TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/8 LVwG-2017/20/1738-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.01.2018
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Entscheidungsdatum

08.01.2018

Index

90/01 Straßenverkehrsrecht
90/02 Kraftfahrgesetz
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StVO 1960 §4 Abs1 litc
StVO 1960 §31 Abs1
KFG 1967 §82 Abs1
KFG 1967 §103 Abs1 Z1
KFG 1967 §4 Abs2
VStG §49 Abs2 letzter Satz

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Stöbich über die Beschwerde des Herrn AA, Z, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. BB und Dr. CC, Y, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Y vom 10.05.2017, Zl ****, betreffend Übertretungen der StVO und des KFG, nach Durchführung einer öffentlichen Verhandlung

zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 8. Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis insoweit behoben und das Verwaltungsstrafverfahren insoweit gemäß § 45 Abs 1 Z 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) eingestellt.

2.   Der Beschwerde wird in Bezug auf Spruchpunkt 2. insoweit teilweise Folge gegeben, als die über den Beschwerdeführer verhängte Geldstrafe von Euro 250,00 auf Euro 150,00, Ersatzfreiheitsstrafe 36 Stunden, herabgesetzt wird.

Gemäß § 64 Abs 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) beträgt der Beitrag zu den Verfahrenskosten der I. Instanz dementsprechend Euro 15,00.

3.   Die Beschwerde wird bezüglich der Spruchpunkte 3., 4., 5., 6. und 7. als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von 20 % der zu den Spruchpunkten 3. bis 7. verhängten Strafen zu bezahlen, das sind zu 3., 5. Und 7. jeweils Euro 30,--, zu 4. und 5. jeweils Euro 16, insgesamt somit Euro 122,00.

4.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.    Verfahrensgang:

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer Folgendes vorgeworfen:

„Tatzeit:        Übertretung 1 und 2, am 05.08.2016, 16.30 Uhr,

Übertretung 3 bis 9, am 05.08.2016, 16.50 Uhr

Tatort:            Übertretung 1 und 2, in X auf der Yer Straße in Richtung L **, bei km 4.076

Übertretung 3 bis 9, in X auf der Yer Straße L**, von km 4,076 bis km 4,450 km in Richtung Süden fahrend

Fahrzeug:        PKW, ***

Der Beschuldigte, AA, geb. XX.XX.XXXX, wohnhaft in W, Adresse 1, hat

1. mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und hat an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da er durch das Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht hat, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen.

2. Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs bei einem Verkehrsunfall beschädigt und hat nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter unter Bekanntgabe seiner Identität verständigt. Beschädigt wurden ein Straßenleitpflock und eine Leitschiene.

3. sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs-und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Windschutzscheibe gerissen war.

4. sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs-und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Blinkleuchte vorne links gebrochen war.

5. sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs-und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Seitenscheibe links gebrochen war.

6. sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs-und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass die Felge hinten links beschädigt war.

7. sich als Lenker, obwohl es ihm zumutbar war, vor Antritt der Fahrt nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Fahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht, da festgestellt wurde, dass die für die verkehrs-und betriebssichere Verwendung des PKW maßgebenden Teile nicht den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entsprachen, obwohl Kraftfahrzeuge und Anhänger so gebaut und ausgerüstet sein müssen, dass durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Es wurde festgestellt, dass der Reifen vorne rechts am Radhaus schleifte.

8. zum angeführten Zeitpunkt am angeführten Ort das angeführte Fahrzeug gelenkt, obwohl dieses nicht zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen war. Fahrzeugart: PKW Beschreibung des Fahrzeuges: DD

Der Beschuldigte hat dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1. § 4 Abs. 1 lit. c StVO

2. § 99 Abs. 2 lit. e StVO i.V.m. § 31 Abs. 1 StVO

3. 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

4. 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

5. 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

6. 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

7. 102 Abs. 1 KFG i.V.m. § 4 Abs. 2 KFG

8. 102 Abs. 1 i.V.m. § 36 lit . a KFG

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird folgende Strafe verhängt:

