Index
E3L E15101000;Norm
32011L0092 UVP-RL Art11;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler und die Hofrätinnen Dr. Bayjones, Mag.a Merl und Mag. Rehak sowie Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, über die Revision des Naturschutzbundes Salzburg in Salzburg, vertreten durch die List Rechtsanwalts GmbH in 1180 Wien, Weimarer Straße 55/1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 3. September 2015, W113 2011751- 1/64E, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Parteien: 1. S GmbH und
2. Stadtgemeinde Salzburg, beide vertreten durch die Haslinger/Nagele & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die Revisionsbeantwortung des Landesumweltanwaltes Salzburg wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 beantragte die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Projektwerberin) bei der Salzburger Landesregierung (im Folgenden: belangte Behörde) die Feststellung gemäß § 3 Abs. 7
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 (UVP-G 2000), dass für das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben "Erweiterung Altstadtgarage B" keine Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden: UVP) durchzuführen sei. Dazu führte die Projektwerberin, ergänzt mit Schreiben vom 7. Mai 2013, aus, dass die Altstadtgarage M aus den Parkgaragen A und B bestehe, welche derzeit insgesamt über 1.296 Stellplätze verfügten. Davon entfielen 618 Stellplätze auf die Parkgarage A und 678 Stellplätze auf die Parkgarage B, die nun um 656 Stellplätze erweitert werden solle, wodurch insgesamt 1.952 Stellplätze vorlägen.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. August 2014 wurde gemäß §§ 39 Abs. 1, 3 Abs. 7, 3a Abs. 3 UVP-G 2000 festgestellt, dass für das Vorhaben der Projektwerberin einer Erweiterung der Altstadtgarage B im Ausmaß von 656 Stellplätzen auf insgesamt
1.952 Stellplätze in der Altstadtgarage keine UVP nach dem UVP-G 2000 durchzuführen sei. Die Tatbestände der Ziffern 21a und 21b des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 seien durch dieses Projekt nicht verwirklicht.
3 Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Vorhaben befinde sich physisch in den Schutzgebieten der Kategorien A und D des Anhanges 2 zum UVP-G 2000. Der Schwellenwert der Spalte 3 (750 Stellplätze) der Z 21 lit. b des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 werde bereits durch die bestehende Anlage überschritten und es erfolge eine Ausweitung um mehr als 50% dieses Schwellenwertes, weshalb gemäß § 3a Abs. 3 Z 1 UVP-G 2000 eine Einzelfallprüfung durchzuführen sei. Gemäß § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 sei zu prüfen, ob durch das gegenständliche Vorhaben die Schutzzwecke der betroffenen Schutzgebiete wesentlich beeinträchtigt seien. Unter Hinweis auf die im Verfahren erstatteten Gutachten und Stellungnahmen gelangte die belangte Behörde zu dem Schluss, dass es zu keiner wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes "belastetes Gebiet Luft" komme, keine wesentliche Beeinträchtigung des Schutzzweckes der UNESCO-Welterbestätte bestehe und eine wesentliche und nachhaltige Beeinträchtigung der Schutzzwecke der betroffenen Landschaftsschutzgebiete verneint werden könne. Kumulationseffekte (§ 3a Abs. 6 UVP-G 2000) mit anderen Garagen bzw. Parkplätzen seien nicht erkennbar.
