TE Bvwg Erkenntnis 2018/1/19 W256 2146658-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.01.2018
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Entscheidungsdatum

19.01.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W256 2146658-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Caroline KIMM als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13. Jänner 2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13. September 2017, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 30. März 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

Im Zuge der am 1. April 2015 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er sei am XXXX geboren, er gehöre der Volksgruppe der Paschtunen an, und er sei sunnitischer Moslem. Konkret stamme er aus der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX , wo er auch zuletzt gemeinsam mit seinen Eltern, seinen zwei Brüdern und seinen zwei Schwestern aufhältig gewesen sei. Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er seine Heimat aufgrund von Armut und aufgrund der Taliban verlassen habe. Sein Onkel väterlicherseits habe der afghanischen Nationalarmee gedient. Da er oft mit seinem Onkel unterwegs gewesen sei, hätten die Taliban ihn mit dem Tod bedroht. Zudem seien die Taliban öfters zu ihnen nachhause gekommen. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst vor den Taliban.

Über Auftrag der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer am 20. Mai 2015 einem allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen für medizinische Begutachtung in Asylverfahren vorgestellt, der beim Beschwerdeführer zum Untersuchungszeitpunkt anhand einer multifaktoriellen Untersuchung als spätmöglichstes fiktives Geburtsdatum den XXXX errechnete. Dieses Geburtsdatum wurde dem Beschwerdeführer am 23. September 2015 durch die belangte Behörde zur Kenntnis gebracht.

Der Beschwerdeführer wurde am 9. Dezember 2016 durch die belangte Behörde einvernommen. Dabei führte dieser ergänzend aus, dass er dem Stamm der XXXX angehöre, er verheiratet sei und ein dreijähriges Kind habe. Er habe in Afghanistan als Taxifahrer gearbeitet. Seine Familie würde in Afghanistan ein Haus besitzen. Seine Frau, sein Kind, seine Eltern und seine vier Geschwister würden derzeit im Heimatdorf des Beschwerdeführers gut leben, und habe er zwei bis dreimal im Monat mit seiner Familie telefonischen Kontakt. Befragt zu seinem konkreten Fluchtgrund, führte dieser näher aus, dass er aufgrund der Taliban geflüchtet sei. Er sei mit seinem Onkel väterlicherseits, welcher bei der nationalen Armee gearbeitet habe und von den Taliban vor sechs Jahren getötet worden sei, viel unterwegs gewesen. Zudem hätten die Taliban auch bei ihnen zuhause mehrmals nach Jugendlichen für Selbstmordattentate gesucht, wovon auch er als Jüngster betroffen gewesen sei. Konkret hätten die Taliban mehrmals den Vater aufgesucht und nach dem Beschwerdeführer gefragt. Sein Vater habe ihnen ausgerichtet, dass er mit dem Beschwerdeführer reden würde. Der Beschwerdeführer habe aus Angst nach der ersten Aufforderung bei seiner Tante gelebt Nach der vierten Aufforderung sei er geflohen. Auch sein älterer Bruder sei geflüchtet, er sei derzeit in der Türkei. Auf die Frage, warum sein Bruder geflüchtet sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass die Taliban diesen festnehmen würden, um so an ihn zu gelangen. Die Taliban würden ihn immer noch suchen. Sollten sie ihn wiederfinden, würden sie ihn umbringen. Persönlich sei er jedoch nie von den Taliban bedroht worden. Seine Familie würde ihren Lebensunterhalt sehr gut bestreiten können, da sie eigene LKWs habe. Ein Bruder fahre mit dem LKW.Seine Cousins mütterlicherseits würden beim Militär arbeiten, wobei sie keine höhere Funktion bekleiden würden. Bei einer Rückkehr fürchte er den Tod durch die Taliban. Zudem gebe es keine Provinz, in der er leben könne. Zu seiner Alltagssituation in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, einen Deutschkurs zu besuchen und – nicht angemeldet – Zeitungen zu verteilen. Trotz des Deutschkurses verstehe er kein Deutsch und habe er auch nur afghanische, pakistanische und iranische Freunde in Österreich.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan zulässig sei. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft gemacht habe werden können. Zudem würden keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen würden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Der Beschwerdeführer sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann, der als Taxifahrer bereits über Berufserfahrung verfüge. Dessen Heimatprovinz Nangarhar zähle zwar zu den volatilen Provinzen Afghanistans, die Bewegungen bzw. Infiltrationsrouten würden jedoch nicht den Heimatdistrikt des Beschwerdeführers betreffen. Seine Familie könne in diesem Distrikt unbehelligt leben und führe diese dort ein gutes Leben. Der Beschwerdeführer habe somit ein ausgeprägtes soziales Netzwerk und könne er mit finanzieller Unterstützung durch seine Familie rechnen. Vom internationalen Flughafen Kabul sei die Provinz Nangarhar über die Kabul-Jalalabad Road erreichbar. Die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörige habe. Er lebe erst seit kurzem in Österreich, gehe keiner angemeldeten bzw. ehrenamtlichen Tätigkeit nach und habe aus eigenem Antrieb kaum integrationsfördernde Maßnahmen wie den weiteren Besuch von Deutschkursen absolviert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer werde aus Gründen der unterstellten politischen Gesinnung und seiner Zugehörigkeit zum XXXX -Stamm asylrelevant verfolgt. Der Beschwerdeführer habe sich geweigert, sich den Taliban anzuschließen, weshalb ihm schwerwiegende Verfolgungshandlungen drohen würden. Zusätzlich würden Verwandte bei der afghanischen Nationalarmee bzw. bei ausländischen Militärkräften arbeiten bzw. hätten dort gearbeitet. Auch die zwei Brüder des Beschwerdeführers seien zwischenzeitlich gezwungen gewesen, Afghanistan zu verlassen. Der älteste Bruder würde sich in der Türkei befinden, der andere sei mittlerweile in Pakistan. Der afghanische Staat sei nicht in der Lage bzw. willens dem Beschwerdeführer Schutz zu bieten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht, da UNHCR von einem innerstaatlichen Konflikt für das gesamte Staatsgebiet Afghanistans ausgehe. Die belangte Behörde sei zu Unrecht von der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen. Auch sei es nicht zutreffend, dass der Heimatdistrikt des Beschwerdeführers nicht von Infiltrationsrouten regierungsfeindlicher Elemente betroffen sei. Der Distrikt würde sich unmittelbar an der Grenze zu Pakistan befinden. Zwischen September 2015 und Mai 2016 habe es mehr als 120 Sicherheitsvorfälle in dem kleinen Distrikt gegeben und zähle dieser somit zu den am meisten betroffenen Gebieten innerhalb Nangarhars. Es bestehe im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers ein ernsthaftes Risiko, dass er in einem Gebiet außerhalb seiner Herkunftsregion in eine existenzielle Notlage geraten würde, da er über kein starkes soziales oder familiäres Netzwerk in einem anderen Teil Afghanistans verfüge. Die Sicherheitslage im gesamten afghanischen Staatsgebiet sei überaus prekär und angespannt. In Bezug auf Spruchpunkt III. führt der Beschwerdeführer aus, dass er die in Österreich verbrachte Zeit trotz seiner prekären Situation genützt habe, um soziale Kontakte zu knüpfen und sich in Österreich zu integrieren. Da er Analphabet sei, sei es für ihn schwieriger, die deutsche Sprache zu lernen. Die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass seit vielen Jahren Krieg herrsche und die Sicherheitslage sich erneut verschlechtert habe.

Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde den Parteien, das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017, zuletzt aktualisiert am 22. Juni 2017, ein Gutachten des allgemein beeideten Sachverständigen XXXX vom 5. März 2017 samt Ergänzungsgutachten vom 15. Mai 2017, sowie ein Auszug aus den UNHCR Richtlinien vom 19. April 2016 zum Parteiengehör übermittelt.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde durch die erkennende Richterin in der gegenständlichen Rechtssache am 13. September 2017 eine öffentlich mündliche Verhandlung durchgeführt. Darin führte der Beschwerdeführer zunächst aus, dass er in der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX geboren und aufgewachsen sei. Er habe keine Schule besucht, könne weder schreiben noch lesen, jedoch spreche er neben seiner Muttersprache Paschtu auch Dari und Urdu. Zu seinem Beruf befragt, gab der Beschwerdeführer an, er habe – wie auch sein Vater und seine Brüder – die letzten drei bis vier Monate vor seiner Ausreise als Fahrer in seinem Dorf gearbeitet, und habe er dabei Passagiere in ein 2 km entferntes Dorf transportiert. Der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe einen Sohn, der beinahe vier Jahre alt sei. Seine Frau und sein Kind würden gemeinsam mit seinen Eltern in XXXX im Distrikt XXXX bei der Tante leben. Er habe das letzte Mal vor ca. zweieinhalb Monaten mit seiner Familie Kontakt gehabt. Damals hätten die Amerikaner die Taliban und die Daesh bombardiert. Dabei sei auch das Haus seiner Familie in XXXX zerstört worden. Ein Teil seiner sonstigen Verwandten würde derzeit aufgeteilt im Dorf XXXX und im Dorf XXXX leben. Diese wären ebenfalls als Lenker beschäftigt. Ein Cousin von seinem Vater habe sogar drei LKWs, und würde es diesem finanziell sehr gut gehen. Auch der Familie des Beschwerdeführers würde es finanziell nicht schlecht gehen, nur wegen der Taliban hätten seine Brüder und er das Haus und die Heimat verlassen müssen. Befragt zu einer finanziellen Unterstützung durch seine Familie im Falle einer Rückkehr, gab der Beschwerdeführer an, dass seine Eltern ihm irgendwie helfen würden.

Näher befragt zum Aufenthaltsort seiner Brüder, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht wisse, wo sich sein Bruder XXXX derzeit aufhalte. Dieser sei ca. sieben oder acht Monate in der Türkei gewesen. Sein anderer Bruder, XXXX , sei derzeit in Pakistan. Wann seine Brüder Afghanistan verlassen hätten, wisse er nicht. Auf Nachfrage gab er an, dass XXXX nach dem Dezember 2016 ausgereist sein müsste. Safir Khan würde in Pakistan Geld mit dem ihnen verbliebenen LKW verdienen, wodurch er für den Lebensunterhalt der Familie in Pakistan und in Afghanistan sorgen könne.

In Österreich treffe sich der Beschwerdeführer mit seinen ungarischen, albanischen und österreichischen Freunden. Da er aber nicht gut Deutsch spreche, wäre es für ihn schwierig, österreichische Freunde zu finden. Sonst mache er nichts. Er habe bis jetzt auch keinen Deutschkurs besucht, möchte aber in Zukunft einen solchen belegen. Eine Zeit lang habe er – unangemeldet – Zeitungen verteilt. Ansonsten sei er vom Staat abhängig. Eine Straftat habe er bislang nicht begangen.

Befragt zu seinem Fluchtgrund, führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass er vor ca. drei Jahren Afghanistan aus Angst vor den Taliban verlassen habe. Die Taliban hätten ihn ein Monat lang über seinen Vater aufgefordert, sich ihnen anzuschließen. Dies habe er zunächst nicht ernst genommen. Allerdings habe er sich schon beim zweiten und dritten Mal aus Angst vor den Taliban bei seiner Tante aufgehalten. Nach der dritten Aufforderung habe er gewusst, dass sein Leben in Gefahr wäre und in weiterer Folge Afghanistan verlassen. Die Taliban hätten primär den Beschwerdeführer rekrutieren wollen, da dieser der Jüngste in der Familie sei. Schlussendlich hätten aber auch seine Brüder Afghanistan verlassen müssen, weil die Taliban seine Familie zusehends unter Druck gesetzt hätten. Er selbst sei nie direkt von den Taliban bedroht worden, sondern immer nur über seinen Vater. Da die Taliban nicht gewusst hätten, dass er bei seiner Tante gewesen sei, hätten sie ihn auch nicht gleich mitnehmen können. Seine Brüder hätten Afghanistan letztendlich wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen. Die Frage, ob seine Familie und er selbst aufgrund ihrer Zugehörigkeit zum XXXX -Stamm bedroht worden sei, verneinte der Beschwerdeführer. Die Frage, ob die Ausreise des Beschwerdeführers aus Afghanistan in irgendeinem Zusammenhang mit der Tätigkeit seines Onkels oder Cousins bei der afghanischen Aationalarmee oder Regierung stehe, verneinte dieser ebenfalls.

In seiner im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingebrachten Stellungnahme vom 12. September 2017 führte der Beschwerdeführer – soweit hier wesentlich – zu den mit der Ladung übermittelten Länderberichten aus, dass das Gutachten von XXXX zur Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes untauglich wäre. Es würden erhebliche Einwände gegen die Person des Sachverständigen bestehen, das Gutachten selbst widerspreche in zahlreichen Punkten den Anfordernissen eines Sachverständigengutachtens, sei mit schwerwiegenden Mängeln behaftet und in weiten Teilen widersprüchlich. Die Schlussfolgerungen des Gutachtens seien auf ihre Schlüssigkeit hin nicht überprüfbar, weshalb die Ladung des Sachverständigen XXXX zu einer fortgesetzten mündlichen Verhandlung beantragt werde. Weiters bringt der Beschwerdeführer vor, dass sein Heimatdorf im April 2017 von den Bombardierungen der US-Truppen sowie der afghanischen Armee gravierend betroffen gewesen sei. Die Dorfbewohner seien weder gewarnt oder evakuiert worden. Sein Vater sei vertrieben worden und lebe nun als intern Vertriebener bei dessen Schwester in XXXX . Zudem weise der Beschwerdeführer darauf hin, dass Nangarhar massiv zwischen der Regierung und regierungsfeindlichen Gruppierungen umkämpft sei und ihm neben seiner persönlichen Verfolgung durch die Taliban auch ein reales Risiko einer Verletzung von Art. 3 EMRK bzw. ein ernsthafter Schaden im Sinne des Art. 15 c der EU-Qualifikationsrichtlinie drohe.

