Entscheidungsdatum
10.01.2018Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
ASVG §4 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Rosenkranz über die Beschwerde des Herrn AA, vertreten durch B Rechtsanwälte OG, Hon.-Prof. Dr. BB, Dr. CB, Rechtsanwälte, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 14.09.2016, Zl ****, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung,
zu Recht erkannt:
1. Gemäß § 50 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
2. Gemäß § 52 Abs 1 und 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 20 % der verhängten Geldstrafe, das sind Euro 146,00, zu bezahlen.
3. Gegen diese Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer nachstehender Sachverhalt zur Last gelegt:
„Sehr geehrter Herr AA,
Sie sind handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der DD GmbH (welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der EE GmbH & Co KG ist) mit Sitz der Unternehmensleitung in Y, Adresse 2.
In dieser Eigenschaft haben Sie es zu verantworten, dass die EE GmbH & Co KG als Dienstgeberin entgegen § 33 Abs. 1 ASVG ihrer Verpflichtung, einen in der Krankenversicherung (Vollversicherung) pflichtversicherten, beschäftigten Dienstnehmer vor Arbeitsantritt bei der örtlich zuständigen Gebietskrankenkasse anzumelden, nicht nachgekommen ist. Die zuvor angeführte Unternehmung hat den Dienstnehmer,
Herrn FF, geb. xx.xx.xxxx,
in der Zeit von 05.11.2014 bis 26.01.2015 als Zeitungszusteller im Rahmen ihrer Unternehmung in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen (ein die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG übersteigendes) Entgelt beschäftigt, ohne diesen Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger (GG, Adresse 3, Y) angemeldet zu haben.
Sie, Herr AA, haben dadurch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der DD GmbH, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der EE GmbH & Co KG ist und die im gegenständlichen Fall Dienstgeberin war, folgende Verwaltungsübertretung begangen:
§111 Abs. 1 Ziff. 1 (erster Fall) iVm § 33 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, i. d. g. F.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Euro falls diese uneinbringlich ist, gemäß §
Ersatzfreiheitsstrafe von
730,00 3 Tagen 111 Abs. 2 ASVG
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes zu zahlen:
73,00 Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 %
der Strafe
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe / Kosten / Barauslagen) beträgt daher:
803,00 Euro“
Gegen dieses Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben und darin ausgeführt wie folgt:
„In umseits bezeichneter Rechtssache wurde mir das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 14.9.2016 zu ZI. **** am 16.9.2016 persönlich zugestellt. Hiergegen erhebe ich nachstehende
BESCHWERDE
an das Verwaltungsgericht Tirol. Das Straferkenntnis wird in seinem gesamten Umfang angefochten. Es liegen sowohl Verfahrensmängel als auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor. Es ist insbesondere zu beachten, dass im Verwaltungsstrafverfahren der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit (§§ 37 und 39 AVG, § 25 VStG) gilt, welchem die Behörde nicht hinreichend nachgekommen ist.
1.
In dem Straferkenntnis wird mir zur Last gelegt, ich sei als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als nach außen berufenes Organ der DD GmbH, welche unbeschränkt haftende Gesellschafterin der EE GmbH & Co KG ist (nachfolgend kurz EE), mit Sitz der Unternehmensleitung in Y, Adresse 2, dafür verantwortlich, dass letztgenannte Gesellschaft als Dienstgeberin Herrn FF, geb. xx.xx.xxxx, in der Zeit von 5.11.2014 bis 26.1.2015 als Zeitungszusteller in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit beschäftigt habe, ohne diesen Dienstnehmer vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet zu haben. Hiervon ausgehend soll ich gegen § 111 Abs 1 Z 1 iVm § 33 ASVG verstoßen haben.
Ein mir zurechenbarer Verstoß liegt jedoch nicht vor, da der objektive Tatbestand nicht erfüllt ist, wie mich auch an einer allfällig rechtswidrigen Tat kein Verschulden trifft.
Beweis: meine Einvernahme.
2.
Die Bürgermeisterin der Stadt Y verweist zutreffend darauf, dass gegen den weiteren Geschäftsführer der DD GmbH, Herrn Mag. JJ, betreffend der Übertretung der Meldepflichten nach dem ASVG bezüglich die Beschäftigung von Herrn FF im Zeitraum 5.11.2014 bis 26.1.2015 durch die EE GmbH & Co KG ebenfalls ein Strafverfahren zu ZL. **** eingeleitet wurde. Gegen das Straferkenntnis der Bürgermeisterin der Stadt Y vom 7.1.2016 hat dieser am 8.2.2016 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben. Dieses hat nach Einvernahme von Mag. JJ und Herrn KK - nicht jedoch des Zustellpartners, Herrn FF - der Beschwerde keine Folge gegeben. Der Bürgermeisterin ist daher zuzubilligen, dass Herr Mag. JJ durch das Erkenntnis des LVwG Tirol vom 26.7.2016 rechtskräftig bestraft wurde. Gegen das Erkenntnis des LVwG Tirol hat jedoch Herr Mag. JJ am 9.9.2016 außerordentliche Revision an den VwGH erhoben. Eine Entscheidung über die Zulässigkeit und Berechtigung des Rechtsmittels steht noch aus.
Beweis: außerordentliche Revision von Mag. JJ vom 9.9.2016.
3.
Der Umstand, dass Herr Mag. JJ wegen der Beauftragung von Herrn FF mit der Zustellung von Zeitungen im Zeitraum 5.11.2014 bis 26.1.2015 nach § 111 Abs 1 Z 1 iVm § 33 Abs 1 Z 1 ASVG rechtskräftig bestraft wurde, entbindet die belangte Behörde gegenständlich nicht, ein den gesetzlichen Vorgaben entsprechendes Ermittlungsverfahren durchzuführen. Mangels Parteienidentität in den jeweiligen Verwaltungsstrafverfahren liegt nämlich keine „Bindungswirkung" an die Entscheidung des LVwG Tirol vor. Gemäß den §§ 37und 39 AVG sowie § 25 VStG wäre die belangte Behörde daher verpflichtet gewesen, Beweise amtswegig aufzunehmen, diese zu würdigen und sohin einen konkreten Sachverhalt festzustellen, welcher dann einer rechtlichen Beurteilung zu unterziehen gewesen wäre. Dies alles hat die Bürgermeisterin der Stadt Y unterlassen, weshalb das Straferkenntnis infolge der massiven Gesetzesverstöße jedenfalls aufzuheben sein wird.
Beweis: meine Einvernahme.
4.