4 Gegen diesen Bescheid erhob unter anderem die revisionswerbende Partei Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5 Mit Schreiben vom 30. Juni 2014 brachte die Projektwerberin vor, dass seit dem Jahr 2003 die Stellplätze in der verfahrensgegenständlichen Garage breiter markiert seien und daher von den konsentierten "1.500 Stellplätzen nur 1.303" zur Verfügung stünden.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht unter anderem die Beschwerde der revisionswerbenden Partei ab und sprach aus, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
7 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens und von Rechtsvorschriften im Wesentlichen aus, auf Grund des Vorliegens schutzwürdiger Gebiete der Kategorien A und D sowie der Erreichung des Schwellenwertes nach § 3a Abs. 3 in Verbindung mit Anhang 1 Z 21 lit. b Spalte 3 UVP-G 2000 sei eine Einzelfallprüfung nach § 3 Abs. 4 UVP-G 2000 durchzuführen gewesen. Kapazitätserweiternde Änderungen seien nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut nur solche Änderungen, durch die es zu einer Änderung der Kapazität im Sinn der genehmigten oder beantragten Größe eines Vorhabens, gemessen in der im Anhang 1 UVP-G 2000 im jeweiligen Schwellenwert angegebenen Einheit, komme. Betreffe die Änderung nur einen noch nicht ausgeschöpften Konsens, so sei die Änderung bis zur bewilligten Kapazität nicht zu berücksichtigen. Projektänderungen, die zu keiner Kapazitätsausweitung führten, seien nicht UVPpflichtig. Gegenständlich stelle sich die Frage der Zulässigkeit der Verschiebung von Kapazitäten, da bisher ungenutzte Kapazitäten (ca. 200 Stellplätze) im erweiterten Bereich der Garage Platz finden sollen. Es erscheine sachgerecht, eine Gegenrechnung der Kapazitäten zuzulassen, weil sich - bei Annahme der gleichen Stellplatzzahl - an den vorhabensbedingten Umweltauswirkungen nichts Relevantes ändere. Befinde sich das neue Parkhaus, welches das alte ersetze, nicht an gleicher Stelle, solle im Einzelfall zu beurteilen sein, ob wegen der Ortsveränderung mit relevanten anderen oder erhöhten Umweltauswirkungen zu rechnen sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei es aber nicht zulässig, Kapazitäten von einer alten Anlage auf eine neue zu verschieben (Hinweis auf VwGH 19.7.2007, 2006/07/0054). Diese Judikatur beziehe sich allerdings nur auf den Fall der Neuerrichtung einer Anlage, die getrennt von der bisherigen errichtet werde. Gegenständlich handle es sich um ein Änderungsvorhaben und es bestehe sowohl ein räumlicher als auch funktioneller Zusammenhang mit dem Bestand. Da das Erweiterungsvorhaben damit auch rechtlich eine Einheit mit dem bestehenden Vorhaben bilden werde, sei für die Beurteilung der Kapazitätserweiterung der bisher genehmigte, aber nicht ausgeschöpfte Konsens bei der Kapazitätserweiterung unberücksichtigt zu lassen - gegenständlich somit 200 Stellplätze.
8 Die vorgebrachten Bedenken der revisionswerbenden Partei, insbesondere hinsichtlich der dauerhaften Notzufahrt, der alternativen Baustollenführung und der Beeinträchtigung der beiden Landschaftsschutzgebiete teilte das Bundesverwaltungsgericht unter Zugrundelegung der Ausführungen in den jeweils eingeholten Sachverständigengutachten nicht. Eine Beeinträchtigung des Naturdenkmales E. sei im gegenständlichen Feststellungsverfahren nicht zu prüfen, weil es nicht innerhalb eines Schutzgebietes zu liegen komme. Im Übrigen sei das Naturdenkmal im Gutachten des naturschutzfachlichen Amtssachverständigen berücksichtigt worden und hätten keine nachhaltigen Beeinträchtigungen erkannt werden können. Weiters könne eine Beeinträchtigung der UNESCO-Welterbestätte des Historischen Zentrums der Stadt S. durch das Vorhaben ausgeschlossen werden und werde der Schutzzweck des Erholungswertes der betroffenen Landschaftsschutzgebiete nicht wesentlich beeinträchtigt.
9 Die ordentliche Revision sei zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweiche. Zur Frage, ob Kapazitätsverschiebungen im Sinn einer Gegenrechnung von Kapazitäten nach dem UVP-G 2000 möglich seien und bei der Beurteilung eines Änderungsvorhabens außer Betracht zu bleiben hätten, gebe es zwar eine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 19.7.2007, 2006/07/0054), die konkrete Fallkonstellation unterscheide sich aber von dem dem Judikat zugrunde liegenden Sachverhalt und es gebe mittlerweile eine abschwächende Judikatur des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Rechtslage sei daher nicht als klar zu beurteilen. Keine Judikatur gebe es zur Frage, ob die Beeinträchtigung eines Naturdenkmales (oder sonstigen Landschaftsschutzgebietes) im UVP-Feststellungsverfahren zu prüfen sei, wenn das Vorhaben außerhalb situiert sei, aber auf das zu schützende Gebiet einwirke.
10 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
11 Das Bundesverwaltungsgericht hat die Verfahrensakten vorgelegt. Die Projektwerberin und die zweitmitbeteiligte Partei erstatteten jeweils eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12 Die Revision erweist sich angesichts der vom Bundesverwaltungsgericht aufgeworfenen Frage der Zulässigkeit von Kapazitätsverschiebungen bzw. deren "Gegenrechnung" im UVP-Verfahren als zulässig.
