Entscheidungsdatum
04.01.2018Index
97 Öffentliches AuftragswesenNorm
BVergG 2006 §2 Z16 lita sublitddText
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch die Richterin Mag.a Mandl als Vorsitzende, die Richterin Dr.in Lettner und den Richter Dr. Oppel über den Antrag der Bietergemeinschaft (Biege) W. Ges.m.b.H. / C. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, auf Nichtigerklärung der Ausschreibung betreffend das Vergabeverfahren der V. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, mit der Bezeichnung "Generalsanierung V., 1 LV Code 301 – Teil-Generalunternehmer Technik-Errichtung HKLS+MSR+ET" den
BESCHLUSS
gefasst
I. Der Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung im Vergabeverfahren "Generalsanierung V., 1 LV Code 301 - Teil-Generalunternehmer Technik-Errichtung HKLS+MSR+ET" wird gemäß § 21 WVRG als gegenstandslos erklärt. Das Nachprüfungsverfahren wird eingestellt.
II. Gemäß § 16 Abs. 1 WVRG 2014 hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin Pauschalgebühren für den Nachprüfungsantrag in der Höhe von 1.560,50 Euro binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Soweit sich der Kostenrückerstattungsantrag auf die Pauschalgebühr, die für die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung entrichtet wurde, erstreckt, wird er gemäß § 16 Abs. 2 WVRG 2014 abgewiesen.
IV. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof zur Rechtsfrage, ob der gegenständliche Nachprüfungsantrag rechtzeitig war, zulässig. Ansonsten ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Begründung
Die V. GmbH (in der Folge: Antragsgegnerin) führt ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe eines Auftrages zur Ausführung von Bauleistungen im Oberschwellenbereich. Die Frist zur Abgabe eines Teilnahmeantrages endete mit 29.8.2017. Die Biege 1. W. Ges.m.b.H. 2. C. GmbH (in der Folge: Antragstellerin) gab einen Teilnahmeantrag ab und wurde in der Folge zur Abgabe eines Angebotes bis 27.10.2017 eingeladen.
Die Antragstellerin brachte am 19.10.2017 bei der Wiener Schlichtungsstelle für Vergabeangelegenheiten einen Schlichtungsantrag betreffend die „Ausschreibung“ ein. Mit Schreiben vom 24.10.2017 wurde der Antragstellerin von der Schlichtungsstelle mitgeteilt, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wird, da es sich gegenständlich um ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung handelt und die Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages bereits vor Einbringung des Schlichtungsantrages verstrichen ist.
Am 24.10.2017 brachte die Antragstellerin den verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrag beim Verwaltungsgericht Wien ein. Sie beantragte darin, ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten und die Ausschreibung wegen Rechtswidrigkeit für nichtig zu erklären, in eventu die vergaberechtswidrigen Bestimmungen in der Ausschreibung gemäß Punkt 5. des Nachprüfungsantrages für nichtig zu erklären. Weiters beantragte die Antragstellerin, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Schließlich beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer Einstweiligen Verfügung dahingehend, dass die Fortsetzung des gegenständlichen Vergabeverfahrens untersagt und das Vergabeverfahren sowie die Angebotsfrist ausgesetzt werden mögen, in eventu der Antragsgegnerin die Angebotsöffnung untersagt werden möge sowie der Antragsgegnerin der Ersatz sämtlicher durch die Antragstellerin entrichteten Gebühren aufgetragen werden möge. Diese Einstweilige Verfügung wurde mit Beschluss vom 2.11.2017, Zahl VGW-123/V/072/14425/2017-1, erlassen.
Die Antragstellerin erstattete ein ausreichendes Vorbringen zu ihrem Interesse am Vertragsabschluss und zu dem ihr entstandenen bzw. drohenden Schaden durch die von ihr geltend gemachten Rechtswidrigkeiten der Ausschreibung. Sie brachte weiters vor, dass die angefochtene Ausschreibung aus den von ihr in der Folge näher ausgeführten Gründen rechtswidrig sei.
Die Antragstellerin erachtete sich durch die rechtswidrigen Ausschreibungsbestimmungen zusammengefasst in ihren Rechten auf Durchführung eines vergaberechtskonformen Vergabeverfahrens gemäß § 19 Abs 1 BVergG 2006, auf eine vergaberechtskonforme Gestaltung der Ausschreibungsunterlagen unter Einhaltung der Grundprinzipien gemäß § 78 Abs 3 BVergG sowie § 96 BVergG, auf Gleichbehandlung aller Bieter und Durchführung eines fairen und lauteren Wettbewerbs sowie auf Zuschlagserteilung für verletzt.