Nachdem ich in meinen verfassungsgewährleisteten Rechten auf ein faires Verfahren und durch die Willkür der Behörde in meinem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger verletzt wurde, wird wiederum ausschließlich das LVwG Tirol „Tatsacheninstanz" sein, dessen Beweiswürdigung keiner Prüfung einer übergeordneten Instanz mehr unterliegt. Ungeachtet dessen, dass es keiner weiteren Ausführungen zur Unrechtmäßigkeit des angefochtenen Straferkenntnisses bedürfte, ist es zweckmäßig, dass ich in der Sache selbst ein ausführliches Beschwerdevorbringen erstatte. Zweckmäßigerweise ist voranzustellen, dass Mag. JJ in seiner ao Revision an den VwGH insbesondere nachstehende Argumente geltend gemacht hat:
- Das Verfahren des LVwG Tirol ist mangelhaft (§§ 37, 39 AVG und 25 VStG). Insbesondere ist dieses hinsichtlich nachstehender, maßgeblicher Sachverhaltselemente ergänzungsbedürftig: Denn Herr(n) FF
o trug selbst das unternehmerische Risiko der erfolgreichen Erfüllung des Vertrags und erfüllte den Vertrag nach eigenen Vorstellungen;
o unterlag keinerlei persönlichen Weisungen ;
o unterlag keinem Konkurrenzverbot und konnte zeitgleich für unmittelbare Konkurrenzunternehmen als Vertriebspartner tätig werden;
o war es unbenommen, zur Gewinnmaximierung mehrere (freie) Gebiete zu betreuen, wodurch er ein höheres Honorar erzielen konnte;
o hat für die Erfüllung des Vertrags ein eigenes Fahrzeug auf eigene Kosten und eigenes Risiko bereitgestellt, welches er auch in sein Betriebsvermögen eingebracht hat. Ohne Zuhilfenahme eigener Betriebsmittel wäre die Erfüllung des Vertrags nicht möglich gewesen.
- Das LVwG Tirol hat einen unzutreffenden Sachverhalt festgestellt, da keine Beweise vorliegen, welche auf die Annahme einer Kontrolle der Ausführung der geschuldeten Tätigkeit durch Mitarbeiter der EE schließen lassen. Vielmehr wäre aufgrund der übereinstimmenden Aussagen von Mag. JJ und Herrn KK gerade das Gegenteil - also dass Herr FF hinsichtlich der Ausführung der Tätigkeit nicht weisungsunterworfen war - festzustellen gewesen;
- Dass unter Zugrundelegung des festzustellenden Sachverhalts das Erkenntnis des LVwG Tirol von der stRsp des VwGH abweicht, da die gegenständlich sozialversicherungsrechtlich relevanten Sachverhaltselemente ident mit jenen des dem Erkenntnis des VwGH vom 28.2.2012, ZI. 2009/09/0128 zu Grunde liegenden sind, in welchem das Höchstgericht ausgesprochen hat, dass kein arbeitnehmerähnliches Vertragsverhältnis iSd § 2 Abs 2 AuslBG zwischen einem Zeitungszusteller und einem konzernintern verbundenen Zeitungsvertriebsunternehmen Vorgelegen ist (vgl. zudem VwGH 6.11.2012, ZI. 2012/09/0009, VwGH 23.4.2013, ZI. 2010/09/0050; VwGH 23.5.2013, ZI. 2012/09/0008);
- Die Anwendung von „branchenfremden Stehsätzen" des VwGH aus rechtsstaatlichen Erwägungen höchst bedenklich ist;
- Die nach Ansicht des VwGH entscheidungsrelevanten Faktoren, ob das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt wurde, mit welchen konkreten Betriebsmitteln der Zustellpartner den Vertrag erfüllt und ob bzw über wie viele weitere Auftraggeber der Zustellpartner verfügt hat, sind von der EE als Auftraggeberin nicht beeinflussbar. Sie stehen nicht in der (Mit-)Gestaltung der EE und können daher für die Abgrenzungsfrage auch nicht entscheidend sein;
- Das LVwG Tirol hat gegen den in Verwaltungsstrafverfahren geltenden Grundsatz in dubio pro reo verstoßen. Betreffend die Qualifikation der Vertragsverhältnisse von Zeitungszustellern liegen mehrere unterschiedliche (höchst)gerichtliche Entscheidungen vor. Nun ist es für den Rechtsunterworfenen unmöglich, das Ergebnis vorherzusehen, wenn Verwaltungsbehörden und -gerichte bei durchaus gleich gelagerten Fällen zu gänzlich unterschiedlichen Rechtsansichten kommen. Dies wiegt umso schwerer, als es sich gegenständlich um ein Verwaltungsstrafverfahren handelt, in welchem der Grundsatz in dubio pro reo gilt. Dass die belangte Behörde aufgrund des mangelhaft festgestellten - sofern ein solcher überhaupt festgestellt wurde - Sachverhalts eine Verwaltungsstrafe verhängt, ist daher mit rechtsstaatlichen Grundsätzen unvereinbar. Mangels Vorliegens der für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung erforderlichen Gewissheit, dass ich die mir angelastete Verwaltungsübertretung objektiv und subjektiv tatsächlich begangen habe, wäre das Strafverfahren zumindest im Zweifel einzustellen gewesen.
Nachdem mir das Erkenntnis des LVwG Tirol bekannt ist, werde ich auf die zuvor genannten und erneut zu erwartenden Entscheidungserwägungen des LVwG Tirol unter Bedachtnahme auf das Revisionsvorbingen von Mag. JJ „vorsorglich" eingehen:
Beweis: wie bisher.
5. Sachverhalt
Die Vertragsverhältnisse der EE mit Zeitungszustellern sind derart gestaltet, dass sich jeder Zustellpartner verpflichtet, eine bestimmte Anzahl an Zeitungen an Abonnementbezieher in dem jeweils vereinbarten Gebiet bis zu einer bestimmten Uhrzeit zu verteilen. Herr FF verantwortete gegenüber EE die Zustellung in mehreren von ihm gewählten Gebieten. Im Tatzeitraum war er dafür verantwortlich, dass täglich bis zu 200 Zeitungen an Abonnenten zugestellt werden. Dies gegen eine leistungsabhängige Honorierung pro erfolgreich zugestellter Zeitung. Geschuldet wurde der Erfolg der rechtzeitigen Zustellung an Abonnenten der EE des vereinbarten Verteilungsgebiets bis 6.00 Uhr bzw 7.00 Uhr an Sonn- und Feiertagen.