Zu dem vom Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung eingebrachten EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan/Rekrutierungsstrategien der Taliban führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen in seiner Stellungnahme vom 28. September 2017 aus, es wäre demnach eher die Ausnahme, dass Einzelpersonen oder ihre Familien direkt von den Taliban angesprochen und gezwungen werden, sich ihnen anzuschließen. Allerdings werde auch von solchen Vorfällen berichtet. In Bezug auf seinen Herkunftsdistrikt führte der Beschwerdeführer aus, dass sowohl die Bezeichnung "Muh XXXX (oder " XXXX ") wie auch XXXX für den Herkunftsdistrikt des Beschwerdeführers gebräuchlich sei. Schließlich regte der Beschwerdeführer an, zur Frage der Auslegung des Art. 8 Abs. 1 der RL 2011/95/EU (StatusRL) im Hinblick auf die genauen Voraussetzungen der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative ein Vorabentscheidungsverfahren gemäß Art. 267 AEUV beim Gerichtshof der Europäischen Union einzuleiten.

Mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 wurde dem Bundesverwaltungsgericht ein Beschluss des Landesgerichtes XXXX , XXXX , vorgelegt, aus welchem hervorgeht, dass gegen den Beschwerdeführer wegen den §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a und 3 SMG, § 15 StGB die Untersuchungshaft verhängt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person

Der – im Spruch genannte – männliche, volljährige und verheiratete Beschwerdeführer besitzt die afghanische Staatsangehörigkeit, gehört der Volksgruppe der Paschtunen sowie dem Stamm der XXXX an und ist sunnitischer Moslem. Er wurde in Afghanistan in der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX , Dorf XXXX geboren. Seine Kernfamilie besteht aus seinen Eltern, zwei älteren Brüdern, zwei Schwestern sowie seiner Ehefrau und seinem Kind.

Der Beschwerdeführer spricht Paschtu als Muttersprache. Er hat keine Schule besucht und kann weder lesen noch schreiben. Er hat in Afghanistan, wie auch sein Vater und seine Brüder, als Fahrer gearbeitet, und dabei Passagiere transportiert. Der Beschwerdeführer hat sein Heimatdorf spätestens Ende 2014 verlassen. Sein Bruder, XXXX , ist ungefähr Ende 2016 mit seiner Familie vom Heimatdorf nach Pakistan gezogen.

Seine Eltern, seine Ehefrau und sein Kind leben nach wie vor in der Provinz Nangarhar im Distrikt XXXX . Allerdings sind sie ungefähr im April 2017 zur Schwester des Vaters in das Dorf XXXX gezogen.

Der Beschwerdeführer besitzt auch weitere Verwandte in Afghanistan, welche derzeit sowohl im Dorf XXXX , als auch im Dorf XXXX leben.

Die Kernfamilie des Beschwerdeführers besitzt einen LKW, mit welchem XXXX in Pakistan Lebensmittel transportiert, und mit dem Erlös die Familie in Afghanistan finanziell unterstützt. Ein im Dorf XXXX wohnhafter Cousin seines Vaters besitzt überdies drei LKWs.

Der Beschwerdeführer hat zu seiner Kernfamilie Kontakt. Im Falle einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan wäre seine Familie in der Lage, diesen finanziell zu unterstützen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

Er ist seit seiner Antragsstellung am 30. März 2015 durchgehend auf Grund eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts in seinem Asylverfahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig und wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt.

Er wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX 2017, Zl. XXXX , wegen den §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, 27 Abs. 2a und 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon acht Monate bedingt, verurteilt.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Verwandten und keine sonstigen besonders ausgeprägten sozialen Beziehungen. Er hat bis jetzt keine Deutschkurse besucht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan einer individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung ausgesetzt war bzw. bei einer Rückkehr sein wird.

zur Lage in Afghanistan

zur Sicherheitslage allgemein

Die Sicherheitslage ist beeinträchtigt durch eine tief verwurzelte militante Opposition. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädten und den Großteil der Distriktzentren. Die afghanischen Sicherheitskräfte zeigten Entschlossenheit und steigerten auch weiterhin ihre Leistungsfähigkeit im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand. Die Taliban kämpften weiterhin um Distriktzentren, bedrohten Provinzhauptstädte und eroberten landesweit kurzfristig Hauptkommunikationsrouten.

In den letzten zwei Jahren hatten die Taliban kurzzeitig Fortschritte gemacht, wie z.B. in Helmand und Kunduz, nachdem die ISAF-Truppen die Sicherheitsverantwortung den afghanischen Sicherheits- und Verteidigungskräften (ANDSF) übergeben hatten. Die Taliban nutzen die Schwächen der ANDSF aus, wann immer sie Gelegenheit dazu haben. Der IS (Islamischer Staat) ist eine neue Form des Terrors im Namen des Islam, ähnlich der al-Qaida, auf zahlenmäßig niedrigerem Niveau, aber mit einem deutlich brutaleren Vorgehen. Die Gruppierung operierte ursprünglich im Osten entlang der afghanisch-pakistanischen Grenze und erscheint, Einzelberichten zufolge, auch im Nordosten und Nordwesten des Landes.

Mit Stand September 2016, schätzen Unterstützungsmission der NATO, dass die Taliban rund 10% der Bevölkerung beeinflussen oder kontrollieren. Die afghanischen Verteidigungsstreitkräfte (ANDSF) waren im Allgemeinen in der Lage, große Bevölkerungszentren zu beschützen. Sie hielten die Taliban davon ab, Kontrolle in bestimmten Gegenden über einen längeren Zeitraum zu halten und reagierten auf Talibanangriffe. Den Taliban hingegen gelang es, ländliche Gegenden einzunehmen; sie kehrten in Gegenden zurück, die von den ANDSF bereits befreit worden waren, und in denen die ANDSF ihre Präsenz nicht halten konnten. Sie führten außerdem Angriffe durch, um das öffentliche Vertrauen in die Sicherheitskräfte der Regierung, und deren Fähigkeit, für Schutz zu sorgen, zu untergraben. Berichten zufolge hat sich die Anzahl direkter Schussangriffe der Taliban gegen Mitglieder der afghanischen Nationalarmee (ANA) und der afghanischen Nationalpolizei (ANP) erhöht.