Strafe in Euro          Ersatzfreiheitsstrafe           Freiheitsstrafe von  Strafbestimmung:

1. 250,00           2 Tage                                                        § 99 Abs. 2 lit. a StVO

2. 250,00           2 Tage                                                        § 99 Abs. 2 lit. e StVO

3. 150,00           1 Tag                                                         § 134 Abs. 1 KFG

4. 80,00           12 Stunden                                              § 134 Abs. 1 KFG

5. 150,00           1 Tag                                                         § 134 Abs. 1 KFG

6. 80,00           12 Stunden                                              § 134 Abs. 1 KFG

7. 150,00           1 Tag                                                         § 134 Abs. 1 KFG

8. 290,00           3 Tage                                                        § 134 Abs. 1 KFG

Weiters wurden jeweils Verfahrenskostenbeiträge vorgeschrieben.

Gegen dieses Straferkenntnisses hat der Beschwerdeführer innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. In der Begründung wird zunächst bestritten, dass der Beschwerdeführer durch Verlassen der Unfallstelle die Feststellung seiner körperlichen und geistigen Verfassung zum Unfallzeitpunkt unmöglich gemacht hätte bzw die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenhalter nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt hätte.

Der Beschwerdeführer sei aufgrund von Aquaplaning ins Schleudern gekommen und hätte aufgrund dessen eine Leitschiene sowie einen Straßenleitpflock beschädigt. Es sei dann die Unfallstelle vom Beschwerdeführer sorgfaltsgemäß geräumt worden, um für nachkommende Verkehrsteilnehmer eine konkret bestehende Gefahrenquelle zu beseitigen, indem er sein Fahrzeug auf dem nur weniger Meter entfernten Ausweichplatz abgestellt hätte und dieses eben gerade nicht auf der kurvenreichen und unübersichtlichen Straße stehen gelassen habe. Der Beschwerdeführer sei auch unmittelbar nach Entfernung dieser Gefahrenquelle zur beschädigten Leitschiene zurückgekehrt, um die Straße von zurückgebliebenen Gegenständen zu räumen. Er habe das Umfeld der Unfallstelle nie verlassen. Er habe sich auch niemals geweigert, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken. Er habe vielmehr den zufällig eingetroffenen Polizeibeamten von sich aus berichtet, dass er infolge Aquaplaning bei Kilometer 4,076 eine Leitschiene und einen Straßenleitpflock beschädigt hätte. Da er die Unfallstelle von für andere Verkehrsteilnehmer konkret bestehenden Gefahren geräumt hätte, sei ihm eine frühere Kontaktierung der Polizeidienststelle/des Straßenerhalters nicht zumutbar gewesen. Bei seinem Vorhaben, die Polizeidienststelle bzw die Straßenerhalter als Eigentümer der durch den Unfall beschädigten Gegenstände zu informieren, seien zwischenzeitlich Polizeibeamte eingetroffen und hätten die Beschädigungen behördlich aufgenommen. Die Meldung müsse auch nicht sofort erfolgen sondern stelle etwa eine 30 min nach dem Unfall erfolgte Meldung noch keinen Verstoß gegen § 4 Abs 5 StVO dar.

Der Beschwerdeführer habe auch unmittelbar nach dem Eintreffen der Polizisten einen Atemluftalkotest durchgeführt, welcher einen Alkoholwert von 0,0 mg/l ergeben hätte.