Innerhalb des in der Natur der vertraglich geschuldeten Leistung liegenden mehrstündigen Zeitrahmens war der Zusteller völlig frei. Er konnte etwa den Beginn seiner Tätigkeit frei wählen oder diese jederzeit - für andere Erwerbs- oder Privatzwecke - unterbrechen. Zusteller sind bei der Leistungserbringung auch an keine bestimmte Reihenfolge gebunden, dies wäre auch absolut lebensfremd. Wenn die letzte Zeitung um 6 bzw 7 Uhr zugestellt sein muss, dann ist es völlig gleichgültig, ob dies die Zeitung des Abonnenten A oder jene der Abonnentin B in der X- oder in der Y-Straße ist. Gerade der Zusteller selbst weiß aufgrund seiner Erfahrung, welches die kürzesten Wegestrecken sind, die er daher auch immer wieder nach eigenem Gutdünken anpassen kann.
Der Werkvertragspartner trug das Risiko seines Erfolges selbst. Es war ihm völlig freigestellt, wie er den Vertrag erfüllt. Er konnte selbst tätig werden, sich von Freunden und Bekannten vertreten lassen, oder sich auch Subunternehmer - auf eigene Kosten - bedienen. Es liegt allein in der unternehmerischen Entscheidung von Zustellern, ob bzw in welchem Umfang sie „Hilfskräfte" bzw Vertreter bei der Erfüllung des Werkvertrages beiziehen. Bei der Wahl eines Vertreters sind Zustellpartner völlig frei, einer Zustimmung der EE bedarf es nicht. Nachdem es Herrn FF unbenommen war, sich jederzeit und ohne Rücksprache mit uns vertreten zu lassen, ist es mir und Mitarbeitern der EE auch nicht abschließend bekannt, ob bzw in welchem Umfang Herr FF sich vertreten oder helfen hat lassen. Nachdem sich Herr FF verpflichtet hat, bis zu 200 Zeitungen in einem großflächigen Gebiet täglich zuzustellen, muss davon ausgegangen werden, dass er sich auch immer wieder der Unterstützung von Hilfskräften bedient hat, da andernfalls eine Zustellung bis zur vereinbarten Uhrzeit nicht realistisch erscheint. Zudem konnte er auch für unmittelbare Konkurrenzunternehmen der EE jederzeit tätig werden. Inwieweit er von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, ist uns nicht bekannt.
Das gesamte Honorar pro erfolgreich zugestellter Zeitung wurde von der EE an den Werkvertragspartner ausbezahlt, gleich welche Person die Zustellung tatsächlich durchgeführt hat. Ob die Subunternehmer wiederum einen Entgeltanspruch gegenüber dem Werkvertragspartner haben, ist der Vertragsgestaltung zwischen Zusteller und Subunternehmer Vorbehalten.
Wenn ein Werkvertragspartner an der Erbringung der vertraglich geschuldeten Leistung dennoch verhindert gewesen wäre oder aus anderen Gründen nicht tätig werden konnte oder wollte, so war er verpflichtet, selbst für eine Vertretung zu sorgen. Damit die vertragskonforme Zustellung der Zeitungen an die Abonnenten gewährleistet ist, steht für den Fall, dass Zusteller – aus welchen Gründen immer - nicht selbst für eine Vertretung sorgen wollen oder können (etwa bei kurzfristiger Erkrankung, Ablehnung des Auftrags, etc.), ein „Pool" von Personen bereit, welche für den Zusteller einspringen können. Sofern der Werkvertragspartner die Zustellung der Zeitungen nicht selbst verantwortet, so erhält er auch mangels Werkleistung kein Honorar.
Die Zusteller leisten dafür Gewähr und haften der EE gegenüber für die mangelfreie Erfüllung ihrer vertraglich geschuldeten Leistung sowie für alle im Rahmen der Auftragsausführung von ihnen oder ihren Erfüllungsgehilfen schuldhaft verursachten Schäden.
Weiters ist es der EE gleichgültig und nicht Teil der Vereinbarung, mit welchen Betriebsmitteln die Zeitungszusteller die übernommenen Aufträge erfüllen. Diese werden von Seiten der EE nicht zur Verfügung gestellt, sondern lag es im eigenen unternehmerischen Ermessen des Werkvertragspartners und/oder dessen Gehilfen, welche Betriebsmittel auf eigene Kosten und Gefahr beigestellt worden sind. Wie erwähnt, verantwortete Herr FF die Zustellung von täglich bis zu 200 Zeitungen an Abonnenten. Jede der zuzustellenden Zeitungen hat ein vom jeweiligen Wochentag abhängiges Gewicht von bis zu 0,5 kg, sodass sich das Gesamtgewicht der zu verteilenden Zeitungen auf bis zu 100 kg (!) pro Tag belaufen hat. Aufgrund der Menge, des Volumens und des Gewichts der Zeitungen sowie der zurückzulegenden Strecke von vielen Kilometern zwischen den einzelnen Zustellorten war die Zustellung der Zeitungen in unversehrtem Zustand ohne eigene Betriebsmittel durch den Werkvertragspartner und/oder dessen Gehilfen völlig unmöglich. Zu diesem Zwecke hat Herr FF ein Transportfahrzeug betrieblich beigestellt, damit er die vertraglich geschuldete Leistung erbringen kann. Auch musste bei witterungsbedingter Gefahr der Beschädigung der Ware Sorge dafür getragen werden, dass die Zeitungen in einwandfreiem Zustand ausgeliefert werden. Zudem benötigten der Zusteller und seine Gehilfen ein Mobiltelefon, das auch selbst auf eigene Kosten bereitzustellen war.
Bei der Erfüllung der vertraglich festgelegten Tätigkeit war der Zustellpartner weisungsfrei. Er hatte lediglich die Aufgabe, über Unregelmäßigkeiten - etwa offenkundig unrichtige Zustelladressen - Auskunft zu geben, damit von Seiten des Auftraggebers bei allfälligen Zustellproblemen - sofern dies durch den Zusteller nicht möglich war - Abhilfe geschaffen werden kann. Eine Kontrolle des Zustellers oder dessen Subunternehmer fand nicht statt. Lediglich im Fall von Kundenbeschwerden, wonach wiederholt keine Zustellung der abonnierten Zeitung erfolgt ist, wäre mit dem Zustellpartner geklärt worden, ob die vertraglich geschuldete Leistung erbracht wurde. Sofern sich herausgestellt hat, dass der Zustellpartner Zeitungen nicht erfolgreich zugestellt hat, so erhielt er auch mangels Leistung kein Honorar hierfür.
Zudem steht es Zustellern völlig frei, für andere (Konkurrenz)Unternehmer (gleichzeitig) tätig zu sein. Ein Konkurrenzverbot oder ähnliches ist nicht Teil des Auftrages gewesen. Nachdem die Rayons der konkurrierenden Zeitungsverlage nahezu ident sind, ist es Zustellern möglich, neben der Verteilung der von uns vertriebenen Printmedien selbige (gleichzeitig) auch an Abonnenten anderer Verlage zu verteilen, wie auch andere Erwerbstätigkeiten - beispielsweise Haushalte mit Backwaren beliefern - zu verrichten.