Der Nachprüfungsantrag wurde der Antragsgegnerin zur Kenntnis gebracht und es wurde ihr Gelegenheit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Mit Schriftsatz vom 15.10.2017 machte die Antragsgegnerin Ausführungen zum bisherigen Ablauf des Vergabeverfahrens und führte weiters aus, dass die von der Antragstellerin angefochtenen Punkte der Ausschreibung bereits bestandsfest seien. Die Antragstellerin habe mit Schlichtungsantrag vom 19.10.2017 die Wiener Schlichtungsstelle für Vergabeangelegenheiten angerufen. Gemäß § 6 Abs. 1 WVRG 2014 könne ein Schlichtungsantrag bei Durchführung eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntgabe jedoch lediglich bis zum Ende der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrags zur Überprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung angerufen werden. Diese Bestimmung regle nach den Materialien zum WVRG abschließend jene Verfahrensarten, in welchen die Schlichtungsstelle angerufen und bis zu welcher Phase des jeweiligen Verfahrens eine Prüfung beantragt werden könne.
Im gegenständlichen Verfahren habe die Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages am 29.8.2017 geendet. Vor diesem Hintergrund sei die Verständigung der Wiener Schlichtungsstelle für Vergabeangelegenheiten vom 24.10.2017 erfolgt, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt werde, da die entsprechende Frist bereits verstrichen sei.
Auch sei hervorzuheben, dass der Schlichtungsantrag am letzten Tag der Anfechtungsfrist gemäß § 24 Abs. 4 WVRG 2014, somit am 19.10.2017, bei der Schlichtungsstelle eingebracht worden sei. § 6 Abs. 3 WVRG 2014 sehe zwar eine Fortlaufhemmung für die Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages für die Dauer der Anhängigkeit eines Schlichtungsverfahrens vor, ein unzulässiger Schlichtungsantrag (wie gegenständlich mangels Zuständigkeit) führe jedoch nicht zur Anhängigkeit eines Schlichtungsverfahrens und damit auch nicht zur Hemmung der Frist für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages. Die Anfechtungsfrist habe daher am 19.10.2017 geendet.
Da die gegenständlichen Ausschreibungsunterlagen somit dem Rechtsbestand angehörten und nicht Gegenstand eines weiteren Nachprüfungsverfahrens sein könnten, seien die Anträge der Antragstellerin zurückzuweisen.
Mit ergänzender Stellungnahme vom 25.10.2017 führte die Antragsgegnerin aus, woraus sich die Eigenschaft der Antragsgegnerin als öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006 ergebe.
Mit Schriftsatz vom 30.10.2017 erteilte die Antragsgegnerin die erforderlichen allgemeinen Auskünfte zum gegenständlichen Vergabeverfahren und wiederholte im Wesentlichen ihr Vorbringen zur Verspätung des Nachprüfungsantrags.
Mit Schriftsatz vom 2.11.2017 verwies die Antragsgegnerin neuerlich auf ihre Argumentation zur Verfristung des verfahrenseinleitenden Antrags und wiederholte diese teilweise. Weiters liege keine Rechtswidrigkeit der Ausschreibungsunterlagen vor.
Die Antragsgegnerin legte dem Gericht auftragsgemäß den Vergabeakt vor.
Die Schriftsätze der Antragsgegnerin wurden der Antragstellerin zur Kenntnis gebracht und es wurde ihr die Möglichkeit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben.
Die Antragstellerin entgegnete mit Schriftsatz vom 23.11.2017, dass die Schlichtungsstelle für die Überprüfung der Ausschreibung zuständig gewesen wäre. Es sei daher aufgrund der Einbringung des Schlichtungsantrags vom 19.10.2017 bis 24.10.2017 ein Schlichtungsverfahren anhängig gewesen. Die Frist zur Einbringung eines Antrags auf Nichtigerklärung sei nach dem Gesetzeswortlaut für die Dauer der Anhängigkeit eines Schlichtungsverfahrens gehemmt. Der gegenständliche Nachprüfungsantrag sei daher unter Berücksichtigung der Fristhemmung des § 6 Abs. 3 WVRG 2014 fristgerecht eingebracht worden. Die im Nachprüfungsantrag angeführten Bestimmungen der Ausschreibung würden gegen die einschlägigen Vorschriften des BVergG 2006 verstoßen, woran auch die Bieterfragebeantwortung der Antragsgegnerin vom 17.10.2017 nichts ändern könne.
