TE Bvwg Beschluss 2018/1/19 L502 2171283-1

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Veröffentlicht am 19.01.2018
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Entscheidungsdatum

19.01.2018

Norm

AsylG 2005 §3
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

L502 2171283-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017, FZ. XXXX , beschlossen:

A) In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (BF) stellte, im Gefolge ihrer legalen Einreise in das österr. Bundesgebiet mit einem Visum D der österr. Botschaft Ankara, am 24.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 08.06.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde, gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG wurde ihr demgegenüber der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung, gültig bis 19.01.2018, erteilt. Dieser Bescheid des BFA erwuchs in der Folge in Rechtskraft.

2. Am 28.06.2017 stellte die BF beim BFA einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG und führte dazu begründend an, dass sie keinen österreichischen Fremden- oder Konventionsreisepass besitze.

Auf S. 1 des Antragsformulars unten wurde handschriftlich vermerkt:

"Abg. 28.6.17; lt. Partei irak. RP abgelaufen".

3. Mit Schreiben des BFA vom 28.06.2017 wurde der BF Parteigehör gewährt zum Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme, wonach sie beim BFA einen irakischen Reisepass, ausgestellt am 02.10.2012 und gültig bis 30.09.2020, vorgelegt habe (vgl. AS 9, 10). Sie erfülle daher nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines österreichischen Fremdenpasses und sei ihr Antrag vom 28.06.2017 auf Ausstellung eines Fremdenpasses abzuweisen. Zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme wurde ihr eine Frist von zwei Wochen eingeräumt.

4. Die Zustellung dieses Schreibens des BFA erfolgte durch Hinterlegung beim Postamt mit Wirksamkeit vom 04.07.2017. Es langte in der Folge weder eine Stellungnahme der BF beim BFA ein noch gelangte die Sendung des BFA als nicht behoben oder unzustellbar zur Behörde zurück.

5. Der Antrag der BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses wurde in der Folge mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 22.08.2017 gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen.

Begründend verwies die Behörde im Wesentlichen darauf, dass die – subsidiär schutzberechtigte - BF im Lichte des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens über einen gültigen irakischen Reisepass verfüge, den sie in ihrem Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz vor dem BFA vorgelegt habe. Ein österr. Fremdenpass sei nur dann auszustellen, wenn der/die Betroffene nicht in der Lage ist sich ein gültiges Reisedokument seines/ihres Heimatstaates zu beschaffen, was auf die BF nicht zutreffe.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 22.08.2017 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Gegen den der BF durch Hinterlegung beim Postamt mit Wirksamkeit vom 28.08.2017 zugestellten Bescheid des BFA wurde mit 19.09.2017 innerhalb offener Frist durch die zugleich zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberater der BF Beschwerde erhoben. Deren Vollmachtsurkunde wurde am 21.09.2017 nachgereicht.

Die Beschwerde wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die BF "u.a. ihren irakischen Reisepass am 19.09.2017 verloren und (bei der zuständigen Fundservicestelle der Stadt Wien) eine Verlustmeldung erstattet" habe. In der Folge habe sie bei der irakischen Botschaft in Wien die Ausstellung eines neuen Reisepasses beantragt, diese habe jedoch den Antrag mit dem Hinweis abgelehnt, dass "es der Botschaft nicht mehr gestattet sei Reisedokumente auszustellen".

Als Beweismittel vorgelegt wurden – jeweils in Kopie - ein Schreiben der Konsularabteilung der Botschaft der Republik Irak in Wien vom 13.09.2017, weitere Schriftstücke in arabischer Sprache mit unbekanntem Inhalt, wovon eines wiederum dem Briefkopf zufolge der irakischen Botschaft in Wien zuzuordnen war, und eine Verlustmeldung vom 22.08.2017 der Fundservicestelle der Stadt Wien.

8. Mit 21.09.2017 richtete die BF eine eigenhändige Beschwerde an das BFA, in der dargelegt wurde, dass der Ehegatte der BF "am 22.08.2017 ihren irakischen Reisepass verloren" habe, dieser trotz Nachfragen nicht aufgefunden worden sei, die BF daraufhin bei der irakischen Botschaft die Ausstellung eines neuen Reisepasses beantragt, die Botschaft aber mitgeteilt habe, dass sie derzeit keine Reisepässe ausstelle, weshalb die BF iSd § 88 Abs. 2a FPG auch nicht in der Lage sei sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen.

