TE Lvwg Erkenntnis 2018/1/10 LVwG-2017/24/1489-1

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Veröffentlicht am 10.01.2018
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Entscheidungsdatum

10.01.2018

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VVG §3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seine Richterin Dr. Voppichler-Thöni über die Beschwerde der AA GmbH, Adresse 1, Z, Y, vertreten durch RA Mag. BB, Adresse 2, X, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 24.04.2017, Zahl ****,

zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt, Beschwerdevorbringen:

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 09.11.2015, Zl ****, wurde die Beschwerdeführerin gem § 7m Abs 2 und Abs 3 AVRAG zur Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von Euro 12.000 verpflichtet. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin im Sinne § 7o Abs 1 AVRAG (Abgabestelle: auswärtige Arbeitsstätte) als besondere Abgabestelle zugestellt. Der Bescheid wurde laut dem im Akt befindlichen Rückschein von einem Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin - CC -, der offensichtlich auch zur Annahme bereit war, entgegen genommen. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin nachträglich mit E-Mail vom 25.05.2015 übermittelt.

Da die Beschwerdeführerin die auferlegte Sicherheitsleistung nicht erbrachte, wurde sie mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft W vom 11.05.2016 gemahnt. Darin wurde die Vollstreckbarkeit des genannten Bescheides behauptet und der Beschwerdeführerin die Hereinbringung durch Exekution angedroht.

Mit Eingabe vom 05.07.2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung.

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft W vom 24.04.2017, Zl ****, wurde der von der Firma AA GmbH mit Sitz in der Adresse 1, Z bzw. von deren rechtsfreundlichen Vertretung RA Mag. BB, bei der Bezirkshauptmannschaft W eingebrachten Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung, Zahl ****, wird gemäß § 7 Abs 5 Exekutionsordnung als unzulässig zurückgewiesen. Begründend führte die Erstbehörde aus, dass Anträge auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung beim zuständigen Exekutionsgericht einzubringen wären und die Bezirkshauptmannschaft W kein Exekutionsgericht sei.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben und darin ausgeführt wie folgt:

„In umseits bezeichneter Rechtssache erstattet der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 24.4.2017 zu **** der Bezirkshauptmannschaft W, der Beschwerdeführerin zugestellt am 8.5.2017, nachstehende

B E S C H W E R D E :

Der Bescheid wird seinem ganzen Inhalt nach angefochten.

Sachverhalt:

Die belangte Behörde hat mit Bescheid vom 09.11.2015 zur selben Geschäftszahl der Beschwerdeführerin aufgetragen, eine Sicherheitsleistung von € 12.000 binnen zwei Wochen nach Erhalt des Bescheides zu überweisen.

Die Beschwerdeführerin erhielt Kenntnis von dem genannten Bescheid dadurch, dass ihr die belangte Behörde eine Mahnung übermittelte, die den Bescheid näher spezifizierte und die die Feststellung enthielt: Der Bescheid ist rechtskräftig und vollstreckbar (siehe Beilage 71).

Mit Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 05.07.2016 hinsichtlich des genannten Bescheides hat die Beschwerdeführerin den entsprechenden Antrag gestellt und näher dargetan, dass ihr dieser Bescheid nie rechtswirksam zugestellt wurde und die mittlerweile ausgestellte Rechts- und Vollstreckbarkeitsbestätigung daher zu Unrecht erfolgte.

Mit Schreiben vom 06.07.2016 teilte die belangte Behörde der Beschwerdeführervertreterin mit, dass die Zustellung sehr wohl rechtswirksam erfolgte, da gern § 7o AVRAG die Baustelle als Abgabestelle angesehen werden kann.

Mit Eingabe vom selben Tag legte die Beschwerdeführerin dar, dass auch die Bestimmung des § 7o AVRAG keine Rechtsgrundlage für eine wirksame Zustellung des gegenständlichen Bescheides biete und wiederholte den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung hinsichtlich des Bescheides vom 09.11.2015 zu GZ **** und beantragte die bescheidmäßige Erledigung.