Keinesfalls seien die im Nachprüfungsantrag monierten Punkte der Ausschreibung bestandsfest, da § 6 Abs. 1 Z 2 WVRG 2014 zwar regle, dass beim Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung die Schlichtungsstelle bis zum Ende der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages zuständig ist. Im vorletzten Satz des § 6 Abs. 1 Z 2 WVRG 2014 sei aber auch klar geregelt, dass die Prüfung der Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen sowie der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages unter Anwendung des § 24 Abs. 4 beantragt werden könne. Mit dem Wort „sowie“ sei klargestellt, dass die Schlichtungsstelle sowohl für die Prüfung der Ausschreibungsunterlagen als auch der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages zuständig sei.
Verwiesen werde auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 22.6.2011, Zahl VwGH 2007/04/0037, wonach in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung, wenn die Ausschreibungsunterlagen erst gemeinsam mit der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes übermittelt würden, die Ausschreibung innerhalb der Frist des § 321 Abs. 2 Z 2 BVergG 2006 (§ 321 Abs. 4 idgF) bekämpft werden könne.
Diese Auslegung entspreche auch dem Zweck der Schlichtungsstelle, die die Aufgabe habe, vor Angebotsabgabe möglichst viele Schlichtungen zu erzielen. Dieses Ziel wäre jedoch im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung niemals zu erreichen, wenn die Ausschreibungsunterlagen nicht Gegenstand eines Schlichtungsverfahrens sein könnten.
Auch in den Materialien zum Gesetzesentwurf werde klargestellt, dass die Ergänzung des vorletzten Satzes in § 6 Abs. 1 Z 2 WVRG einen möglichen Widerspruch zu § 24 Abs. 4 WVRG 2014 verhindern solle. Darin werde normiert, dass Ausschreibungsunterlagen bis 7 Tage vor Ablauf der Angebotsfrist bekämpft werden könnten. Aufgrund des Verweises müsse dies auch für Schlichtungsverfahren gelten.
Unrichtig sei auch, dass die Fortlaufhemmung des § 6 Abs. 3 WVRG 2014 dann nicht gelte, wenn die Schlichtungsstelle unzuständig sei. Nach dem Gesetzestext sei die Frist für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages für die Dauer der Anhängigkeit eines Schlichtungsverfahrens gehemmt. Im vorliegenden Fall sei ein Antrag auf Schlichtung gestellt worden. Es sei von der Schlichtungsstelle eine Aktenzahl vergeben und eine mündliche Verhandlung anberaumt worden. Das Schlichtungsverfahren sei daher anhängig gewesen. Die Frist für die Einbringung des Nachprüfungsantrages sei daher unabhängig von Zuständigkeitsfragen bis 24.10.2017 gehemmt gewesen und der Antragstellerin von der Schlichtungsstelle mitgeteilt worden sei, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt würde.
In der Folge wiederholt die Antragstellerin im Wesentlichen ihr inhaltliches Vorbringen, weshalb aus ihrer Sicht die angefochtenen Ausschreibungsunterlagen gegen Bestimmungen bzw. Grundsätze des Vergaberechts verstoßen.
Mit der Replik vom 27.11.2017 wiederholte und untermauerte die Antragsgegnerin im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen unter Bezugnahme auf die o.a. Stellungnahme der Antragstellerin.
Am 30.11.2017 wurde vor dem Verwaltungsgericht Wien eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
Mit Bekanntgabe vom 6.12.2017 teilte die Antragsgegnerin mit, dass beabsichtigt sei, das gegenständliche Vergabeverfahren zu widerrufen. Die dem Schreiben in Kopie beiliegende Widerrufsentscheidung sei am 4.12.2017 an die Bieter versandt worden. Der Widerruf sei aus den näher ausgeführten organisatorischen und technischen Gründen erforderlich geworden, eine materielle Klaglosstellung der Antragstellerin sei damit nicht erfolgt. Das Nachprüfungsverfahren sei zwar einzustellen, dies jedoch nicht vor dem Hintergrund, dass die von der Antragstellerin behaupteten Rechtswidrigkeiten vorlägen. Die Antragstellerin sei daher nicht als obsiegende Partei einzustufen und habe die anfallenden Pauschalgebühren selbst zu tragen.