Einem Bericht des U.S. amerikanischen Pentagons zufolge haben die afghanischen Sicherheitskräfte Fortschritte gemacht, wenn auch keine dauerhaften. Laut Innenministerium wurden im Jahr 2016 im Zuge von militärischen Operationen – ausgeführt durch die Polizei und das Militär – landesweit mehr als 18.500 feindliche Kämpfer getötet und weitere 12.000 verletzt. Die afghanischen Sicherheitskräfte versprachen, sie würden auch während des harten Winters gegen die Taliban und den Islamischen Staat vorgehen.

Obwohl die afghanischen Sicherheitskräfte alle Provinzhauptstädte sichern konnten, wurden sie von den Taliban landesweit herausgefordert: intensive bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften verschlechterten die Sicherheitslage im Berichtszeitraum (16.8. – 17.11.2016). Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es im August 2016, mehrere große Talibanangriffe auf verschiedene Provinzhauptstädte zu vereiteln, und verlorenes Territorium rasch wieder zurückzuerobern.

Die afghanischen Sicherheitskräfte haben zwar im Jahr 2015 die volle Verantwortung für die Sicherheit des Landes übernommen; dennoch werden sie teilweise durch US-amerikanische bzw. Koalitionskräfte unterstützt.

zur Sicherheitslage in Kabul

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden im Distrikt Kabul 151 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im Zeitraum 1.9.2015. – 31.5.2016 wurden in der gesamten Provinz Kabul 161 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Transitrouten, Provinzhauptstädte und fast alle Distriktzentren. Aufständischengruppen planen oft Angriffe auf Gebäude und Individuen mit afghanischem und amerikanischem Hintergrund: afghanische und US-amerikanische Regierungseinrichtungen, ausländische Vertretungen, militärische Einrichtungen, gewerbliche Einrichtungen, Büros von Nichtregierungsorganisation, Restaurants, Hotels und Gästehäuser, Flughäfen und Bildungszentren. Nach einem Zeitraum länger andauernder relativer Ruhe in der Hauptstadt, explodierte im Jänner 2017 in der Nähe des afghanischen Parlaments eine Bombe; bei diesem Angriff starben mehr als 30 Menschen. Die Taliban bekannten sich zu diesem Vorfall und gaben an, hochrangige Beamte des Geheimdienstes wären ihr Ziel gewesen.

In der Provinz Kabul finden regelmäßig militärische Operationen statt. Taliban Kommandanten der Provinz Kabul wurden getötet. Zusammenstößen zwischen Taliban und Sicherheitskräften finden statt.

Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig religiöse Orte, wie z.B. Moscheen, an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden.

zur Sicherheitslage in Nangarahr

Im Zeitraum 1.9.2015 – 31.5.2016 wurden in der Provinz Nangarhar

1.901 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Seit dem Auftreten des Islamischen Staates in der bergreichen Provinz Nangarhar kommt es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräfte und IS-Aufständischen. Die Aktivitäten des Islamischen Staates in der Provinz sind auf einige Gebiete in Nangarhar beschränkt, insbesondere die Distrikte Achin, Kot, Haska Mina, sowie andere abgelegene Distrikte in Nangarhar. In der Provinz werden regelmäßig Luftangriffe gegen den Islamischen Staat durchgeführt. Auch werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien. In manchen Teilen der Provinz hat sich die Sicherheitslage aufgrund von militärischen Operationen verbessert.

zur Erreichbarkeit von Kabul

Beispiele für internationale Flughäfen in Afghanistan - Internationaler Flughafen Kabul:

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen. Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in den internationalen Flughafen Hamid Karzai umbenannt. Dieser liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neuer internationaler Terminal wurde hinzugefügt und der alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt.

zu den ethnischen Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2016 mehr als 33.3 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge, sind: 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken.

Zur Zwangsrekrutierung durch die Taliban

Zwang oder die sogenannte Zwangsrekrutierung zählen zu den Mechanismen bzw. Faktoren, die bei der Anwerbung zum Einsatz kommen. Allerdings sollte bei einer Definition zwischen den unterschiedlichen Akteuren, die daran beteiligt sein können, unterschieden werden.

Familienmitglieder oder nahe Verwandte können Zwang gegenüber einem Angehörigen ausüben, damit er sich den Kämpfern anschließt. Wirtschaftliche, religiöse und weitere Faktoren können eine Familie dazu bringen, eines ihrer jungen männlichen Familienmitglieder für die Taliban-Truppen zur Verfügung zu stellen oder in eine Madrassa zu schicken, wo sie ebenfalls rekrutiert werden können. Aber auch Stammes-oder Gemeinschaftsvorstehen könnten im Falle einer Gruppenmobilisierung zur Unterstützung der Taliban Zwangsmaßnahmen gegen Familien oder Einzelpersonen ergreifen. Als Gründe, warum sich Teile der Bevölkerung den Aufständischen anschließen, werden Loyalität gegenüber dem alten Taliban-Regime, wirtschaftliche Anreize, Machtkämpfe mit Staatsbediensteten, Fehden mit anderen Gemeinschaften sowie Rachegefühle aufgrund willkürlicher Tötungen durch ausländische Soldaten, genannt.

Zwangsrekrutierungen durch Militärkommandeure, Führungspersönlichkeiten oder Kämpfer der Taliban (d. h. Fälle, in denen Einzelpersonen oder ihre Familien direkt angesprochen und zur Teilnahme gezwungen werden, weil ihnen im Falle der Weigerung Vergeltung oder Gewaltanwendung angedroht werden) sind als Ausnahmen zu betrachten. Beispiele für diese Ausnahmefälle gibt es nach vorliegenden Informationen in Helmand, Kunduz, Kunar, Regionen in Pakistan und in Urusgan. Häufig werden auch die Gebiete genannt, in denen diese Ausnahmefälle auftreten: in Regionen unter ausgeprägtem Einfluss oder vollständiger Kontrolle der Taliban und in Bereichen, in denen soziale und staatliche Schutzstrukturen nicht funktionieren, wie in Flüchtlingslagern und Lagern für Binnenvertriebene.

In einigen Quellen werden Argumente aufgeführt, die gegen eine Zwangsrekrutierung sprechen: Die Taliban wollen die Bevölkerung nicht gegen sich aufbringen und verfügen über eine ausreichende Zahl von Freiwilligen, so dass Zwang nicht notwendig ist.

zur Versorgungslage allgemein

Im Jahr 2015 belegte Afghanistan im "Human Development Index" (HDI) den 171. von 188 Plätzen. Afghanistan bleibt trotz eines gewaltigen Fortschritts innerhalb einer Dekade, eines der ärmsten Länder. Die Sicherheit und politische Ungewissheit, sowie die Reduzierung internationaler Truppen, gemeinsam mit einer schwachen Regierung und Institutionen, haben Wachstum und Beschäftigung gehemmt und seit kurzem zu einer erhöhten Migration geführt.