Nach einem knappen halben Jahr erließ die belangte Behörde einen (dem angefochtenen Bescheid gleichlautenden) Bescheid und wies den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung gern § 7 Abs 5 EO als unzulässig zurück. Der Bescheidadressat war (unrichtigerweise) nicht die Beschwerdeführerin als Antragstellerin, sondern Herr DD.

Die dagegen (namens der Beschwerdeführerin) erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Tirol mit Beschluss vom 22.2.2017 zur GZ LVwG- **** als unzulässig zurück und begründete dies unter anderem damit, dass die Beschwerdeführerin nicht beschwerdelegitimiert gewesene wäre. Nachdem diese Begründung richtig war, lies die Beschwerdeführerin den Beschluss auch unbekämpft.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde nun den Antrag auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung gern § 7 Abs 5 EO auch gegenüber der Beschwerdeführerin als unzulässig zurück und führte erneut begründend aus, dass solche Anträge beim zuständigen Exekutionsgericht einzubringen sind. Wenn sie nicht beim zuständigen Gericht eingebracht werden, sind diese zur Erledigung weiterzuleiten. Da es sich bei der belangten Behörde um kein Exekutionsgericht handelt und diese auch bis dato die zuständige Behörde in Y nicht um Verfahrenshilfe ersuchte, kann der Antrag nicht weitergeleitet werden.

1)   Begründung:

Der Bescheid ist mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge von Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet.

Zuständigkeit

Auf welche Fassung der Exekutionsordnung die belangte Behörde zurückgriff, ist der Beschwerdeführerin nicht erklärlich, die Bestimmung des § 7 Abs 5 lautet nämlich wie folgt:

Mit dem Antrag auf Aufhebung der Bestätigung kann der Antrag auf Einstellung (§ 39 Z 9) oder auf Aufschiebung (§ 42 Abs 2) verbunden werden; diese Anträge sind, wenn sie nicht beim Exekutionsgericht gestellt werden, an diese zur Erledigung zu leiten.

Der Wortlaut dieser Bestimmung (im Übrigen in Kraft getreten am 01.01.1995) bezieht sich völlig eindeutig lediglich auf gleichzeitige Anträge auf Einstellung oder Aufschiebung der Exekution. Dies hat mit dem gegenständlichen Antrag nichts zu tun und ist diese Bestimmung daher völlig irrelevant.

Der Blick einige Zeilen weiter in Richtung Abs 4 des § 7 EO zeigt folgendes: ist die Bestätigung der Vollstreckbarkeit für einen der in § 1 Z 3 oder im § 3 Abs 2 des Gesetzes vom 21.07.1925 BGBl Nr. 276, angeführten Exekutionstitel gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden, so sind Anträge auf Aufhebung der Bestätigung bei jener Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.

Bei dem Gesetz vom 25.07.1925 BGBl Nr. 276 handelt es sich um das W G . Exekutionstitel gern § 3 Abs 2 sind verwaltungsbehördliche Exekutionstitel (wie der vorliegende gegenständliche Bescheid vom 9.11.2015). § 7 Abs 4 EO besagt sohin, dass für die Aufhebung der zu einem verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel erteilte Vollstreckbarkeitsbestätigung jene Behörde zuständig, von der der Exekutionstitel stammt (vgl zB auch Jakusch in Angst2, Kommentar zur EO, § 7 EO, Rz 108c).

Die belangte Behörde ist somit für die Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung hinsichtlich des Bescheides vom 9.11.2015 zuständig.

Die belangte Behörde hat daher zu Unrecht den Antrag zurückgewiesen und den Bescheid sohin mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

Vorliegen einer Vollstreckbarkeitsbestätigung

Die Vollstreckbarkeitsbestätigung ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kein Bescheid, sondern eine bloße Beurkundung („eine in Form einer Bestätigung ergehende Rechts- und Tatsachenauskunft“) (vgl. VwGH 99/05/0254 mwN).