Mit Schriftsatz vom 18.12.2017 teilte die Antragsgegnerin mit, dass das gegenständliche Vergabeverfahren nach Ablauf der Stillhaltefrist widerrufen worden sei. Die dem Schreiben in Kopie beiliegende Widerrufserklärung vom 15.12.2017 sei an die Bieter übermittelt worden.
Diese Schreiben der Antragsgegnerin wurden der Antragstellerin weitergeleitet und es wurde ihr Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Mit Schriftsatz vom 21.12.2017 verwies die Antragstellerin auf die Regelung des § 16 Abs. 1 WVRG 2014 und brachte vor, dass durch den Widerruf der Ausschreibung eine Klaglosstellung im Sinne des § 21 WVRG 2014 vorliege. Die Gründe für die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Ausschreibung zu widerrufen, seien für die Frage des Pauschalgebührenersatzes irrelevant. Alle Anträge würden somit aufrechterhalten.
Folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt steht als erwiesen fest:
Bei der Antragsgegnerin, der V. GmbH, handelt es sich um eine öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG 2006. Dies blieb unbestritten. Der verfahrensgegenständliche Antrag auf Nichtigerklärung der Ausschreibung bzw. der im Nachprüfungsantrag näher ausgeführten Festlegungen in dieser Ausschreibung richtet sich gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung im Sinne des § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BVergG 2006. Er enthält die gemäß § 23 Abs. 1 WVRG 2014 erforderlichen Angaben, insbesondere auch solche zum Interesse der Antragstellerin am Vertragsabschluss und zum behaupteten drohenden Schaden. Die Entrichtung der Pauschalgebühren wurde nachgewiesen.
Die Antragsgegnerin führt ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe einer Bauleistung im Oberschwellenbereich durch. Es handelt sich bei den ausgeschriebenen Leistungen um solche der Bereiche Heizung – Klima – Lüftung – Sanitär, Mess-, Steuer- und Regelungstechnik und Elektrotechnik.
Die Frist zur Abgabe eines Teilnahmeantrages endete mit 29.8.2017. Die Antragstellerin hat einen Teilnahmeantrag abgegeben und wurde am 27.9.2017 zur Abgabe eines Angebotes bis 27.10.2017 eingeladen.
Am 19.10.2017 brachte die Antragstellerin bei der Wiener Schlichtungsstelle für Vergabeangelegenheiten einen zum verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrag weitgehend gleichlautenden Antrag auf Einleitung und Durchführung eines Schlichtungsverfahrens hinsichtlich der Ausschreibung ein.
Mit Schreiben vom 24.10.2017 teilte die Wiener Schlichtungsstelle für Vergabeangelegenheiten der Antragstellerin und der Antragsgegnerin mit, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wird, da es sich gegenständlich um ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntgabe handelt und die Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages bereits vor Einbringung des Schlichtungsantrages verstrichen war.
Am 24.10.2017 brachte die Antragstellerin den gegenständlichen Nachprüfungsantrag ein.
Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien hat die Antragsgegnerin das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren widerrufen.
In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes festzuhalten:
Gemäß § 2 Z 16 lit. a sublit. dd BvergG 2006 sind im Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung folgende, nach außen in Erscheinung tretende Entscheidungen gesondert anfechtbar: die Ausschreibung (Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages); die Nicht-Zulassung zur Teilnahme; die Aufforderung zur Angebotsabgabe; sonstige Festlegungen während der Verhandlungsphase bzw. während der Angebotsfrist; das Ausscheiden eines Angebotes; die Widerrufsentscheidung; die Zuschlagsentscheidung.
Gemäß § 6 Abs. 1 WVRG 2014 kann eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, die oder der ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG 2006 oder des BVergGVS 2012 unterliegenden Vertrages behauptet und die Möglichkeit des Entstehens eines Schadens durch eine behauptete Rechtswidrigkeit darlegt,
1. in offenen Verfahren sowie in nicht offenen Verfahren und Verhandlungsverfahren jeweils ohne vorherige Bekanntmachung bis zum Ablauf der Angebotsfrist sowie
2. in nicht offenen Verfahren und Verhandlungsverfahren jeweils mit vorheriger Bekanntmachung und bei Wettbewerben bis zum Ende der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages
bei der Wiener Schlichtungsstelle für Vergabeangelegenheiten die Prüfung einer in dem Verfahren ergangenen gesondert anfechtbaren Entscheidung schriftlich beantragen. Gleichzeitig kann beantragt werden, nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen, die der gesondert anfechtbaren Entscheidung zeitlich vorangegangen sind, zu prüfen. Die Prüfung der Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen sowie der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages kann unter Anwendung der Fristen gemäß § 24 Abs. 4 beantragt werden. In dem Antrag ist ein bestimmtes Begehren zu stellen.