Beigelegt wurden diesem Schriftsatz neuerlich – in Kopie - das Schreiben der irakischen Botschaft vom 13.09.2017 und die Verlustmeldung vom 22.08.2017.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 27.09.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.

Die BF ist irakische Staatsangehörige, der im Gefolge ihrer legalen Einreise in das österr. Bundesgebiet mit einem Visum D der österr. Botschaft Ankara ihrem Antrag auf internationalen Schutz vom 24.04.2017 folgend mit Bescheid des BFA vom 08.06.2017 gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung, gültig bis 19.01.2018, erteilt wurde.

Der BF wurde am 02.10.2012 ein irakischer Reisepass, gültig bis 30.09.2020, ausgestellt, den sie anläßlich der Einbringung ihres Antrags auf internationalen Schutz am 24.04.2017 dem BFA vorlegte. Der aktuelle Verbleib dieses Reisepasses war nicht feststellbar.

Nicht feststellbar war für das BVwG auch, ob es der BF aktuell möglich wäre, bei Bedarf bei der irakischen Botschaft in Wien einen neuen Reisepass zu erlangen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde durch die Einsichtnahme in den vorliegenden Akteninhalt, im Lichte dessen sich der Verfahrensgang sowie die Tatsache der früheren Vorlage des genannten nationalen Reisedokuments durch die BF vor dem BFA im Zuge des Verfahrens über ihren Antrag auf internationalen Schutz als unstrittig darstellten.

2.2. Zum Beweisthema des aktuellen Verbleibs dieses Reisepasses fanden sich im vorliegenden Verfahrensakt verschiedene sich widersprechende Angaben bzw. Informationen.

So hatte die BF im Zuge der Beantragung eines österr. Fremdenpasses am 28.06.2017 bei der belangten Behörde, der Eintragung auf S.1 des Antragsformulars folgend, offenbar selbst angegeben, dass ihr – dem sonstigen Akteninhalt folgend mit einer Gültigkeit bis 30.09.2020 versehener - irakischer Reisepass "abgelaufen" sei. Diese Aussage der BF sollte aus Sicht des BVwG der Behörde gegenüber wohl die nunmehrige Antragstellung erklären, zumal die Grundvoraussetzung für die Erlangung eines österr. Fremdenpasses ja die Nichtverfügbarkeit eines nationalen Reisedokuments darstellt.

Nachdem der BF im Rahmen des Parteigehörs vom 28.06.2017 durch das BFA vorgehalten wurde, dass sie dem Akteninhalt nach im Besitz eines gültigen irakischen Reisepasses sei, gab die BF dazu keine Stellungnahme ab, wiewohl davon auszugehen ist, dass sie das am 04.07.2017 am Postamt hinterlegte Schreiben des BFA offenkundig binnen der dafür vorgesehenen Hinterlegungsfrist abgeholt hat, zumal eine Rückübermittlung an das BFA mangels Zustellbarkeit an die BF nicht aktenkundig wurde und auch die BF selbst im weiteren Verfahrensverlauf nicht nachvollziehbar darlegte, dass ihr das Parteigehör nicht zugekommen sei. Nicht zuletzt war dem Akteninhalt auch zu entnehmen, dass die BF erst mit 07.08.2017 einen Wohnsitzwechsel bei der Meldebehörde anzeigte.

Im Lichte dessen drängte sich dem BVwG nicht nur der Eindruck auf, dass die BF anläßlich der Antragstellung unrichtige Angaben zur Gültigkeit ihres Reisepasses machte, sondern auch jener, dass sie der Annahme des BFA entsprechend und im offenkundigen Gegensatz zu ihrem Begehren im gg. Antrag auf Ausstellung eines österr. Fremdenpasses weiterhin im Besitz ihres Reisepasses war.

