TE Bvwg Beschluss 2018/1/18 L516 1427683-2

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Veröffentlicht am 18.01.2018
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Entscheidungsdatum

18.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs3
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L516 1427683-2/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH – ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, Zahl 587949004/1483379, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 26.04.2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz, welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 17.10.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde; des Weiteren wurde der Beschwerdeführer nach Pakistan ausgewiesen. Jene Entscheidung erwuchs in Rechtskraft mit 22.10.2012.

2. Der Beschwerdeführer stellte am 17.03.2015 den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Zu diesem wurde er am 18.03.2015 durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt sowie nach Zulassung des Verfahrens am 20.03.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), am 28.03.2017 niederschriftlich einvernommen.

3. Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 idgF hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides) und gemäß § 8 Abs 1 Z 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan (Spruchpunkt II) ab. Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG. Das BFA stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III), und sprach aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt IV). Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführern vom BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite gestellt.

4. Der Beschwerdeführer hat gegen diesen ihm am 23.11.2017 zugestellten Bescheid des BFA am 20.12.2017 Beschwerde erhoben.

5. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte der Aktenlage nach am 11.01.2018 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz vom 26.04.2012 damit begründet, dass er in Pakistan wegen seiner journalistischen Tätigkeit verfolgt worden sei. Der Asylgerichtshof erachtete mit Erkenntnis vom 17.10.2012 das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers die von ihm vorgebrachte Bedrohung als nicht glaubhaft.

1.2. Der Beschwerdeführer führte zur Begründung des verfahrensgegenständlichen zweiten Antrages auf internationalen Schutz vom 17.03.2015 aus, dass er nach Abschluss seines ersten Asylverfahrens Österreich verlassen habe und über Italien und Griechenland nach Pakistan zurückgekehrt sei, wobei er in Griechenland von der pakistanischen Botschaft ein Ausreisezertifikat erhalten habe (AS 5, 74). Bei der Erstbefragung am 18.03.2015 gab er an, er habe nach seiner Rückkehr wieder für die Zeitung "Daily Pakistan" in Islamabad als Journalist gearbeitet; er sei ungefähr vier Monate vor der Erstbefragung von Leuten der PML-N aufgesucht und – neuerlich – bedroht worden, da er im Jahr 2011 Artikel gegen einen ""MNA"=Anjam Aqil=" – so die Protokollierung – einen negativen Artikel geschrieben habe (AS 5). Bei der Einvernahme vor dem BFA am 28.03.2017 brachte er vor, dass er bereits alle Gründe im Verfahren vorgetragen habe, er 2012 zurückgekehrt sei, weil er gehofft habe, dass es nun besser sei, aber die Situation sei gleich geblieben. Er habe nach wie vor Probleme, deshalb sei er im März 2015 wieder weggegangen. Er habe auch immer noch die Rückenschmerzen von den Schlägen in 2011. Er habe Probleme mit der Opposition zu unserer Partei, der PMLN, die jetzt auch an der Regierung sei. Wenn er von diesen erwischt werde, werde er von ihnen umgebracht (AS 75).

1.3. Bei der Einvernahme am 28.03.2017 brachte der Beschwerdeführer zwei Zeitungsartikel aus der "Daily Action Karachi" und einen Artikel aus der "The Daily Pakistan Islamabad" in Vorlage, welche in Kopie im Verfahrensakt des BFA enthalten sind, wobei aus der aufgenommenen Niederschrift des BFA nicht ersichtlich ist, ob der Beschwerdeführer dem BFA die Originalartikel oder lediglich Kopien vorgelegt hat. Dazu wurde in der Niederschrift des BFA das Folgende protokolliert: "Der Dolmetsch übersetzt aus dem Inhalt. Es geht in allen 3 Vorlagen um eine Demonstration im Dezember 2014." Eine darüber hinausgehende Übersetzung der vorgelegten Artikel erfolgte im Verfahren vor dem BFA nicht. (AS 75; 79 – 83). Eine Befragung des Beschwerdeführers zu diesen Artikel sowie zum Zweck der Vorlage erfolgte nicht.

2. Beweiswürdigung

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten des gegenständlichen Verfahrensaktes (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

Behebung des bekämpften Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit gemäß § 28 Abs 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl

3.1. Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2).