13 Im Revisionsfall war das UVP-G 2000, BGBl. Nr. 697/1993 in der Fassung BGBl. I Nr. 14/2014, anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen des UVP-G 2000 lauten
auszugsweise:
"Begriffsbestimmungen
§ 2. ...
(2) Vorhaben ist die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft unter Einschluss sämtlicher damit in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehender Maßnahmen. Ein Vorhaben kann eine oder mehrere Anlagen oder Eingriffe umfassen, wenn diese in einem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehen.
...
(5) Kapazität ist die genehmigte oder beantragte Größe oder Leistung eines Vorhabens, die bei Angabe eines Schwellenwertes im Anhang 1 in der dort angegebenen Einheit gemessen wird. Anlage ist in diesem Zusammenhang eine örtlich gebundene Einrichtung oder eine in engem räumlichen und sachlichen Zusammenhang stehende Gesamtheit solcher Einrichtungen, die einem im Anhang 1 angeführten Zweck dient."
"Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung
§ 3. ...
(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.
(7a) Stellt die Behörde gemäß Abs. 7 fest, dass für ein Vorhaben keine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist, ist eine gemäß § 19 Abs. 7 anerkannte Umweltorganisation berechtigt, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben. Ab dem Tag der Veröffentlichung im Internet ist einer solchen Umweltorganisation Einsicht in den Verwaltungsakt zu gewähren. Für die Beschwerdelegitimation ist der im Anerkennungsbescheid gemäß § 19 Abs. 7 ausgewiesene örtliche Zulassungsbereich maßgeblich.
..."
"Änderungen
§ 3a. ...
(3) Für Änderungen sonstiger in Spalte 2 oder 3 des Anhanges 1 angeführten Vorhaben ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem vereinfachten Verfahren durchzuführen, wenn
der in Spalte 2 oder 3 festgelegte Schwellenwert durch die bestehende Anlage bereits erreicht ist oder durch die Änderung erreicht wird und durch die Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 50% dieses Schwellenwertes erfolgt oder
...
(4) Bei der Feststellung im Einzelfall hat die Behörde die in § 3 Abs. 4 Z 1 bis 3 angeführten Kriterien zu berücksichtigen. § 3 Abs. 7 ist anzuwenden. Die Einzelfallprüfung gemäß Abs. 1 Z 2, Abs. 2, 3 und 6 entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.
(5) Soweit nicht eine abweichende Regelung in Anhang 1 getroffen wurde, ist für die Beurteilung der UVP-Pflicht eines Änderungsprojektes gemäß Abs. 1 Z 2 sowie Abs. 2 und 3 die Summe der Kapazitäten, die innerhalb der letzten fünf Jahre genehmigt wurden einschließlich der beantragten Kapazitätsausweitung heranzuziehen, wobei die beantragte Änderung eine Kapazitätsausweitung von mindestens 25% des Schwellenwertes oder, wenn kein Schwellenwert festgelegt ist, der bisher genehmigten Kapazität erreichen muss.
..."
"Anhang 1
...
UVP
UVP im vereinfachten
Verfahren
Spalte 1
Spalte 2
Spalte 3
...
...
...
Infrastrukturprojekte
...
...
...
Z 21
a) Errichtung öffentlich zugänglicher Parkplätze oder Parkgaragen 4a) für Kraftfahrzeuge mit mindestens 1 500 Stellplätzen für Kraftfahrzeuge;
b) Errichtung öffentlich zugänglicher Parkplätze oder Parkgaragen 4a) für Kraftfahrzeuge in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A, B oder D mit mindestens 750 Stellplätzen für Kraftfahrzeuge.
...
4a) Öffentlich zugängliche Parkplätze sind solche, die ausschließlich für Parkzwecke (wie Parkhaus, Park- and Rideanlage) oder im Zusammenhang mit einem anderen Vorhaben errichtet werden (wie Kundenparkplätze zu einem Einkaufszentrum, Besucherparkplätze eines Freizeitparks etc.), und ohne weitere Zugangsbeschränkung der Allgemeinheit zugänglich sind (auch beispielsweise wenn eine Parkgebühr zu entrichten ist oder Parkplätze auf Dauer an jedermann vermietet werden). Parkplätze, die hingegen nur einem von vornherein eingeschränkten Nutzerkreis zugänglich sind (etwa für Lieferanten/Lieferantinnen oder Beschäftigte des Betriebes - d.h. es muss eine Zugangsbeschränkung vorgesehen sein, die die Allgemeinheit von der Benutzung dieses Parkplatzes ausschließt), sind demnach nicht öffentlich zugängliche Parkplätze.