Gemäß § 16 Abs. 1 und 2 WVRG 2014 hat die oder der vor dem Verwaltungsgericht Wien, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragstellerin oder Antragsteller Anspruch auf Ersatz ihrer oder seiner gemäß § 15 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin oder den Auftraggeber. Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz ihrer oder seiner gemäß § 15 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin oder den Auftraggeber, wenn sie oder er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt (§ 21) wird.
(2) Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf einstweilige Verfügung besteht nur dann, wenn
1. dem Nichtigerklärungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und
2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde.
Gemäß § 20 Abs. 1 WVRG 2014 kann eine Unternehmerin oder ein Unternehmer, die oder der ein Interesse am Abschluss eines dem BVergG 2006 unterliegenden Vertrages behauptet, die Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung (§ 2 Z 16 lit. a BVergG 2006) der Auftraggeberin oder des Auftraggebers im Verfahren zur Vergabe von Aufträgen wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern ihr oder ihm durch eine behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Dem Antrag auf Nichtigerklärung kommt keine aufschiebende Wirkung für das betreffende Verfahren zur Vergabe von Aufträgen zu. Nicht gesondert anfechtbare Entscheidungen (§ 2 Z 16 lit. b BVergG 2006) können nur gemeinsam mit der ihnen jeweils nächstfolgenden gesondert anfechtbaren Entscheidung angefochten werden. Dies gilt in gleicher Weise für Nichtigerklärungsverfahren betreffend die Vergabe von Aufträgen nach dem BVergGVS 2012.
Gemäß § 21 WVRG 2014 ist der Antrag, wenn er nicht zurückgezogen wird oder als zurückgezogen gilt, nach Anhörung der Antragstellerin oder des Antragstellers in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren einzustellen, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass die Antragstellerin oder der Antragsteller klaglos gestellt wurde.
Gemäß § 24 Abs. 1 WVRG 2014 sind Anträge auf Nichtigerklärung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung bei einer Übermittlung der Entscheidung auf elektronischem Weg oder mittels Telefax sowie bei einer Bekanntmachung der Entscheidung binnen zehn Tagen einzubringen, bei einer Übermittlung auf brieflichem Weg binnen 15 Tagen. Die Frist beginnt mit der Absendung der Entscheidung bzw. mit der erstmaligen Verfügbarkeit der Bekanntmachung.
Gemäß § 24 Abs. 4 WVRG 2014 können Anträge auf Nachprüfung der Ausschreibungs- oder Wettbewerbsunterlagen sowie der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages über die in den Abs. 1 und 2 genannten Zeiträume hinaus bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist eingebracht werden, sofern diese Frist mehr als 17 Tage beträgt. (…)
Die Erläuternden Bemerkungen zum WVRG 2014 halten zu § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes fest:
„Im Rahmen einer Neufassung des § 6 Abs. 1 des Entwurfs wurde die im Begutachtungsverfahren angeregte Konkretisierung der Antragslegitimation bei der Schlichtungsstelle korrespondierend zu der Regelung des § 20 berücksichtigt. Zudem nennt Abs. 1 nunmehr abschließend jene Verfahrensarten, in welchen die Schlichtungsstelle angerufen und bis zu welcher Phase des jeweiligen Verfahrens eine Prüfung beantragt werden kann. Die hiervon erfassten Entscheidungen ergeben sich aus § 2 Z 16 lit. a und b BVergG 2006 bzw. § 3 Z 16 lit. a und b BVergGVS 2012. Insbesondere vom Schlichtungsverfahren nicht erfasst wird somit die Ausscheidens- und die Zuschlagsentscheidung. Widerrufsentscheidungen sind von der Möglichkeit der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erfasst, sofern sie vor den in § 6 Abs. 1 Z 1 und 2 genannten Zeitpunkten erfolgen. Durch die nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens erfolgte Ergänzung des vorletzten Satzes wird nunmehr ein möglicher Widerspruch zu § 24 Abs. 4 vermieden. Der Schlichtungsantrag ist schriftlich einzubringen und hat ein bestimmtes Begehren zu enthalten.“
Im gegenständlichen Fall wurde Folgendes erwogen:
Das Gericht hatte zunächst zu erwägen, ob der gegenständliche Nachprüfungsantrag rechtzeitig eingebracht wurde. Da es sich bei der angefochtenen Entscheidung um eine Ausschreibung in einem zweistufigen Verfahren handelt, sind grundsätzlich die Bestimmungen des § 24 Abs. 4 WVRG 2014 anzuwenden, wonach der Nachprüfungsantrag über die in den Abs. 1 und 2 genannten Zeiträume hinaus bis spätestens sieben Tage vor Ablauf der Angebotsfrist, der Frist zur Vorlage der Wettbewerbsarbeiten oder der Teilnahmefrist eingebracht werden, sofern diese Frist mehr als 17 Tage beträgt.