Beweis: Daniel KK, c/o der EE GmbH & Co KG, Adresse 2, Y.
Meine Einvernahme.
6. Rechtliche Beurteilung
6.1.
In gegenständlichem Verfahren wird inkriminiert, dass die EE als Dienstgeberin den vermeintlich in der Krankenversicherung nach dem ASVG pflichtversicherten FF nicht rechtzeitig, also vor dessen Arbeitsantritt, beim zuständigen Krankenversicherungsträger angemeldet hätte. Damit ein objektiver Verstoß gegen die Anmeldepflicht des § 33 Abs 1 ASVG gegeben sein kann, muss ein die Pflichtversicherung iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm § 4 Abs 2 ASVG bzw § 4 Abs 4 ASVG begründendes „echtes" oder „freies, dienstnehmerähnliches" Dienstverhältnis zwischen der EE und dem Zusteller Vorgelegen sein. Dies war - wie zu zeigen sein wird - nicht der Fall.
6.2.
Aus arbeits- und sozialversicherungsrechtlicher Sicht stehen nach der österreichischen Rechtsordnung grundsätzlich drei Möglichkeiten für die Erbringung von „Dienstleistungen" offen: Der „echte" Dienstvertrag (§ 4 Abs 2 ASVG), der freie Dienstvertrag (§ 4 Abs 4 ASVG) und der Werkvertrag (GSVG). Die Einordnung einer Vertragsbeziehung unter eine dieser Vertragstypen kann freilich nicht formelhaft nach mathematischen Grundsätzen geschehen, sondern hat aufgrund des konkreten Sachverhalts in einer Gesamtwürdigung aller relevanten Umstände zu erfolgen. Vorauszuschicken ist, dass nach einhelliger Ansicht der sozialversicherungsrechtliche Dienstnehmerbegriff (bzw. das korrespondierende Beschäftigungsverhältnis) im wesentlichen dem Arbeitnehmerbegriff des Arbeitsvertragsrechtes entspricht (vgl. Krejci/Marhold in Tomandl, System, 1.2.2.1 mwN.), sodass die Rsp der Zivilgerichte zur Gänze übertragbar ist.
6.3.
„Echter" Dienstnehmer iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG ist, wer im Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird. Die arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Rechtssprechung hierzu lässt sich wie folgt zusammenfassen:
„Nach Lehre und Rechtsprechung ist der Arbeitsvertrag vor allem durch die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, sohin dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers gekennzeichnet, die sich in organisatorischer Gebundenheit, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle - nicht notwendig auch in Weisungen über die Art der Ausführung der Tätigkeit - äußert. Zu den wesentlichen Merkmalen eines Arbeitsvertrages gehören die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht des Arbeitnehmers, dessen disziplinäre Verantwortung, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, deren wirtschaftlicher Erfolg dem Arbeitgeber zukommt, die persönliche Fürsorge- und Treuepflicht sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers (Wächter, Der sog. freie Arbeitsvertrag, DRdA 1984, 406f; Krejci in Rummel Rz 83 zu § 1151 ABGB; Strasser, Abhängiger Arbeitsvertrag oder freier Dienstvertrag, DRdA 1992, 93/103f; SZ 54/75; Arb 10.055, Arb 10.944; RdW 1997, 29; SZ 70/52). Die Bestimmungsmerkmale der persönlichen Abhängigkeit müssen nicht alle allgemein vorliegen und können in unterschiedlich starker Ausprägung bestehen (Arb 9845, 9972; DRdA 1986/23, ARD 3973/10/88, SZ 70/52). Entscheidend ist, ob die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen."
Nach der Judikatur liegt ein Arbeitsvertrag daher immer - aber auch nur - dann vor, wenn die Dienstleistung in persönlicher Abhängigkeit erfolgt
6.4.
Ein dienstnehmerähnliches freies Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 4 ASVG liegt vor, wenn aus einer Tätigkeit ein Entgelt bezogen wird, die Dienstleistungen im Wesentlichen persönlich erbracht und keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel eingesetzt werden.
Die Pflichtversicherung nach § 4 Abs 4 ASVG ist in zweifacher Hinsicht eingeschränkt: sie gilt nur subsidiär und nur für dienstnehmerähnliche freie Dienstnehmer. Die Dienstnehmerähnlichkeit der freien Dienstnehmer wird durch die beiden Kriterien der im Wesentlichen persönlichen Erbringung der Dienstleistungen und der mangelnden Verfügung über wesentliche eigene Betriebsmittel begründet. Beide Kriterien müssen kumulativ vorliegen, damit eine Versicherungspflicht nach § 4 Abs 4 ASVG begründet wird.
Wenn der freie Dienstnehmer eine der beiden Kriterien für die Dienstnehmerähnlichkeit nicht erfüllt und auch nicht nach § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 GSVG versichert ist, tritt die Pflichtversicherung als „neuer Selbständiger" nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG ein (Krejci-Marhold-Karl in Tomandl, Sozialversicherungssystem, 1.2.2.)
6.5.
Beim Werkvertrag kommt es hingegen in erster Linie auf das Ergebnis der Arbeitsleistung an, das ein Werk, somit eine geschlossene Einheit, darstellen muss, welches bereits im Vertrag konkretisiert wurde (vgl. ua. VwGH, 13.08.2003, 99/08/0174 mwN; VwGH 15.10.2003, 2000/08/0020 mwN). Der Werkvertrag unterscheidet sich von den Dienstverträgen dadurch, dass ein Zielschuldverhältnis mit der Verpflichtung begründet wird, eine umrissene Leistung – in der Regel bis zu einem bestimmten Termin - zu erbringen. Mit der Erbringung der Leistung endet auch das Vertragsverhältnis (vgl. VwGH aaO; Mazal, Freier Dienstvertrag oder Werkvertrag, ecolex 1997, 277; Krejci in Rummel, ABGB3, Rz 93 zu § 1151).
Anders ausgedrückt überwiegen beim Werkvertrag die Tätigkeitsmomente vor den Zeitmomenten: Wenn allerdings das geschuldete Arbeitsergebnis auch eine zeitliche Komponente enthält, nimmt dies dem Werkvertrag noch nicht seinen Charakter. So fällt selbst die Tätigkeit eines Fotomodells, welches für die Dauer eines Wochenendes zu Aufnahmen eingesetzt wird, unter den Typus Werkvertrag (vgl Mazal, aaO). Es kommt darauf an, ob die Vertragsteile eine bestimmte letztlich abgeschlossene Leistung wollen. In diesem Sinne ist der Werkvertrag nicht auf eine nach Gattungsmerkmalen umschriebene Tätigkeit gerichtet, sondern auf die Erbringung einer Einmalleistung mit einem von den Vertragspartnern vorweg umschriebenen Inhalt (vgl. Mazal, aaO).
