Index
L37152 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauRallg;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Rätin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Franz Eberhard und der Rosa Eberhard in St. Paul im Lavanttal, beide vertreten durch Dr. Heinz Sacher, Rechtsanwalt in Wolfsberg, Freidlgasse 12/I, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 1. Juli 1996, Zl. 8 B-BRM-119/4/1996, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. Othmar Fellner und Elisabeth Fellner in Legerbuch 22, St. Paul im Lavanttal, und
2. Marktgemeinde St. Paul im Lavanttal, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben zusammen dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 10. November 1970 war den Erstmitbeteiligten die Baubewilligung zur Errichtung eines ebenerdigen Wohnhauses auf der Parzelle Nr. 398/5, KG Legerbuch, erteilt worden.
In der Folge wurde ihnen mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 12. Jänner 1978 ein Garagenzubau zu diesem Einfamilienhaus bewilligt.
Mit einem am 5. Jänner 1995 bei der mitbeteiligten Marktgemeinde eingelangten Ansuchen vom 1. Juli 1994 beantragten die Erstmitbeteiligten die Erteilung der Baubewilligung für die Aufstockung des bestehenden Wohnhauses.
In der über dieses Baugesuch abgehaltenen mündlichen Verhandlung vom 20. April 1995, zu der die Beschwerdeführer als Anrainer unter Hinweis auf die Präklusionsfolgen des § 42 AVG geladen wurden, brachten diese vor, sie sprächen sich gegen die Erteilung der Baubewilligung aus, da dadurch eine Beeinträchtigung des Lichteinfalles auf ihr Wohnhaus erfolge. Der Amtssachverständige stellte fest, dass das bereits bestehende Objekt der Erstmitbeteiligten die Abstände nach § 4 der Kärntner Bauvorschriften nicht einhalte, ortsbildgestalterische und sicherheitstechnische Gründe sprächen nicht gegen die Aufstockung, weil die Situation insgesamt gleich bleibe. Der 45-gradige Lichteinfall beim Fenster des nächstgelegenen Aufenthaltsraumes der Beschwerdeführer sei gewährleistet, dieses Fenster im Erdgeschoß des Nachbarobjektes liege jenseits der Bauflucht und sei daher durch die Bauführung nicht betroffen. Der Vertreter des Feuerinspektorates erklärte, hinsichtlich des geplanten Dachgeschoßausbaues bestehe aus feuerpolizeilicher Sicht kein Einwand, da es sich bei dem Baukörper lediglich um ein Wohnhaus handle, das nur eine geringe Brandgefahr beinhalte. Der Abstand sei bereits durch den Bestand gegeben und durch die Erhöhung des Dachstuhles erfolge sicherlich keine brandschutztechnische Beeinträchtigung des Nachbarobjektes.
Mit Bescheid vom 7. Juni 1995 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Erstmitbeteiligten die beantragte Baubewilligung. Das bestehende Objekt sowie das Nachbarobjekt seien innerhalb der Abstandsflächen gemäß §§ 4 und 5 der Kärntner Bauvorschriften situiert. Eine Erhöhung des Objektes sei unter Anwendung des § 9 der Kärntner Bauvorschriften möglich, zumal ortsbildgestalterische, sicherheitstechnische und feuerpolizeiliche Gründe nicht dagegen sprächen und eine insgesamt gleich bleibende Situation bestehen bleibe. Der 45-gradige Lichteinfall zum nächstgelegenen Aufenthaltsraum im Objekt der Bauwerber sowie im Objekt der Beschwerdeführer sei gewährleistet.