In Zusammenhang mit den vorgeworfenen Mängeln des KFZ und dem Verstoß gegen § 102 Abs 1 iVm § 4 Abs 2 KFG seien dem Beschwerdeführer mehrere Vorwürfe bislang nicht zur Kenntnis gebracht sondern erstmals im bekämpften Straferkenntnis aufgenommen worden. Es sei in diesem Zusammenhang das Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Allein die Tatsache, dass ein Fahrzeug in Folge eines Unfalles Beschädigungen aufweise, führe keineswegs dazu, dass eine Beförderung des Fahrzeuges bis zur lediglich 200 m entfernten Werkstätte automatisch ausgeschlossen wäre. Aus der Aussage des Zeugen Insp. EE ergebe sich, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug sehr langsam und mit eingeschalteter Warnblinkanlage gelenkt habe. Er hätte das Fahrzeug bloß zur unmittelbar in der Nähe befindlichen Werkstätte befördern wollen. Die Stellungnahme des Sachverständigen sei keineswegs ausreichend, um Feststellungen hinsichtlich der strafbegründenden technischen Mängel zu erheben. In diesem Zusammenhang sei die Beweiswürdigung mangelhaft und seien auch die vorgeworfenen Taten nicht ausreichend individualisiert bzw konkretisiert.

In Bezug auf Spruchpunkt 8. wurde zusammenfassend geltend gemacht, dass das gelenkte Fahrzeug sehr wohl zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen gewesen sei. Auch sei festzuhalten, dass diesbezüglich als Tatzeit 16.50 Uhr vorgeworfen werden würde und nicht die Unfallzeit 16.30 Uhr.

Seitens der Behörde sei auch das Konkretisierungsgebot des § 44a Z 1 VStG verletzt worden. Auch werde bemängelt, dass mit dem Straferkenntnis eine höhere Strafe als mit der Strafverfügung vom 05.08.2016 verhängt worden sei. Schließlich wurden noch weitere Einwendungen gegen die Strafhöhen erhoben.

Aufgrund dieser Beschwerde wurde am 11.12.2017 eine öffentliche Verhandlung durchgeführt. Dabei lässt sich der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter vertreten. Beweis aufgenommen wurde durch Einvernahme der Zeugen RI EE und Insp. FF, weiters durch Einsichtnahme in den Akt sowie in Orthophotos des Tiroler Raumordnungs-Informationssystems.

II.  Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer lenkte am 05.08.2016 gegen 16.30 Uhr einen DD mit dem Z Probefahrtkennzeichen *** (Z) auf der Landesstraße L** zwischen X und Y in Fahrtrichtung Y. Am nördlichen Ortsende von V geriet er mit seinem Fahrzeug aus nicht näher bekannten Gründen ins Schleudern, wobei sich der PKW um die eigene Achse drehte und schließlich gegen die gegenüberliegende (westlich gelegene) Leitschiene prallte. Dabei wurde der PKW erheblich beschädigt. Ebenso wurde die Leitplanke im Bereich des südlichen Endes verbogen und wurde ein Leitpflock beschädigt, welcher dort vom Beschwerdeführer nach dem Unfall wieder in die Verankerung gesteckt wurde.

Nach dem Unfall, der sich ca bei Kilometer 4,076 ereignete, gelang es dem Beschwerdeführer, das Fahrzeug ca 100 m in Richtung Süden zu verbringen und das Fahrzeug neben der Fahrbahn abzustellen. Dabei gelang es ihm offenbar, das defekte linke Vorderrad zu wechseln. Um ca 16.50 Uhr, unmittelbar bevor eine Zivilstreife der Polizei in Richtung Y an dem schwer beschädigten abgestellten Fahrzeug vorbeifuhr, setzte der Beschwerdeführer seine Fahrt wiederum auf der L** in Richtung Süden fort, wobei das Fahrzeug die unter den Spruchpunkten 3. bis 7. des Sraferkenntnisses angeführten Beschädigungen aufwies. So war die Windschutzscheibe im Bereich des Fahrers von der Oberkante nach links ausstrahlend gebrochen. Weiters war die Zellone des Blinkers links vorne gebrochen. Auch die Seitenscheibe links war gebrochen. Die Felge am Rad links hinten wies eine erhebliche Eindellung auf. Der Reifen des Rades rechts vorne schleifte am Radhaus. Es ist möglich, dass der Beschwerdeführer beabsichtigte, mit dem Fahrzeug zu einer Werkstätte zu fahren. Ein Fahren mit dem Fahrzeug war jedoch nur mit Schritttempo möglich. Eine Werkstätte hätte sich in der ca ein Kilometer entfernten Fraktion U befunden.