7.
Vor diesem Hintergrund lag im konkreten Fall keine Pflichtversicherung nach dem ASVG vor. Zwischen dem Zusteller und der EE wurde vereinbart, dass es der Zusteller auf eigenes Risiko übernimmt, unter Zuhilfenahme eigener Betriebsmitteln eine bestimmte Menge Zeitungen an eine bestimmte Anzahl von Haushalten in bestimmten, vom Zusteller gewünschten Gebieten bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen ein erfolgsabhängiges Entgelt zu verteilen. Dies ist eine einmalige fest umrissene Tätigkeit - also ein bestimmter geschuldeter Erfolg -, sodass im Sinne obiger Ausführungen ein Werkvertrag vorgelegen ist. Diese Annahme bestätigt letztlich auch das LVwG Tirol, welches mehrfach - jedoch an inhaltlich unzutreffender Stelle - betont, dass es bei der Tätigkeit der Zeitungszustellung um eine „einfache, fest umrissene Tätigkeit" handelt. Mangels eines (freien dienstnehmerähnlichen) Dienstverhältnisses bestand daher keine Vollversicherungspflicht nach dem ASVG, sondern ist davon auszugehen, dass Herr FF als „neuer Selbständiger" nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG in der Krankenversicherung pflichtversichert gewesen ist.
An der Annahme eines Werkvertrags vermag auch eine allfällige wiederholte Beauftragung nichts zu ändern. Selbst eine ständig wiederkehrende Herstellung von Werken ergibt noch keinen (freien) Dienstvertrag (vgl. VwGH 13.08.2003, 99/08/0170). Der VwGH hat ausgesprochen, dass selbst dann, wenn sich eine Person einem Verlag gegenüber – im Vorhinein (!) - verpflichtet, eine Kodexsammlung periodisch wiederkehrend zu einem bestimmten Termin zu aktualisieren, nach wie vor ein Werkvertrag vorliegt, sofern sie dabei weisungsfrei ist, Hilfskräfte auf eigene Kosten heranziehen darf und sie die Haftung für die rechtzeitige und ordnungsgemäße Erbringung trifft. Dies obwohl in diesem Fall sogar vom Auftraggeber die Betriebsmittel zur Verfügung gestellt wurden (vgl. VwGH 20.12.2001, 98/08/0062).
Beweis: wie bisher.
8.
Selbst unter der Annahme, dass das gegenständlich zu beurteilende Vertragsverhältnis nicht als Werkvertrag zu qualifizieren wäre, bedeutet dies keineswegs, dass ein „echtes" Dienstverhältnis iSd § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG vorliegt. Vielmehr können Tätigkeiten auch in anderen Rechtsverhältnissen als in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen in engen örtlichen und zeitlichen Bindungen und mit persönlicher Arbeitspflicht ausgeübt werden. Daher liegt allein deshalb, weil sich jemand auf längere Zeit dazu verpflichtet, vereinbarte Dienstleistungen persönlich an bestimmten Arbeitsorten und zu bestimmten Arbeitszeiten zu erbringen, noch kein Dienstverhältnis vor (Tomandl, „Die Rechtsprechung des VwGH zum Dienstnehmerbegriff", ZAS 2016, S. 260ff mwN).
Die von Teilen der Behörden und Gerichte geteilte Annahme, bei einfachen manuellen Tätigkeiten könne die Dienstnehmereigenschaft ohne weitwendige Untersuchungen angenommen werden, ist mit der Realität nicht in Einklang zu bringen und hat die Grenze zur Rechtsverweigerung überschritten (vgl. hierzu ausführlich Schrammel, „Naht das Ende des freien Dienstvertrages?", ASoK 2016/362 ff). Der VwGH geht hierbei ohne nähere Begründung von einer Beweislastumkehr aus: Nicht die Behörde hat das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne des § 4 Abs 2 ASVG zu beweisen, vielmehr hat der Beschäftiger nachzuweisen, dass kein Dienstverhältnis vorliegt (Schrammel aaO).
Tatsächlich kann - wie oben skizziert - die vertragliche Verpflichtung, Dienstleistungen gegen Entgelt zu erbringen, auch eine Pflichtversicherung als „freier" Dienstnehmer gemäß § 4 Abs 4 ASVG oder als „neuer Selbständiger" gemäß § 2 Abs 1 Z 4 GSVG auslösen (vgl. Schrammel aaO). Auf das Vorliegen eines ganz bestimmten Vertragsverhältnisses wird nämlich bei der Annahme einer Pflichtversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG nicht abgestellt, daher kann die Erwerbstätigkeit sowohl auf einen Werkvertrag als auch auf bestimmte Arten freier Dienstverträge, aber auch etwa auf einen Gesellschaftsvertrag, abstellen, (vgl. Scheiber in Sonntag [Hrsg] (2014), GSVG3 § 2 Rz 55)
9. Kein echtes Dienstverhältnis nach § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG
9.1.
Nach der stRsp des VwGH schließt eine generelle Vertretungsbefugnis für sich allein genommen bereits die Versicherungspflicht aufgrund eines Dienstverhältnisses gern. § 4 Abs 1 Z 1 iVm § 4 Abs 2 ASVG aus.
9.1.1 Rechtsprechungsübersicht zum Vertretungsrecht
Nach der stRsp des VwGH (vgl. u.a. VwGH 29.1.2015, 2013/08/0185 mwN, VwGH 1.10.2014, 2015/08/0020 mwN) schließt eine generelle Vertretungsbefugnis für sich allein genommen das Vorliegen eines echten Dienstvertrages aus. Hat daher der Arbeitende tatsächlich die Möglichkeit, sich ohne Genehmigung und nach Belieben häufig durch eine geeignete andere Person vertreten zu lassen, ohne dass dies wesentlichen Einfluss auf die künftige Beziehung zum Vertragspartner (insb auf dessen Willen, den Vertrag fortzusetzen) hat, so liegt kein Dienstvertrag vor, auch wenn er sich nie vertreten lässt. Die persönliche Arbeitspflicht ist nämlich auch dann ausgeschlossen, wenn die Parteien bei Vertragsabschluss nach den Umständen des Einzelfalles zumindest ernsthaft damit hätten rechnen können, dass von der generellen Vertretungsbefugnis auch tatsächlich Gebrauch gemacht werden würde und die Einräumung dieser Vertretungsbefugnis nicht mit anderen vertraglichen Vereinbarungen im Widerspruch stünde. Ein ausdrücklich vereinbartes generelles Vertretungsrecht steht nämlich im Verdacht, ein „Scheingeschäft" zu sein, wenn eine solche Vereinbarung mit den objektiven Anforderungen der Unternehmensorganisation nicht in Einklang bringen zu wäre (Zehetner in Sonntag, ASVG7 § 4 Rz 43a mwN).