In ihrer Beschwerde vom 19.09.2017 trug die BF sodann vor, dass sie ihren irakischen Pass am "19.09.2017" verloren habe. Nachdem sie als Beweis dafür eine Verlustmeldung datiert mit 22.08.2017 vorlegte, der wiederum zu entnehmen war, dass der Reisepass am "19.08.2017" in Verlust geraten sei, war davon auszugehen, dass in der Beschwerde irrtümlich der "19.09.2017" anstatt des "19.08.2017" genannt wurde. Im Widerspruch dazu behauptete die BF im Beschwerdeschriftsatz vom 20.09. bzw. 21.09.2017 aber, dass ihr Ehegatte ihren Reisepass am "22.08.2017" verloren habe.

Dieses divergierende Beschwerdevorbringen erweckte weitere Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen der BF im gg. Verfahren, insbesondere was den tatsächlichen Verbleib ihres irakischen Reisepasses angeht.

Im Übrigen führte sie im genannten Schriftsatz auch aus, dass ihr der Bescheid des BFA vom 22.08.2017 aus dort näher dargestellten Gründen (erst) am 05.09.2017 zugestellt worden sei, was im Gegensatz zum Inhalt der Beschwerde vom 19.09.2017 stand, wo von einer Zustellung am 25.08.2017, dem Datum des ersten Zustellversuchs bzw. der Hinterlegungsanzeige, die Rede war.

In Anbetracht dieser Erwägungen gelangte das BVwG zur negativen Feststellung oben den tatsächlichen Verbleib des Reisepasses der BF betreffend.

2.3. Soweit die BF im Beschwerdeverfahren durch die Vorlage eines Schreibens der irakischen Botschaft vom 13.09.2017 belegen wollte, dass es ihr – für den hier angenommenen Fall der Nichtverfügbarkeit eines irakischen Reisepasses – nicht möglich sei dort einen neuen Reisepass zu erlangen, stellte dieses Vorbringen im Lichte des auf diesem Schreiben befindlichen Erstellungsdatums zwar eine zulässige Neuerung dar.

Nachdem die Frage, ob es in Österreich aufhältigen irakischen Staatsangehörigen auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt (noch) verwehrt bzw. tatsächlich nicht möglich ist an der irakischen Botschaft ein neues Reisedokument zu erlangen, für das gg. Verfahren von maßgeblicher Relevanz, jedoch nicht auf zeitlich aktuelle Informationen gestützt zu beantworten war, konnte das Gericht auch diesbezüglich keine Feststellungen oben unter Punkt 1. treffen.

2.4. Welchen Inhalt die drei weiteren, in arabischer Sprache verfassten und zugleich mit der Beschwerde vorgelegten Beweismittel, die mutmaßlich der irakischen Botschaft zuzuschreiben sind, aufweisen, war der Beschwerde selbst nicht zu entnehmen und konnte daher ebenfalls nicht der gg. Entscheidung des BVwG zu Grunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 hat, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg. cit nicht vorliegen, das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgeht.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF BGBl. I Nr. 84/2017, obliegt dem BFA die Ausstellung von österr. Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zu A)

1.1. Die Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die belangte Behörde gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG folgt konzeptionell dem § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Insoweit erscheinen auch die von der höchstgerichtlichen Judikatur – soweit sie nicht die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung betrifft - anwendbar, weshalb unter Bedachtnahme auf die genannten Einschränkungen die im Erkenntnis des VwGH vom 16.12.2009, Zl. 2007/20/0482 dargelegten Grundsätze gelten, wonach die Behörde an die Beurteilung im Behebungsbescheid gebunden ist. Mängel abseits jener der Sachverhaltsfeststellung legitimieren das Gericht nicht zur Behebung aufgrund § 28 Abs. 3, 2. Satz (Erk. d. VwGH vom 19.11.2009, 2008/07/0167; vgl. auch Fischer/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013), Anm. 11 zu § 28 VwGVG).

Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, (ebenso VwGH, 27.01.2015, Ro 2014/22/0087) mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es liegen die Voraussetzungen von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zusammengefasst dann vor, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht feststeht, insbesondere weil

1. die Behörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat,

2. die Behörde zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat

3. konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde Ermittlungen unterließ, damit diese im Sinn einer "Delegierung" dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden oder

4. ähnlich schwerwiegende Ermittlungsmängel zu erkennen sind und

die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht - hier: das Bundesverwaltungsgericht - selbst nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Ist die Voraussetzung des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG erfüllt, hat das Verwaltungsgericht (sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist) "in der Sache selbst" zu entscheiden. Dies bedeutet, dass das Verwaltungsgericht über den Inhalt der vor der Verwaltungsbehörde behandelten Rechtsache abspricht, wobei sie entweder die Beschwerde gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid abweist oder dieser durch seine Entscheidung Rechnung trägt, fallbezogen also etwa das verhängte Waffenverbot bestätigt. Das Verwaltungsgericht hat somit nicht nur die gegen den verwaltungsbehördlichen Bescheid eingebrachte Beschwerde, sondern auch die Angelegenheit zu erledigen, die von der Verwaltungsbehörde zu entscheiden war.

