsausbildung zum Rechtsanwalt und ohne die damit verbundenen Kenntnisse und Erfahrungen nicht gerecht werden können, so würde ihre Tätigkeit von vornherein als sorgfaltswidrig eingestuft (Vgl VwGH 2005/20/0646 vom 02.03.2006).
Im Kontext betrachtet handelt es sich daher vorliegend um einen minderen Grad des Versehens, der als Folge sich plötzlich ändernder Umstände und unvorhersehbaren personellen, wie Reorganisationsbedarfs eines ansonsten äußerst verlässlichen und sorgfältigen - akut jedoch massiv überlasteten - Teams gesehen werden muss und aus dem nun dem Antragsteller - ohne sein Zutun oder Verschulden - ein Rechtsnachteil erwachsen ist."
2.2.1. Ausgehend von dieser Darstellung findet die Vormerkung der Rechtsmittelfrist also "in den vom Rechtsberater persönlich geführten elektronischen Kalender" statt. Damit wird deutlich, dass die "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" offensichtlich über keinen funktionierenden Kanzleibetrieb verfügt, mit dem die Eingangsstücke erfasst werden. Nach dem Antragsvorbringen gibt es auch kein Kontrollsystem, mit dem überprüft werden könnte, ob die Rechtsmittelfristen tatsächlich (richtig) vorgemerkt werden bzw. wurden.
Somit kann – unter dem Aspekt der "Unabwendbarkeit" des Ereignisses – von der Anwendung der gebotenen Sorgfalt keine Rede sein. Auch die nicht überprüfbare Behauptung, "ein derartiger Fehler" sei dem zuständigen Rechtsberater "in dieser Zeit nie unterlaufen", ändert an dieser Einschätzung nichts.
Überdies wird im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebracht, dass der an Rechtsberater anzulegende Sorgfaltsmaßstab, sowohl in Relation zu den finanziellen Ressourcen, der treuhänderähnlichen Stellung der Diakonie, der fehlenden Gewinnorientierung und dem tatsächlich herrschenden Arbeitsaufwand gesehen werden müsse. Er müsse daher auch weniger streng sein, als jener, der einem Rechtsanwalt auferlegt werde.
Mit diesem Antragsvorbringen wird die Eignung der "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" als Rechtsberatungsorganisation und die Zulässigkeit ihrer Betrauung nach Maßgabe des § 48 Abs. 6 und Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz angesprochen:
Schließlich können der Bundesminister für Inneres und der Bundeskanzler gemäß § 48 Abs. 6 und Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz juristische Personen zulässigerweise nur dann mit der Besorgung der Rechtsberatung gemäß §§ 49 bis 52 betrauen, wenn die juristische Person insbesondere über eine ausreichende Anzahl an Rechtsberatern zur flächendeckenden Rechtsberatung im Bundesgebiet verfügt (Abs. 7 Z 1), über die notwendigen Geld- und Sachmittel verfügt, die eine flächendeckende Rechtsberatung und Dolmetschleistung im Bundesgebiet sicherstellen (Abs. 7 Z 4) und über die organisatorischen Möglichkeiten verfügt, die notwendig sind, ein Rechtsberatungssystem zu administrieren (Abs. 7 Z 5); bei der Betrauung ist weiters darauf zu achten, dass auszuwählende juristische Personen für eine ordnungsgemäße Erfüllung ihrer Aufgaben Gewähr bieten, insbesondere auf Grund ihrer entsprechenden Tätigkeitsfelder sowie ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kann daher von einer Rechtsberatungsorganisation erwartet werden, dass diese eine Termin- bzw. Fristenverwaltung unterhält, die auch einer entsprechenden Kontrolle zugänglich ist. Andernfalls würde eine solche Rechtsberatungsorganisation ihre Obliegenheit gemäß § 48 Abs. 7 Z 5 BFA-Verfahrensgesetz nicht erfüllen, nämlich über die organisatorischen Möglichkeiten zu verfügen, die notwendig sind, ein Rechtsberatungssystem zu administrieren.
Mit der Behauptung der Verletzung einer gesetzlichen Obliegenheit wird jedenfalls kein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" iSd § 33 Abs. 1 VwGVG dargetan, das die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würde – aus diesem Grund, aber auch aufgrund der Stellung der "Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH" als Kapitalgesellschaft ist das im Wiedereinsetzungsantrag zitierte und den Verein "Deserteurs- und Flüchtlingsberatung" betreffende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. März 2006, 2005/20/0646, nicht einschlägig (vgl. dazu auch die oben unter Rz 1.2. wiedergegebene Rechtsprechung).
Zuletzt ist zur "Unvorhersehbarkeit" des Ereignisses darauf hinzuweisen, dass berufliche Überlastungen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichen, um die Bewilligung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu rechtfertigen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 71, Rz 81, mwN).
2.2.2. Dazu kommt, dass im vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht dargelegt wird, auch die zweite Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers, die "Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH", wäre durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis gehindert gewesen, gegen den zweitangefochtenen Bescheid der belangten Behörde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde zu erheben.
Schon allein aufgrund dieses Umstandes konnte die belangte Behörde dem vorliegenden Antrag nicht stattgegeben.
3. Aus dem Gesagten war die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid als unbegründet abzuweisen.
Angesichts der Tatsache, dass das Bundesverwaltungsgericht seiner Entscheidung als maßgebender Sachverhalt das Antragsvorbringen zugrunde gelegt hat, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-Verfahrensgesetz unterbleiben.
Zu A) 2. Zurückweisung der Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid:
1. Der zweitangefochtene Bescheid vom 18. Mai 2017 wurde dem Beschwerdeführer am selben Tag durch persönliche Übergabe zugestellt.
Dem Beschwerdeführer stand für die Einbringung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid – ex post betrachtet – eine vierwöchige Beschwerdefrist zur Verfügung (§ 16 Abs. 1 BVA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 140/2017).
Die vierwöchige Beschwerdefrist lief ab dem Tag der Zustellung, also ab dem 18. Mai 2017, und sie endete gemäß § 32 Abs. 2 AVG am 15. Juni 2017.
Die mit Schriftsatz vom 16. Juni 2017 erhobene Beschwerde, die am selben Tag bei der belangten Behörde einlangte, wurde somit verspätet eingebracht.
2. Die Beschwerde war daher gegen den zweitangefochtenen Bescheid als verspätet zurückzuweisen.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ohne mündliche Verhandlung getroffen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
mangelnder Anknüpfungspunkt, Vertretungsverhältnis,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:I409.2165634.1.00Zuletzt aktualisiert am
01.02.2018