Zwischen der Befugnis, die übernommene Arbeitspflicht generell durch Dritte vornehmen zu lassen und jener, sich ohne weitere Verständigung des Vertragspartners zur Verrichtung der bedungenen Arbeitsleistung einer Hilfskraft zu bedienen, besteht jedoch in rechtlicher Hinsicht kein substanzieller Unterschied: Während die erste Sachverhaltsvariante die gesamte Arbeitsleistung vor Augen hat, geht es bei der Heranziehung von Hilfskräften zwar eher um Teile dieser Arbeitsleistung, deren nähere Bestimmung aber jeweils (ohne Verständigung und Zustimmung des Vertragspartners und daher) nach Gutdünken erfolgen kann. Kann also der zur Leistung Verpflichtete nach seiner Entscheidungsbefugnis beliebige Teile seiner Verpflichtung auf Dritte überbinden, dann fehlt es - denknotwendig - ebenso (insgesamt) an der persönlichen Arbeitspflicht, wie in jener Fallkonstellation, in welcher von vornherein die Leistungserbringung zur Gänze durch Dritte erfolgen darf (vgl. Zehetner aaO Rz 43).
Nach der Rsp des OGH - welcher zur Frage der Voraussetzungen eines „generellen, freien" Dienstvertrages eine vergleichbare Rechtsansicht wie der VwGH einnimmt - liegt kein „echter" Arbeitsvertrag vor, wenn der Arbeitende tatsächlich die Möglichkeit hat, sich ohne Genehmigung und nach Belieben häufig durch eine geeignete andere Person vertreten zu lassen, ohne dass dies wesentlichen Einfluss auf die künftige Beziehung zum Vertragspartner (insb auf dessen Willen, den Vertrag fortzusetzen) hat, auch wenn er sich dann tatsächlich nie vertreten lässt. Die Vertretungsklausel wird daher insb beachtlich sein, wenn vergleichbare Vertragspartner sich tatsächlich „frei" vertreten lassen (Rebhahn in ZellKomm2 § 1151 Rz 92 mwN). Der OGH hat sich unter Zugrundelegung dieser Rechtssätze mit dem Vertretungsrecht von Zeitungszustellern sehr umfassend auseinandergesetzt. Wörtlich führt er hierzu aus wie folgt:
„Wenngleich die Vereinbarung einer generellen Vertretungsbefugnis die persönliche Abhängigkeit und Dienstnehmereigenschaft nur dann ausschließt, wenn das Vertretungsrecht tatsächlich genutzt wurde oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten ist, dass eine solche Nutzung erfolgt, liegen hier keine Indizien vor, dass es sich bei dem eingeräumten Vertretungsrecht bloß um eine Scheinvereinbarung handelt oder zumindest um ein solches, dessen Nutzung nach den Umständen des Falls nicht zu erwarten war: Dass das eingeräumte Vertretungsrecht bloß ein „Scheinrecht" sei, lässt sich dem vorgebrachten Sachverhalt nicht entnehmen. Mag auch aus den im Antrag genannten Gründen eine bloß einmalige Vertretung eines „eingeschulten" Vertreters mangels entsprechender Ortskenntnisse des Vertreters untunlich sein, steht einer regelmäßigen Vertretung eines „eingeschulten" Vertreters (etwa bei Urlaub, Krankheit oder sonstiger Verhinderung des Zustellers) nichts im Weg: Es ist keinesfalls undenkbar, dass sich ein Zusteller regelmäßig eines oder auch mehrerer solcher „eingearbeiteter" Vertreter (aus dem Familien- oder Bekanntenkreis) bedient, etwa um selbst eine günstige Gelegenheit zu einer anderen kurzfristigen, aber lukrativeren Tätigkeit zu nützen, oder sich sogar überhaupt die Zustelltätigkeit mit einem zweiten Zusteller „teilt". Es sind daher mit Einräumung des Vertretungsrechts durchaus auch wirtschaftliche Vorteile für die Zusteller verbunden. Das gilt auch für die mögliche Beiziehung eines Gehilfen. Es wurde nicht einmal klargestellt, ob das Volumen des zu verteilenden Materials auf die persönliche Arbeitsfähigkeit des jeweiligen Vertragspartners beschränkt ist. Dass für die Durchführung der Zustelltätigkeit Schlüssel notwendig sind, steht dieser Beurteilung ebenfalls nicht entgegen, kann doch diese Schlüsselübergabe vom Zusteller an seinen Vertreter ohne Schwierigkeiten bewerkstelligt werden." (OGH vom 29.11.2003, 8 ObA 45/030.
9.1.2. Zum konkreten Sachverhalt
Mit dem Vertriebspartner wurde nachstehendes Vertretungsrecht schriftlich vereinbart (Punkt IV.):
„Der Auftragnehmer ist bei der Erfüllung des Auftrages als selbständig Erwerbstätiger weitestgehend - das heißt mit Ausnahme der Pflicht zur rechtzeitigen vertragskonformen Erfüllung der jeweiligen Zielschuld - ungebunden und organisiert sich die Abonnentenbetreuung selbst. Es liegt insbesondere keine persönliche Arbeitsverpflichtung vor, daher kann sich der Auftragnehmer generell und jederzeit bei der Erbringung der vereinbarten Tätigkeiten durch geeignete Dritte vertreten lassen. Bei etwaigen Verhinderungen hat der Auftragnehmer entsprechend seiner Zielschuldverpflichtung für Ersatz (Vertretung) zu sorgen bzw bei ausnahmsweiser Unmöglichkeit solchen Ersatzes zur Schadensvermeidung bzw Schadensminderung rechtzeitig den zuständigen Gebietsbetreuer oder Nachtdienst des Auftraggebers zu verständigen."
Hiervon ausgehend hat das LVwG Tirol im Verfahren LVwG-****-8 auch ausdrücklich festgestellt:
„Für den Fall einer Verhinderung (Krankheit, Urlaub, etc.) hatte FF die grundsätzliche Möglichkeit, sich vertreten zu lassen bzw sich selbst um eine Vertretung, meistens aus dem Bekannten- und Familienkreis, zu kümmern.
[...]
