TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/18 W132 2130428-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.01.2018
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Entscheidungsdatum

18.01.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W132 2130428-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie die fachkundige Laienrichterin Dr. Regina BAUMGARTL als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich vom XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 05.02.2016 hat der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) unter Vorlage eines Befundkonvolutes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gestellt.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 25.05.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung zwar in Höhe von 50 vH bewertet wurde, jedoch die vorliegenden Befunde mit den dargebotenen hochgradigen Mobilitätseinschränkungen nicht in Einklang gebracht werden könnten und es daher nicht möglich sei, eine Aussage über die Zumutbarkeit bzw. Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zu treffen.

2. Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer am 15.06.2016 einen unbefristeten Behindertenpass ausgestellt und einen Grad der Behinderung in Höhe von 50 vH eingetragen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß § 42 und § 45 BBG abgewiesen.

4. Gegen diesen Bescheid wurde von der bevollmächtigten Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter nachträglicher Vorlage eines Teilausdruckes der Gesamtkartei des Landesklinikum Wr. Neustadt vom 12.07.2016 wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund der vorliegenden Leiden – degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit Zustand nach Bandscheibenoperation L4/5 und Kyphoplastie L2 mit Vorfußheberschwäche links und Schulterschmerzen rechts – keinesfalls möglich und zumutbar sei ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Der Beschwerdeführer könne im Wohnbereich unter Zuhilfenahme eines Rollators nur einige Schritte gehen und es sei ihm auf Grund der Schulterschmerzen keinesfalls möglich Unterarmstützkrücken zu verwenden. Er erhalte alle zwei Wochen eine Infiltration und es werde laufend Physiotherapie durchgeführt. Außerhalb des Wohnbereiches sei der Beschwerdeführer auf einen Rollstuhl angewiesen. Es bestehe ein deutlich hinkendes Gangbild und seien nur langsame vorsichtige Bewegungen möglich. Er könne nur kurz Stehen und müsse auf Grund der Schmerzen jederzeit die Möglichkeit haben sich zu setzen. Dem Beschwerdeführer seien sowohl das Erreichen wie auch das Be- und Entsteigen von öffentlichen Verkehrsmitteln nicht zumutbar. Er könne Niveauunterschiede nicht überwinden und habe Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche im öffentlichen Verkehrsmittel. Die Feststellung der Sachverständigen, dass die hochgradige Mobilitätseinschränkung nicht nachvollziehbar sei, werde vom Beschwerdeführer nicht geteilt. Da das Sachverständigengutachten weder ausführe welche Wegstrecke dem Beschwerdeführer zumutbar sei, welche Befunde zur Beurteilung herangezogen wurden, warum dem Beschwerdeführer das Be- und Entsteigen möglich sei und warum der sichere Transport gegeben sei, genüge das Gutachten - unter Betrachtung des vorliegenden Gangbildes - keinesfalls den Anforderungen an ein schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten. Es wurde beantragt, Sachverständigengutachten der Fachrichtungen Neurologie/Psychiatrie und Orthopädie/Chirurgie einzuholen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

4.1. Mit dem – im Bundesverwaltungsgericht am 20.07.2016 eingelangten – Schreiben vom 15.07.2016 hat die belangte Behörde den Verwaltungsakt und die Beschwerde vorgelegt.

4.2. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.08.2016 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass gemäß § 46 Bundesbehindertengesetz neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen.

4.3. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurden vom Bundesverwaltungsgericht Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Nervenheilkunde, und Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie, basierend auf den persönlichen Untersuchungen des Beschwerdeführers am 28.09.2016 und 29.09.2016, mit dem Ergebnis eingeholt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorlägen.

4.4. Im Zuge der persönlichen Untersuchungen wurde vom Beschwerdeführer ein Kurzarztbrief des Landesklinikums Wr. Neustadt vom 24.08.2016 in Vorlage gebracht.