3.2. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

3.3. Zu § 28 Abs 3 VwGVG hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich meritorisch zu entscheiden haben, eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen jedoch insbesondere dann in Betracht kommen wird, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

3.4. Zum gegenständlichen Verfahren

3.4.1. Der Beschwerdeführer brachte dem BFA im Zuge der Schilderung seiner Gründe für die verfahrensgegenständliche Antragstellung mehrere Zeitungsartikel in Vorlage (AS 75). Dazu wurde in der Niederschrift des BFA das Folgende protokolliert: "Der Dolmetsch übersetzt aus dem Inhalt. Es geht in allen 3 Vorlagen um eine Demonstration im Dezember 2014." Daraus lässt sich jedoch nicht erschließen, worum es in diesen Berichten geht und ob und gegebenenfalls in welchem Zusammenhang diese Berichte mit dem Beschwerdeführer stehen. Eine darüber hinausgehende Übersetzung der vorgelegten Artikel erfolgte im Verfahren vor dem BFA laut dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Akteninhalt nicht.

Das BFA hat es auch unterlassen, den Beschwerdeführer zu diesen Artikel in irgendeiner Weise zu befragen, wie es auch unterlassen wurde, den Beschwerdeführer überhaupt konkret zu den Geschehnissen bzw Problemen zu befragen, die laut seinen Angaben nach Abschluss des ersten Asylverfahrens vorgefallen bzw eingetreten sein sollen (AS 5: "Vor ca vier Monaten suchten mich die Leute von der "PML" (NOON) auf und drohten mir neuerlich mit dem Umbringen "; AS 75:

"Ich habe nach wie vor die Probleme "). Soweit das BFA dem Beschwerdeführer in der Beweiswürdigung vorgehalten hat, dass er keinen Presseausweis oder Arbeitsvertrag vorgelegt habe (AS 237), ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer dazu auch nie vom BFA aufgefordert worden ist.

3.4.2 Das BFA wird daher im fortgesetzten Verfahren zunächst jedenfalls die Übersetzung der vorgelegten Artikel zu veranlassen und sich mit der Echtheit und dem Inhalt der vorgelegten Bescheinigungsmittel auseinanderzusetzen zu haben. Es ist dabei jedenfalls nicht ausreichend, sich auf die Berichtslage in Bezug auf die Erlangbarkeit ge- bzw verfälschter Dokumente zurückzuziehen, da die Berichtslage alleine nicht zu einem Automatismus führen kann, Beweismittel aus Pakistan von vornherein als nicht beweiskräftig zu qualifizieren.

Die Authentizität von Bescheinigungsmittel kann jedenfalls auch nicht bereits deshalb in Zweifel gezogen werden, weil diese nur in Kopie in Vorlage gebracht wurde; gegebenenfalls ist bei Zweifel zur Vorlage von Originalen aufzufordern (vgl VfGH 07.03.2012, U1558/11).

3.4.3. Ebenso wird der Beschwerdeführer im fortgesetzten Verfahren vom BFA im Rahmen einer neuerlichen Einvernahme zu seinem bisherigen Vorbringen noch einmal zu befragen sein, insbesondere zum Zweck der Vorlage der Artikel und deren Inhalt sowie konkret zu den Geschehnissen bzw Problemen, die laut seinen Angaben nach Abschluss des ersten Asylverfahrens vorgefallen bzw eingetreten sein sollen (dazu soeben 3.4.1.).

3.4.4. In weiterer Folge wird das BFA das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer schlüssigen Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, welche als Basis für die rechtliche Beurteilung dienen.

3.4.5. Auch unter Effizienzgesichtspunkten verbietet sich eine Heranziehung des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG, zumal die Verwaltungsbehörde die erforderlichen Ermittlungsschritte und damit die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes im Sinne des Gesetzes zumindest mit der gleichen Raschheit und mit nicht höheren Kosten als das Verwaltungsgericht bewerkstelligen wird können. Im Gegenteil ist angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und der grundsätzlich gegebenen Verhandlungspflicht nicht anzunehmen, dass die zur Erforschung der materiellen Wahrheit ergänzenden Ermittlungen unter Wahrung des Parteiengehörs durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Wobei es bei der Beurteilung der Kostenersparnis und Raschheit darüber hinaus nicht auf die Auswirkungen auf das Gesamtverfahren, sondern nur auf die Ersparnis an Zeit und Kosten für die jeweilige konkrete Amtshandlung ankommt. Dass die Zurückverweisung den gesamten Verfahrensverlauf verlängert, ist bei der Zeit- und Kostenersparnis nicht in Rechnung zu stellen, weil ansonsten eine kassatorische Entscheidung nie in Frage käme (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 20 mwN).

3.4.6. Von diesen Überlegungen ausgehend ist daher im gegenständlichen Fall das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.5. Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Revision

3.6. Die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage ist durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt, weshalb die Revision nicht zulässig ist.

3.7. Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Bescheinigungsmittel, Beweiswürdigung, Ermittlungspflicht,
Ermittlungsverfahren, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L516.1427683.2.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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