Will man der Argumentation der Antragsgegnerin, wonach der gegenständliche Nachprüfungsantrag verspätet eingebracht wurde, folgen, so setzt dies einerseits voraus, dass ein verspäteter bzw. unzulässiger Schlichtungsantrag keine Hemmung der Nachprüfungsfrist im Sinne des § 6 Abs. 3 WVRG 2014 auslöst. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert diesbezüglich nicht. Andererseits setzt dies voraus, dass der von der Antragstellerin zunächst eingebrachte Schlichtungsantrag tatsächlich verspätet bzw. unzulässig ist.
Zur Frage der Fristenhemmung für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages durch einen verspäteten bzw. unzulässigen Schlichtungsantrag ist zunächst auf die ausdrücklichen Gesetzesbestimmungen betreffend eine vergleichbare Rechtsfrage, nämlich die aufschiebende Wirkung von Berufungen bzw. Beschwerden im Verwaltungsverfahren, zu verweisen. Eine aufschiebende Wirkung kommt gemäß § 64 Abs. 1 AVG bzw. § 13 Abs. 1 VwGVG nur rechtzeitig eingebrachten und zulässigen Berufungen bzw. Beschwerden zu. Ist ein Bescheid durch den Ablauf der Rechtsmittelfrist bereits formell rechtskräftig geworden, kann eine Berufung bzw. Beschwerde dagegen an der rechtskräftigen Entscheidung nichts mehr ändern. Ebenso ist eine gesondert anfechtbare Entscheidung (hier: Ausschreibung im Zuge der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots in der zweiten Stufe eines Verhandlungsverfahrens mit vorheriger Bekanntgabe) mit Ablauf der Anfechtungsfrist bestandsfest.
Die Zuerkennung der hemmenden Wirkung hinsichtlich der Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages an einen verspäteten oder aus anderen Gründen unzulässigen Schlichtungsantrag stünde weiters im Widerspruch zu den vom Gesetzgeber vorgesehenen kurzen Fristen für die Inanspruchnahme des vergaberechtlichen Rechtsschutzes, die ein rasches und effizientes Rechtsschutzverfahren sicherstellen sollen. Es handelt sich dabei um Präklusionsfristen, das bedeutet, dass mit Ablauf dieser Anfechtungsfristen der Rechtsanspruch erlischt und das Recht auf Stellung eines Nachprüfungsantrages hinsichtlich der jeweiligen gesondert anfechtbaren Entscheidung verloren geht. Diese kurzen Fristen und die Präklusionswirkung sollen gewährleisten, dass die am Vergabeverfahren beteiligten Wirtschaftsteilnehmer so bald wie möglich Rechtssicherheit bezüglich der angefochtenen Entscheidung haben, zumal das Vergabeverfahren im Zuge der Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens regelmäßig durch eine Einstweilige Verfügung im jeweiligen Verfahrensstand „eingefroren“ wird, um die Schaffung vollendeter Tatsachen vor Abschluss des Nachprüfungsverfahrens zu vermeiden.
Wollte man einem verspäteten oder unzulässigen Schlichtungsantrag eine fristhemmende Wirkung für den Nachprüfungsantrag zusprechen, so würde dies bedeuten, dass ein Bieter durch einen verspäteten bzw. unzulässigen Schlichtungsantrag die vom Gesetzgeber bewusst vorgesehenen kurzen Fristen für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages verlängern könnte.
Im Übrigen handelt es sich bei den Fristen zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages um verfahrensrechtliche Fristen, weshalb unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand besteht.
Die Rechtsansicht der Antragsgegnerin setzt jedoch auch voraus, dass der o.a. Schlichtungsantrag tatsächlich verspätet bzw. unzulässig war.