Da der Beschwerdeführer lediglich mit Schritttempo unterwegs war, bildete sich bereits auf Höhe des Gasthof GG (ca Kilometer 4,3 der L **) eine Fahrzeugkolonne. In der Folge wurde der Beschwerdeführer von der Besatzung des zivilen Streifenfahrzeuges bei Kilometer 4,450 ausgeleitet.

In der Folge kam es zu einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle. Ein Alkovortest, welcher mit dem Beschwerdeführer durchgeführt wurde, verlief negativ. Es wurden am Fahrzeug gravierende Beschädigungen festgestellt. Allerdings konnte der Unfallhergang nicht restlos geklärt werden. Die Feststellung der exakten Unfallstelle erfolgte erst, nachdem die Amtshandlung auf der Polizeiinspektion Y fortgesetzt und beendet wurde. Die Polizei verständigte schließlich den Straßenerhalter von der Beschädigung der Leitplanke.

III. Beweiswürdigung

Diese Feststellungen ergeben sich auf der Grundlage der Einvernahmen der Zeugen RI EE und Insp. FF, weiters durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt sowie durch Einsichtnahme in Ausdrucke aus dem TIRIS. Anhand dieser Ausdrucke konnten die örtlichen Gegebenheiten sehr gut geklärt werden. Die vorliegenden Lichtbilder (Lichtbildbeilage der PI Y vom 25.08.2016) zeigen das beschädigte Fahrzeug sowie die beschädigte Leitplanke und den wiedereingesetzten Leitpflock.

Der Geschehnisablauf, insbesondere in zeitlicher Hinsicht ergibt sich insbesondere aufgrund der Angaben des Zeugen RI E, der dabei war, als das vom Beschwerdeführer gelenkte Fahrzeug angehalten wurde.

IV.  Rechtsgrundlagen:

Die Straßenverkehrsordnung lautet auszugsweise wie folgt:

§ 4 Verkehrsunfälle

(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben

a)

wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten,

b)

wenn als Folge des Verkehrsunfalles Schäden für Personen oder Sachen zu befürchten sind, die zur Vermeidung solcher Schäden notwendigen Maßnahmen zu treffen,

c)

an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.

§ 31 Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs

(1) Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderung, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) dürfen nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden.

§ 99 Abs 2 lit e StVO

(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,

         e) wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden,

§ 82 Abs 1 KFG bezieht sich auf die Verwendung von Kraftfahrzeugen und Anhängern mit ausländischen Kennzeichen und lautet auszugsweise wie folgt:

(1) Kraftfahrzeuge und Anhänger mit ausländischem Kennzeichen (§ 79 Abs. 1) müssen von einem Mitgliedstaat des Pariser Übereinkommens über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen, BGBl. Nr. 304/1930, des Genfer Abkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 222/1955, oder des Wiener Übereinkommens über den Straßenverkehr, BGBl. Nr. 289/1982, zugelassen sein. Anhänger, die nach heimatlichem Recht nicht gesondert zugelassen werden, sondern das Kennzeichen des Zugfahrzeuges führen müssen, gelten als zugelassen; dies gilt auch für Fahrzeuge mit Zoll-, Überstellungs- oder Probefahrtkennzeichen für die Dauer der Gültigkeit dieser Kennzeichen. Fahrzeuge ohne dauernden Standort im Bundesgebiet dürfen nur verwendet werden, wenn sie das ihnen zugewiesene Kennzeichen führen.