Im vorliegenden Fall erlässt die belangte Behörde als Titelbehörde eine Mahnung, bezeichnet darin den Bescheid konkret und hält mittig und fett fest:

Der Bescheid ist rechtskräftig und vollstreckbar.

Der Rechtscharakter dieser Feststellung ist eindeutig. Es handelt sich gerade um eine Beurkundung von (übrigens unrichtigen) Tatsachen in Form einer Rechts- und Tatsachenauskunft. Es wird eben von der zuständigen Behörde bestätigt, dass ein bestimmter Bescheid rechtkräftig und vollstreckbar ist.

Eine Vollstreckbarkeitsbestätigung bedarf weder eines Antrags an die Vollstreckungsbehörde (diese ist nur die Voraussetzung dafür, dass überhaupt ein solcher Antrag gestellt werden kann) noch einer Anbringung auf dem Bescheid selbst.

Nachdem die Behörde die Tatsache, dass (nach ihrer Ansicht) der konkret bezeichnete Bescheid rechtskräftig und vollstreckbar ist, auf der Mahnung beurkundete, erließ sie eine Vollstreckbarkeitsbestätigung, auf deren Aufhebung der gegenständliche Antrag gerichtet ist.

Keine Entscheidung in der Sache selbst

Die belangte Behörde hat den Bescheid auch mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb belastet, weil sie sich mit dem Antrag nicht materiell auseinandersetzte und auch kein Verfahren darüber abführte.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die belangte Behörde nämlich bereits längst die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung aufheben müssen:

Keine wirksame Zustellung

Die Beschwerdeführerin ist ein Bauunternehmen, das diverse Bauleistungen, unter anderem in Österreich und zwar an verschiedenen Einsatzorten, durchführt. Im fraglichen Zeitraum (zweite Hälfte des Jahres 2015) war sie an mehreren Projekten in X, Salzburg und Linz tätig, unter anderem auch an der Baustelle „Neubau- V“. Die Beschwerdeführer hat im Zeitraum Juli 2015 bis September 2015 die Firma EE mit der Durchführung diverser Subleistungen beauftragt.

Festzuhalten ist, dass es sich an diesem Ort lediglich um eine Baustelle handelt. An dieser Baustelle war kein Büro der Beschwerdeführerin eingerichtet. Die von ihr beschäftigten Mitarbeiter, die jedoch auch nicht regelmäßig an dieser Baustelle tätig waren, verfügten lediglich über einen Bausteilen-Container zum Zwecke der Pausenerholung und zur Aufbewahrung der Arbeitskleidung. Ein Büro bzw. eine ähnliche Büroinfrastruktur mit PC oder Fax oder ähnlichem, war überhaupt nicht vorhanden.

Der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin selbst hat die Baustelle im gesamten Zeitraum nur ein bis zwei Mal aufgesucht, zumal er mit weiteren Projekten in Österreich beschäftigt war und die gegenständliche Baustelle auch ungünstig gelegen ist.

Wie der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin erst durch die Übermittlug einer Mahnung zur Erfüllung des genannten Bescheides erfuhr, soll der Bescheid angeblich an die Baustelle, wo sich keine feste Einrichtung befand, zugestellt bzw. dort einem Mitarbeiter übergeben worden sein.

Fest steht, dass dem Geschäftsführer der Beschwerdeführerin nicht bekannt ist, ob sich dies tatsächlich so zugetragen hat, jedenfalls wurde der Bescheid nie an den Geschäftsführer der Beschwerdeführerin übergeben.

Rechtlich folgt daraus folgendes:

Gemäß § 13 ZustG ist ein behördliches Dokument dem Empfänger an der Abgabestelle zuzustellen. Gemäß § 13 Abs 3 ZustG ist das Dokument, wenn es sich beim Empfänger um keine natürliche Person handelt, einem zur in Empfangnahme befugten Vertreter zuzustellen.