4.5. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG mit Hinweis auf die Neuerungsbeschränkung gemäß § 46 BBG erteilten Parteiengehörs haben weder die belangte Behörde noch der Beschwerdeführer Einwendungen erhoben. Die Verfahrensparteien wurden darauf hingewiesen, dass das nachgereichte Beweismittel nicht berücksichtigt werden kann.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Da sich der Beschwerdeführer mit der Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass nicht einverstanden erklärt hat, war dies zu überprüfen.

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Der Verwaltungsakt ist unter Anschluss der Beschwerdeschrift am 20.07.2016 im Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

Das nachgereichte Beweismittel ist im Rahmen der persönlichen Untersuchung und somit nach dem 20.07.2016 vorgelegt worden.

1.2. Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2.1. Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

Allgemeinzustand und Ernährungszustand gut. Caput/Collum unauffällig. Hörvermögen: beeinträchtigt, hat Hörgeräte beidseits, bei der Untersuchung sind diese nicht vorhanden, ohne Hörgeräte klinisch kaum beeinträchtigt. Sehvermögen nicht beeinträchtigt.

Thorax: unauffällig. Blutdruck 110/65. Atemexkursion 4cm. Abdomen:

kein Druckschmerz, klinisch unauffällig.

Wirbelsäule: Druckschmerz: nein. Klopfschmerz: nein.

Stauchungsschmerz: nein. Halswirbelsäule in allen Ebenen endlagig eingeschränkt. Kinn-Jugulum-Abstand 1,5 cm. Myogelosen und Hartspann des Trapezius beidseits. Brustwirbelsäule: Ott 30/32cm,

Rippenbuckel: nein. Lendenwirbelsäule: Schober 10/13cm, Seitneigung ein Drittel eingeschränkt, Lendenwulst nein. Insuffizienz der Rückenmuskulatur. 4cm lange, blande Narbe über L4-S1.

Zehenballen- und Fersenstand links nicht durchführbar. Schulter- und Beckengeradstand. Finger-Boden-Abstand: Kniehöhe.

Obere Extremitäten: Rechtshänder. Nacken- und Kreuzgriff beidseits nicht eingeschränkt; muskuläre Verhältnisse unauffällig. Durchblutung unauffällig. Faustschluss, Grob- und Spitzgriff beidseits unauffällig. Schulter: Ante-/Retroflexion rechts 160/0/40, links 150/ 0/40. Außen-/Innenrotation rechts 50/0/90, links 40/0/80.

Abduktion/Adduktion rechts 160/0/40, links 120/0/40. Ellbogen:

Extension/Flexion rechts und links 10/0/150. Pronation/Supination rechts und links 90/0/90. Handgelenk: Extension/Flexion rechts und links 60/0/60. Radial-Ulnarduktion rechts und links 30/0/40.

Fingergelenke: beidseits frei und schmerzfrei beweglich.

Unterer Extremitäten: Valgusstellung 5 Grad. Hüftgelenk:

Druckschmerz rechts nein, links inguinal. Extension/Flexion: rechts 0/0/120 links 0/0/110. Abduktion/Adduktion rechts 30/0/30, links 25/0/20. Aussen-/Innenrotation rechts 30/0/25 links 25/0/25. Linke Hüfte Druckschmerz am Troch. major. Oberschenkel: Rechts und links unauffällig. Umfang links minus 2 cm. Kniegelenke: Extension Flexion rechts und links 0/0/120. Beidseits kein Druckschmerz, beidseits kein Erguss. Beidseits keine Rötung und keine Hyperthermie. Retropatellare Symptomatik beidseits +. Zohlenzeichen rechts + links ++. Beidseits keine Bandinstabilität. Kondylenabstand 0 QF.

Unterschenkel: Beidseits unauffällig, Umfang seitengleich. Oberes

Sprunggelenk: Extension/Flexion rechts 20/0/40, links 0/0/40.