Wenn der Zusteller nicht in der Lage war, seine Zu Stelltätigkeit zu verrichten, etwa durch Verhinderung, ersuchte dieser für den Fall, dass er selber keine Vertretung findet, den Nachtinspektor, für ihn um eine Vertretung zu sorgen, sodass eine Sicherheit für die Zustellung der Zeitungen und Zeitschriften gewährleistet war." (Erkenntnis vom 26.7.2016,5. 14, 1. und 2. Absatz)
Herr FF hat in mehreren Verteilungsgebieten in St. Gertraud i/Alpbach und Brixlegg die Zustellung von bis zu 200 Zeitungen an Abonnenten verantwortet. Es war ihm jederzeit problemlos möglich- die „einfache" Tätigkeit des Zeitungszustellens ist in kurzer Zeit erklärt - Hilfskräfte oder Subunternehmer mit der (teilweisen) Erfüllung zu beauftragen.
Völlig unverständlich ist daher, warum verfahrensrechtlich nur mehr bei höher qualifizierten Arbeiten geprüft wird, ob ein Vertretungsrecht tatsächlich ausgeübt wird oder die Ausübung zu erwarten ist, während bei weniger qualifizierten Arbeiten von vornherein angenommen wird, dass sie in persönlicher Abhängigkeit erbracht werden. Wenn man in diesem Zusammenhang schon auf die objektiven Erfordernisse der Unternehmensorganisation abstellt, ist es in der Praxis wohl so, dass ein Vertretungsrecht bei weniger qualifizierten Arbeiten das Funktionieren des Unternehmens weniger tangiert als ein Vertretungsrecht bei qualifizierten Tätigkeiten (Schrammel aaO).
Gerade aufgrund der „einfachen, manuellen" Tätigkeit des Zeitungszustellens und der damit verbundenen „Gleichgültigkeit", wer die Zustelltätigkeit verrichtet, war umso mehr davon auszugehen, dass vom vereinbarten Vertretungsrecht auch Gebrauch gemacht wird. Die jeweilige Liste mit den Adressen der Abonnenten dient hierzu als Hilfsmittel für
Subunternehmer/Vertreter, da dieser Liste alle relevanten Vertragsdetails zu entnehmen sind, nämlich welche Zeitung an welchem Zustellort zu hinterlegen ist. Die EE weiß in der Regel gar nicht, ob sich Zusteller tatsächlich bzw durch wen vertreten lassen, da es diesbezüglich keine „Meldepflicht" oÄ gibt.
Wie bereits ausgeführt, wurde in vergleichbaren Fällen wiederholt festgestellt, dass Zeitungszusteller entweder die gesamte geschuldete Leistung an Dritte übertragen oder sich bei der Vertragserfüllung von Hilfskräften unterstützen lassen. Es war daher auch im konkreten Fall von den Vertragsparteien ernsthaft zu erwarten, dass von dieser Vertretungsmöglichkeit auch Gebrauch gemacht wird. Es war dies auch von keiner Zustimmung durch die EE abhängig.
Dass der Vertriebspartner nach seinen Angaben tatsächlich nie von dem Vertretungsrecht Gebrauch gemacht hat, liegt naturgemäß nicht in unserer Sphäre, sondern war dies seine eigene unternehmerische Entscheidung. Ist der Vertriebspartner daher bestrebt, möglichst oft eingesetzt zu werden - und nimmt zB aus diesem Grund von der Beauftragung von Vertretern Abstand - so darf aus diesem subjektiven Bestreben nach Einkommensmaximierung aber nicht geschlossen werden, dass die Unternehmensorganisation der Vertretungsbefugnis entgegensteht. Jedenfalls hat er nach den Feststellungen Aufträge abgelehnt und hatte dies keinen Einfluss auf den Fortbestand des Vertragsverhältnisses.
9.2. Bindung an Arbeitszeit und/oder Arbeitsort
Die Bindung an die Arbeitszeit oder den Arbeitsort ist dann hinsichtlich des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung nicht unterscheidungskräftig, wenn sie sich gleichsam aus der Natur der Sache ergibt, ein selbständig Erwerbstätiger also ebensolchen Sachzwängen bei einer bestimmten Tätigkeit unterläge wie ein unselbständig Beschäftigter. Entgegen der unzutreffenden Ansicht der Bürgermeisterin der Stadt Y kommt in einem solchen Fall anderen Merkmalen der Abgrenzung besondere Bedeutung zu, wie etwa einer Kontrollbefugnis oder einem gestalterischer Spielraum des Tätigen {Tomandl aaO S. 266; VwGH 4.6.2008, 2006/08/0206).
Gerade dies ist bei der Zustellung von Tageszeitungen der Fall. Es ist klar, dass die Zeitungen zunächst gedruckt werden müssen, ehe sie den Werkvertragspartnern für die Zustellung an die Abonnenten bereitgestellt werden können. Dies geschieht in den späten Abend- bzw. frühen Morgenstunden, damit der Inhalt der Tageszeitungen möglichst tagesaktuell ist. Den Abonnenten der gelieferten Tageszeitungen wird vertraglich geschuldet, dieselben an die vereinbarten Zustelladressen bis spätestens 6.00 bzw. 7.00 Uhr zu liefern. Die Einschränkung betreffend Ort und Zeit bei der von Zustellern übernommenen Tätigkeit resultiert daher allein aus der Art der übernommenen Tätigkeit, nämlich der Zustellung von Tageszeitungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt an eine bestimmte Person. Es bedarf daher keiner weiteren Ausführungen, dass ungeachtet der Größe oder Rechtsform eines beauftragten Vertriebspartners, selbständig Erwerbstätige an diese Vorgaben in gleicher Weise gebunden sind/wären wie unselbstständig Erwerbstätige. Die Einschränkung betreffend die Arbeitszeit bei der vom Zusteller übernommenen Tätigkeit ist daher allein aus der Art der übernommenen Tätigkeit erflossen und sind zeitliche Rahmenvorgaben ebenso typisch für einen Werkvertrag (vgl. OLG Innsbruck 20.8.2013, 15 Ra 55/13w).
Unverständlich mutet daher das Argument des VwGH an, persönliche Abhängigkeit sei anzunehmen, wenn eine allfällige Ungebundenheit des Beschäftigten hinsichtlich Arbeitsablauf und Arbeitszeit ihre Grenze in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und den betrieblichen Erfordernissen findet, sodass die Arbeitserbringung letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des Dienstgebers orientiert sein muss. Der VwGH hat hier offenkundig das Wesen eines Vertrages verkannt. Jeder Vertrag ist zu erfüllen; entgeltliche Verträge sind darauf gerichtet, ein fremdes Bedürfnis, dh ein Bedürfnis des Vertragspartners zu befriedigen. Dies gilt für Dienstverträge in gleicher Weise wie für Werkverträge (Schrammel aaO).