Nach ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist ein solcher Empfänger nach § 13 Abs 3 ZustG der Geschäftsführer der GmbH, im vorliegenden Fall also Herr DD.

Als Abgabestelle gemäß § 2 Z 4 ZustG wird die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder auch der Arbeitsplatz des Empfängers definiert.

Im gegenständlichen Fall versuchte die Behörde offenbar eine Zustellung an die Baustelle vorzunehmen. Dabei handelt es sich zweifelsohne weder um eine Wohnung oder sonstige Unterkunft der Beschwerdeführerin bzw. des Geschäftsführers, noch um einen Geschäftsraum, noch um eine Kanzlei.

Unter einer Betriebstätte wird nach stRsp jene feste räumliche in sich abgeschlossene Einheit angesehen, in der der Empfänger eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit regelmäßig und andauernd ausübt. Nach der Rsp muss der Empfänger an der Betriebstätte den Schwerpunkt seiner Tätigkeit haben und sich dort regelmäßig aufhalten, bzw. die Betriebstätte in regelmäßigen Abständen aufsuchen.

Die Baustelle entspricht der Definition einer Betriebstätte nicht. Zum einen handelt es sich um keine feste räumliche in sich abgeschlossene Einheit. Zum anderen hält sich der Geschäftsführer dort nicht regelmäßig auf.

Dasselbe gilt übrigens auch für einen Geschäftsraum. Um einen Arbeitsplatz kann es sich auch nicht handeln, da es sich bei einem solchen um eine feste Arbeitsstätte eines selbständig oder unselbstständig Erwerbstätigen handelt. Es muss sich um eine Stelle handeln, an der der Empfänger tatsächlich beschäftigt ist, was auch hier aus den angeführten Gründen nicht der Fall ist.

Zusammengefasst ist daher festzuhalten, dass die Baustelle keiner der Definitionen einer Abgabestelle gemäß § 2 Z 4 ZustG entspricht. Damit wurde nicht an einer Abgabestelle zugestellt.

Zur Sicherheit wird festgehalten, dass auch keine Ersatzzustellung nach § 16 ZustG in Frage kommt.

Zum einen wird festgehalten, dass gemäß § 16 Abs 1 ZustG das Dokument an einen Ersatzempfänger zugestellt werden kann, wenn das Dokument dem Empfänger nicht zugestellt werden kann und an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend ist, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Zudem gilt die Ersatzzustellung gemäß § 16 Abs 5 dann als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zusteller Kenntnis erlangen konnte.

Zunächst scheitert die Ersatzzustellung schon daran, dass auch die Ersatzzustellung eine Abgabestelle voraussetzt. Nachdem es sich bei der Baustelle um keine Abgabestelle handelt, scheidet auch eine Ersatzzustellung aus.

Zudem ist festzuhalten, dass sich der Geschäftsführer (also der Empfänger) gemäß § 13 Abs 3 ZustG fast nie an der Baustelle befunden hat und jedenfalls auch nicht mehr nach November 2015, zumal im November 2015 die Baustelle zu Ende ging. Es kann daher nie (selbst wenn eine Ersatzzustellung grundsätzlich zulässig wäre, was jedoch nicht der Fall ist) eine Heilung eintreten worden sein, da der Geschäftsführer nie an die vermeintliche Abgabestelle, die ohnehin keine ist, zurückkehrte.

Auch die Bestimmung des § 7o AVRAG bietet keine Rechtsgrundlage für eine wirksame Zustellung des gegenständlichen Bescheides.

Arbeitsstätte liegt schon deshalb nicht vor, weil sich - wie ausgeführt - an der Baustelle keine feste Einrichtung befand.

Selbst wenn die Baustelle als Abgabestelle im Sinne des § 7o AVRAG in Frage käme, scheitert die Anwendbarkeit hinsichtlich der Beschwerdeführerin schon daran, dass es sich um eine Arbeitsstätte handeln muss, an dem die / der Arbeitnehmer tätig sind.