Geht das Verwaltungsgericht - in Verkennung der Rechtslage - aber von einer Ergänzungsbedürftigkeit des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes aus, die bei einer zutreffenden Beurteilung der Rechtslage nicht gegeben ist, und hebt dieses Gericht daher den Bescheid der Verwaltungsbehörde gemäß § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG infolge Verkennung der Rechtslage auf, verstößt das Verwaltungsgericht gegen seine in § 28 Abs 2 VwGVG normierte Pflicht, "in der Sache selbst" zu entscheiden.

Eine solche den Vorgaben des § 28 Abs 2 VwGVG nicht entsprechende Entscheidung erweist sich als mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Schon nach dem Wortlaut des § 28 Abs 3 erster Halbsatz VwGVG tritt die Anwendbarkeit des § 28 Abs 3 leg cit erst dann in den Blick, wenn die Voraussetzungen des Abs 2 der genannten Bestimmung nicht vorliegen, weiters ist die Zurückweisungsbestimmung systematisch erst nach dem § 28 Abs 2 in den zweiten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG eingeordnet, weshalb sich ihre Anwendung auf § 28 Abs 3 VwGVG beschränkt und nicht auf die von § 28 Abs 2 VwGVG erfassten Fälle erstreckt.

Auch eine an der verfassungsrechtlichen Vorgabe des Art 130 Abs 4 B-VG orientierte Auslegung ergibt, dass eine Aufhebung des Bescheides der Verwaltungsbehörde jedenfalls erst dann in Betracht kommt, wenn die in § 28 Abs 2 VwGVG normierten Voraussetzungen, die eine Pflicht des Verwaltungsgerichtes zur "Entscheidung in der Sache selbst" nach sich ziehen, nicht vorliegen. Aus den oben wiedergegeben Gesetzesmaterialien zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ist ersichtlich, dass dem Verwaltungsgericht in den in Art 130 Abs 4 B-VG vorgesehenen und in § 28 Abs 2 VwGVG angeordneten Fällen eine kassatorische Entscheidung nicht offensteht.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

Das Vorgesagte ist auch für die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen maßgeblich. Der Rechtsanspruch eines von einer Entscheidung Betroffenen auf die Beachtung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit erfasst angesichts des in § 28 VwGVG verankerten Systems auch die Frage, ob das Verwaltungsgericht seine Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache selbst dem § 28 VwGVG konform wahrnimmt. Das Verwaltungsgericht hat daher insbesondere nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs 2 VwGVG verneint bzw wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht."

1.2. Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, kamen im Zuge des erstinstanzlichen Verfahrens maßgebliche Hinweise darauf hervor, dass die BF im Widerspruch zur Grundvoraussetzung für die Erlangung eines österr. Fremdenpasses, nämlich der Nichtverfügbarkeit bzw. Unmöglichkeit der Erlangung eines nationalen Reisedokuments, zum Zeitpunkt der Antragstellung im Besitz ihres irakischen Reisepasses war. Dieses Hindernis versuchte sie vorerst zum Zeitpunkt der Antragstellung mit der offenkundig unrichtigen Behauptung, dass dessen Gültigkeit abgelaufen sei, zu umgehen.

In ihrer Beschwerde legte die BF sodann dar, dass sie zwar im Besitz ihres irakischen Reisepasses gewesen sei, diesen aber zwischenzeitig, und zwar nach dem behördlichen Vorhalt, dass sie ja über einen Reisepass verfüge, verloren habe, weshalb sie, wenn auch vergeblich, versucht habe bei der irakischen Botschaft ein neues nationales Reisedokument zu beantragen.