..."
14 Die revisionswerbende Partei ist eine gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisation (vgl. die Liste der anerkannten Umweltorganisationen gemäß § 19 Abs. 8 UVP-G 2000).
15 Soweit die Projektwerberin in ihrer Revisionsbeantwortung die Revisionslegitimation der revisionswerbenden Partei in Zweifel zieht, kann gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz in Verbindung mit Abs. 9 VwGG auf die Ausführungen im hg. Beschluss vom 21. Dezember 2016, Ra 2016/04/0117, verwiesen werden, in welchem der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, dass der mit § 3 Abs. 7a UVP-G 2000 geschaffene Rechtsschutz von Umweltorganisationen im Feststellungsverfahren unionsrechtskonform so ausgelegt werden muss, dass es einer eingetragenen Umweltorganisation möglich ist, dieselben Rechte geltend zu machen wie ein Einzelner, weshalb einer eingetragenen Umweltorganisation nach § 3 Abs. 7a UVP-G das Recht zukommt, die Einhaltung solcher Umweltschutzvorschriften geltend zu machen, die nicht nur Interessen der Allgemeinheit, sondern auch Rechtsgüter des Einzelnen schützen, und deren Schutz vor Beeinträchtigung etwa auch durch den einzelnen Nachbarn als subjektiv-öffentliches Recht im Verfahren geltend gemacht werden kann. Ausgehend davon war die revisionswerbende Partei als anerkannte Umweltorganisation auch Partei des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht und uneingeschränkt gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG revisionslegitimiert.
16 Gegenstand des Feststellungsverfahrens gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 ist die Klärung der Frage, ob für ein Vorhaben eine UVP durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Was unter einem Vorhaben im Sinn des UVP-G 2000 zu verstehen ist, ergibt sich aus § 2 Abs. 2 UVP-G 2000 (vgl. VwGH 29.3.2017, Ro 2015/05/0022).
17 Nach den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen besteht die Altstadtgarage M aus der Parkgarage A, für welche 720 Stellplätze bewilligt sind, und aus der Parkgarage B, für welche 773 Stellplätze bewilligt sind. Mit dem gegenständlichen Änderungsvorhaben soll die Parkgarage B baulich erweitert werden, wobei im Erweiterungsteil 657 Stellplätze Platz finden sollen.
18 Das Bundesverwaltungsgericht ist zunächst zutreffend und von der revisionswerbenden Partei unbestritten davon ausgegangen, dass es sich bei dem gegenständlichen Projekt (Erweiterung der Parkgarage B) um eine Änderung des Vorhabens Altstadtgarage M handelt und durch diese Änderung der Tatbestand des § 3a Abs. 3 Z 1 in Verbindung mit Z 21 lit. b des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 erfüllt wird, weshalb eine Einzelfallprüfung durchzuführen war.
19 Dieser Einzelfallprüfung legte das Bundesverwaltungsgericht jedoch, insbesondere im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen des Vorhabens auf die im Revisionsfall vorliegenden schutzwürdigen Gebiete, nicht die in der beantragten Erweiterung der Parkgarage B geplanten 657 Stellplätze, sondern - auf Grund der Angaben der Projektwerberin, wonach in den bestehenden Teilen der Altstadtgarage M infolge Ummarkierungen der erteilte Konsens um 201 Stellplätze nicht ausgeschöpft werde - lediglich 456 Stellplätze zugrunde.
20 Zur Frage der Zulässigkeit dieser seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommenen Kapazitätsverschiebung führt die revisionswerbende Partei aus, der Verwaltungsgerichtshof habe bezüglich eines Erweiterungsprojektes in Bezug auf Abfallbehandlungsanlagen bereits festgehalten, dass das Erweiterungsprojekt zwar so gestaltet sein könne, dass ein Teil der ehemals bewilligten Abfallmengen nun im erweiterten Projekt behandelt werde. Mit dieser "Verschiebung" werde diese Kapazität aber Teil des neu zu bewilligenden Projektes und damit des über das Erweiterungsprojekt durchzuführenden Bewilligungsverfahrens. Ein Herausrechnen und damit eine Nichtberücksichtigung der Menge aus der Kapazität des Erweiterungsprojektes scheide daher aus. Es sei nicht möglich, die nicht benötigte Kapazität aus der Kapazität des bewilligten Projektes "herauszulösen" (Hinweis auf VwGH 19.7.2007, 2006/07/0054). Im Revisionsfall komme es zu einer Verschiebung auf einen neuen Anlagenteil bzw. zu einem Herauslösen im Sinn der zitierten Rechtsprechung.