Dabei bezieht sich die Bestimmung nicht auf die Arbeitnehmer des zur Sicherheitsleistung Verpflichteten, sondern auf die betroffenen Arbeitnehmer im Sinne des AVRAG. Somit begründet die Tatsache, dass sich gewisse Mitarbeiter der Beschwerdeführerin an der Baustelle befanden, keine Abgabestelle im Sinne des § 7o AVRAG hinsichtlich der Beschwerdeführerin.

Schließlich ist aber auch bei § 7o AVRAG entscheidend, dass sich die Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter im Sinne des § 13 Abs 3 ZustG und somit der Geschäftsführer, an der Abgabestelle regelmäßig aufhält, was jedoch nicht der Fall ist (siehe oben).

Der letzte Satz des § 7o Abs 1 bietet zwar hinsichtlich des regelmäßigen Aufenthalts eine Ausnahme; der regelmäßigen Aufenthalts ist aber nur dann nicht erforderlich, wenn dem im § 7b Abs 1 Z 4 bezeichneten Beauftragen zugestellt wird.

Diejenige Person, an den die Zustellung erfolgt sein sollte, war aber keine solche Person im Sinne § 7b Abs 1 Z 4. Die Person hätte höchstens ein Ersatzempfänger sein können, wobei die Ersatzzustellung aber aus den genannten Gründen ausscheidet.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass

(i)      keine Abgabestelle im Sinne des Zustellgesetzes vorliegt,

(ii) keine Abgabestelle im Sinne des § 7o Abs 1 AVRAG vorliegt, da die

Beschwerdeführerin insbesondere keine Arbeitnehmer im Sinne des § 7o Abs 1

AVRAG an der Baustelle beschäftigte.

(iii)   Selbst wenn es sich um eine Abgabestelle im Sinne des § 7o Abs 1 AVRAG handeln sollte, was jedoch nicht zutrifft, scheitert eine wirksame Zustellung am nicht regelmäßigen Aufhalten des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin auf dieser Baustelle, zumal der letzte Satz des § 7o Abs 1 lediglich dann das Erfordernis des regelmäßigen Aufenthalts ausschließt, wenn die Zustellung an einen Beauftragten im Sinne des § 7b Abs 1 Z 4 AVRAG erfolgt, was jedoch im vorliegenden Fall nicht der Fall war.

Aus all dem ergibt sich, dass der Bescheid nie wirksam zugestellt wurde und die Rechtskraft- und Vollsteckbarkeitsbestätigung daher zu Unrecht erfolgte.

Beweis:         Einvernahme des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin DD, p.A. Beschwerdeführerin ZV FF, p.A. Beschwerdeführerin

2)   Anträge:

Die Beschwerdeführerin stellt daher die

A N T R Ä G E ,

1)       eine mündliche Verhandlung anzuberaumen

2)      der Beschwerde Folge zu geben, dem Antrag vom 05.07.2016 stattzugeben und die Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung hinsichtlich des Bescheides vom 09.11.2015 zu GZ **** der Bezirkshauptmannschaft W aufzuheben.

AA GmbH“

II.      Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich in unbedenklicher Weise aus dem verwaltungsbehördlichen Akt, dabei insbesondere aus dem im Akt erliegenden Rückschein. Nach Durchsicht des gesamten Aktes konnte nirgends eine Bestätigung der belangten Behörde über die Vollstreckbarkeit der Strafverfügung vom 10.02.2016 gefunden werden.

III.    Rechtliche Grundlagen:

Die im gegenständlichen Verfahren maßgebende Bestimmung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 – VVG, BGBl Nr 53/1991, idF BGBl I Nr 33/2013, lautet wie folgt:

§ 3

(2) Der Vollstreckungstitel muss mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung). Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 der Exekutionsordnung – EO, RGBl. Nr. 79/1896, sind bei der Stelle zu erheben, von der der Vollstreckungstitel ausgegangen ist.