§ 103 Abs 1 KFG lautet auszugsweise wie folgt:

1. hat dafür zu sorgen, daß das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Be-ladung – unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen – den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;

…        

§ 4 Abs 2 KFG hat folgenden Wortlaut:

Kraftfahrzeuge und Anhänger müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß durch ihren sachgemäßen Betrieb weder Gefahren für den Lenker oder beförderte Personen oder für andere Straßenbenützer noch Beschädigungen der Straße oder schädliche Erschütterungen noch übermäßig Lärm, Rauch, übler Geruch, schädliche Luftverunreinigungen oder vermeidbare Beschmutzungen anderer Straßenbenützer oder ihrer Fahrzeuge entstehen. Sie müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß der Lenker, beförderte Personen und andere Straßenbenützer bei Verkehrsunfällen möglichst geschützt sind. Sie dürfen innen und außen keine vermeidbaren vorspringenden Teile, Kanten oder zusätzlichen Vorrichtungen aufweisen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen. Unvermeidbare vorspringende Teile, Kanten oder zusätzliche Vorrichtungen, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten lassen, müssen durch geeignete Schutzvorrichtungen entsprechend abgedeckt oder, wenn dies nicht ohne schwere Beeinträchtigung der Verwendbarkeit des Fahrzeuges im Rahmen seiner Zweckbestimmung durchführbar ist, entsprechend gekennzeichnet sein.

V.    Rechtliche Erwägungen:

Zunächst sei darauf hingewiesen, dass es einer Verwaltungsstrafbehörde grundsätzlich unbenommen ist, in einem Straferkenntnis neben den bereits mit einer vorangegangenen Strafverfügung vorgeworfenen Übertretungen weitere Straftatbestände aufzunehmen, wobei allerdings das Parteiengehör zu wahren ist. Eine im verwaltungsbehördlichen Verfahren erfolgte Verletzung des Parteiengehörs kann im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht durch die mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht verbundene Möglichkeit einer Stellungnahme saniert werden, wenn der damit bekämpfte Bescheid die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergegeben hat oder diese im Rahmen einer Verhandlung zugänglich gemacht werden (vgl VwGH 24.10.2017, Ra 2016/06/0104).

Die in § 4 Abs 1 lit c StVO normierte Verpflichtung kann sinnvoll nur dann bestehen, wenn es überhaupt zu einer amtlichen Aufnahme des Tatbestandes kommt oder zu kommen hat. Dies trifft immer dann zu, wenn es sich um einen Unfall handelt, bezüglich dessen eine Verständigungspflicht iSd § 4 Abs 2 besteht; darüber hinaus aber auch, wenn ein am Unfall Beteiligter das Einschreiten des Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes verlangt oder wenn ein am Unfallort etwa zufällig anwesendes Sicherheitsorgan aus eigenem Antrieb eine Tatbestandsaufnahme vornimmt oder deren Vornahme veranlasst. Liegt aber unbestritten ein Verkehrsunfall vor, bei dem niemand verletzt wurde und Sachschaden nur am Kraftfahrzeug des Beschuldigten selbst eingetreten ist, besteht keine Mitwirkungsverpflichtung iSd § 4
Abs 1 lit c StVO (vgl VwGH 20.04.2001, 99/02/0176).

Umgelegt auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass für den Beschwerdeführer eine Mitwirkungsverpflichtung iSd § 4 Abs 1 lit c StVO erst dann entstanden ist, als er (um 16.50 Uhr) von einer Polizeistreife von der L** abgeleitet und einer Amtshandlung unterzogen wurde. Indem er dann unter anderem den Alkovortest durchgeführt hat, war es durchaus möglich, seine körperliche und geistige Verfassung zum Unfallzeitpunkt festzustellen. Das vor dem Einschreiten der Polizei bereits erfolgte Verlassen der Unfallstelle kann dem Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der oben dargestellten Judikatur nicht zum Vorwurf gemacht werden, sodass der diesbezügliche Schuldvorwurf ins Leere geht.

Indem der Beschwerdeführer einen Straßenleitpflock und eine Leitschiene beschädigt hat, bestand für ihn die Verpflichtung gemäß § 31 Abs 1 StVO, ohne unnötigem Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder die Straßenerhalter zu verständigen. Dieser Verständigungspflicht wurde jedenfalls nicht in einem ausreichenden Ausmaß entsprochen, wobei die Umstände des gegenständlichen Falles im Rahmen der Strafbemessung zu berücksichtigen waren.