21 Gegenständlich sei zu prüfen, ob es durch die Erweiterung zu einer örtlichen Verschiebung des bereits genehmigten - aber noch nicht ausgeschöpften - Konsenses komme. Beim bisher genehmigten Konsens seien Umweltauswirkungen von
1.493 Stellplätzen bei der "Parkgarage A" und der "Parkgarage B" beurteilt und für genehmigungsfähig befunden worden. Im Falle der Anrechnung würde aber eine Prüfung unterlassen werden, wie sich die Parkplätze auf den anderen Standort auswirken würden. Die gegenständliche Erweiterung werde nicht direkt an dem Ort durchgeführt, sondern diese sei im erweiterten Bereich der Garage geplant. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Anrechnung im erweiterten Bereich der Garage bejaht, ohne zu begründen, warum es plötzlich die von ihm selbst erwähnte Ortsverschiebung ignoriere.
22 Ungeachtet dessen halte das Bundesverwaltungsgericht eine Einzelfallbeurteilung für notwendig, "ob wegen der Ortsveränderung mit relevanten anderen oder erhöhten Umweltauswirkungen zu rechnen ist, wenn sich das Parkhaus, welches das alte ersetzt, nicht an gleicher Stelle befindet". Diese Einzelfallbeurteilung habe das Bundesverwaltungsgericht aber selbst nicht vorgenommen. In der Begründung sei lediglich auf den Anlagenbegriff Bezug genommen und ohne Begründung ein räumlicher und funktioneller Zusammenhang bejaht worden.
23 Gegenständlich sei auch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24. Oktober 2014, W143 2003020-1, betreffend die Erneuerung von Windkraftanlagen innerhalb eines Windparks, einschlägig. In dem diesem Erkenntnis zugrunde liegenden Fall sei aber als entscheidender Faktor berücksichtigt worden, dass keine flächenmäßige Erweiterung oder eine Erhöhung der Anzahl an Windkraftanlagen, sondern allein ein Ersatz von Altanlagen und eine Erhöhung der Gesamtkapazität innerhalb der bestehenden Anlage erfolgt sei. Damit seien Kapazitäten alter Windkraftanlagen durch Stilllegung und Abbau vernichtet worden. Eine Nutzung dieser Altanlagen sei daher aufgegeben worden und nicht mehr zulässig. Übertragen auf das gegenständliche Vorhaben hieße dies, dass in der Vergangenheit verlorene Stellplätze innerhalb der Bestandsanlage bis zur bewilligten Kapazitätsgrenze (in A 720, in B 780) wieder eingerichtet werden könnten. Darüber hinausgehende Kapazitäten in den einzelnen bestehenden Anlagenteilen seien neu zu bewilligen. Aus dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes sei aber nicht abzuleiten, dass diese in der Vergangenheit verlorenen Stellplätze auch an anderer Stelle in einem neuen Anlagenteil eingerichtet werden dürften, ohne berücksichtigt werden zu müssen.
24 Zusammenfassend sei auszuführen, dass eine Anrechnung des nicht ausgenützten Altkonsenses nicht zulässig sei. Würde man der Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes folgen, könnten auch Kumulierungseffekte ausgehebelt werden, indem Parkplätze vorsichtshalber zu viel beantragt und in Zukunft bei vollkommen anderen, möglicherweise schlechteren Umweltverhältnissen, ohne Überprüfung errichtet würden.
25 Zudem würden sich die lufttechnischen Untersuchungen und auch die Bestandsmessungen des bisherigen Verfahrens nur auf die tatsächlich vorhandene Anzahl von Parkplätzen beziehen. Die Emissionen, welche von den 201 "verloren gegangenen" Parkplätzen ausgingen, würden nicht beachtet.
Mit diesem Vorbringen zeigt die revisionswerbende Partei eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses auf:
26 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits mehrfach zitierten Erkenntnis 2006/07/0054 betreffend ein Erweiterungsprojekt einer bestehenden Abfallsortieranlage ausgesprochen hat, erwachse aus der dort maßgeblichen Bewilligung nach dem AWG 1990 der Beschwerdeführerin nur das Recht, die genehmigte Abfallsortieranlage maximal in der genehmigten Kapazität an der genannten Stelle und in der bewilligten Ausführung zu betreiben. Aus dieser Bewilligung könne aber nicht die Berechtigung abgeleitet werden, einen Teil der bewilligten Kapazität an anderer Stelle oder in einer anderen Anlage zu nutzen.