Trotz eines guten Wirtschaftswachstums von 2007 bis 2011, stagnierte die Armutsrate bei 36%. Am häufigsten tritt Armut in ländlichen Gebieten auf, wo die Existenzgrundlage von der Landwirtschaft abhängig ist. Die Regierung hat die landwirtschaftliche Entwicklung zur Priorität erhoben. Dadurch sollen auch gering qualifizierte Afghaninnen und Afghanen bessere Chancen auf einen Arbeitsplatz bekommen. Insbesondere sollen die landwirtschaftlichen Erzeugnisse Afghanistans wieder eine stärkere Rolle auf den Weltmärkten spielen. Gerade im ländlichen Raum bleiben die Herausforderungen für eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklung angesichts mangelnder Infrastruktur, fehlender Erwerbsmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft und geringem Ausbildungsstand der Bevölkerung (Analphabetenquote auf dem Land von rund 90%) aber groß. Sicher ist, dass die jährlich rund 400.000 neu auf den Arbeitsmarkt drängenden jungen Menschen nicht vollständig vom landwirtschaftlichen Sektor absorbiert werden können.

Das BIP-Wachstum im Jahr 2015 wurde auf 1,5% geschätzt, als Faktoren zählten die sich verschlechternde Sicherheitslage, welche Privatinvestitionen schwächte; verspätete Vollstreckung des Haushaltsplanes und unvorteilhafte Wetterbedingungen, die zu einem niedrigeren landwirtschaftlichen Ertrag führten. Die wirtschaftliche Entwicklung Afghanistans wird trotz positiver Wachstumsraten in der letzten Dekade weiterhin nicht durch ein selbsttragendes Wirtschaftswachstum, sondern durch die Zuschüsse der internationalen Gebergemeinschaft stimuliert. Den größten Anteil am BIP hat der Dienstleistungssektor mit 55%, gefolgt von der Landwirtschaft mit 22,6%. Industrieproduktion ist kaum vorhanden. Trotz einer großen Bedeutung des Außenhandels – Afghanistan ist in hohem Maße von Importen abhängig – sind afghanische Produkte bisher auf internationalen sowie regionalen Märkten kaum wettbewerbsfähig. Das Wirtschaftswachstum ist in den Jahren 2014 und 2015 stark auf 1.5 - 2% gesunken; internationale Entwicklungshilfe führte zu Wachstum und Jobs in Konfliktregionen, dennoch steuerte es nicht zu einer gesteigerten Produktivität bei. Ungleichheit stieg parallel zur ungleichen Wachstumsverteilung – Regionen im Nordosten, Osten, sowie im Westen des Zentralgebietes scheinen aufgrund ihrer geografischen Abgelegenheit, starken Klimaveränderungen, niedriger Hilfe und Unsicherheit, nachzuhinken. Arbeitslosigkeit, Naturgefahren, fehlender Zugang zu Dienstleistungen, sowie Gewalt, sind Hauptfaktoren für die hohe Armutsrate in Afghanistan. Entwicklungsschwierigkeiten verstärkten die wachsende Unsicherheit, Verunsicherung und schrumpfende Hilfe.

Wichtige Erfolge wurden im Bereich des Ausbaus der Infrastruktur erzielt. Durch den Bau von Straßen und Flughäfen konnte die infrastrukturelle Anbindung des Landes verbessert werden. Große wirtschaftliche Erwartungen werden an die zunehmende Erschließung der afghanischen Rohstoffressourcen geknüpft. In Afghanistan lagern die weltweit größten Kupfervorkommen sowie Erdöl, Erdgas, Kohle, Lithium, Gold, Edelsteine und seltene Erden.

Mit dem 2014 verabschiedeten Rohstoffgesetz wurden die rechtlichen und institutionellen Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Investitionen in diesem Bereich verbessert. Entscheidend für Wachstum, Arbeitsplätze und Einnahmen aus dem Rohstoffabbau ist die Umsetzung des Gesetzes. Darüber hinaus müssen Mechanismen zum Einnahmenmanagement etabliert werden. Der Abbau der Rohstoffe erfordert große und langfristige Investitionen in die Exploration und Infrastruktur durch internationale Unternehmen. Bisher sind diese noch kaum im Abbau von Rohstoffen im Land aktiv. Derzeit niedrige Weltmarktpreise lassen die Investitionsbereitschaft zusätzlich sinken.

Im September 2016 fiel der Startschuss für das "Citizens’ Charter National Priority Program"; dieses Projekt zielt darauf ab, die Armut zu reduzieren und den Lebensstandard zu erhöhen, indem die Kerninfrastruktur und soziale Dienstleistungen der betroffenen Gemeinschaften verbessert werden. Die erste Phase des Projektes hat ein Drittel der 34 Provinzen zum Ziel; die vier Städte Balkh, Herat, Kandahar und Nangarhar sind Schwerpunkt des städtischen Entwicklungsprogrammes, welche als erste behandelt werden sollen. In der ersten Phase sollen 8,5 Millionen Menschen erreicht werden, mit dem Ziel 3,4 Millionen Menschen sauberes Trinkwasser zur Verfügung zu stellen, die Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern, Bildung, Landstraßen, Elektrizität, sowie Zufriedenheit zu steigern und Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu erhöhen. Des Weiteren zielt das Projekt darauf ab, Binnenvertriebene, Menschen mit Behinderung, arme Menschen und Frauen besser zu integrieren.

zur Versorgung mit Lebensmitteln und zu Verdienstmöglichkeiten

Lebensmittel sowie Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer auch ohne soziale/familiäre Anknüpfungspunkte sind vorhanden. Die Arbeitssuche ist in den Städten jedoch einfacher als auf dem Land.

zur medizinischen Versorgung

Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes. Eine begrenzte Zahl staatlicher Krankenhäuser in Afghanistan bietet kostenfreie medizinische Versorgung. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar e Sharif, Herat und Kandahar. Die Behandlungskosten in diesen Einrichtungen variieren. Um Zugang zu erhalten, benötigt man die afghanische Nationalität (Ausweis/Tazkira).

zur Versorgung mit Wohnraum

In Kabul sowie im Umland und auch anderen Städten stehen eine große Anzahl an Häusern und Wohnungen zur Verfügung. Die Haus- oder Wohnungsmiete hängt von der Lage ab. Die Unterbringung im Zentrum der Stadt beträgt für eine Ein-Zimmer Wohnung (Bad und Küche) beginnend von 6.000 AFA (88 USD) bis zu 10.000 AFD (146 USD) pro Monat. Die Kosten in Kabul City sind jedoch höher als in den Vororten oder auch anderen Provinzen. Private Immobilienhändler bieten Informationen zu Mietpreisen für Häuser, Apartments etc. an. Rückkehrer können bis zur 2 Wochen im IOM Empfangszentrum in Jangalak untergebracht werden.