Beidseits keine Bandinstabilität. Unteres Sprunggelenk:

Eversion/Inversion rechts 15/0/30 links 0/0/20. Beidseits kein Erguss, keine Hyperthermie und keine Rötung. Malleolenabstand 3 QF.

Fuß- und Zehengelenke: Beweglichkeit: Kleine Gelenke beidseits endlagig eingeschränkt, schmerzfrei. Fußsohlenbeschwielung normal.

Durchblutung: Makro- und Mikrozirkulation links mehr als rechts herabgesetzt. Beinlänge seitengleich.

Neurologisch: HN: unauffällig.

Obere Extremitäten: seitengleich Schulterschmerz beidseits wird angegeben. MER seitengleich mittellebhaft. VdA normal. FNV unauffällig. Feinmotorik erhalten, grobe Kraft, Trophik, Tonus seitengleich, Frontal- und PyZ negativ.

Untere Extremitäten: PSR beidseits gesteigert. ASR nicht auslösbar, linkes Knie wird im Liegen immer wieder abgewinkelt. MER seitengleich mittellebhaft. Grobe Kraft rechts unauffällig, links bei eingeschränkter Compliance proximal KG 2-3 dargeboten.

Vorfußheber und -senker KG 4, Bab. negativ. Sensibilität: ab Wade abgeschwächt, links ohne radikuläres Muster, Lasegue rechts 40°, links bei 20° pos., Stand: Unauffällig.

Gang: Mit zwei Unterarmstützkrücken und Hinkschonhaltung links schmerzüberlagert.

Psychisch: Pat. klar, wach, orientiert. Duktus nachvollziehbar, jedoch um die Symptomatik kreisend mit deutlichen Somatisierungszeichen. Keine prod. Symptomatik oder wahnhafte Verarbeitung. Von der Stimmung deutlich depressiv und klagsam, in beiden Skalenbereichen eingeschränkt affizierbar, keine Selbst- oder Fremdgefährdung. Realitätssinn erhalten. Auffassung und Konzentration uneingeschränkt.

Art der Funktionseinschränkungen:

-

Lumboischialgie links (ohne neuroradiologisches oder elektrophysiologisches Korrelat)

-

Somatisierungsstörung bei chronischer Schmerzstörung

-

Zustand nach Bandscheibenoperation (Diskektomie) L4/5 links 04/2013

-

Zustand nach Kyphoplastie L2 2009

-

Vorfußheberschwäche links (Peronäusparese)

-

Anpassungsstörung

1.2.2. Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Der Beschwerdeführer kann sich im öffentlichen Raum selbständig fortbewegen, eine kurze Wegstrecke (ca. 300 m - 400 m) aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, gegebenenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurücklegen bzw. wird durch die Verwendung allenfalls erforderlicher Behelfe die Benützung des öffentlichen Transportmittels nicht in hohem Maße erschwert. Die dauernden Gesundheitsschädigungen wirken sich nicht maßgebend auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens aus. Der sichere und gefährdungsfreie Transport im öffentlichen Verkehrsmittel ist nicht erheblich eingeschränkt.

Die festgestellten Funktionseinschränkungen wirken sich – auch im Gesamtbild – nicht in erheblichem Ausmaß negativ auf die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel aus.

Das Wirbelsäulenleiden erreicht auch im Zusammenwirken mit der Vorfußheberschwäche links kein Ausmaß, welches das Zurücklegen kurzer Wegstrecken, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln maßgebend behindern würde. Es ist eine für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausreichende Funktionsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates gegeben.