Die im gegenständlichen Verfahren maßgebende Bestimmung der Exekutionsordnung – EO, RGBl Nr 79/1896, idF BGBl I Nr 122/20017, lautet wie folgt:

§ 7

(4) Ist die Bestätigung der Vollstreckbarkeit für einen der im § 1 Z 13, oder im § 3 Absatz 2, des Gesetzes vom 21. Juli 1925, B. G. Bl. Nr. 276, angeführten Exekutionstitel gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt worden, so sind Anträge auf Aufhebung der Bestätigung bei jener Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.

IV.      Das Landesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:

Zunächst ist festzuhalten, dass gem § 24 Abs 4 VwGV von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Der verfahrensrelevante Sachverhalt steht nach Ansicht des erkennenden Gerichtes fest. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu erwarten gewesen wäre. Eine Beschränkung der Verteidigungsrechte des Beschwerdeführers durch den Entfall der mündlichen Verhandlung war nicht ersichtlich. Da Artikel 6 EMRK dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen stand, durfte die Entscheidung ohne Durchführung einer solchen gefällt werden.

Gemäß § 3 Abs 1 VVG ist die Verpflichtung zu einer Geldleistung in der Weise zu vollstrecken, dass die Vollstreckungsbehörde durch das zuständige Gericht nach den für das gerichtliche Exekutionsverfahren geltenden Vorschriften die Eintreibung veranlasst. In diesem Fall schreitet die Vollstreckungsbehörde namens des Berechtigten als betreibender Gläubiger ein. Dabei muss gemäß § 3 Abs 2 VVG der Vollstreckungstitel mit einer Bestätigung der Stelle, von der er ausgegangen ist, oder der Vollstreckungsbehörde versehen sein, dass er einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht mehr unterliegt (Vollstreckbarkeitsbestätigung).

Diese Vollstreckbarkeitsbestätigung wäre allerdings gemäß § 7 Abs 3 EO aufzuheben, wenn sich erweist, dass die Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels zu Unrecht angenommen wurde. Ein solcher Fall liegt etwa vor, wenn ein (nicht geheilter) Zustellmangel gegeben ist.

Die Vollstreckbarkeitsbestätigung ist nach herrschender Lehre und Rechtsprechung kein Bescheid, sondern eine bloße Beurkundung ("eine in Form einer Bestätigung ergehende Rechts- und Tatsachenauskunft"). Auch wenn Vollstreckbarkeitsbestätigungen keine Bescheide darstellen (vgl VwGH vom 18.11.1949, 1255/49, VwSlg 1098 A/1949), hat aber der Abspruch über einen Antrag auf Erteilung derselben, wenn deren Ausstellung - im begehrten Umfang - verweigert wird, bescheidmäßig zu erfolgen, weil hiedurch die Rechtsstellung der Parteien für das Vollstreckungsverfahren gestaltet wird (vgl VwGH 30.10.1990, 88/04/0147). Gleichfalls hat die Titelbehörde (hier: Bezirkshauptmannschaft W) über Anträge auf Aufhebung einer Bestätigung der Vollstreckbarkeit eines Exekutionstitels mit Bescheid zu entscheiden (vgl VwGH 25.06.1996, 95/09/0215, 28.03.2000, 99/05/0254 ua; siehe auch Larcher, Vollstreckung im Verwaltungsrecht, Rz 93, 94).

Im Ergebnis irrt somit die belangte Behörde, wenn sie ausführt, dass sie für Anträge auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht zuständig sei.

Da die Bezirkshauptmannschaft W sehr wohl für Anträge auf Aufhebung der Rechtskraft- und Vollsteckbarkeitsbestätigung im Sinne der oben angeführten Judikatur zuständig, war spruchgemäß zu entscheiden.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und auf die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Voppichler-Thöni

(Richterin)

Schlagworte

Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung; Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2018:LVwG.2017.24.1489.1

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2018
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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