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführer hat der Baudienst der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg mit Schreiben vom 25. August 1995 ausgeführt, das Wohnobjekt der Erstmitbeteiligten sei mit Bescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 13. Februar 1969 bzw. 10. November 1970 baurechtlich genehmigt worden, zu diesem Zeitpunkt sei eine Abstandsflächenregelung in den Kärntner Bauvorschriften noch nicht vorhanden gewesen. Die Errichtung des Gebäudes sei daher gesetzeskonform erfolgt. Was den nunmehr beabsichtigten Ausbau des Dachgeschosses und der daraus resultierenden Erhöhung des Gebäudes betreffe, werde festgehalten, dass im konkreten Fall weder ortsbildgestalterische noch sicherheitstechnische oder feuerpolizeiliche Gründe dagegen sprächen. Außerdem sei die Auswirkung der Erhöhung auf das Wohnhaus der Beschwerdeführer hinsichtlich des Lichteinfalles auf das nächstgelegene Fenster eines Aufenthaltsraumes im Sinne des § 48 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften nicht negativ zu beurteilen. Der Bauanwalt der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg führte in seiner Stellungnahme vom 7. Dezember 1995 aus, eine Gebäudeerhöhung sei aus der Sicht der Ortsbildpflege vertretbar, da dadurch eine bessere Angleichung des Baukörpers an die vorhandenen zweigeschossigen Baukörper der Nachbargebäude erreicht werde. Anzustreben wäre überhaupt der Ausbau eines Vollgeschosses. In der Berufungsverhandlung vom 11. Dezember 1995 wurden diese Stellungnahmen erörtert, die Beschwerdeführer schlugen vor, die Aufstockung sollte verschoben, zum Teil über der Garage erfolgen, was die Erstmitbeteiligten ablehnten.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 1995 hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde die Berufung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Bürgermeisters als unbegründet abgewiesen. Der Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wurde insofern abgeändert, als festgestellt wurde, dass eine Erhöhung des Objektes unter Anwendung des § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften möglich sei, zumal ortsbildgestalterische, sicherheitstechnische und feuerpolizeiliche Gründe nicht dagegen sprächen und insgesamt eine gleich bleibende Situation bestehen bleibe. Der 45-gradige Lichteinfall gemäß § 48 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften bis zum nächstgelegenen Aufenthaltsraumfenster im Objekt der Bauwerber sowie des Nachbarhauses sei gewährleistet.
Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Vorstellung der Beschwerdeführer hat die belangte Behörde ein Gutachten des Amtssachverständigen der Abteilung für Landeshochbau vom 6. Mai 1996 eingeholt. Dieser führte aus, dass das Wohnhaus der Erstmitbeteiligten an der nordöstlichen Gebäudeecke rund 1,80 m und an der südöstlichen Gebäudeecke rund 2,40 m von der gemeinsamen Grundgrenze mit den Beschwerdeführern entfernt sei. Das Wohnhaus der Beschwerdeführer, das gegenüber dem beschwerdegegenständlichen Objekt um rund 3,75 m weiter nach Norden versetzt sei und dessen Nordostfront rund 4,30 m weiter nordöstlich situiert sei, habe an seiner nordwestlichen Gebäudeecke einen Abstand von rund 3,70 m und an seiner südwestlichen Gebäudekante einen Abstand von 2,95 m von dieser Grundgrenze. Das Wohnhaus der Erstmitbeteiligten sei zu einer Zeit errichtet und genehmigt worden (1969/70), als es eine Abstandsflächenregelung, wie sie derzeit bestehe, in den Kärntner Bauvorschriften noch nicht gegeben habe. Wie aus den Unterlagen ersichtlich, sei nunmehr ein Ausbau des Dachgeschosses geplant, der eine Hebung des Dachstuhles um rund 1 m notwendig mache. Die genaue Berechnung der Abstandsflächen des auszubauenden Gebäudes, das sich in einer Hanglage befinde, ergebe zwar, dass diese auf Fremdgrund zu liegen kämen, jedoch werde dadurch der freie Lichteinfall in den Wohnraum der Beschwerdeführer in keiner Weise beeinträchtigt. Die Voraussetzungen für eine Verringerung der Abstandsflächen seien gegeben, zumal im gegenständlichen Fall weder Interessen der Gesundheit oder der Sicherheit noch Interessen des Ortsbildschutzes verletzt würden.