Das WVRG 2014 normiert in § 6 Abs. 1 Z 2, dass ein Schlichtungsantrag betreffend Meinungsverschiedenheiten in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung bis zum Ende der Frist zur Abgabe eines Teilnahmeantrages gestellt werden kann. Dies war im gegenständlichen Vergabeverfahren der 29.8.2017.
Die Erläuternden Bemerkungen zum WVRG 2014 halten zur o.a. Bestimmung fest, dass Abs. 1 nunmehr abschließend jene Verfahrensarten nenne, in welchen die Schlichtungsstelle angerufen und bis zu welcher Phase des jeweiligen Verfahrens eine Prüfung beantragt werden kann.
§ 6 Abs. 1 Z 2 WVRG 2014 normiert im vorletzten Satz jedoch auch, dass die Prüfung der Ausschreibung- und Wettbewerbsunterlagen sowie der Aufforderung zur Abgabe eines Teilnahmeantrages unter Anwendung der Fristen gemäß § 24 Abs. 4 WVRG 2014 beantragt werden kann.
Dazu halten die Erläuternden Bemerkungen zum WVRG 2014 fest, dass durch die nach Abschluss des Begutachtungsverfahrens erfolgte Ergänzung des vorletzten Satzes nunmehr ein möglicher Widerspruch zu § 24 Abs. 4 vermieden wird.
§ 6 Abs. 1 Z 2 vorletzter Satz WVRG 2014 enthält keine Einschränkung, wonach diese Regelung nur für den Zeitraum bis zum Ende der Frist zur Abgabe des Teilnahmeantrages zuträfe.
Einem Verständnis dieser Bestimmungen, wonach die Erweiterung der Anfechtungsfrist in § 6 Abs. 1 Z 2 vorletzter Satz WVRG 2014 nur jene Ausschreibung- und Wettbewerbsunterlagen betrifft, die vor dem in § 6 Abs. 1 Z 2 1. Satz normierten Termin, nämlich vor dem Ende der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrages, liegen, steht weiters der uneingeschränkte Verweis auf § 24 Abs. 4 WVRG 2014 entgegen, der diese Erweiterung ausdrücklich „über die in den Abs. 1 und 2 genannten Zeiträume hinaus“ vorsieht. In § 24 Abs. 4 WVRG 2014 ist keine Einschränkung auf Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen bis zu einem bestimmten Stadium des Vergabeverfahrens vorgesehen. Die Vermeidung eines Widerspruches zwischen den Regelungen über die Fristen für Schlichtungsanträge und Nachprüfungsanträge, wie dies die Erläuternden Bemerkungen zur o.a. Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 2 vorletzter Satz als Ziel des Gesetzgebers formulieren, spräche jedenfalls für ein einheitliches Verständnis der für die Antragstellung vorgesehenen Fristen bzw. der gesondert anfechtbaren Entscheidungen, auf die sich diese Anträge beziehen können.
Wenn die o.a. Erwägungen auch dafür sprechen, dass in den Fällen, in denen von der Schlichtungsstelle gemäß § 6 Abs. 2 WVRG 2014 mitgeteilt wird, dass (wegen Verspätung oder Unzulässigkeit des Schlichtungsantrages) kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wird, trotz einer dadurch für den Antragsteller bestehenden Unsicherheit hinsichtlich der ihm für den Nachprüfungsantrag zur Verfügung stehenden Frist, nicht von einer „Anhängigkeit des Schlichtungsverfahrens“ im Sinne des § 6 Abs. 3 WVRG 2014 auszugehen ist und eine Hemmung der Frist für die Einbringung eines Nachprüfungsantrages nicht eintritt, so ist in § 6 WVRG 2014 jedoch nicht eindeutig festgelegt, dass ein Schlichtungsantrag betreffend die Ausschreibung im zweistufigen Verfahren nur bis zum Ende der Frist zur Abgabe eines Teilnahmeantrages zulässig ist und der von der Antragstellerin zunächst gestellte Schlichtungsantrag tatsächlich verspätet war.
Im vorliegenden Fall erfolgte die Aufforderung zur Angebotsabgabe am 27.9.2017. Das Ende der Angebotsfrist war am 27.10.2017. Unter Berücksichtigung des § 24 Abs. 4 WVRG 2014 war die Stellung eines Nachprüfungsantrags bezüglich der Ausschreibungsunterlagen bis 19.10.2017 zulässig. An diesem Tag stellte die Antragstellerin den Schlichtungsantrag.