27 Diese Ausführungen sind auf den Revisionsfall übertragbar. Auch im Revisionsfall erwächst der Projektwerberin aus den hier maßgeblichen gewerbebehördlichen Bewilligungen nur das Recht, die damit genehmigte Altstadtgarage M maximal in der genehmigten Kapazität an der genannten Stelle und in der bewilligten Ausführung zu betreiben, somit die Parkgarage A mit maximal 720 und die Parkgarage B mit maximal 773 Stellplätzen. Aus diesen Bewilligungen kann aber nicht die Berechtigung abgeleitet werden, einen Teil der bewilligten und derzeit nicht ausgeschöpften Kapazität, nämlich 201 Stellplätze, in dem nunmehr beantragten Erweiterungsteil der Parkgarage B zu nutzen.
28 Im Übrigen ist, soweit sich das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis auf sein oben zitiertes Erkenntnis W143 2003020-1 stützte, auszuführen, dass der diesem Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt mit dem Revisionsfall nicht vergleichbar ist. Dort sollten nämlich drei abzutragende Konverter durch drei neue leistungsstärkere Konverter ersetzt werden, wobei die abzutragenden Windkraftanlagen nicht mehr genutzt werden sollten und für diese durch deren vollständige Entfernung kein Konsens mehr bestünde. Vor dem Hintergrund, dass eine Kapazitätsnutzung dieser Anlagen somit nicht mehr möglich sein werde, gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu dem Schluss, dass ein Abzug dieser nicht mehr nutzbaren Kapazitäten bei der Berechnung der Gesamtkapazität zulässig sei.
29 Im Unterschied dazu bezieht sich das im Revisionsfall gegenständliche Änderungsvorhaben nur auf die Erweiterung der Parkgarage B um 657 Stellplätze, während der bereits bestehende Konsens für 1.493 Stellplätze unverändert aufrecht bliebe und die Projektwerberin zu dessen vollständiger Ausschöpfung berechtigte. Auf Grund der bereits erteilten Bewilligungen für die Altstadtgarage M stünde der Projektwerberin daher jederzeit die Möglichkeit offen, die derzeit nicht genutzten 201 Stellplätze (etwa durch entsprechende Ummarkierungen in den bereits bewilligten Parkgaragen) wieder nutzbar zu machen. Dies hätte zur Folge, dass in der Altstadtgarage M auf Grund der bereits bestehenden Bewilligungen und einer für das beantragte Projekt erteilten Bewilligung 2.150 Stellplätze geschaffen werden könnten, während der Beurteilung der von der Altstadtgarage M ausgehenden Umweltauswirkungen insgesamt lediglich 1.949 Stellplätze zugrunde lägen. Ein bloß faktisches "Herauslösen" dieses nicht ausgeschöpften Teiles der bewilligten Kapazität, die auf Grund der aus den unverändert bestehen bleibenden Bewilligungen resultierenden Berechtigung nach wie vor nutzbar ist, ist demnach nicht zulässig.
30 Indem das Bundesverwaltungsgericht ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsansicht betreffend die Zulässigkeit der Gegenrechnung bewilligter, aber nicht genutzter Stellplätze, nicht alle im Erweiterungsteil der Parkgarage B geplanten Stellplätze in die Beurteilung der Umweltauswirkungen einbezogen hat, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
31 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, wobei sich ein Eingehen auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigte.
32 Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
33 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.
34 Die Revisionsbeantwortung des Landesumweltanwaltes Salzburg war schon deshalb zurückzuweisen, weil eine Mitbeteiligung auf Seiten der revisionswerbenden Partei im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht in Betracht kommt; die Stellung als Mitbeteiligter setzt vielmehr rechtlich geschützte Interessen im Widerspruch zur Interessenlage der revisionswerbenden Partei voraus (vgl. VwGH 4.8.2015, Ra 2015/06/0039, mwN). Der Landesumweltanwalt Salzburg hat sich hingegen den Ausführungen der Revision vollinhaltlich angeschlossen und beantragt, der Revision Folge zu geben.
Wien, am 21. Dezember 2017
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2017:RO2015060018.J00Im RIS seit
01.02.2018Zuletzt aktualisiert am
16.02.2018