Der Beschwerdeführer ist ausreichend in der Lage, sich fortzubewegen. Das Gangbild ist unter allfälliger Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken zwar schleppend und schmerzüberlagert mit Hinkschonhaltung links. Die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers sowie die Möglichkeit Haltegriffe zu erreichen und sich festzuhalten sind jedoch ausreichend. Niveauunterschiede können überwunden werden, da die Beugefunktion im Bereich der Hüft-, Knie-und Sprunggelenke ausreichend ist und das sichere Ein-und Aussteigen gewährleistet sind. Ein Ausmaß an Schmerzen, welches eine wesentliche Gangbildbeeinträchtigung und Gangleistungsminderung für kurze Wegstrecken nach sich zieht, oder das Festhalten in öffentlichen Verkehrsmitteln gravierend erschwert, kann nicht festgestellt werden. Das Festhalten beim Ein- und Aussteigen ist ausreichend möglich, der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist daher gesichert durchführbar.

Es liegen weder erhebliche dauerhafte Einschränkungen der unteren Extremitäten noch der körperlichen Leistungsfähigkeit vor.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder der Sinnesfunktionen vor, es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX sind schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wurde zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel umfassend Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchungen des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der bis 20.07.2016 vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die bis 20.07.2016 vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befassten Sachverständigen haben sich eingehend damit auseinandergesetzt und fassen deren Inhalt nachvollziehbar wie folgt zusammen:

-

AMS Chefarzt undatiert: befristete Invalidität, Rehabilitationsfähigkeit liegt nicht vor, Mitwirkungspflicht besteht nicht. Diese Stellungnahme ist nicht durch eine ausführliche Untersuchung begründet, daher nicht nachvollziehbar.

-

Gutachten PVA, Innere Medizin und Orthopädie vom 12.01.2016:

Vorliegende Befunde stimmen mit dem dargebotenen Bewegungsausmaß nicht überein, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sind zumutbar, kein Pflegebedarf. Beide Gutachten sind ausführlich mit genauem Status und daher schlüssig und nachvollziehbar.

-

Ambulanzbericht Orthopädie Wr. Neustadt vom 12.07.2016: Rückgang Rezidivprolaps L4/5, keine wesentliche Spinalkanalstenose, operativer Eingriff nicht indiziert, bildwandlergezielte Infiltrationen empfohlen. Da keine Operation notwendig ist, erscheint eine konservative und medikamentöse Therapie ausreichend.

Die bis 20.07.2016 vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird betreffend die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kein aktuell anderes Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde.

Die Beurteilung der Mobilität des Beschwerdeführers als ausreichend, begründet Dr. XXXX nachvollziehbar und fachärztlich überzeugend, dass sich an den Gelenken der oberen Extremitäten bei der Untersuchung keine relevanten funktionsbeeinträchtigenden Einschränkungen der Beweglichkeit, Motorik und Sensibilität fanden, wodurch ein sicheres Anhalten möglich ist und dass trotz einer Funktionseinschränkung durch den Zustand nach Kyphoplastie L2, der bestehenden Peronaeusparese links und den degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, bei adäquater Behelfsversorgung eine ausreichende Gehstrecke bewältigbar ist und das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sowie das Bewältigen von Hindernissen durchführbar sind.

Die Auswirkungen der festgestellten Funktionseinschränkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erörtert der orthopädische Sachverständige nachvollziehbar und begründet seine Schlussfolgerungen damit, dass der Zustand nach Kyphoplastie L2 und die degenerativen Veränderungen an der Lendenwirbelsäule nach der Bandscheibenoperation L4/5 als Restzustände einzustufen sind, die sich nicht auf eine Einschränkung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken und auch die Vorfußheberschwäche bei einer adäquaten Versorgung mit einem entsprechendem orthopädischen Behelf (zum Beispiel einer Peronäusschiene) und/oder einem orthopädischem Schuh sich nicht auf die Bewältigung von Hindernissen im Bereich öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt.