zu den Erhaltungskosten in Kabul

Die monatlichen Lebenshaltungskosten in Kabul, für eine Person sind abhängig von den Ausgaben und liegen durchschnittlich zwischen 150-250 USD pro Person. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Kleidung, Nahrung und Transport, die Unterbringung (Miete) ist dabei nicht berücksichtigt.

zum Bankensystem in Afghanistan

Nach einer Zeit mit begrenzten Bankdienstleistungen, entstehen im Finanzsektor in Afghanistan schnell mehr und mehr kommerzielle Banken und Leistungen. Die kommerziellen Angebote der Zentralbank gehen mit steigender Kapazität des Finanzsektors zurück. Es ist einfach in Afghanistan ein Bankkonto zu eröffnen. Die Bank wird nach folgendem fragen: Tazkira/ (Personalausweis/Pass); 2 Passfotos und AFA 1,000 bis 5,000 als Mindestkapital für das Bankkonto.

Bis heute sind mehr als ein Dutzend Banken im Land aktiv:

Afghanistan International Bank, Azizi Bank, Arian Bank, Alfalah Bank Ltd., Bank-E-Millie Afghan, BRAC Afghanistan Bank, Development Bank of Afghanistan, Export Promotion Bank, Habib Bank of Pakistan, Kabul Bank, National Bank of Pakistan, Pashtany Bank, Punjab National Bank - India, The First Microfinance Bank, Ghazanfar Bank, Maiwand Bank, Bakhtar Bank. Zu deren Leistungen zählen: Internationaler Geldtransfer via SWIFT (Society For World Wide Interbank Funds Transfer), inländische Geldtransfers in Afghanistan, diverse Kreditprodukte und andere Handelsleistungen, sowie Sparen und Girokonten.

Internationaler Geldtransfer via SWIFT ist seit 2003 über die Zentralbank verfügbar. Auch kommerzielle Banken bieten derzeit internationalen Geldtransfer an, manche nutzen eigene Möglichkeiten, andere greifen auf die Ressourcen der Zentralbank zurück. Die Zentralbank kann die Nachfrage des Bankensektors nach Bargeld in afghanischer Währung sowie in US Dollar bedienen. Um Geld nach Afghanistan zu überweisen, müssen die Betroffenen ein Konto in Afghanistan haben. Die Zentralbank beabsichtigt, sich vom kommerziellen Bankgeschäft zurückzuziehen, da die kommerziellen Banken ihre Tätigkeiten in Afghanistan ausbauen. Die Zentralbank kann Überweisungen und andere Bankdienstleistungen in den Provinzen in ganz Afghanistan gewährleisten. Geldtransferanbieter wie Western Union sind ebenfalls weit verbreitet.

zur Situation im Falle einer Rückkehr

Einem Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge, verkomplizieren rückkehrende Flüchtlinge die Situation der bereits mehr als eine Million Binnenvertriebenen, deren Anzahl sich aufgrund des Aufstandes im Jahr 2016 erhöht hat. Nach Meinung des IWF wird dies die Kapazitäten des Landes überfordern.

Im Rahmen von humanitärer Hilfe wurden Binnenvertriebene, je nach Region und Wetterbedingungen, unterschiedlich unterstützt: Bargeld, Paket für Familien, winterliche Ausrüstung, Nahrungspakete, Hygienepakete, Decken, Zelte, und andere Pakete, die keine Nahrungsmittel enthielten usw. Auch wurde Aufklärung in Bereichen wie Hygiene betrieben.

Unterschiedliche Organisationen, wie z.B. das Internationale Rote Kreuz (IRC) oder das Welternährungsprogramm (WFP) usw. sind je nach Verantwortungsbereichen für die Verteilung von Gütern zuständig.

Dazu zählten: Nahrung, Zelte, sowie andere Güter, die keine Nahrungsmittel waren.

UNHCR unterstützt Rückkehrer/innen mit finanziellen Beihilfen in vier Geldausgabezentren, außerdem mit Transiteinrichtungen und elementaren Gesundheitsleistungen. Zusätzlich wurden sie in anderen Bereichen aufgeklärt, wie z.B. Schuleinschreibungen, Gefahren von Minen etc.

Im Jänner 2017 wurde ein humanitärer Plan für US$ 550 Millionen aufgestellt, mit dem Ziel im Jahr 2017 die vulnerabelste und marginalisierteste Bevölkerung des Landes zu unterstützen. Ziel sind strategische und lebensnotwendige Interventionen: Nahrung, Unterkunft, Gesundheitsvorsorge, Ernährung, sauberes Wasser und Hygiene. Im Rahmen des "Afghanistan 2017 Humanitarian Response Plan" sollen etwa 5,7 Millionen Menschen erreicht werden.

Im September 2016 suchten die Vereinten Nationen um 152 Millionen US Dollar an, um lebensnotwendige Hilfe für Internvertriebenen, nicht-dokumentierten Rückkehrer/innen und registrierten Flüchtlingen bieten zu können. Von den zugesagten 42 Millionen US Dollar wurden 40,2 Millionen US Dollar bereits entgegengenommen. Somit stand die gesamte humanitäre Unterstützung für Afghanistan im November 2016 bei 401 Millionen US Dollar.

2. Beweiswürdigung:

zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor der belangten Behörde, in der Beschwerde, und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffen werden, gelten diese ausschließlich für die Identifizierung der Person des Beschwerdeführers.

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers (Staatsangehörigkeit, Religion, Volksgruppenzugehörigkeit, Stammeszugehörigkeit, Muttersprache, Herkunftsprovinz) ergeben sich aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers; das Bundesverwaltungsgericht sieht keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren im Wesentlichen gleich gebliebenen – Angaben zu zweifeln.

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Beruf, zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang, zu seiner Ausreise nach Europa, und zu seiner Familie waren im Wesentlichen gleichbleibend und beinahe widerspruchsfrei, weshalb das Bundesverwaltungsgericht ebenfalls keine Veranlassung sieht, daran zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Herkunftsdistrikt ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Zusammenhalt mit seiner Stellungnahme vom 12. September 2017.