Die unter den Spruchpunkten 3. bis 7. angeführten Fahrzeugmängel waren für den Beschwerdeführer eindeutig erkennbar. Es handelte sich hierbei um erhebliche Mängel, welche im konkreten Fall auch ausreichend genau umschrieben wurden, auf Grund derer der Beschwerdeführer nicht mehr weiterfahren hätte dürfen.

In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug unmittelbar nach dem Verkehrsunfall bereits auf eine Fläche neben der Fahrbahn gebracht hatte und somit aus Gründen der Verkehrssicherheit jedenfalls keine Veranlassung bestand, das Fahrzeug nochmals in Gang zu setzen und dann in Schrittgeschwindigkeit auf der L ** in Richtung Süden zu lenken. Dass der Beschwerdeführer das Fahrzeug nach dem zunächst erfolgten Abstellen beim Kilometrierungspunkt 4,150 nochmals gelenkt hat, stellt einen groben Sorgfaltsverstoß dar.

In Bezug auf die Verwendung des Z Probefahrtkennzeichens ist zu beachten, dass
§ 82 Abs 1 KFG vorsieht, dass ausländische Probefahrtkennzeichen für die Dauer der Gültigkeit dieser Kennzeichen unter den in § 82 Abs 1 KFG näher genannten Voraussetzungen anzuerkennen sind. Insofern hatte die Beschwerde in diesem Punkt Erfolg.

VI.  Strafbemessung:

In Bezug auf den Vorwurf, dass mit dem Straferkenntnis eine höhere Strafe als mit der Strafverfügung verhängt wurde, ist festzuhalten, dass sich das in § 49 Abs 2 letzter Satz VStG normierte Verbot der reformatio in peius auf jede einzelne Übertretung und die dafür verhängte Strafe bezieht und nicht auf den sich durch Addition der Strafen ergebenden Gesamtbetrag. Es liegt daher diesbezüglich keine Rechtswidrigkeit vor.

Hinsichtlich Spruchpunkt 2. ist zu beachten, dass die Beschädigung der Straßenleiteinrichtung verhältnismäßig gering war und deren Funktion im Wesentlichen aufrecht blieb. Weiters sind die zeitlichen Aspekte und das im Vordergrund stehende Interesse der Räumung der Unfallstelle zu berücksichtigen. Allerdings darf auch nicht außer Betracht bleiben, dass letztlich die Polizisten den genauen Unfallort ermitteln mussten und die Beschädigung feststellten. Im Hinblick auf diese Umstände und unter Berücksichtigung des Milderungsgrundes der Unbescholtenheit war die diesbezüglich verhängte Strafe herabzusetzen.

Hinsichtlich der Strafen betreffend die Fahrzeugmängel ist zu beachten, dass diese Mängel erheblich waren, die Verkehrssicherheit massiv beeinträchtigt wurde und ein erhebliches Verschulden vorliegt.

Im Hinblick auf den hiebei zur Verfügung stehenden Strafrahmen, bei einer Bestrafung bis zu Euro 5.000,00 erscheinen die verhängten Geldstrafen nicht überhöht und lassen sich diese auch mit dem Milderungsgrund der Unbescholtenheit und den angenommenen durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in Einklang bringen.

VII. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher wie im Spruch ausgeführt zu entscheiden.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

Hinweis:

Rechtskräftig verhängte Geldstrafen (sowie Verfahrenskostenbeiträge) sind bei der Behörde einzubezahlen (vgl § 54b Abs 1 VStG).

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Stöbich

(Richter)

Schlagworte

reformatio in peius; ausländisches Probefahrtkennzeichen; Strafe in Erkenntnis höher als in Strafverfügung; Mitwirkungsverpflichtung Verkehrsunfall;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.20.1738.3

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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