Dr. XXXX ergänzt seine Beurteilung schlüssig, dass beim Beschwerdeführer Beschwerden durch die auch altersbedingten Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehen, woraus sich jedoch kein nachvollziehbarer Rückschluss auf die angegebene Minderbelastbarkeit des linken Beines ergibt, da alle Gelenke der unteren Extremitäten nur geringgradig in ihrer Funktion eingeschränkt sind und eine verminderte Belastbarkeit bei der Untersuchung nicht erhoben werden konnte. Er beschreibt weiters anschaulich, dass nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers dessen PKW nicht mit einer Automatik ausgestattet ist, und daher durch die notwendige Betätigung des Kupplungspedals mit dem linken Fuß auch hier eine verminderte Belastbarkeit nicht nachvollzogen werden kann. Ebenso ist die Vorfußheberschwäche links nicht adäquat orthopädietechnisch versorgt.

Zusammenfassend halten Dr. XXXX und Dr. XXXX zu den Einwendungen des Beschwerdeführers nachvollziehbar fest, dass aus den vorgelegten Befunden und der im Rahmen der persönlichen Untersuchungen festgestellten Gesamtmobilität des Beschwerdeführers ein behinderungsbedingtes Erfordernis der Benützung von zwei Unterarmstützkrücken, eines Rollators oder Rollstuhls nicht nachvollziehbar ist. So wird auch im ärztlichen Gutachten der Pensionsversicherungsanstalt vom 12.01.2016 festgehalten, dass die vorliegenden Befunde nicht mit dem dargebotenen Bewegungsausmaß des Beschwerdeführers übereinstimmen, und auch keine Beschwielung der Handflächen – welche auf den ständigen Gebrauch von Unterarmstützen hinweisen würde – vorliegt.

Die Krankengeschichte des Beschwerdeführers wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt.

Die Sachverständigengutachten Dris. XXXX und Dris. XXXX stehen mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und den bis 20.07.2016 vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen. Auch ist der Beschwerdeführer den – nicht als unschlüssig zu erkennenden Sachverständigengutachten – nicht entgegengetreten. Vielmehr haben die Verfahrensparteien den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht erteilten Parteiengehörs unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das Beschwerdevorbringen war nicht geeignet die gutachterliche Beurteilung, wonach eine ausreichende Funktionsfähigkeit des Bewegungsapparates gegeben ist bzw. sich die dauernden Gesundheitsschädigungen nicht maßgebend negativ auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirken, zu entkräften.

Die medizinischen Sachverständigen beschreiben die im Rahmen der persönlichen Untersuchung wahrgenommene Gesamtmobilität anschaulich und unwidersprochen wie folgt: Hilfsmittel: 2 UA-Stützkrücken.

Schuhwerk: feste Halbschuhe. Anhalten beim Aufstehen und Stehen, das Umsetzen auf die Untersuchungsliege gelingt ohne Hilfe der Krücken.

An- und Auskleiden im Stehen ohne Hilfe durchführbar. Hocke:

beidseits nicht durchführbar. Gangbild: schleppend, Schonhinken links, großteils wird das linke Bein nicht belastet, 3-Punkte-Gang.

Schrittlänge: 1 Schrittlänge. Der Beschwerdeführer zieht sich alleine aus und besteigt alleine die Untersuchungsliege. Hier gewinnt man den Eindruck einer deutlichen Somatisierung und zusätzlichen Aggravierung.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Zur Erörterung der Rechtsfragen, dass das nachgereichte Beweismittel unberücksichtigt bleibt und ob dem Beschwerdeführer die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist, siehe die rechtlichen Erwägungen unter Punkt II 3.1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen. (§ 42 Abs. 1 BBG)

Der Behindertenpaß ist unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist. (§ 42 Abs. 2 BBG)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. (§ 45 Abs. 1 BBG)

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu. (§ 45 Abs. 2 BBG)

Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist u.a. jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(§ 1 Abs. 4 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen auszugsweise)

Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(§ 1 Abs. 5 Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen)

Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (auszugsweise):

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion – das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen – ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleich bedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH vom 23.05.2012, Zl. 2008/11/0128, und die dort angeführte Vorjudikatur sowie vom 22. Oktober 2002, Zl. 2001/11/0242, vom 27.01.2015, Zl. 2012/11/0186).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt. (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, 2007/11/0080)

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 – 400 m ausgeht. (vgl. u.a. Ro 2014/11/0013 vom 27.05.2014, 2012/11/0186 vom 27.01.2015)

Da, wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, den Sachverständigen zu folgen war, dass der Funktionsumfang des Stütz- und Bewegungsapparates ausreichend ist, wird der Entscheidung zugrunde gelegt, dass keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen.