Die Feststellungen zu seiner Integration in Österreich ergeben sich aus seinem diesbezüglichen Vorbringen in Zusammenhalt mit den vorgelegten Bestätigungen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen diesbezüglich gleichbleibenden Angaben im Verfahren, wonach es ihm gesundheitlich gut gehe. In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, dass er seit 2016 Oleovit Tropfen und, um schlafen zu können, Schlafmittel und Beruhigungsmittel einnehme. Dass er wegen der behaupteten Schlafstörungen in (laufender) ärztlicher Behandlung sei, ist nicht hervorgekommen, und wurde bzw. konnte diesbezüglich von ihm auch nichts vorgelegt werden.

zu den Negativfeststellungen in Bezug auf individuelle gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohungen:

Der Beschwerdeführer behauptet in seiner Beschwerde u.a. eine Verfolgung durch die Taliban aufgrund einer verweigerten Zusammenarbeit, und aufgrund der Tätigkeit seines Onkels und seiner zwei Cousins bei der afghanischen Nationalarmee.

Schon allein angesichts der mangelnden Plausibilität kann diesem Fluchtvorbringen die nötige Glaubhaftigkeit allerdings nicht zuerkannt werden.

Wie vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur behaupteten Zwangsrekrutierung ausgeführt, richteten sich die Aufforderungen der Taliban zur Zusammenarbeit zwar zunächst primär gegen den Beschwerdeführer selbst, jedoch in weiterer Folge – da die Taliban den Beschwerdeführer nicht fassen hätten können – auch gegen seine Brüder (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls "R: Das heißt, wollten die Taliban Ihre Brüder nach Ihrer Flucht mitnehmen? Ja oder nein? BF: Die Taliban sagten, wenn meine Familie mich nicht hergibt, dann würden sie meine Brüder mitnehmen."). Insofern ist nicht nachvollziehbar, weshalb insbesondere sein Bruder, XXXX , welcher – wie vom Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung bestätigt (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls) – erst nach Dezember 2016 aus Afghanistan (und zwar lediglich aufgrund der allgemeinen schlechten Sicherheitslage) ausgereist ist, immerhin zwei Jahre in Afghanistan leben habe können. Bei dem Versuch diesen Umstand näher zu erklären, verwickelte sich der Beschwerdeführer zusehends in Widersprüche (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls: "R: Wie war es dann möglich, dass Ihr Bruder zwei Jahre lang in Afghanistan leben konnte? BF: Sie waren zwar in Afghanistan, aber sie gingen nicht nach Hause. R: Sie sagten vorher, dass die Taliban lange Hände haben, und dass sie jeden überall finden können, wie erklären Sie sich das? BF: Meine Brüder waren die meiste Zeit zu Hause. Sie haben das Haus nicht verlassen. Unser LKW wurde von einem anderen Lenker gelenkt. R: Bei der Einvernahme vor dem BFA im Dezember 2016 haben Sie angegeben, dass Ihr Bruder den LKW lenkt? BF: Ja, meine Brüder lenkten schon den LKW, aber nicht immer.").

Gleiches gilt auch für den Vater des Beschwerdeführers, weil auch hier nicht einsichtig ist, weshalb dieser – trotz der Aufforderungen durch die Taliban und der ihm in diesem Zusammenhang vorgeworfenen "Abtrünnigkeit" aufgrund der nichterfolgten Rekrutierung seines Sohnes (Seite 17 des Verhandlungsprotokolls) – nach wie vor in Afghanistan und zwar im Heimatdistrikt leben kann.

Davon abgesehen kann auch nicht gefolgt und mit einer behaupteten Rekrutierung unter Einsatz von Zwang nicht in Einklang gebracht werden, dass die Taliban – wie vom Beschwerdeführer behauptet – den Vater des Beschwerdeführers insgesamt einen Monat lang mehrmals sanktionslos zur Zusammenarbeit seines Sohnes aufgefordert hätten, und es dem Beschwerdeführer – trotz dieser mehrmaligen "Bedrohungen" – möglich gewesen sein soll, bei seiner Tante im Dorf XXXX , welches sich ebenfalls im Heimatdistrikt des Beschwerdeführers befindet, unbehelligt zu leben, und deckt sich dies im Übrigen auch mit den vorliegenden Länderberichten, wonach Zwangsrekrutierungen eher die Ausnahme darstellen. Dass die Taliban über seinen Verbleib – wie von ihm dazu befragt, vorgebracht – nichts gewusst hätten, überzeugt nicht, weil er in dieser Zeit laut seinen eigenen Angaben mit seinem Vater in Kontakt gestanden und gearbeitet habe (Verhandlungsprotokoll Seite 7: "R: Seit wann und bis wann haben Sie diesen Beruf ausgeübt? BF: Drei bis vier Monate habe ich diese Tätigkeit ausgeübt. R: Können Sie mir den Zeitraum genauer sagen?

BF: Die letzten drei bis vier Monate vor meiner Ausreise.") und daher für die Taliban zumindest greifbar gewesen wäre. Damit konfrontiert, verwickelte sich der Beschwerdeführer neuerlich in nicht nachvollziehbare Widersprüche (Verhandlungsprotokoll Seite 16 "R: Sie haben aber vorher angegeben, dass Sie die letzten drei bis vier Monate vor Ihrer Ausreise gearbeitet haben. Wie erklären Sie sich das? BF: Ja ich habe dies gesagt. Ich habe drei Monate sicher gearbeitet, beim vierten Monat war ich mir nicht sicher, deswegen sage ich drei oder vier Monate. Jetzt nehmen wir es so, das heißt, dass ich das vierte Monat nicht gearbeitet habe.").

In Bezug auf seine auch in der Beschwerde behauptete Verfolgung wegen der Tätigkeit seines Onkels und seiner zwei Cousins ist auszuführen, dass er diese Verfolgung im Rahmen der mündlichen Verhandlung allgemein zu seinen Fluchtgründen befragt selbst nicht (mehr) nannte, und darüber hinaus auch über ausdrückliches Befragen einen diesbezüglichen Zusammenhang mit seiner Ausreise aus Afghanistan verneinte (Seite 20 des Verhandlungsprotokolls: "R: Was würde Ihnen im Falle einer Rückkehr drohen? BF: Ich habe Angst, dass mich die Taliban mitnehmen und dass ich dann unschuldige Menschen für sie töten muss. Vor meinem eigenen Tod habe ich keine Angst, man stirbt nur einmal, aber ich möchte nicht, dass sie mich andere Menschen töten lassen. R: Steht Ihre Ausreise aus Afghanistan in irgendeinem Zusammenhang mit der Tätigkeit Ihres Onkels und Ihres Cousins bei der afghanischen Nationalarmee oder Regierung? BF: Nein, das hat nichts damit zu tun."). Dass der Beschwerdeführer trotz dieser fehlenden individuell gegen ihn gerichteten Bedrohung im Zeitpunkt seiner Ausreise aktuell einer in diesem Zusammenhang stehenden Verfolgung ausgesetzt wäre, ist nicht zu erwarten, weil andernfalls nicht nachvollziehbar wäre, wie es seiner ebenfalls von einer solchen Bedrohung betroffenen Familie nach wie vor möglich sein kann, in Afghanistan (sogar im Heimatdistrikt) zu leben.