Die Schlichtungsstelle hat den Schlichtungsantrag als verspätet angesehen und der Antragstellerin mitgeteilt, dass kein Schlichtungsverfahren durchgeführt wird, da sie im gegenständlichen Vergabeverfahren offenbar das Ende der Frist zur Abgabe des Teilnahmeantrages als absolutes Limit für die Einbringung eines Schlichtungsantrages ansah.
Im Hinblick auf den Umstand, dass der Antragstellerin ohne eindeutige gesetzliche Regelung bei einer Qualifizierung des Nachprüfungsantrags als verspätet jeglicher vergaberechtlicher Rechtsschutz hinsichtlich der von ihr angefochtenen Ausschreibung genommen wäre, war nach Rechtsansicht des erkennenden Senates jedoch davon auszugehen, dass die Frist zur Einbringung des Nachprüfungsantrags für die Dauer des Schlichtungsverfahrens gehemmt war und der Nachprüfungsantrag daher als rechtzeitig anzusehen ist. Der Antrag war daher nicht als verspätet zurückzuweisen.
Das Gericht ist an die Rechtsmeinung der Schlichtungsstelle nicht gebunden, zumal das Gesetz diesbezüglich keine der Rechtskraft zugängliche Entscheidung der Schlichtungsstelle vorsieht.
Die Antragsgegnerin hat das Vergabeverfahren nach Durchführung der mündlichen Verhandlung widerrufen, womit die angefochtene Ausschreibung keinen Bestand mehr hat. Damit hat sie die Antragstellerin hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen Nachprüfungsantrags klaglos gestellt. Es ist der Antragstellerin darin zuzustimmen, dass es dabei auf die Gründe für den Widerruf nicht ankommt. Die von der Antragstellerin gestellten Beweisanträge sind damit ebenfalls gegenstandslos geworden. Sollte die Antragsgegnerin die im widerrufenen Vergabeverfahren ausgeschriebenen Leistungen zum Gegenstand eines neuen Vergabeverfahrens machen, so hätten interessierte Bieter neuerlich die Möglichkeit, die in diesem Vergabeverfahren getroffenen gesondert anfechtbaren Entscheidungen der Antragsgegnerin bei Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit anzufechten.
Die Antragstellerin hat 2.341,-- Euro an Pauschalgebühren bezahlt (Anfechtung von Ausschreibungsunterlagen in einem Bauauftrag im Oberschwellenbereich). Sie hat gemäß § 16 Abs. 1 letzter Satz WVRG 2014 Anspruch auf Ersatz der von ihr für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühren durch die Antragsgegnerin in der Höhe von 1.560,50 Euro, da sie durch den Widerruf des Vergabeverfahrens klaglos gestellt wurde.
Anspruch auf Ersatz der Gebühren für den Antrag auf einstweilige Verfügung besteht gemäß § 16 Abs. 2 WVRG 2014, wenn 1. dem Nichtigerklärungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird und 2. dem Antrag auf einstweilige Verfügung stattgegeben wurde oder der Antrag auf einstweilige Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde. Diese Voraussetzungen lagen gegenständlich nicht vor, weshalb ein Ersatz der für die Erlassung der Einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren nicht in Frage kam. Eine andere Vorgangsweise würde dem klaren Wortlaut des Gesetzes widersprechen.
Die ordentliche Revision ist bezüglich der Frage, ob der Nachprüfungsantrag rechtzeitig war, zulässig. Nachdem zu den Fragen, ob eine Hemmung der Frist zur Einbringung eines Nachprüfungsantrages gemäß § 6 Abs. 3 WVRG 2014 auch durch einen verspäteten oder unzulässigen Schlichtungsantrag eintritt bzw. ob die Bestimmung des § 6 Abs. 1 Z 2 vorletzter Satz WVRG 2014 dahingehend zu verstehen ist, dass die Verlängerung der Frist für die Einbringung eines Schlichtungsantrages betreffend Ausschreibungs- und Wettbewerbsunterlagen nur hinsichtlich des Verfahrensstadiums vor dem Ende der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrags eintritt, keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs vorliegt, diese Fragen jedoch von allgemeiner Bedeutung für die Rechtzeitigkeit von Nachprüfungsanträgen sind, war diesbezüglich die ordentliche Revision zuzulassen.
Im Übrigen ist die ordentliche Revision unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Verspäteter Schlichtungsantrag, Fristenhemmung, Präklusionsfristen, verfahrensrechtliche Frist, FristenverlängerungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2018:VGW.123.072.14424.2017Zuletzt aktualisiert am
30.01.2018