Entscheidungsdatum
19.01.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
L502 2131258-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2017, FZ. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 11.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.06.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen wurde, gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG wurde ihm jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. Die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erwuchs in der Folge in Rechtskraft. Gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhob der BF fristgerecht Beschwerde und ist dieses Verfahren aktuell beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anhängig. Mit Bescheid des BFA vom 06.06.2017 wurde die Gültigkeit der befristeten Aufenthaltsberechtigung des BF bis 29.06.2019 verlängert.
2. Am 23.08.2017 brachte der BF beim BFA einen Antrag auf Ausstellung eines österr. Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 88 Abs. 2a FPG ein und verwies dabei lediglich darauf, dass er keinen österreichischen Fremden- oder Konventionsreisepass besitze.
3. Mit Schreiben des BFA vom 23.08.2017, zugestellt durch Hinterlegung beim Postamt mit Wirksamkeit vom 29.08.2017, wurde dem BF Parteigehör zum Ergebnis der behördlichen Beweisaufnahme gewährt, wonach er im Besitz eines irakischen Reisepasses, ausgestellt am 26.04.2011 und gültig bis 25.04.2019, sei, den er beim BFA vorgelegt habe (vgl. AS 12, 13), er demnach nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines österreichischen Fremdenpasses erfülle und der Antrag vom 23.08.2017 auf Ausstellung eines Fremdenpasses abzuweisen sei. Zur Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme wurde ihm eine Frist von 2 Wochen eingeräumt.
4. Am 11.09.2017 langte beim BFA eine - von einem Rechtsberater des Vereins DIAKONIE Flüchtlingsdienst verfasste - Stellungnahme des BF vom 07.09.2017 ein, in der er darlegte, dass sein irakischer Reisepass am 11.09.2015 im Sinne des § 39 Abs. 3 BFA-VG sichergestellt worden sei und sich seitdem im Gewahrsam der österreichischen Behörden befinde, weshalb es ihm nicht möglich sei innerhalb des Gebiets der EU aufhältige Familienangehörige zu besuchen. Im Übrigen befinde er sich im laufenden Asylverfahren und wolle er aus diesem Grund nicht mit einem irakischen Dokument reisen, zumal ihm im Irak Verfolgung drohe.
5. Der Antrag des BF auf Ausstellung eines Fremdenpasses wurde in der Folge mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 13.09.2017 gemäß § 88 Abs. 2a FPG abgewiesen.
Begründend verwies die Behörde im Wesentlichen darauf, dass der – subsidiär schutzberechtigte - BF im Lichte des Ergebnisses des durchgeführten Beweisverfahrens über einen gültigen irakischen Reisepass verfüge, der lediglich zur Überprüfung sichergestellt worden sei und sich im Gewahrsam der Behörde befinde und dessen Ausfolgung der BF dort begehren könne. Ein österr. Fremdenpass sei nur dann auszustellen, wenn der Betroffene vor allem nicht in der Lage ist sich ein gültiges Reisedokument seines Heimatstaates zu beschaffen, was auf den BF nicht zutreffe.
6. Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 13.09.2017 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG von Amts wegen ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.
7. Gegen den Bescheid des BFA wurde von der zugleich bevollmächtigten Vertretung des BF mit Schriftsatz vom 12.10.2017 innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Diese wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF zum einen seinen irakischen Reisepass nicht benützen könne, weil er von der belangten Behörde sichergestellt wurde, und zum anderen den Reisepass auch nicht benützen wolle, weil er dadurch die Aufmerksamkeit der irakischen Behörden auf sich lenken und sich damit in Gefahr bringen könnte.
8. Die Beschwerdevorlage langte am 07.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das gg. Beschwerdeverfahren in der Folge der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugewiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, dem im Gefolge seines Antrags auf internationalen Schutz vom 11.09.2015 mit Bescheid des BFA vom 29.06.2016 gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung, zuletzt gültig bis 29.06.2019, erteilt wurde.
Er ist Inhaber eines irakischen Reisepasses, ausgestellt am 26.04.2011 und gültig bis 25.04.2019, der anläßlich seiner Antragstellung vom 11.09.2015 sichergestellt wurde und sich seither im Gewahrsam des BFA befindet, wo er dessen Ausfolgung beantragen kann.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang sowie der oben festgestellte Sachverhalt stehen im Lichte des insoweit unstrittigen Akteninhalts fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.
Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.
Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet. Gemäß § 3 Abs. 2 Z. 5 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF BGBl. I Nr. 84/2017, obliegt dem BFA die Ausstellung von österr. Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 2013/33 i. d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1
B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
1. § 88 FPG lautet:
(1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für
1. Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;
2. ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;
3. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" (§ 45 NAG) gegeben sind;
4. ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder
5. ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.
(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.
(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Passgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.
(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Passgesetzes entsprechend.
2.1. Der BF begehrte die Ausstellung eines österreichischen Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte mit der Begründung, dass er kein Reisedokument seines Heimatstaates besitze, zumal sich sein nationales Reisedokument bei der belangten Behörde befinde und er sohin nicht darüber verfüge. Darüber hinaus wolle auch nicht damit reisen, zumal ihm im Irak Verfolgung drohe und er durch die Benützung seines Reisepasses die Aufmerksamkeit der irakischen Behörden auf sich ziehen könnte.
2.2. Der Verwaltungsgerichthof hat in seinem Erkenntnis vom 16.12.2015, 2015/21/0214, ausgeführt, dass es sich bei der Formulierung in § 88 Abs. 2a FPG, wenn Fremde "nicht in der Lage sind sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen", um ein zwingendes Tatbestandsmerkmal und somit um eine Erfolgsvoraussetzung für die Ausstellung von Fremdenpässen an subsidiär Schutzberechtigte handelt.
Den gg. Feststellungen folgend befindet sich das nationale, nach wie vor gültige Reisedokument des BF im Gewahrsam des BFA, wo er dessen Ausfolgung beantragen kann, wie ihm dies auch im bekämpften Bescheid der Behörde angeboten wurde. Dass er bisher die Ausfolgung nicht beantragt hat, lag in seinem eigenen Ermessen. Die Behauptung des BF, die Benützung seines Reisepass sei ihm nicht möglich, da er sich im Gewahrsam der Behörde befindet, ging daher ins Leere.
Da der BF im Lichte dessen in der Lage ist, sich sein irakisches Reisedokument im Wege der belangten Behörde zu beschaffen, war die Grundvoraussetzung für die Ausstellung eines österreichischen Fremdenpasses für subsidiär Schutzberechtigte iSd § 88 Abs. 2a FPG nicht erfüllt.
Die belangte Behörde hat den Antrag des BF auf Ausstellung eines österr. Fremdenpasses zu Recht abgewiesen.
2.3. Die Beschwerde des BF gegen den gg. Bescheid der belangten Behörde war sohin als unbegründet abzuweisen.
3. Zum Argument des BF, dass er seinen irakischen Reisepass nicht benutzen wolle, da er durch dessen Verwendung (ergänze: bei Reisen zu innerhalb des Gebietes der EU, der Beschwerde zufolge in Schweden, aufhältigen Angehörigen) die Aufmerksamkeit der irakischen Behörden auf sich lenken würde, ist der Vollständigkeit halber anzumerken:
Zur – wohl hier implizit angesprochenen - Frage einer Unterschutzstellung unter bzw. den Folgen einer Reisepassbeantragung beim Herkunftsstaat bei Vorliegen einer Schutzgewährung durch den Aufenthaltsstaat hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 28.01.1998, Zl. 97/01/0302 ausgeführt, dass grundsätzlich durch die Beantragung und Ausstellung eines Reisepasses des Heimatlandes, um Rechtsvorteile des schutzgewährenden Staates zu erlangen (hier: arbeitsmarktrechtliche Bewilligungen), sich der Asylwerber iSd Art 1 Abschn C Z 1 FlKonv freiwillig wieder unter den Schutz des Heimatlandes stellt (VwGH vom 18.12.1996, 95/20/0628). Die Freiwilligkeit der Unterschutzstellung ist jedoch dort zu verneinen, wo die Behörden des Schutzstaates von sich aus die Vorlage von Identitätspapieren verlangen (VwGH vom 24.10.1996, 96/20/0587 ua). Auch in der Entscheidung vom 29.10.1998, Zl. 96/20/0820 hält der VwGH fest, dass die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses den Tatbestand des Art. 1 Abschnitt C Z 1 FlKonv erfüllt, wenn nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegenstehender Sachverhalt aufgezeigt wird. Was zu einem anderen Ergebnis führen kann, sind demnach vor allem Umstände, die die Freiwilligkeit des zu beurteilenden Verhaltens in Frage stellen. Dort nämlich, wo die Behörden des Schutzstaates selbst die Vorlage von Identitätspapieren für nötig erachten, ist die "Freiwilligkeit" der Unterschutzstellung zu verneinen (vgl auch VwGH 18. 12. 1996, 95/20/062).