Jene Beschränkungen, die sich aus der Natur der Sache ergeben, sind daher im Rahmen der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung des Vertragsverhältnisses "auszublenden".
Relevant ist gegenüber der Pflicht, eine vertragliche Verpflichtung zu erfüllen, dass der Zusteller innerhalb des vorgegebenen Zeitrahmens in seiner Disposition völlig frei war, sodass er auch - sofern er überhaupt selbst tätig wurde - eine gewisse zeitliche Flexibilität in Anspruch nehmen konnte, weshalb eben keine organisatorische Eingliederung in das Unternehmen der EE Vorgelegen ist (VwGH 28.2.2012, ZI. 2009/09/0128).
9.3. Arbeitsbezogenes Verhalten/Weisungsunterworfenheit
Der Vertriebspartner war bei der geschuldeten Zeitungszustellung völlig frei. Er hatte sich an keine persönlichen Weisungen oder Vorgaben betreffend das arbeitsbezogene Verhalten, wie etwa Kleidungsvorschriften, Rauchverbot, etc, zu halten. Der Umstand, dass die Reihenfolge der Zustellungen frei gewählt werden kann, spricht ebenfalls für die freie Gestaltung der Ausführung des Auftrags.
Eine Kontrolle des Vertragspartners fand nicht statt. Lediglich im Fall von sich mehrenden Kundenbeschwerden wäre überprüft worden, ob die vertraglich geschuldete Tätigkeit erbracht wird. Hierzu würde zunächst mit dem Auftragnehmer Kontakt aufgenommen und versucht werden, den Sachverhalt zu klären. Sollte hierdurch die unterbliebene Zustellung nicht aufgeklärt werden können, wäre ausschließlich geprüft worden, ob der Vertriebspartner die geschuldete Leistung tatsächlich erbracht hat, für welche er auch bezahlt wurde. Kontrolliert wäre aber lediglich worden „ob" und nicht „wie" der Vertrag erfüllt wird. Dies ist einem Werkvertrag immanent. Wenn einem Tischler der Auftrag erteilt wird, bis morgen einen Tisch zu fertigen, wird der Kunde am nächsten Tag nicht zahlen, ohne zu kontrollieren, ob er denn überhaupt einen Tisch gefertigt hat bzw ob dieser allenfalls Mängel aufweist.
Der Zustellpartner unterlag bei seiner Tätigkeit sohin keiner disziplinären Verantwortung, war nicht persönlich weisungsunterworfen und unterlag keiner funktionalen Autorität der EE. Bei der Zustellung war auch keine bestimmte Reihenfolge vorgegeben, in der die Belieferung der Abonnenten stattfinden hätte müssen.
Gerade der Umstand, dass sich Herr FF systematisch vertreten lassen hätte können, lässt schon den Schluss nicht zu, dass dieser persönlichen Weisungen, einer wie immer gearteten „stillen" Autorität oder sonstigen persönlichen Zwängen der EE unterlegen ist. Worin eine solche „stille" Autorität bei „einfachen, manuellen Tätigkeiten" liegen soll, ergibt sich auch weder aus dem Erkenntnis des LVwG Tirol, noch aus der Rsp des VwGH. Dass ein Vertragspartner aufgrund der Kenntnis des Vertragsinhalts ohne weitere Kontaktaufnahme mit dem Auftraggeber - sohin völlig eigenständig - den Vertrag erfüllen kann, ist vielmehr ein klarer Hinweis auf ein selbständiges Vertragsverhältnis.
9.4. Betriebsmittel
Sämtliche zur Erfüllung des Vertrags notwendigen Betriebsmittel hat der Vertriebspartner bzw dessen allfälliger Auftragnehmer auf eigene Kosten und Gefahr zur Verfügung gestellt.
Die Vertragserfüllung des Zustellers ohne Zuhilfenahme eigener wesentlicher Betriebsmittel war jedoch völlig ausgeschlossen. Auf Grund des Gewichts und des Volumens der zuzustellenden Zeitungen von bis zu 100 kg (200 Zeitungen mit 0,5 kg pro Zeitung) sowie der bei der Verteilung zurückzulegenden Strecke benötigte Herr FF und/oder ein allenfalls von ihm beauftragter Subunternehmer jedenfalls ein Fahrzeug mit entsprechender Kapazität, dessen Ausgaben er als Selbständiger auch als Betriebsausgaben geltend gemacht hat bzw. machen hätte können.
Bei dem vom Vertriebspartner bereitgestellten Fahrzeug handelt es sich um kein geringwertiges Wirtschaftsgut, da die Anschaffungskosten und Betriebskosten notorisch beträchtlich sind. Die Zustelltätigkeit des Vertriebspartners wäre ohne Kraftfahrzeug auch schlicht und einfach nicht möglich gewesen. Die Verwendung von Fahrzeugen (Kraftfahrzeuge, Fahrräder, etc.) stellte eine unabdingbare Voraussetzung dar, um die Zustelltätigkeit durchzuführen. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass es sich um ein wesentliches Betriebsmittel handelt. Zudem benötigten die Vertriebspartner weitere eigene Betriebsmittel, damit die Zeitungen bei witterungsbedingter Gefahr der Beschädigung in einwandfreiem Zustand ausgeliefert werden konnten.
Dementsprechend hat der VwGH ausdrücklich klargestellt, dass ein von einem Zusteller bereitzustellendes Fahrzeug dann als wesentliches Betriebsmittel im engeren Sinn anzusehen ist, wenn anders als durch die Beistellung und den Betrieb desselben die Aufgabe des Zeitungszustellers nicht erfüllt werden kann (VwGH 28.2.2012, ZI 2009/09/0128). Gerade die Notwendigkeit der Zusteller, eigene wesentliche Betriebsmittel bereit zu stellen, ohne die die Vertragserfüllung nicht möglich ist, spricht daher gegen das Vorliegen eines „echten" Dienstvertrags nach § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG (VwGH 28.2.2012, ZI 2009/09/0128; VwGH 18.10.2000, 99/09/0011).
9.5. Unternehmerisches Risiko
Ob es nun zweckentsprechend war, dass die Vertriebspartner dritte Personen mit der Erfüllung des Vertrags beauftragt haben bzw mit welchem Kostenaufwand Betriebsmittel angeschafft und eingesetzt werden, lag allein in deren unternehmerischer Disposition. Der Umstand, dass Herr FF sich zur Zustellung von Zeitungen an Abonnenten in mehreren, teils bedeutend disloziert