Die allfällige Verwendung von Hilfsmitteln zur Fortbewegung außer Haus (Peronäusschiene, Stützkrücke, orthopädische Schuhe) ist – da die Funktionalität der oberen Extremitäten bei dem Beschwerdeführer ausreichend gegeben ist – zumutbar und bedingt kein relevantes Hindernis bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

Es besteht hinreichende Beweglichkeit der oberen Extremitäten und es liegen weder Kraft- noch Sensibilitätsverlust vor. Somit ist die Benützung eines Handlaufes beim Stiegen steigen oder die Benützung eines Haltegriffes in einem öffentlichen Verkehrsmittel möglich. An den unteren Extremitäten und der Wirbelsäule liegen zwar Funktionsbehinderungen vor, der Bewegungsumfang von Knie und Hüfte ermöglicht jedoch das Überwinden von Niveauunterschieden und sind die Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers ausreichend.

Die vorgebrachten Schmerzen konnten nicht in einem Ausmaß festgestellt werden, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschwert.

Dem von den Sachverständigen beschriebenen Bewegungsumfang ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten.

Beim Beschwerdeführer liegen auch keine erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor bzw. konnten keine maßgebenden Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder von Sinnesfunktionen festgestellt werden, es besteht auch keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems.

Daher ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden. (§ 46 BBG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 57/2015)

§ 46 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 57/2015 tritt mit 1. Juli 2015 in Kraft. (§ 54 Abs. 18 BBG)

Da die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 20.07.2016 vorgelegt worden ist, war das im Rahmen der persönlichen Untersuchung nachgereichte Beweismittel nicht zu berücksichtigen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, Zl. 2012/06/0221).

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen für den beantragten Zusatzvermerk sind die Art, das Ausmaß und die Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Zur Klärung des Sachverhaltes wurden daher ärztliche Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurden diese als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern. Das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Ermittlungsverfahrens wurde jedoch nicht bestritten. Es wurden der Beschwerde keine Beweismittel beigelegt, welche mit der gutachterlichen Beurteilung der Funktionseinschränkungen nicht in Einklang stehen. Das Beschwerdevorbringen war – wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – nicht geeignet, relevante Bedenken an den sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen hervorzurufen. Der Beschwerdeführer wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren orthopädisch und nervenfachärztlich persönlich untersucht. Die vorgebrachten Argumente und bis 20.07.2016 vorgelegten Beweismittel wurden in den eingeholten Sachverständigengutachten berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind und resultiert daraus keine geänderte Beurteilung. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht erhärtet, vielmehr stehen diese nicht im Widerspruch zum eingeholten Sachverständigenbeweis. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und unbestritten. Daher konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung einerseits von Tatsachenfragen abhängt. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen sowie zu § 46 letzter Satz BBG stützen.

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II 495/2013 wird ausgeführt, dass damit präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden sollen. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt. Es war sohin keine – von der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abweichende – Neuregelung beabsichtigt.

Vielmehr wird in den Erläuterungen ausdrücklich festgehalten, dass im Hinblick auf die ab 01.01.2014 eingerichtete zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit, um Rechtssicherheit zu gewährleisten und die Einheitlichkeit der Vollziehung der im Behindertenpass möglichen Eintragungen sicherzustellen, die Voraussetzungen, die die Vornahme von Eintragungen im Behindertenpass rechtfertigen, in einer Verordnung geregelt werden sollen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W132.2130428.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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