Im Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2001/01/0499 hat der VwGH sich - teilweise abweichend von seiner Judikatur zu früheren Asylgesetzen – zur angeschnittenen Thematik wie folgt geäußert:
"Der Verwaltungsgerichtshof vertritt unter Bedachtnahme auf den im vorliegenden E wiedergegebenen Diskussionsstand - insoweit in Beibehaltung der bisherigen Judikatur - die Ansicht, dass die erfolgreiche Beantragung der Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses des Heimatstaates auch dann zur Beendigung der Flüchtlingseigenschaft führen kann, wenn im Heimatstaat selbst weiterhin die Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung besteht und eine Rückkehr dorthin nicht beabsichtigt ist. Ein solcher Fall wird etwa vorliegen, wenn der bereits anerkannte Flüchtling darauf besteht, sich für Zwecke, für die das Konventionsdokument (vgl. § 83 FrG 1997) ausreichen würde, eines Passes seines Heimatstaates zu bedienen oder durch die Beantragung eines solchen Passes Vorteile, die an die Staatsangehörigkeit gebunden sind, zu erlangen. Davon abgesehen ist aber im Sinne des von Grahl-Madsen (The Status of Refugees in International Law I (1966)) erwähnten Gesichtspunktes des Wunsches einer Normalisierung der Beziehungen zum Herkunftsstaat und im Sinne der Ausführungen Grahl-Madsens in seiner späteren Abhandlung (The Yale Journal of International Law, Vol. 11 Nr. 2 (1986)) - entgegen der hg. Judikatur zu den früheren Asylgesetzen - neben den Voraussetzungen des tatsächlichen Erhaltes des Schutzes und der Freiwilligkeit auch das im Schrifttum einhellig vertretene Erfordernis eines auf die Unterschutzstellung als solche abzielenden Willens maßgeblich. Ein Wille zur Normalisierung der Beziehungen zum Herkunftsstaat und der Wunsch des bisherigen Flüchtlings, die Vertretung seiner Interessen - insbesondere gegenüber dem Aufenthaltsstaat - wieder in die Hände des Heimatstaates zu legen, werden in der Regel fehlen, solange im Heimatstaat selbst (insbesondere: staatliche) Verfolgung droht."
Eine wesentliche Voraussetzung für die Annahme einer "Unterschutzstellung" ist sohin das Erfordernis des Willens, die Beziehungen zum Herkunftsstaat zu normalisieren und sich wieder unter dessen Schutz zu stellen, woraus sich die Notwendigkeit einer gewissen Nachhaltigkeit der Zuwendung zum Heimatstaat ergibt (VwGH vom 28.01.2005, Zl. 2002/01/0354). Auch wenn es auf die Frage, ob sich der BF – durch die Verwendung seines nationalen Reisedokuments – allenfalls freiwillig wieder unter den Schutz seines Herkunftsstaates stellen würde, im gegenständlichen Verfahren nicht mehr ankommt, so wäre dies im Lichte der genannten Judikatur im Rahmen einer einzelfallbezogenen Beurteilung zu verneinen, da der BF mit seinem Vorbringen offenkundig seinen gegenteiligen Willen zum Ausdruck gebracht hat.
In welcher Weise etwaige Reisebewegungen des BF innerhalb des Gebiets der EU im Übrigen die Aufmerksamkeit der irakischen Behörden auf ihn lenken sollten bzw. Relevanz für sein noch offenes Beschwerdeverfahren im Hinblick auf eine allfällige Zuerkennung des Status des Asylberechtigten entfalten könnten, wurde weder vom BF nachvollziehbar dargelegt noch erhellte dies für das BVwG auf sonstige Weise.
4. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG, BGBl I Nr. 68/2013 idgF, kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gg. Fall gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage geklärt war.
5. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Weder in der gegenständlichen Beschwerde noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung hervorgekommen.
Schlagworte
Antragsbegehren, Fremdenpass, mangelnder Anknüpfungspunkt, privateEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L502.2131258.2.00Zuletzt aktualisiert am
01.02.2018