Lediglich der Ordnung halber ist anzumerken, dass die in der mündlichen Verhandlung sowie in der Stellungnahme vom 12. September 2017 aufgrund von Bombardierungen der US-Truppen und der afghanischen Armee behauptete Vertreibung seiner Eltern im April 2017 aus seinem Heimatdorf in das Dorf XXXX mit seinem obigen Fluchtvorbringen bzw. einer individuellen den Beschwerdeführer bzw. seine Familie treffende Verfolgung in keinem Zusammenhang steht, und wurde dies vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet.

Insgesamt war daher das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers als nicht glaubhaft zu beurteilen, weshalb diesbezüglich auch keine Feststellungen getroffen werden konnten.

In Bezug auf die in der Beschwerde behauptete Verfolgung aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit machte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung keine individuelle und konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung geltend, weshalb auch mangels sonstiger Hinweise diesbezüglich keine Feststellungen zu treffen waren (Verhandlungsprotokoll Seite 19: "R: Wurden Sie oder Ihre Familie jemals wegen Ihrer Stammeszugehörigkeit bedroht? BF:

Nein.").

zu den Feststellungen in Bezug auf eine (finanzielle) Unterstützungsmöglichkeit durch die Familie:

Der Beschwerdeführer führte im Rahmen der mündlichen Verhandlung – wie auch bereits vor der belangten Behörde – selbst aus, dass die finanzielle Situation seiner Familie in Afghanistan gut sei. Sein Bruder XXXX , welcher sich in Pakistan befinden soll, würde für den Lebensunterhalt der Familie des Beschwerdeführers sorgen. Auch ansonsten sei die finanzielle Situation seiner sonstigen Angehörigen, besonders eines Cousins seines Vaters, laut seinen Angaben sogar sehr gut bis gut.

Insofern bestehen keine Bedenken, dass die mit dem Beschwerdeführer laufend in Kontakt stehende Kernfamilie den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr finanziell unterstützen kann und wird, und wird dies vom Beschwerdeführer – dazu befragt – im Übrigen auch bestätigt (Verhandlungsprotokoll Seite 11 "BF: Ja, meine Eltern würden mir irgendwie helfen. Ich bin deren Sohn."). Gründe, die gegen eine nunmehrige Unterstützungsmöglichkeit sprechen würden, sind nicht hervorgekommen, und wurden solche vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet.

zu den Feststellungen zur Lage in Afghanistan

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan ergeben sich zu einem überwiegenden Teil aus dem den Parteien übermittelten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017, zuletzt aktualisiert am 22. Juni 2017. Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Afghanistan allgemein, zu Kabul, zu Nangarhar im Speziellen sowie zur Erreichbarkeit von Kabul ergeben sich auszugsweise aus den Kapiteln 3. (Sicherheitslage), 3.1. (Kabul) ,

3.22. (Nangarhar) und 5. (Sicherheitsbehörden). Die Feststellungen zur allgemeinen Versorgungslage, zur medizinischen Versorgung und zur Versorgung mit Wohnraum sowie zum Bankensystem in Afghanistan, zu den Erhaltungskosten, zu den ethnischen Minderheiten und zu der Situation von Rückkehrern wurden aufgrund der in den Kapiteln 16. (Ethnische Minderheiten), 20. (Binnenflüchtlinge und Flüchtlinge),

21. (Grundversorgung und Wirtschaft), 22. (Medizinische Versorgung), und 23. (Rückkehr) enthaltenen Ausführungen getroffen. Die Feststellungen zur Zwangsrekrutierung ergeben sich größtenteils aus dem den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung übergegeben bzw. übermittelten EASO Bericht zu den Rekrutierungsstrategien der Taliban vom Juli 2012 und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 2. März 2017. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Feststellungen zur Lage in Afghanistan in Bezug auf die vorhandene Versorgungsmöglichkeit mit Lebensmitteln und die Verdienstmöglichkeiten ergeben sich aus dem Gutachten des in der Gerichtssachverständigenliste (www.sv.justiz.gv.at) als allgemein beeidet und gerichtlich zertifiziert eingetragenen Sachverständigen XXXX vom 5. März 2017 zu BvwG XXXX (Ia und II)), wonach kein Engpass bei der Lebensmittelversorgung und anderen Produkten des täglichen Bedarfs festgestellt werden konnte, sowie Verdienstmöglichkeiten für erwerbsfähige Rückkehrer gegeben sind. Dies deckt sich im Übrigen auch mit den sich aus dem Länderinformationsblatt ergebenden Feststellungen zur Versorgungslage allgemein, wonach die Wirtschaftslage in Afghanistan zwar angespannt, aber im Aufschwung und damit Versorgungs- und Verdienstmöglichkeiten grundsätzlich vorhanden sind. Sofern der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Stellungnahme vom 12. September 2017 dieses Gutachten bekämpft, ist darauf zu verweisen, dass er dem Gutachten von XXXX damit nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist (vgl. zu all dem den hg. Beschluss vom 4. Juli 2016, Ra 2016/04/0057, mwN).

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) – deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Unter "Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (vgl. bspw. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. September 2016, Ra 2016/19/0074 u.v.a).

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 EMRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 EMRK niedergelegte Verbot der Folter (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/18/0083).

In Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan konnte der Beschwerdeführer allerdings – wie bereits in der Beweiswürdigung näher dargestellt – keine konkrete individuelle, gegen ihn gerichtete Bedrohung, aus welcher möglicherweise eine aktuelle asylrelevante Verfolgung der Person des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat ableitbar wäre, festgestellt werden. Dem Beschwerdeführer ist es entgegen dem Beschwerdevorbringen insgesamt nicht gelungen, die von ihm behauptete Verfolgung glaubhaft zu machen.

Sonstige Anhaltspunkte für eine asylrelevante individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Bedrohung sind nicht hervorgekommen, und wurde eine solche vom Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet.

Sofern der Beschwerdeführer – ohne nähere, spezifische Ausführungen– allgemein eine Verfolgung aufgrund seiner Stammeszugehörigkeit geltend macht, ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach die Gefahr der Verfolgung nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden kann. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu zuletzt das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 2017, Ra 2016/20/0089 u.v.m.).

Anhaltspunkte dafür, dass sämtliche Angehörige des Stammes XXXX von einer systematischen Vertreibung oder massiv diskriminierenden Benachteiligung – wie oben dargestellt – in Afghanistan betroffen sind, liegen nicht vor, und wurden solche vom Beschwerdeführer im Übrigen auch nicht näher bescheinigt, weshalb das Vorliegen einer Gruppenverfolgung im Hinblick auf die Stammeszugehörigkeit des Beschwerdeführers in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen ist.

Sohin kann insgesamt nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf international

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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