Wie ebenfalls oben dargelegt wurde, beinhaltete das Beschwerdevorbringen – über das implizite Eingeständnis der BF, dass sie zuvor in Besitz ihres Reisepasses gewesen sei, hinausgehend - jedoch verschiedene Widersprüche den behaupteten Sachverhalt des zwischenzeitigen Verlustes des Reisepasses betreffend, was Zweifel an der Richtigkeit dieses Sachverhalts erweckte. Dieser Sachverhalt wäre daher im Rahmen einer persönlichen Einvernahme der BF sowie allenfalls ihres Ehegatten als Zeugen zu überprüfen.

Darüber hinaus stützte die BF ihre Beschwerde vor allem auf das Vorbringen, dass die irakische Botschaft mitgeteilt habe, sie sei (derzeit) nicht in der Lage neue Reisepässe auszustellen, wobei aus dem dazu vorgelegten Schreiben aber nicht hervorging, welche Gründe dafür gegeben waren, und auch nicht erkennbar wurde, ob es sich dabei um ein nur vorübergehendes Phänomen handelte.

Sofern man also zur Feststellung gelangen würde, dass die BF nicht mehr im Besitz ihres – vormals in ihrem Besitz befindlichen – irakischen Passes ist, wäre eine nachvollziehbare Klärung der aktuellen Situation an der irakischen Botschaft in Wien, was die Ausstellung neuer Reisepässe angeht, notwendig, zumal dies nicht nur für den gg. Fall, sondern darüber hinaus auch für alle weiteren gleich gelagerten Fälle von essentieller Bedeutung wäre.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Botschaft im von der BF vorgelegten Schreiben vorerst ausführte, welche Identitätsdokumente im Original von Antragstellern vorzulegen wären, was per se darauf hindeutete, dass die Botschaft offenbar früher sehr wohl neue Reisepässe ausgestellt habe, andernfalls diesen Hinweisen jeder Sinn fehlen würde.

Zuletzt wäre noch eine Klärung des Inhalts der weiteren von der BF mit ihrer Beschwerde vorgelegten Beweismittel in arabischer Sprache durch deren Übersetzung in die deutsche Sprache und allfälligen Erörterung ihres Inhalts mit der BF erforderlich.

1.3. Eine solche Nachholung durch bzw. Verlagerung quasi des gesamten Ermittlungsverfahrens vor das Bundesverwaltungsgericht ist nicht als im Sinne des Gesetzgebers gelegen zu erachten, führt man sich insbesondere vor Augen, dass eine erstmalige Feststellung des maßgeblichen neu hervorgekommenen Sachverhaltes und Beurteilung der Rechtsfrage durch das Bundesverwaltungsgericht eine (bewusste) Verkürzung des Instanzenzuges bedeuten würde (vgl. dazu VwGH v. 18.12.2014, Ra 2014/07/0002; VwGH v. 10.10.2012, Zl. 2012/18/0104). Auch der Verfassungsgerichtshof sieht im Recht auf den gesetzlichen Richter heute - abweichend vom historischen Sinn - ein "auf den Schutz und die Wahrung gesetzlich begründeter Behördenzuständigkeiten gerichtetes Recht (Vfslg. 2536). Dieses Recht wird auch dann verletzt, wenn die Berufungsbehörde einen anderen Sachverhalt zum Gegenstand ihrer Entscheidung macht, als die Behörde erster Instanz (Vfslg. 2869, 6416, 8886).

Dass eine unmittelbare Durchführung des gesamten Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, war ebenfalls nicht ersichtlich.

Zuletzt ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die Klärung der aktuellen Situation an der irakischen Botschaft, was die Möglichkeit der Erlangung nationaler Reisedokumente als solche ebendort angeht, für das BFA auch für alle weiteren gleichgelagerten Verfahren von essentieller Bedeutung sein sollte.

In Anbetracht dieser Erwägungen sah sich das BVwG veranlasst, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG die Angelegenheit zur Durchführung des Ermittlungsverfahrens und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

1.4. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

2. Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der Beschwerde stattzugeben bzw. der Bescheid im angefochtenen Umfang aufzuheben waren.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behördenpraxis, Bescheinigungsmittel, Ermittlungspflicht, Kassation,
mangelnde Sachverhaltsfeststellung, Reisedokument

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2171283.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.02.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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