Diese Stellungnahme wurde den Beschwerdeführern vorgehalten, die sich dazu ablehnend äußerten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften 1985 lägen vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Baubewilligungsbescheid vom 10. November 1970, mit dem die Bewilligung zur Errichtung des nunmehr auszubauenden Wohnhauses erteilt wurde, sind 8 Auflagen vorgeschrieben. Eine Auflage, einen bestimmten Abstand zu Nachbargrundgrenzen einzuhalten, ist darin nicht enthalten. Vielmehr findet sich unter Punkt 1 die Auflage:
"Wegen des geringen Abstandes zum Nachbargebäude ist die Dachunterschicht mit einem Flammschutzmittel zu streichen". Da zum Zeitpunkt der Erteilung dieser Baubewilligung die Kärntner Bauvorschriften 1985, mit denen Abstandsregelungen eingeführt wurden, noch nicht in Kraft standen, die Baubewilligung weder an eine Auflage hinsichtlich eines einzuhaltenden Seitenabstandes geknüpft ist, noch ein Lageplan vorliegt, dem die Abstände entnommen werden könnten, und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bereits im Baubewilligungsbescheid festgestellt wurde, dass die Abstände zum Nachbargebäude gering seien, ist daher davon auszugehen, dass das ursprünglich bestehende Wohnhaus konsensgemäß errichtet wurde, zumal dafür eine Benützungsbewilligung vom 30. September 1981 erteilt wurde.
Gemäß § 9 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften 1985, LGBl. Nr. 32/1986 in der Fassung LGBl. Nr. 26/1994, ist die sich aus §§ 4 bis 7 ergebende Tiefe von Abstandsflächen zu verringern, wenn in einem vorhandenen Baubestand bereits Abstände verwirklicht sind, die von den Bestimmungen der §§ 4 bis 7 abweichen, Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird.
Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist die Tiefe der Abstandsflächen überdies zu verringern, wenn das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepasst ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte und wenn weitere unter lit. a bis d angeführte Umstände vorliegen.
Im Beschwerdefall werden durch den vorhandenen Baubestand sowohl auf dem Grundstück der Beschwerdeführer als auch auf jenem der Erstmitbeteiligten bereits Abstände verwirklicht, die von den Bestimmungen der §§ 4 bis 7 leg. cit. abweichen, da beide Wohnobjekte keinen 4-Meter-Abstand einhalten. Im Beschwerdefall ist daher lediglich zu überprüfen, ob im Sinne des § 9 Abs. 1 leg. cit. Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und insgesamt ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird.
Das Ermittlungsverfahren, insbesondere die Ausführungen des Vertreters des Feuerinspektorates sowie jene des Vertreters des Baudienstes Wolfsberg und des Vertreters der Abteilung Landeshochbau der Kärntner Landesregierung, ließen insgesamt den Schluss zu, dass der Aufstockung Interessen der Sicherheit nicht entgegenstehen und ein den öffentlichen Interessen zumindest in gleicher Weise wie bisher entsprechender Zustand beibehalten wird, wobei der Bauanwalt der Bezirkshauptmannschaft Wolfsberg aus der Sicht der Ortsbildpflege sogar den Ausbau eines Vollgeschosses zwecks besserer Angleichung des Baukörpers an die vorhandenen zweigeschossigen Baukörper befürwortet hätte.
Da die Voraussetzung des § 9 Abs. 1 leg. cit. vorliegen, waren die Beschwerdeführer auch nicht in ihrem subjektiv-öffentlichen Recht auf Einhaltung gesetzlicher Mindestabstände verletzt worden, da die Nachbarn nur einen Anspruch darauf haben, dass keine Ausnahmegenehmigung nach § 9 der Kärntner Bauvorschriften erteilt wird, wenn die Voraussetzungen hiefür nicht vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. März 2000, Zl. 99/05/0266).
Da die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 der Kärntner Bauvorschriften vorlagen, war nicht zu prüfen, ob das Vorhaben, obwohl es der Größe und Form des Grundstückes angepasst ist, ohne Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen nicht errichtet werden könnte (§ 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften).
Wenngleich die belangte Behörde das Bauvorhaben nach § 9 Abs. 2 der Kärntner Bauvorschriften beurteilt hat, und das Vorliegen der dort geforderten Voraussetzungen nicht vollständig geprüft wurde, sind die Beschwerdeführer im Ergebnis in keinen Rechten verletzt worden, weil die falsche Subsumtion unter einen Tatbestand dann nicht schadet, wenn auch bei richtiger rechtlicher Zuordnung eine Verringerung der Tiefe der Abstandsflächen erfolgen hätte müssen und im Ergebnis die Baubewilligung zu Recht erteilt wurde.
Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 6 VwGG abgesehen werden, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ.
Der Zuspruch auf Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. Mai 2000
Schlagworte
Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Abstandsvorschriften BauRallg5/1/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2000:1996050212.X00Im RIS seit
28.09.2001